Carbamazepin ist ein Medikament, das hauptsächlich zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt wird. Es findet aber auch Anwendung bei anderen Erkrankungen, insbesondere bei verschiedenen Arten von Neuralgien. Dieser Artikel bietet einen detaillierten Überblick über die Carbamazepin-Dosierung bei Neuralgien, einschließlich Anwendungsgebiete, Dosierungsrichtlinien, Vorsichtsmaßnahmen und möglichen Nebenwirkungen.
Was ist Carbamazepin und wie wirkt es?
Carbamazepin gehört zur Gruppe der Antiepileptika. Es senkt die Übererregbarkeit der Nervenzellen, indem es bestimmte Ionenkanäle in den Zellmembranen blockiert. Dadurch wird die Gefahr epileptischer Anfälle reduziert.
Das menschliche Nervensystem wird durch Botenstoffe (Neurotransmitter) aktiviert oder gehemmt. Bei Erkrankungen des Nervensystems kann dieses Gleichgewicht gestört sein. Carbamazepin wirkt sich positiv auf übererregbare (geschädigte) Nerven aus, indem es die Ionenkanäle blockiert.
Carbamazepin wird relativ langsam, aber vollständig aus dem Darm ins Blut aufgenommen. Die Wirkung tritt nach vier bis 16 Stunden ein. Der Abbau erfolgt in der Leber und die Ausscheidung über die Niere (mit dem Urin) und den Darm (mit dem Stuhl). Nach etwa 16 bis 24 Stunden hat die Hälfte der aufgenommenen Carbamazepin-Dosis den Körper wieder verlassen.
Anwendungsgebiete von Carbamazepin
Carbamazepin wird bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt, darunter:
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- Epilepsien: Einfache partielle Anfälle (fokale Anfälle); Komplexe partielle Anfälle (psychomotorische Anfälle); Grand mal, insbesondere fokaler Genese (Schlaf-Grand mal, diffuses Grand mal); gemischte Epilepsieformen.
- Trigeminusneuralgie: Starke, einseitige Gesichtsschmerzen.
- Genuine Glossopharyngeus-Neuralgie: Heftige Schmerzattacken im Innervationsgebiet des IX. und X. Hirnnervs.
- Schmerzhafte diabetische Neuropathie: Nervenschädigung bei Zuckerkrankheit.
- Nichtepileptische Anfälle bei Multipler Sklerose: Wie z. B. Trigeminus-Neuralgie, tonische Anfälle, paroxysmale Dysarthrie und Ataxie, paroxysmale Parästhesien und Schmerzanfälle.
- Anfallsverhütung beim Alkoholentzugssyndrom.
- Prophylaxe manisch-depressiver Phasen: Wenn die Therapie mit Lithium versagt hat bzw. wenn Patienten unter Lithium schnelle Phasenwechsel erlebten und wenn mit Lithium nicht behandelt werden darf.
Dosierung von Carbamazepin bei Neuralgie
Die Dosierung von Carbamazepin wird individuell für jeden Patienten festgelegt. In der Regel beginnt man mit einer niedrigen Dosis, die dann langsam gesteigert wird, bis die gewünschte Wirkung erreicht ist.
- Trigeminusneuralgie: Erwachsene erhalten anfangs 150 bis 400 Milligramm, danach kann auf 300 bis 900 Milligramm gesteigert werden.
- Diabetische Neuropathie, Anfallsverhütung während der stationären Alkoholentzugsbehandlung: Durchschnittlich 600mg/Tag, in Ausnahmefällen / schweren Fällen: 1200 mg/Tag.
- Nicht-epileptische Anfälle bei Multipler Sklerose: Dosiert man mit 300 bis 900 Milligramm in zwei Einzelgaben pro Tag. Es sollte keine Kombination mit Beruhigungsmitteln bei dieser Anwendung gegeben werden.
Die Tagesdosis wird in der Regel in mehreren Einzelgaben verabreicht. Die Tabletten werden während oder nach den Mahlzeiten mit Wasser eingenommen.
