Carbamazepin bei Trigeminusneuralgie: Erfahrungen, Anwendung und Alternativen

Die Trigeminusneuralgie ist eine seltene, chronische Schmerzerkrankung, die durch heftige, einschießende Schmerzattacken im Gesicht gekennzeichnet ist. Diese Schmerzen können durch alltägliche Reize wie Sprechen, Zähneputzen, Kauen oder Schlucken ausgelöst werden. Carbamazepin, ein Antiepileptikum, ist ein häufig eingesetztes Medikament zur Behandlung dieser Erkrankung. Dieser Artikel beleuchtet die Erfahrungen mit Carbamazepin bei Trigeminusneuralgie, seine Wirkungsweise, Anwendung, Nebenwirkungen und alternative Therapieansätze.

Was ist Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie äußert sich durch kurze, Sekunden anhaltende, einschießende, extrem heftige Schmerzparoxysmen. Diese Schmerzattacken können spontan auftreten oder durch Reize wie Sprechen, Zähneputzen, Kauen oder Schlucken ausgelöst werden. Betroffen sind meist der zweite und dritte Ast des Trigeminusnervs, oft auch in Kombination. Die klassische Trigeminusneuralgie tritt vor allem im höheren Lebensalter auf. Bei jüngeren Patienten und bei Beteiligung des ersten Astes des Nervs sollte man andere Ursachen in Betracht ziehen.

Schwer lokalisierbare, leichtere, ziehende, anhaltende Schmerzen können bei einer Vielzahl von Pathologien im Bereich des Gesichtsschädels auftreten. Kann keine Erklärung im zahnärztlichen, Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen und kieferchirurgischen Fachgebiet gefunden werden, liegt meist ein idiopathischer anhaltender Gesichtsschmerz vor, der früher, in Abgrenzung zur typischen Beschwerdesymptomatik der Trigeminusneuralgie, als atypischer Gesichtsschmerz bezeichnet wurde.

Carbamazepin: Ein Eckpfeiler der medikamentösen Therapie

Carbamazepin und Oxcarbazepin sind die Mittel der ersten Wahl bei der Behandlung einer Trigeminusneuralgie. Sie sind in ihrer Wirkung den Alternativen der zweiten Wahl, wie Pregabalin oder Gabapentin, in der Regel deutlich überlegen. Allerdings sind sie gerade bei älteren Patienten oft schlecht verträglich.

Wirkungsweise von Carbamazepin

Carbamazepin senkt als Antiepileptikum die Übererregbarkeit der Nervenzellen, indem es bestimmte Ionenkanäle in den Zellmembranen blockiert. Dies reduziert die Gefahr epileptischer Anfälle und wirkt sich auch positiv auf neuropathische Schmerzen wie die Trigeminusneuralgie aus. Das Medikament stabilisiert die Nervenzellen und verhindert so die unkontrollierte Ausbreitung von Schmerzsignalen.

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Anwendung von Carbamazepin

Carbamazepin ist in Form von Tabletten, Retardtabletten und Säften erhältlich. Die Einnahme erfolgt normalerweise mit viel Flüssigkeit zu oder nach dem Essen. Die Dosierung wird individuell festgelegt, beginnend mit einer niedrigen Dosis, die langsam gesteigert wird.

Erfahrungen mit Carbamazepin

Viele Patienten berichten von einer deutlichen Schmerzlinderung unter Carbamazepin. Etwa 70 Prozent der Patienten sprechen zu Beginn auf die Behandlung an. Die Schmerzen werden reduziert oder verschwinden ganz, was zu einer erheblichen Verbesserung der Lebensqualität führt.

Allerdings gibt es auch Berichte über Nebenwirkungen, die die Einnahme von Carbamazepin erschweren können. Dazu gehören Müdigkeit, Schwindel, Benommenheit, Übelkeit und allergische Reaktionen. Bei einigen Patienten treten auch Veränderungen des Blutbildes und der Leberfunktion auf.

