Mit dem Amtsantritt von Wolfram Weimer als neuem Kulturstaatsminister im Bundeskanzleramt unter Friedrich Merz vollzieht sich ein deutlicher Kurswechsel in der deutschen Kulturpolitik. Weimers erste Amtshandlung, die Entlassung von Andreas Görgen, dem Ministerialdirektor und Amtsleiter, der in den vergangenen Jahren als "Claudia Roths Gehirn" galt, sendet ein klares Signal.
Der Abschied von Andreas Görgen
Andreas Görgen, der als einer der mächtigsten Männer der deutschen Kulturszene galt, stand wegen seiner Haltung zur Israel-Boykott-Bewegung BDS und im Zusammenhang mit der umstrittenen Kunstausstellung documenta 15 in der Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, als "Mastermind" hinter einer Kulturpolitik zu stehen, die sich nicht ausreichend von BDS-Befürwortern distanziert und das Problem verharmlost habe. Die "Ruhrbarone" gaben ihm den Spitznamen "Claudia Roths Gehirn".
Die Entscheidung, Görgen zu entlassen und durch seinen Stellvertreter Konrad Schmidt-Werthern zu ersetzen, wird von einigen als überfälliger Schritt begrüßt, während andere sie als ungerechtfertigt und zu grob kritisieren. Schmidt-Werthern arbeitete seit Herbst 2024 im BKM-Stab mit etwa 450 Mitarbeitern.
Ein Signal gegen Antisemitismus
Weimer selbst betont, dass seine erste Amtshandlung ein starkes Zeichen gegen Antisemitismus setzen soll. Er erklärt, dass Antisemitismus in unerträglicher Weise in die deutsche Gesellschaft eindringt und sich ausbreitet, sowohl offen als auch in versteckten Narrativen. Insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe es vermehrt Boykottaufrufe und andere Aktionen gegen jüdische Künstler gegeben, die inakzeptabel seien.
Weimer kündigt eine Null-Toleranz-Politik gegen Antisemitismus an und betont, dass die neue Bundesregierung in diesem Punkt ganz klar positioniert ist. Er bekräftigt auch die Bedeutung der Singularität des Holocausts und warnt vor Relativismus.
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Das Gespräch mit Josef Schuster
Ein bewusstes Signal für einen Neuanfang setzte Weimer mit seinem ersten Treffen als Kulturstaatsminister, einem langen Gespräch mit Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. Schuster war Weimers erster Gast im Bundeskanzleramt.
In diesem Gespräch wurden mehrere Themen besprochen, darunter die Verbesserung der Restitution von NS-Raubgut in Deutschland und das Rahmenkonzept Erinnerungskultur. Weimer und Schuster waren sich einig, dass die Singularität des Holocausts in diesem Konzept klar zum Ausdruck kommen muss und es keinen Raum für Relativismus geben darf. Sie sprachen auch über Fördermöglichkeiten konkreter Projekte.
Schuster begrüßte das Gespräch als starkes Zeichen und betonte, dass die Erfahrungen der letzten Jahre gezeigt hätten, dass Antisemitismus in Kunst und Kultur nicht nur fest verankert ist, sondern sich stetig bedrohlich weiterentwickelt. Er forderte klare Richtlinien für die Kultur.
Die Haltung zur BDS-Bewegung
Weimer verurteilt die BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) scharf. Er betont, dass BDS zum Boykott gegen Israel, gegen israelische Waren und Dienstleistungen, israelische Künstler, Wissenschaftler sowie Sportler aufruft. Dieser umfassende Boykottaufruf brandmarkt in seiner Radikalität israelische Staatsbürger jüdischen Glaubens als Ganzes, was für Weimer völlig inakzeptabel ist. Er stellt klar, dass Organisationen, die das Existenzrecht Israels infrage stellen, grundsätzlich keine finanzielle Förderung erhalten sollten.
Herausforderungen und Perspektiven
Weimer steht vor der Herausforderung, das Vertrauen der jüdischen Gemeinschaft in das Kulturstaatsministerium wieder aufzubauen, nachdem die Beziehung in den letzten Jahren als zerrüttet galt. Er muss auch mit dem Widerstand in linksorientierten Milieus umgehen, Antisemiten als Antisemiten zu bezeichnen, insbesondere wenn sie aus dem "Globalen Süden" stammen oder die Auslöschung des jüdischen Staates Israel fordern.
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Weimer betont, dass Deutschland ein mehrfaches Antisemitismus-Problem hat und dass sowohl Rechtsextreme als auch Islamisten und Linksextreme antisemitische Stereotypen verbreiten. Er warnt vor einer aggressiven Lust in bestimmten Milieus, Israel zu "canceln".
Die Gedenkstättenlandschaft stärken
Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Gedenkstättenlandschaft ebenso wie emblematische Orte der NS-Täter und der Zwangsarbeit mit einem Investitionsprogramm zur Substanzerhaltung zu stärken und innovative Ansätze für die Vermittlungsarbeit zu unterstützen. Weimer steht vor Haushaltsgesprächen, in denen er sich für eine Aufstockung der finanziellen Mittel der Gedenkstätten einsetzen will.
Kritik und Gegenwind
Weimers Amtsantritt wird von einigen kritisch gesehen. Grüne und Linke werfen ihm vor, ein "rechter Kulturkämpfer" zu sein und eine Kampfansage an die grüne Diskursdominanz zu starten. Sie befürchten, dass erfolgreiche Projekte wie der Kulturpass auf der Kippe stehen.
Weimer selbst sieht sich als liberal-konservativen Kulturverfechter, der sich für die Freiheit der Kunst und die Vielfalt der Meinungen einsetzt. Er betont, dass die Meinungsfreiheit geschützt werden muss, aber nicht missbraucht werden darf, um Hass und Hetze zu verbreiten.
Die AfD und der Bundestag
Weimer äußert sich auch zur Rolle der AfD im Bundestag. Er betont, dass der Bundestag keine geschlossene, klandestine Veranstaltung ist und dass Transparenz wichtig ist. Er fordert, dass der politische und strafrechtliche Hintergrund der Mitarbeiter der AfD von Bedeutung ist, da diese Anträge vorbereiten, Recherche betreiben, politische Impulse setzen und sich vernetzen.
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Weimer lehnt die Forderung nach einer Abschaffung des Telefonverzeichnisses ab und verweist auf die Sicherheitsbedürfnisse der anderen Mitarbeiter. Er betont, dass er wissen möchte, wer im Bundestag arbeitet, wenn die AfD ihr Personal zum Teil aus dem Umfeld der Identitären Bewegung rekrutiert.
Ein Blick in die Zukunft
Mit Wolfram Weimer übernimmt ein konservativer Publizist das Amt des Kulturstaatsministers. Es bleibt abzuwarten, wie sich seine Politik in den kommenden Jahren gestalten wird. Sicher ist jedoch, dass ein deutlicher Kurswechsel in der deutschen Kulturpolitik bevorsteht. Weimer hat bereits klare Akzente gesetzt und seine Entschlossenheit gezeigt, Antisemitismus zu bekämpfen und die Erinnerungskultur zu stärken. Ob er seine Ziele erreichen wird, hängt von vielen Faktoren ab, darunter die Haushaltslage, der politische Widerstand und seine Fähigkeit, Bündnisse über die politischen Lager hinweg zu schmieden.