Empfohlene Maximaldosis bei Kindern:
- <6 Jahren: 35 mg/kg/Tag
- 6-15 Jahre: 1000 mg/Tag
- >15 Jahre: 1200 mg/Tag
Ältere Patienten benötigen oft nur eine geringere Dosis.
Gegenanzeigen und Vorsichtsmaßnahmen
Carbamazepin darf nicht eingenommen werden bei:
- Überempfindlichkeit gegen Carbamazepin oder strukturell verwandte Medikamente (z. B. trizyklische Antidepressiva) oder einen der sonstigen Bestandteile.
- Vorliegen einer Knochenmarkschädigung, Knochenmarkdepression in der Vorgeschichte.
- Atrioventrikulärer Block.
- Hepatische Porphyrie, auch in der Vorgeschichte (z. B. akute intermittierende Porphyrie).
- Gleichzeitiger Behandlung mit einem Monoaminoxidase-Hemmer (depressionslösendes Mittel) oder wenn Sie mit einem Monoaminoxidase-Hemmer in den letzten 2 Wochen behandelt wurden.
- Gleichzeitiger Behandlung mit Voriconazol (Arzneimittel gegen Pilzerkrankungen).
Besondere Vorsicht ist geboten bei:
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- Erkrankungen der blutbildenden Organe.
- Gestörtem Natrium-Stoffwechsel.
- Schweren Herz-, Leber- oder Nierenfunktionsstörungen.
- Patienten mit myotoner Dystrophie.
- Patienten mit der Augenkrankheit grüner Star (Glaukom).
- Patienten mit bestimmten humanen Leukozyten Antigenen (HLA-A*3101).
Mögliche Nebenwirkungen
Sehr häufige Nebenwirkungen (bei mehr als zehn Prozent der Behandelten):
- Schwindel
- Müdigkeit
- Doppeltsehen
- Augenzittern
- Blickstarre
- Kopfschmerzen
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
- Teilnahmslosigkeit
- Wahrnehmungsstörungen
- Bewusstseinsstörungen
- Durchfall
- Verdauungsbeschwerden
- Übelkeit und Erbrechen
- Koordinationsstörungen
- Gedächtnisstörungen
- Schüttelkrämfe
- Zunehmende Erregbarkeit
- Zittern
- Sprachstörungen
- Abgeschlagenheit
- Merkfähigkeitsstörungen
- Denkstörungen
Häufige Nebenwirkungen (bei einem bis zehn Prozent der Patienten):
- Allergische Reaktionen
- Veränderungen des Blutbildes und der Leberfunktion
- Verringerung der Blutsalze
- Magen-Darm-Probleme
- Zahnfleischwucherungen
- Allergische Hautreaktionen mit Fieber, Nesselsucht, Juckreiz oder Hautveränderungen wie Exantheme
- Vorrübergehende Blutbildveränderungen
Gelegentliche und seltene Nebenwirkungen:
- Unwillkürliche Bewegungsstörungen wie Muskelzittern, Muskelzuckungen und Tics
- Verstopfung
- Gelbsucht
- Verminderte Natrium-Konzentrationen im Blut
- Nierenfunktionsstörungen wie Eiweißurin, Bluturin oder Harnmengenverminderung
- Herzrhythmusverlangsamung
- Herzrhythmusstörungen
- Erregungsleitungsstörungen am Herzen (AV-Block)
- Bluthochdruck
- Venenentzündungen
- Gefäßverschluss durch Blutgerinnsel
- Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautausschläge, Gefäßentzündungen, Lymphknotenschwellungen und Gelenkschmerzen
- Lebervergrößerung
- Milzvergrößerung
- Leberwerteveränderungen
Sehr seltene und vereinzelt auftretende Nebenwirkungen:
- Herzrhythmusstörungen (Auslösung eines Kammerflimmerns)
- Muskulaturermüdung
- Schwere allergische Reaktionen wie Hautentzündungen mit großblättriger Schuppung (exfoliative Dermatitis)
- Lymphdrüsenschwellungen
- Blutbildveränderungen wie Neutropenie, Leukopenie, Blutarmut, Thrombozytopenie oder Panzytopenie
- Leberfunktionsstörungen
- Depressionen
- Aggressives Verhalten
- Denkerschwernis
- Antriebsminderung
- Halluzinationen
- Ohrgeräusche
