Seit langem ist bekannt, dass Fette und Cholesterin bei der Entstehung von Beta-Amyloid Ablagerungen im Rahmen der Alzheimer-Krankheit eine bedeutende Rolle spielen. Die Forschungsergebnisse von Dr. Gesine Saher und ihrem Team untermauern die Annahme, dass Cholesterin die Ablagerungen von Beta-Amyloid beeinflusst. Es wird vermutet, dass der Transport von Cholesterin zwischen den Zellen des Gehirns die Ablagerung von schädlichem Beta-Amyloid während der Alzheimer-Erkrankung beeinflusst. Eine neue Studie aus Korea weist zudem darauf hin, dass sogenannte Statine (Cholesterinsenker)auch bei nicht erhöhtem Cholesterinspiegel das Demenzrisiko senken könnten. Wissenschaftler der Abteilung für Klinische Pharmakologie der Universität Bonn um Privatdozent Dr. Dr. Dieter Lütjohann klären jetzt Schritt für Schritt, warum Statine den Verlust von Hirnsubstanz bei Alzheimer hemmen.
Ein Blick auf die Risikofaktoren für die Alzheimer-Krankheit verdeutlicht dies auch: Fünf von zehn Risikofaktoren betreffen den Transport und Stoffwechsel von Fetten und Cholesterin. Die Ergebnisse dieses Projektes werden zum besseren Verständnis von Prozessen im Verlauf der Alzheimer-Krankheit beitragen und die Ursachen der Erkrankung näher beleuchten. Dies ist für die Entwicklung von neuen Therapiemöglichkeiten wichtig.
Die Rolle von Cholesterin bei Alzheimer: Forschungsprojekt von Dr. Gesine Saher
Dr. Gesine Saher vom Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin Göttingen, Abteilung für Neurogenetik, leitete ein Forschungsprojekt, das den Zusammenhang zwischen Cholesterin-Bildung und Beta-Amyloid Ablagerungen im Gehirn genauer untersuchen sollte. Das Projekt lief vom 01. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2022 und wurde von der Alzheimer Forschung Initiative e.V. gefördert.
Methodisches Vorgehen
Dr. Saher und ihr Team nutzten sowohl Zellkulturen als auch komplexe Mausmodelle für ihre Untersuchung. Mittels modernster Mikroskopie-Techniken und altbewährter biochemischer und histochemischer Methoden (Hirnschnitte) sowie Verhaltensuntersuchungen wurde das zelluläre Zusammenspiel zwischen Cholesterin und Beta-Amyloid analysiert.
Unerwartete Ergebnisse
Erstaunlicherweise zeigten die verschiedenen Zellen im Gehirn unterschiedliche Ergebnisse. Ein erniedrigter Cholesterinspiegel in den Nervenzellen brachte keine Veränderung der Beta-Amyloid-Ablagerungen mit sich. Davon war die Forscherin überrascht, schließlich sind die Nervenzellen am stärksten von den Auswirkungen der Krankheit im Gehirn betroffen.
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Der Cholesterintransport als Schlüsselfaktor
Dr. Saher fand aber heraus, dass vielmehr die Richtung des Cholesterintransports im Gehirn eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Beta-Amyloid-Ablagerungen spielt. Das Ausschalten der Cholesterinproduktion in den Stützzellen des Gehirns, den Astrozyten, führt offenbar zu Änderungen im Transport von Cholesterin zwischen den Zellen des Gehirns. Dies hemmt den Prozess der Ablagerungen und wirkt so dem Fortschreiten der Alzheimer-Krankheit entgegen. Eine defekte Produktion von Cholesterin in den Polizisten-Zellen des Gehirns, den Mikroglia-Zellen, scheint hingegen das Wachstum der Ablagerungen zu verstärken.
Möglicher Therapieansatz
Mit diesen Ergebnissen könnte ein neuer Ansatz für eine Therapie entwickelt werden, die über einen Eingriff in den Cholesterin-Kreislauf des Gehirns den Krankheitsverlauf von Alzheimer verlangsamt.
Verwendung der Fördermittel
Von den Fördermitteln wurden Gehälter (100.000 Euro) und Labormaterialien (20.000 Euro) wie Antikörper finanziert.
Weitere Forschungsergebnisse und Erkenntnisse
Cholesterin und Amyloid-Beta: Ein Regelkreis
Forscher des Nationalen Genomforschungsnetzes (NGFN) haben die physiologische Funktion jenes Eiweißes entschlüsselt, dessen Akkumulation im Gehirn zum Morbus Alzheimer führt. Nach ihrer Publikation in der Online-Ausgabe von Nature Cell Biology (2005; doi:10.1038/ncb1313) hat Amyloid-Beta eine wichtige Rolle im Cholesterinstoffwechsel, was nicht nur die Grundlagenforscher interessieren dürfte. Die Bildung von amyloiden Plaques ist das zentrale pathogenetische Kennzeichen des Morbus Alzheimer. Die Ablagerungen bestehen im Wesentlichen aus Amyloid-Beta, das auch in normalen Nervenzellen vorhanden ist, dessen physiologische Funktion aber bisher unbekannt war. Die Gruppe um Dr. Tobias Hartmann (NGFN) vermutet dagegen seit Jahren, dass Amyloid-Beta mit dem Cholesterinstoffwechsel in Zusammenhang steht, was jetzt durch eine Reihe von Experimenten bestätigt wurde, welche die Gruppe an der Bäckerhefe durchführte. Danach greift Amyloid-Beta an zentraler Stelle in den Cholesterinstoffwechsel der Nervenzelle ein.
