Neuroborreliose: Auswirkungen auf das Gehirn, Diagnose und Behandlung

Die Neuroborreliose ist eine Form der Lyme-Borreliose, bei der sich Borrelien-Bakterien im Körper ausbreiten und das Gehirn oder die Nervenbahnen befallen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Neuroborreliose, einschließlich ihrer Ursachen, Symptome, Diagnose, Behandlung und möglichen Spätfolgen.

Was ist Neuroborreliose?

Die Neuroborreliose ist eine seltene Verlaufsform der Lyme-Borreliose, die etwa drei von 100 Erkrankten betrifft. Sie entsteht, wenn die Borrelien, die bakteriellen Erreger der Borreliose, das Nervensystem befallen. Die Neuroborreliose tritt gehäuft in den Sommermonaten Juli und August auf.

Borrelien gelangen durch den Stich einer infizierten Zecke in den Körper. Eine Ansteckung oder Übertragung von Mensch zu Mensch ist nicht möglich. Die Borreliose ist auf der Nordhalbkugel die häufigste Erkrankung, die von Tieren auf Menschen übertragen wird.

Ursachen

Die Borreliose wird durch das Bakterium Borrelia burgdorferi ausgelöst, das meist über Zeckenstiche und, in seltenen Fällen, durch andere blutsaugende Insekten auf den Menschen übertragen wird. Ein Zeckenstich ist nicht schmerzhaft und bleibt daher häufig unbemerkt. Über den Saugrüssel, mit dem die Zecke zusticht, gelangen die Bakterien in Haut und Blutkreislauf, wo sie sich vermehren und verschiedene Organe befallen können. Da nicht alle Zecken Träger von Borrelien sind, führt nicht jeder Zeckenstich automatisch zu einer Infektion. Das Risiko steigt allerdings mit jedem Zeckenstich und abhängig vom Alter der Tiere. Ausgewachsene (adulte) Zecken sind häufiger als junge Tiere Überträger der Borreliose.

Symptome der Neuroborreliose

Die Symptome der Neuroborreliose können von Patient zu Patient variieren und hängen oft davon ab, welcher Teil des Nervensystems betroffen ist. Die Symptome der Borreliose können je nach Erkrankungsstadium sowie individuell unterschiedlich ausfallen.

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Frühe Symptome

Zu den frühen Symptomen der Neuroborreliose gehören:

  • Wanderröte (Erythema migrans): In etwa 40% der Fälle beginnt eine Borreliose mit der Entwicklung eines Erythema chronicum migrans. Dabei bildet sich eine Rötung um die Einstichstelle, die im Verlauf in der Mitte verblasst und sich ringförmig ausbreitet. Sie kann auch an mehreren Körperstellen auftreten.
  • Grippeähnliche Beschwerden: Muskel- und Gelenkschmerzen, Fieber, Müdigkeit oder Lymphknotenschwellungen sind häufige Symptome einer Borrelioseinfektion.
  • Nervenschmerzen: Starke, oft nächtliche Schmerzen, die nicht auf Schmerzmittel ansprechen.
  • Gesichtslähmung (Fazialisparese): Eine ein- oder beidseitige Lähmung des Gesichts.
  • Hirnhautentzündung (Meningitis): Kopfschmerzen, Nackensteifigkeit und hohes Fieber, insbesondere bei Kindern.

Späte Symptome

In seltenen Fällen kann es zu einer späten Neuro-Borreliose kommen, die erst Monate, manchmal auch erst Jahre, nach dem Zeckenstich entsteht. Zu den späten Symptomen gehören:

  • Chronische Gelenkentzündungen (Lyme-Arthritis): Schubweise und wiederkehrend auftretende Entzündungen der Gelenke, meist der Kniegelenke.
  • Enzephalitis: Entzündung des Gehirns.
  • Myelitis: Entzündung des Rückenmarks.
  • Kognitive Beeinträchtigungen: Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen.
  • Psychische Symptome: Wahrnehmungsstörungen, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Ängste, Depressionen und Suizidgedanken.
  • Auffällige Gangstörung: ("spastisch-ataktische") Gangstörung
  • Probleme beim Wasserlassen
  • Taubheitsgefühl auf der Haut

Diagnose der Neuroborreliose

Wenn ein Patient einige der oben genannten Symptome aufweist und von einem zurückliegenden Zeckenstich berichtet, ergibt sich für den Arzt der Verdacht auf eine Neuroborreliose. Das gilt auch, wenn sich ein Patient an keinen Zeckenstich erinnert, aber die Möglichkeit zu einem solchen bestand oder besteht (durch Waldspaziergänge, Gartenarbeit etc.). Die Kombination mehrerer Faktoren sichert die Diagnose. Vor allem im Zusammenhang mit einer entsprechenden Anamnese stellen Ärzte die Diagnose der Neuroborreliose. Das nimmt in der Regel aber mehrere Untersuchungen in Anspruch.