- Aktivierung verborgener Psychosen
- Sprechstörungen
- Missempfindungen
- Muskelschwäche
- Nervenentzündungen
- Beinlähmungen
- Geschmacksstörungen
- Bindehautentzündungen
- Linsentrübung
- Allergische Hautreaktionen wie Lichtempfindlichkeit, Hautrötungen
- Bestimmte Hauterkrankungen wie Stevens-Johnson-Syndrom oder Lyell-Syndrom
- Lebensbedrohliche Blutbildschäden
- Mundschleimhautentzündungen
- Leberentzündungen
- Wassereinlagerungen im Gewebe (Ödeme)
- Gewichtszunahme
- Knochenerweichung
- Blutkalziumkonzentrations-Senkung
- Brustdrüsenvergrößerung beim Mann
- Milchfluss
- Lungenüberempfindlichkeit mit Atemnot
- Lungenentzündungen oder Lungengewebsvernarbung
- Nierenversagen
- Harnverhaltung
- Harnmengenverringerung
- Sexualfunktionsstörungen (wie Impotenz, verminderte Lust)
- Hirnhautentzündungen mit Muskelkrämpfen
Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten
Carbamazepin kann mit vielen anderen Medikamenten in Wechselwirkung treten. Es ist ein intensiver Induktor von CYP3A4 - fördert also stark die Bildung dieses Enzyms, das an der Verstoffwechslung zahlreicher Arzneistoffe beteiligt ist.
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Einige Medikamente, deren Wirkung durch Carbamazepin vermindert werden kann, sind:
- Andere Antiepileptika
- Benzodiazepine (bei Schlafstörungen)
- Tetrazykline (Antibiotika)
- Indinavir (gegen HIV-Infektionen)
- Blutverdünnende Mittel (wie Warfarin, Phenprocoumon)
- Theophyllin (bei Atemwegserkrankungen)
- Digoxin (bei Funktionsstörungen des Herzens)
- Schilddrüsenhormone (L-Thyroxin)
- Hormonale Kontrazeptiva ("Pille")
Umgekehrt verringern einige Medikamente die Wirkung von Carbamazepin. Dazu gehören zum Beispiel:
- Theophyllin
- Doxorubicin und Cisplatin (bei Krebserkrankungen)
- Antiepileptika wie Phenytoin, Valproinsäure, Phenobarbital oder Primidon
Aufgrund der vielfältigen möglichen Wechselwirkungen empfiehlt sich einerseits in regelmäßigen Abständen eine Serumspiegel-Kontrolle von Carbamazepin, andererseits sollte die Wirksamkeit anderer Medikamente gut beobachtet werden, da diese womöglich durch Carbamazepin reduziert wird.
Verkehrstüchtigkeit und Bedienen von Maschinen
Carbamazepin kann Nebenwirkungen wie Schwindel, Benommenheit und Müdigkeit auslösen. Deshalb raten Experten zu Beginn der Therapie davon ab, aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen oder schwere Maschinen zu bedienen. Dies gilt insbesondere in Kombination mit Alkohol, da Carbamazepin die Alkoholtoleranz vermindert.
Schwangerschaft und Stillzeit
Carbamazepin kann dem Ungeborenen schaden, weshalb schwangere Frauen mit Epilepsie möglichst auf ein anderes Antiepileptikum (z.B. Lamotrigin) umgestellt werden sollten. Wenn eine sichere Umstellung nicht möglich ist, sollte die Carbamazepin-Dosierung während der Schwangerschaft so niedrig wie möglich gewählt und der Wirkstoff als Monotherapie (nicht in Kombination mit weiteren Antiepileptika) eingenommen werden.
In der Stillzeit ist die Anwendung von Carbamazepin grundsätzlich möglich. Der Säugling sollte bezüglich des Auftretens unerwünschter Nebenwirkungen beobachtet werden (wie Gewichtszunahme, allergische Hautreaktionen, Schläfrigkeit etc.). Das Risiko einer erneuten Schwangerschaft ist ebenfalls zu berücksichtigen.
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