Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox, ist ein starkes Nervengift, das in verschiedenen medizinischen Bereichen, insbesondere in der Neurologie und ästhetischen Medizin, eingesetzt wird. Obwohl die Anwendung von Botox im Allgemeinen als sicher und effektiv gilt, ist es wichtig, sich der möglichen Nebenwirkungen und Risiken bewusst zu sein. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte der Botox-Anwendung in der Neurologie, einschliesslich der Anwendungsbereiche, des Wirkmechanismus, der potenziellen Nebenwirkungen und der Vorsichtsmassnahmen, die vor und nach der Behandlung zu beachten sind.
Was ist Botulinumtoxin (Botox)?
Botulinumtoxin ist ein natürlich vorkommendes Nervengift, das vom Bakterium Clostridium botulinum produziert wird. Es ist das stärkste bekannte Nervengift und verursacht den sogenannten Botulismus. Botulinumtoxin hemmt die Übertragung von Nervenzellen auf andere Zellen, insbesondere an den Verbindungsstellen zu Muskelzellen, wodurch eine Kontraktion des Muskels schwächer wird oder ganz ausfällt. In der Medizin wird Botulinumtoxin in sehr geringen Dosen und fachgerecht angewendet, um verschiedene Erkrankungen zu behandeln.
Der Name Botox ist eigentlich eine geschützte Markenbezeichnung eines Herstellers, wird aber inzwischen als Synonym für verschiedene Produkte mit Botulinumtoxin verwendet.
Anwendungsbereiche von Botox in der Neurologie
Botulinumtoxin findet vor allem in der Neurologie breite Anwendung. Häufige Anwendungsgebiete sind:
- Bewegungsstörungen (Dystonien): Hierbei treten unwillkürliche und abnorme Muskelbewegungen auf, wie beispielsweise der Schiefhals (Torticollis) oder der Lidkrampf (Blepharospasmus).
- Spastiken: Krämpfe, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei Multipler Sklerose auftreten können.
- Vermehrter Speichelfluss (Sialorrhoe): Besonders bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Parkinson.
- Migräne: Zur Behandlung von chronischer Migräne.
- Tremor: Unterschiedliche Formen von Muskelzittern.
Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Anwendungsgebiete, wie Schielen (Strabismus), Analfissuren und verschiedene Formen von Tremor.
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Wirkmechanismus von Botulinumtoxin
Um einen Muskel zu erregen, schüttet der dazugehörige Nerv den Transmitterstoff Acetylcholin aus. Dieser veranlasst den Muskel, sich zusammenzuziehen (Kontraktion). Die Wirkung von Botox beruht auf einer irreversiblen Hemmung der Ausschüttung von Acetylcholin. Der Muskel kann sich in der Folge nicht kontrahieren - er ist für einige Zeit gelähmt.
Das Prinzip der Botulinumtoxin-Therapie besteht darin, dass die krankhaft überaktiven Muskeln durch die Injektion von Botulinumtoxin gezielt ruhig gestellt werden. Das in kleinsten Mengen gespritzte Toxin verursacht eine Schwächung des betroffenen Muskels und macht ihn weniger ansprechbar für fehlgesteuerte Nervenimpulse.
Ablauf einer Botox-Behandlung
Eine Botox-Behandlung besteht in der Injektion des Nervengifts (nach Desinfektion der betreffenden Hautstelle). Dazu ist in der Regel keine Narkose erforderlich, und der Patient muss auch nicht nüchtern zum Eingriff erscheinen.
Bevor der Arzt das Gift spritzt, erfragt er die Krankheitsgeschichte und klärt den Patienten über die möglichen Komplikationen und Risiken der Behandlung auf. Bei der Therapie von Bewegungsstörungen, Krämpfen oder Tremor spritzt der Arzt das Botulinumtoxin in den Muskel, der gelähmt werden soll. Je nach Ausmass der Krankheit müssen manchmal auch mehrere Muskeln behandelt werden. Hierbei muss der Arzt darauf achten, dass eine bestimmte Gesamtdosis an Botox nicht überschritten wird.
Mögliche Nebenwirkungen und Risiken
Obwohl die Anwendung von Botulinumtoxin als weitgehend sicher gilt, können Nebenwirkungen auftreten. Die meisten Nebenwirkungen treten aufgrund einer falschen Injektionstechnik, Dosierung oder Volumen auf. Tatsächliche allergische Reaktionen sind eher selten.
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Häufige lokale Reaktionen
- Beschwerden an der Einstichstelle
- Erytheme (Hautrötungen)
- Hämatome (blaue Flecken)
- Kurzzeitige Kopfschmerzen
- In seltenen Fällen Migräne
Verletzungen an der Einstichstelle zählen zu den häufigen lokalen Nebenwirkungen der Botulinumtoxinbehandlung. Idealerweise sollten Patienten in der Woche (oder auch länger) vor der Injektion keine blutverdünnenden oder nichtsteroidalen, antiinflammatorischen Medikamente einnehmen. Während der Behandlung können angemessene Lichtverhältnisse sowie eine Dehnung der Haut und im Anschluss ein leichter Druck auf die Injektionsstelle sowie eine Kühlung helfen, Blutergüsse zu minimieren.