Nebenwirkungen und wichtige Hinweise

Neben Allergien, Blutbildveränderungen und einem Anstieg der Leberwerte gehört eine Hyponatriämie zu den häufigen laborchemischen Veränderungen unter der Behandlung mit Carbamazepin und besonders unter Oxcarbazepin. Deswegen sind unter der Behandlung mit diesen Medikamenten regelmäßige Laborkontrollen durchzuführen. Aufgrund dieser und anderer Nebenwirkungen (Stand- und Gangunsicherheit mit Fallneigung, Müdigkeit, Benommenheit) werden häufig zur Behandlung der Trigeminusneuralgie Pregabalin oder Gabapentin eingesetzt. Pregabalin und Gabapentin sind zwar besser verträglich, aber deutlich schlechter wirksam als die Mittel der ersten Wahl Carbamazepin und Oxcarbazepin.

Vor allem bei Carbamazepin ist auch noch die enzyminduzierende Wirkung in der Leber zu berücksichtigen.

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Carbamazepin kann mit vielen anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten. Deshalb müssen Patienten während der Behandlung sehr gut durch Arzt und Apotheker betreut werden.

Gegenanzeigen:

Carbamazepin darf nicht eingenommen werden bei:

  • Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einen der anderen Bestandteile des Medikaments
  • Knochenmarksschädigung
  • Bestimmter Herzrhythmusstörung (AV-Block)
  • Bestimmter Blutbildstörung (akute intermittierende Porphyrie)
  • Gleichzeitiger Einnahme von Voriconazol (gegen Pilzerkrankungen) oder MAO-Hemmern (gegen Parkinson oder Depressionen)

Carbamazepin darf nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung angewendet werden, wenn Blutbildungsstörungen, ein gestörter Natrium-Stoffwechsel oder Herz-, Nieren- oder Leberfunktionsstörungen vorliegen.

Wechselwirkungen:

Carbamazepin ist sehr anfällig für Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten. Es ist ein intensiver Induktor von CYP3A4 - fördert also stark die Bildung dieses Enzyms, das an der Verstoffwechslung zahlreicher Arzneistoffe beteiligt ist.

Das Carbamazepin kann die Wirkung von unter anderem folgenden Medikamenten vermindern:

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  • anderen Antiepileptika
  • Benzodiazepine (bei Schlafstörungen)
  • Tetrazykline (Antibiotika)
  • Indinavir (gegen HIV-Infektionen)
  • blutverdünnende Mittel (wie Warfarin, Phenprocoumon)
  • Theophyllin (bei Atemwegserkrankungen)
  • Digoxin (bei Funktionsstörungen des Herzens)
  • Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin)

Umgekehrt verringern einige Medikamente die Wirkung von Carbamazepin. Dazu gehören zum Beispiel:

  • Theophyllin
  • Doxorubicin und Cisplatin (bei Krebserkrankungen)

Wirkungen und Nebenwirkungen von Carbamazepin werden beispielsweise durch folgende Stoffe verstärkt:

Aufgrund der vielfältigen möglichen Wechselwirkungen empfiehlt sich einerseits in regelmäßigen Abständen eine Serumspiegel-Kontrolle von Carbamazepin, andererseits sollte die Wirksamkeit anderer Medikamente gut beobachtet werden, da diese womöglich durch Carbamazepin reduziert wird.

Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen:

Carbamazepin kann Nebenwirkungen wie Schwindel, Benommenheit und Müdigkeit auslösen. Deshalb raten Experten zu Beginn der Therapie davon ab, aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen oder schwere Maschinen zu bedienen. Dies gilt insbesondere in Kombination mit Alkohol, da Carbamazepin die Alkoholtoleranz vermindert.

Altersbeschränkungen:

Bei Kindern unter sechs Jahren darf der Wirkstoff Carbamazepin nur nach strenger Nutzen-Risiko-Abwägung eingesetzt werden.

Schwangerschaft und Stillzeit:

Carbamazepin kann dem Ungeborenen schaden, weshalb schwangere Frauen mit Epilepsie möglichst auf ein anderes Antiepileptikum (z.B. Lamotrigin) umgestellt werden sollten. Wenn eine sichere Umstellung nicht möglich ist, sollte die Carbamazepin-Dosierung während der Schwangerschaft so niedrig wie möglich gewählt und der Wirkstoff als Monotherapie (nicht in Kombination mit weiteren Antiepileptika) eingenommen werden.