Die Forscher sehen sogar einen direkten Zusammenhang zwischen der Alzheimer-Krankheit und dem Fettstoffwechsel. Sie postulieren einen Regelkreis, bei dem ein zu hoher Lipidgehalt in den Zellen die Produktion von Amyloid-Beta steigert - mit der Gefahr, dass das Enzym zu Amyloid „verklumpt“ und akkumuliert. Die Forscher könnten sich vorstellen, dass eine Therapie mit Statinen diese Akkumulation verhindern könnte.
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Statine und Alzheimer: Hoffnung oder Trugschluss?
Wissenschaftler der Universität Bonn haben herausgefunden, dass Statine nicht nur die Cholesterinbildung in der Leber hemmen, sondern auch im zentralen Nervensystem wirken können. Sie konnten zeigen, dass die Konzentrationen bestimmter Vorstufen des Cholesterins sowie seines Abbauprodukts 24S-Hydroxycholesterin im Liquor sinkt, wenn Patienten mit Statinen behandelt werden. "Wir vermuten, dass unter der Therapie mit Statinen im Gehirn weniger Cholesterin gebildet und dadurch auch weniger Cholesterin abgebaut wird", erläutert Lütjohann.
Eine andere Beobachtung der Wissenschaftler zeigt, dass der Cholesterinstoffwechsel im Gehirn tatsächlich etwas mit Alzheimer zu tun haben muss. Denn Statine können auch die Liquor-Konzentration von ß-Amyloid reduzieren. Dieses Protein hat für die Entstehung von Alzheimer entscheidende Bedeutung. Bei betroffenen Patienten finden sich massenhaft krankhafte Ablagerungen von ß-Amyloid im Gehirn. Lütjohann: "Wir haben beobachtet, dass die Abnahme des ß-Amyloid-Gehaltes und der Konzentration des 24S-Hydroxycholesterins, eines hirnspezifischen Abbauprodukts des Cholesterins, im Liquor sehr gut miteinander korrelieren.
Allerdings sind hierzu die bisherigen Forschungen insgesamt inkonsistent und eine Studie wies sogar auf eine Erhöhung des Risikos einer späteren Demenzerkrankung hin, wenn zum Zeitpunkt der Einnahme bereits leichte geistige Beeinträchtigungen vorhanden waren.
LDL-Cholesterin und Demenzrisiko
Viele Studien haben gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen hohem LDL-Cholesterin und späteren Demenz besteht. LDL-Cholesterin begünstigt Gefäßverkalkungen und das Fortschreiten von Ablagerungen in den Gefäßen. Eine Studie aus Korea deutet darauf hin, dass Menschen mit wenig LDL-Cholesterin (LDL-C) im Blut, unter 70 mg/dl, ein signifikant verringertes Risiko für Alzheimerdemenz haben. Eine Statintherapie kann das Demenzrisiko noch weiter reduzieren.
Weitere Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen
Die Lancet-Kommission hat hohe Cholesterinwerte als einen der vermeidbaren Risikofaktoren im mittleren Lebensalter identifiziert, der das Erkrankungsrisiko um sieben Prozent beeinflusst. Ist der Cholesterinwert im Normalbereich, zum Beispiel durch die Einnahme von Cholesterinsenker, sinkt das Risiko auf Null.
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Neben Cholesterin gibt es noch weitere beeinflussbare Risikofaktoren für Demenz, wie z.B. abnehmende Sehkraft im Alter, Bluthochdruck, soziale Isolation und Depressionen. Durch einen gesunden Lebensstil und medizinische Vorsorge können laut Studie 45 Prozent der Demenzerkrankungen verzögert oder verhindert werden.
Die Rolle des abnehmenden Sehvermögens
Ein abnehmendes Sehvermögen kann ähnliche Folgen haben, wie Schwerhörigkeit. Menschen, die schlechter sehen oder hören ziehen sich oft zurück und sind sozial weniger aktiv. Durch die soziale Isolation verarbeitet das Gehirn weniger Reize und wird weniger stimuliert. Die Leistungsfähigkeit nimmt ab und die Betroffenen haben ein höheres Risiko, an Alzheimer zu erkranken. Außerdem kann soziale Isolation zu Depressionen führen, die ebenfalls zu den Demenz-Risikofaktoren zählen.
Vorbeugung ist der Schlüssel
Da Alzheimer und viele andere Demenzerkrankungen noch nicht heilbar sind und wirksame Therapien kurzfristig noch nicht in Sicht sind, ist es so wichtig, dass wir immer besser verstehen, wie wir Demenzerkrankungen vorbeugen können.
Kritische Betrachtung der Studienergebnisse
Eine Studie aus Norwegen untersuchte, ob Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie ein erhöhtes Demenzrisiko haben und ob eine Statin-Therapie das Demenzrisiko bei diesen Patienten beeinflusst [1]. Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass Menschen mit einer familiären Hypercholesterinämie kein erhöhtes Demenzrisiko im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben. Eine Statin-Therapie bei Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie scheint das Demenzrisiko ebenfalls nicht zu beeinflussen. Limitationen der Studie sind das relativ junge Alter der Teilnehmenden.
Es gibt auch die Hypothese, dass höhere Cholesterinwerte gerade im Alter einen protektiven Effekt ausüben, ja, sogar antioxidativ wirken. Dafür spricht, dass Cholesterin allgemein die Membranen stabilisiert und für die Produktion verschiedener - auch protektiver - Hormone der Ausgangsstoff ist - alles Vorgänge, die im Alter nachlassen. Außerdem wird regelmäßig beobachtet, dass vor den ersten klinischen Demenzsymptomen die Gesamtcholesterinwerte drastisch zurückgehen.
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