Ptosis von Augenlid und Brauen
Eine Ptosis des Augenlids kann entstehen, wenn sich das Gift im Orbitalseptum ausbreitet und den oberen Augenlidheber paralysiert. Dieses Risiko kann minimiert werden, indem der Anwender das Gift subdermal in den lateralen Musculus corrugator supercilii injiziert; dabei gilt es, eine ein Zentimeter grosse Region bis zum oberen lateralen Orbitalrand freizulassen. Außerdem sollten die Volumina gering gehalten und die Patienten zur Muskelbewegung ermutigt werden, um die Aufnahme durch den Muskel zu erhöhen und die Verbreitung zu reduzieren. Sollte dennoch eine Ptosis auftreten, ist diese meist von nur kurzer Dauer (ca. zwei bis vier Wochen) Sie kann aber auch mit α-adregenen Augentropfen (z.B. Apraclonidin) behandelt werden.
Eine Ptosis der Augenbrauen wird meist durch eine Überbehandlung des Augenbrauenhebers oder durch die Ausbreitung des Gifts bei der Behandlung des Glabellakomplexes verursacht. Die Folge ist ein maskenartiges Gesicht. Auch kann es passieren, dass die Braue über das Auge „fällt“ und so zu einer „vermummten“ Erscheinung führt. Die Injektionen sollten daher stets über der tiefsten Stirnfalte appliziert werden. Bei der Behandlung von nur einer Augenbraue kann es zu einer lateral erhöhten Braue kommen („Mr. Spock Braue“).
Injektionen im unteren und mittleren Gesicht
Anwendungen von Botulinumtoxin unterhalb des Jochbogens haben oft schwächere Effekte als im oberen Drittel des Gesichts. Zudem können hier die unerwünschten Ereignisse sowohl kosmetischer als auch funktioneller Natur sein - daher sollte nur ein erfahrener Arzt mit umfassenden Anatomiekenntnissen diese Regionen behandeln. Besonders vorsichtig sollten Anwender bei toxinnaiven Patienten sein. Ein asymmetrisches Lächeln kann entstehen, wenn Injektionen in den Kinnmuskel zu stark seitlich erfolgen, oder wenn sie in den Musculus depressor anguli oris zu mittig appliziert werden.
Effekte am Platysma
Die Ausbreitung des Nervengifts in die laryngealen Muskeln oder die direkte Injektion in den Musculus sternocleidomastoideus kann zu Dysphagie, Heiserkeit und einer Schwäche im Nackenflexor führen. Sollte eine Schwäche auftreten, brauchen Patienten eventuell eine psychologische Unterstützung sowie Hilfe beim Schlucken. Der Effekt ist jedoch temporär und kennzeichnet keine systemische Toxizität.
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Weitere mögliche Nebenwirkungen
- Rötungen, Schwellungen und blaue Flecken (Hämatome) an den Einstichstellen
- Leicht brennender Schmerz bei der Injektion
- Schluckstörungen, Mundtrockenheit, Kopfschmerzen, Übelkeit (bei zu hoher Dosis)
- Einschränkung der Mimik (bei zu hoher Dosis)
In sehr seltenen Fällen kann es zu einer Wirkung auf Muskeln in der weiteren Umgebung, z. B. zu Störungen beim Schlucken kommen. Diese Nebenwirkungen bilden sich vollständig und kurzfristig wieder zurück und können für die Zeit des Auftretens behandelt werden.
Gelangt das Gift in die Blutbahn, muss sofort ein Antiserum gegeben werden. Bis dessen Wirkung einsetzt, muss der Patient beatmet werden, weil der Giftstoff die Atemmuskulatur lähmt.
Gegenanzeigen und Vorsichtsmassnahmen
Die Therapie mittels Botox-Spritze kann in den meisten Fällen problemlos durchgeführt werden. Allerdings darf das Verfahren nicht bei neuromuskulären Erkrankungen angewendet werden wie Myasthenia gravis, Lambert-Eaton-Syndrom oder der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS).
Darüber hinaus gibt es weitere Gegenanzeigen gegen Botox:
- Schwangerschaft
- Stillzeit
- Allergie gegen das Bakteriengift oder einen der anderen Bestandteile der Injektionslösung
- Entzündungen an der gewünschten Einstichstelle
Treten nach der Behandlung mit Botox Unwohlsein oder ein Schwächegefühl auf, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden.
Vor der Behandlung sollte der Patient den Arzt über alle eingenommenen Medikamente informieren, da es zu Wechselwirkungen kommen kann. Bestimmte Antibiotika (Aminoglykoside) und andere Mittel zur Muskelentspannung können die Wirkung von Botox beeinflussen.
Dauer der Wirkung
Eine genaue Vorhersage, wie lange die Botox-Wirkung anhält, kann im Allgemeinen nicht getroffen werden, da das Gift unterschiedlich schnell abgebaut wird. Im Durchschnitt beträgt die Wirkdauer etwa drei Monate. Danach kommt es zu einer Wiederaufnahme der Signalübertragung durch die Regeneration der motorischen Endplatte, weshalb wiederholte Injektionen erforderlich sind.
Außerdem bildet der Körper in seltenen Fällen Antikörper dagegen, woraufhin es rascher abgebaut wird. In diesem Fall kommt es zu einem vollständigen Wirkungsverlust der Injektionen, da der Körper selbst das Neurotoxin inaktiviert. Wenn ein Patient Antikörper gegen eines der Präparate vom Typ A gebildet hat, kann das Präparat Typ B verabreicht werden.
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