In der Stillzeit ist die Anwendung von Carbamazepin grundsätzlich möglich. Der Säugling sollte bezüglich des Auftretens unerwünschter Nebenwirkungen beobachtet werden (wie Gewichtszunahme, allergische Hautreaktionen, Schläfrigkeit etc.). Das Risiko einer erneuten Schwangerschaft ist ebenfalls zu berücksichtigen.

Alternativen zu Carbamazepin

Wenn Carbamazepin nicht ausreichend wirksam ist oder zu starke Nebenwirkungen verursacht, gibt es verschiedene Alternativen:

  • Oxcarbazepin: Ein Carbamazepin-Analogon, das weniger zu Wechselwirkungen und Nebenwirkungen neigt.
  • Gabapentin und Pregabalin: Besser verträglich, aber oft weniger wirksam als Carbamazepin.
  • Lamotrigin: Ein Natriumkanalblocker, der bei guter Wirksamkeit, aber ungenügender Verträglichkeit der Erste-Wahl-Medikamente eingesetzt werden kann.
  • Baclofen: Ein Spasmolytikum, das bei einigen Patienten eine schmerzlindernde Wirkung hat.
  • OnabotulinumtoxinA: Ein Medikament, das die Freisetzung von Neurotransmittern hemmt und so Schmerzen reduzieren kann.
  • Lidocain intranasal/intraoral: Kann bei akuten Exazerbationen helfen.
  • Topiramat: Ein weiteres Antiepileptikum, das off-label zur Behandlung der Trigeminusneuralgie eingesetzt wird.

Operative Behandlung

Wenn die medikamentösen Optionen ausgeschöpft sind oder die Nebenwirkungen nicht tolerabel sind, können chirurgische Maßnahmen in Betracht gezogen werden. Es gibt verschiedene operative Verfahren, die je nach Alter, Allgemeinzustand und Ursache der Neuralgie geeignet sind:

  • Mikrovaskuläre Dekompression (MVD): Hierbei wird das Blutgefäß, das auf den Trigeminusnerv drückt, durch eine Schlinge oder künstliches Material so gelagert und fixiert, dass der Nerv dauerhaft entlastet wird.
  • Stimulations- und temperaturgesteuerte Elektrokoagulation: Bei älteren oder nicht belastbaren Patienten kann die Trigeminuswurzel durch Hitze verödet werden.
  • Glyzerininjektion in die Trigeminuszisterne: Hierbei wird Glyzerin in die Zisterne des Cavum Meckeli injiziert, um die Nervenfasern zu schädigen.
  • Perkutane Mikrokompression von Trigeminusganglion und -wurzel: Hierbei wird ein Ballon in das Cavum Meckeli eingeführt und aufgeblasen, um das Ganglion Gasseri zu komprimieren.
  • Radiochirurgie: Ein nichtinvasives Verfahren, bei dem die Wurzel des Trigeminusnervs einmalig bestrahlt wird.

Stufenplan zur Behandlung der Trigeminusneuralgie

Ein möglicher Stufenplan für die Behandlung der Trigeminusneuralgie könnte wie folgt aussehen:

  1. Konservative Behandlung: Medikamentöse Therapie mit Carbamazepin oder Oxcarbazepin. Bei Unverträglichkeit oder unzureichender Wirksamkeit Umstellung auf andere Medikamente wie Gabapentin, Pregabalin, Lamotrigin oder Baclofen.
  2. Invasive Verfahren: Bei Therapieresistenz oder unzumutbaren Nebenwirkungen operative Maßnahmen wie mikrovaskuläre Dekompression, Elektrokoagulation, Glyzerininjektion oder Mikrokompression.

Weitere Therapieansätze

Neben den genannten schulmedizinischen Behandlungen gibt es auch alternative Therapieansätze, die von einigen Patienten als hilfreich empfunden werden. Dazu gehören:

  • Magnesium: Einige Patienten berichten von einer Besserung der Beschwerden durch die Einnahme von Magnesium.
  • Akupunktur: Es gibt einige Studien, die auf positive Effekte der Akupunktur bei Trigeminusneuralgie hinweisen, aber es fehlen noch grundlegende Beweise.
  • Kühlen: Einige Patienten empfinden Kälte als lindernd, während andere eine Verschlimmerung der Schmerzen feststellen.
  • Vitalstoffe: Einige Patienten versorgen ihren Körper zusätzlich mit hochwertigen Vitalstoffen.

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