Zur Abklärung des Verdachts kann der Arzt verschiedene Labortests durchführen:

  • Nachweis von Borrelien-Antikörpern: Dieser Test kann das Blut und die Gehirn-/Rückenmarksflüssigkeit (Nervenwasser oder Liquor) des Patienten auf spezifische Antikörper gegen Borrelien-Bakterien untersuchen. Die Ergebnisse solcher Tests lassen sich aber nicht immer eindeutig interpretieren, da sich auch dann noch Borrelien-Antikörper nachweisen lassen, wenn die Infektion schon lange zurückliegt und längst ausgeheilt ist.
  • Nachweis entzündlicher Liquor-Veränderungen: Finden sich in der Nervenwasser-Probe (Liquor-Probe) tatsächlich Borrelien-Antikörper, reicht das aber noch nicht für eine sichere Diagnose. Es müssen sich auch entzündliche Veränderungen im Nervenwasser nachweisen lassen. Dazu zählen etwa eine erhöhte Anzahl an weißen Blutkörperchen sowie eine Erhöhung des Gesamteiweißes.
  • Direkter Erreger-Nachweis: Zur Unterstützung der Neuroborreliose-Diagnose kann man den Erreger auch direkt im Nervenwasser nachweisen (in speziell dafür geschulten Laboratorien). Dazu nimmt man eine Liquor-Probe des Patienten und versucht, damit Borrelien-Bakterien anzuzüchten (Kultur) oder Erbgut-Schnipsel der Erreger nachzuweisen (mittels Polymerase-Kettenreaktion = PCR).
  • CXCL13-Messung: Seit einigen Jahren unterstützt man in Einzelfällen die Neuroborreliose-Diagnose mit der Messung des CXCL13-Spiegels im Nervenwasser. Das CXCL13 zählt zu den sogenannten Chemokinen. Bei fast allen Patienten mit akuter Neuroborreliose steigt der CXCL13-Spiegel im Nervenwasser deutlich an - noch bevor der Körper spezifische Antikörper gegen den Borreliose-Erreger gebildet hat.
  • Weitere Untersuchungen: Routinemäßig werden bei Verdacht auf Neuroborreliose auch gängige Blutparameter bestimmt. In bestimmten Fällen führt der Arzt noch weitere Untersuchungen durch, wie z.B. eine Magnetresonanztomografie (MRT), um eine Entzündung von Hirngefäßen (zerebrale Vaskulitis) auszuschließen.

Behandlung der Neuroborreliose

Eine Neuroborreliose wird (wie die normale Borreliose) mit Antibiotika behandelt. Zur Verfügung stehen folgende Antibiotika:

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  • Doxycyclin (als Tablette)
  • Ceftriaxon (als Infusion)
  • Cefotaxim (als Infusion)
  • Penicillin G (als Infusion)

Welches Antibiotikum der Arzt im Einzelfall für die Neuroborreliose-Therapie auswählt, hängt von den individuellen Gegebenheiten ab. Eine Rolle spielt unter anderem, wie alt der Patient ist, ob er bekanntermaßen allergisch auf eines der Antibiotika reagiert oder ob eine Schwangerschaft vorliegt. So dürfen beispielsweise schwangere Frauen und Kinder unter neun Jahren nicht mit Doxycyclin behandelt werden.

Dauer der Antibiotikatherapie

Die Dauer der Antibiotikatherapie richtet sich danach, ob eine frühe oder späte Neuroborreliose vorliegt: Bei früher Neuroborreliose werden die Antibiotika im Regelfall über 14 Tage gegeben, bei später Neuroborreliose meist 14 bis 21 Tage lang.

Bei Patienten, die sechs Monate nach der Antibiotika-Therapie immer noch beeinträchtigende Beschwerden haben, untersuchen Ärzte erneut eine Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit. Wenn die Anzahl der weißen Blutkörperchen immer noch erhöht ist und es keine andere Erklärung als die Neuroborreliose dafür gibt, wiederholen sie die Antibiotikatherapie.

Ist Neuroborreliose heilbar?

Die Neuroborreliose ist heilbar. Unter der Therapie bessern sich die neurologischen Beschwerden in fast allen Fällen und es bleiben nur sehr selten Langzeitfolgen zurück. Nur wenige Patienten berichten noch Jahre nach der Therapie von bestehenden Symptomen. Diese sind jedoch nur mild und beeinträchtigen in der Regel den Alltag nicht. Laut einer dänischen Studie hat eine ausgeheilte Neuroborreliose keine nachteiligen Auswirkungen auf die Lebenserwartung.

Spätfolgen der Neuroborreliose

Eine Neuroborreliose ist gut behandelbar und heilt in den meisten Fällen vollständig aus. Spätfolgen treten nur selten auf.

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Post-Lyme-Disease-Syndrom

Bestehen nach einer behandelten Neuroborreliose auch Monate und Jahre Beschwerden, sprechen Ärzte von einem "Post-Lyme-Disease-Syndrome" oder "Post Treatment Lyme Disease Syndrome" (PTLDS), manchmal auch "(Post-)Lyme-Enzephalopathie" oder unspezifisch "Chronische Lyme-Borreliose". Dabei werden unspezifische chronische Beschwerden wie anhaltende Müdigkeit, Antriebslosigkeit und Konzentrationsschwäche in Verbindung mit einer früheren Borreliose-Infektion gebracht - ohne dass sich ein entzündlich-infektiöser Prozess labordiagnostisch nachweisen lässt. Deshalb sollte man hier zuerst an andere Krankheitsbilder denken wie zum Beispiel an eine andere chronische Infektion, eine Autoimmunerkrankung oder eine Depression. Eine Antibiotika-Therapie ist bei einem Post-Borreliose-Syndrom nicht sinnvoll.

Mentale und psychische Auswirkungen

Eine Borreliose kann sich nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die mentale und psychische Gesundheit auswirken. Bei Borreliose können verschiedene mentale und psychische Symptome auftreten, zum Beispiel Wahrnehmungsstörungen (akustische und optische Halluzinationen, sensorische Überempfindlichkeit), Gedächtnis- und Konzentrationsschwierigkeiten, Benommenheit, Stimmungsschwankungen, Reizbarkeit, Ängste, Depressionen und Suizidgedanken.

Es ist zwar noch nicht genau bekannt, in welcher Weise, aber es ist anzunehmen, dass anhaltende entzündliche Reaktionen im Gehirn eine Rolle spielen. Mentale und psychische Symptome bei Borreliose werden von Ärztinnen und Ärzten oft nicht ernst genommen oder übersehen. Das mag daran liegen, dass allgemein noch zu wenig bekannt ist, dass die Erkrankung sich auch auf anderen als der körperlichen Ebene manifestiert.

Dennoch gibt es einige Hinweise darauf, dass eine Borreliose hinter mentalen und psychischen Beschwerden stecken könnte. Nach Meinung der klinischen Psychologinnen PhD Sheila Statlender aus Newton Centre und PhD Kristin Penza aus Norwell, beides Massachusetts (USA) ist das plötzliche Auftreten von Symptomen ein solcher Hinweis. Behandler sollten Verdacht schöpfen, wenn ein Mann oder eine Frau auf einmal und erstmals im Leben Panikattacken hat oder wenn ein guter Schüler plötzlich Probleme in der Schule bekommt. Auch das gleichzeitige Auftreten mehrerer psychischer Symptome ohne oder zusammen mit körperlichen Symptomen kann ein Hinweis sein. Ein weiterer besteht darin, dass Medikamente gegen Ängste und Depressionen nicht wirken. Es sollte außerdem berücksichtigt werden, wenn Patienten sagen, dass sie sich zwar niedergeschlagen fühlen, es sich aber nicht wie eine Depression „anfühlt“, weil sie noch andere Symptome haben, die nicht zu einer Depression passen. Als Hinweise können auch eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Licht und Lärm sowie akustische und optische Halluzinationen dienen.

Borreliose-Patienten können manchmal zur Gefahr werden. Beispielsweise kann während der Behandlung mit Antibiotika eine Jarisch-Herxheimer-Reaktion auftreten. Dadurch können Symptome wie Impulsivität und emotionale Labilität verstärkt werden, wodurch das Risiko steigt, dass die Patienten sich selbst oder andere verletzen. Außerdem ist laut einer dänischen Studie bei Borreliose das Suizidrisiko erhöht.

Prävention

Eine Impfung gegen Borreliose für den Menschen gibt es nicht. Um sich vor Zecken und damit vor einer möglichen Borreliose-Infektion zu schützen, sollten folgende Maßnahmen getroffen werden:

  • Bei Aufenthalten in der Natur lange, glatte und helle Kleidung sowie geschlossene Schuhe tragen.
  • Nach einem Aufenthalt im Freien den Körper gründlich auf Zecken absuchen.
  • Zecken so schnell wie möglich mit einer speziellen Pinzette oder mit den Fingern entfernen.
  • Die Einstichstelle nach Entfernung der Zecke mit einem Desinfektionsmittel reinigen.

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