Die Parkinson-Krankheit ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. Charakteristisch sind verlangsamte Bewegungen, Zittern und versteifte Muskeln. Diese Symptome entstehen durch das fortschreitende Absterben von Nervenzellen, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Dopamin ist essenziell für die Informationsübertragung zwischen Nervenzellen, insbesondere für die Steuerung von Bewegungen. Bislang können lediglich die Symptome der Parkinson-Krankheit gelindert werden, ohne jedoch das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten.
Mitochondriale Dysfunktion als möglicher Therapieansatz
Ein vielversprechender Forschungsansatz konzentriert sich auf die Behandlung von Parkinson-Patienten mit mitochondrialer Dysfunktion. Forscher, darunter Professor Dr. Thomas Gasser (Universität Tübingen), Professor Dr. Christine Klein und Professor Dr. Meike Kasten (Universität zu Lübeck), suchen nach Substanzen, die speziell diesen Patienten helfen können. Im Fokus steht dabei das Coenzym Q10.
Die Rolle von Coenzym Q10
Coenzym Q10 ist ein wichtiger Bestandteil der Atmungskette und wirkt als Antioxidans, indem es die Bildung schädlicher Sauerstoffradikale reduziert. Es gibt zwei Formen von Coenzym Q10: das inaktive (oxidierte) Ubiquinon und das aktive (reduzierte) Ubiquinol. Ubiquinol hat eine antioxidative Wirkung und wird bei seinem Verbrauch in Ubiquinon umgewandelt, das dann wieder in Ubiquinol zurückverwandelt wird. Je mehr oxidativer Stress im Körper vorliegt, desto kleiner ist das Mengenverhältnis von Ubiquinol zu Ubiquinon. Coenzym Q10 ist an der mitochondrialen ATP-Synthese (Elektronentransportkette) beteiligt, stabilisiert Zellmembranen, reguliert die Expression hunderter Gene (darunter Gene für die Biogenese von Mitochondrien, Entzündungen und den Fettstoffwechsel), spielt eine Rolle bei der Zellapoptose und hat antioxidative, entzündungshemmende und neuroprotektive Wirkungen. Unter anderem benötigen das Herz, die Muskeln, das Gehirn, die Bauchspeicheldrüse und die Darmschleimhaut viel Coenzym Q10, um richtig zu funktionieren.
Daher könnte Coenzym Q10 besonders Patienten mit einer gestörten Funktion der Mitochondrien zugutekommen. Frühere Studien zur Wirksamkeit von Coenzym Q10 zeigten jedoch unterschiedliche Ergebnisse, was vermutlich auf die Heterogenität der Parkinson-Erkrankungen zurückzuführen ist.
Identifizierung geeigneter Patienten durch Genanalysen
Um die richtigen Patienten für eine Coenzym Q10-Therapie zu identifizieren, arbeiten Neurologen, Statistiker und Genetiker zusammen. Durch Genanalysen wird untersucht, ob Patienten Mutationen in den Genen PINK1 und PARKIN aufweisen. Veränderungen in diesen Genen sind bekanntermaßen mit Störungen der mitochondrialen Funktion verbunden.
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Durch die Kombination von Daten aus Genanalysen und der wissenschaftlichen Literatur wurde ein Bewertungssystem (Score) entwickelt. Dieser Score gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Patient an einer mitochondrialen Dysfunktion leidet und ob Coenzym Q10 für ihn geeignet ist.
Zukünftige Forschung
Zukünftige Studien werden zeigen, ob Patienten, die mit Coenzym Q10 behandelt werden, eine verbesserte motorische Leistungsfähigkeit aufweisen.
Studienlage zu Coenzym Q10 bei Parkinson
Frühe Studien und ihre Limitationen
Die Hypothese vom oxidativen Stress bei Parkinson besagt, dass eine Störung der Mitochondrienfunktion zur vermehrten Bildung freier Sauerstoffradikale und somit zur Neurodegeneration führt. Tatsächlich scheinen Parkinsonkranke zu wenig Q10 in ihren neuronalen Mitochondrien zu haben. Umgekehrt zeigte das Koenzym in Zellkulturstudien neuroprotektive Eigenschaften, und im Parkinson-Tiermodell ließ sich der Effekt des dopaminergen Neuronen-Killers MPTP (Methyl-Phenyl-Tetrahydropyridin) abschwächen.
Frühe Phase-II-Studien lieferten jedoch schwer interpretierbare Ergebnisse. Eine weitere Studie einer deutschen Arbeitsgruppe deutete auf eine Verbesserung der Mitochondrienfunktion hin. Diese Ergebnisse nährten die Hoffnung auf eine krankheitsmodifizierende Wirkung von Q10.
Die QE3-Studie: Ernüchternde Ergebnisse
In einer groß angelegten Phase-III-Studie (QE3) mit 600 Patienten wurde untersucht, ob Coenzym Q10 eine krankheitsmodifizierende Wirkung bei Patienten in einem sehr frühen Stadium der Parkinson-Krankheit hat (JAMA Neurol 2014, online 24. Februar). Die Patienten erhielten entweder Placebo oder 1200 mg oder 2400 mg Q10 täglich.
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Der primäre Endpunkt war die Veränderung der motorischen Werte auf der Parkinsonskala UPDRS. Entgegen den Erwartungen verschlechterten sich die Werte in den Q10-Gruppen sogar noch mehr als in der Placebogruppe. Auch Subgruppenanalysen zeigten keine positiven Effekte.
Die Forscher vermuten, dass die Störung der Mitochondrienfunktion möglicherweise eher eine Folge als eine Ursache der Erkrankung ist. Zum Zeitpunkt der Diagnose sind bereits die meisten dopaminergen Neuronen in der Substantia nigra abgestorben, sodass eine neuroprotektive Therapie möglicherweise viel früher beginnen müsste. Zudem war die Studiendauer mit 16 Monaten relativ kurz.
Aktuelle Empfehlungen
Aufgrund der aktuellen Studienlage kann die Einnahme von Q10 zur Neuroprotektion bei Parkinson-Patienten in frühen Krankheitsstadien nicht empfohlen werden.
Weitere Aspekte der Parkinson-Behandlung und Forschung
Individualisierte Therapien und bildgebende Verfahren
Ziel aktueller Studien ist es, individualisierte Therapien zu entwickeln und das Therapieansprechen objektiv mittels bildgebender Verfahren abzubilden.
Genetische Risikofaktoren und Biomarker
Die Parkinson-Erkrankung ist durch das Absterben dopaminerger Nervenzellen gekennzeichnet. Als Ursache steht neben Umwelt- und Altersfaktoren die Genetik im Fokus der Forschung, insbesondere Mutationen in den Genen SNCA, LRRK2, Parkin, PINK1 und GBA1. Die Identifikation genetischer Risikofaktoren ermöglicht die Entwicklung von Biomarkern zur Früherkennung und ebnet den Weg für innovative gentherapeutische Ansätze.
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Einer der Ansatzpunkte der aktuellen Forschung sind die Mitochondrien. Studien zeigen, dass Störungen der mitochondrialen Funktion maßgeblich zum Untergang dopaminerger Nervenzellen beitragen und somit eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Parkinson spielen könnten. Als Ursache gelten Defekte in den beiden Parkinson-assoziierten Genen PINK und Parkin, die gemeinsam die Entsorgung geschädigter Mitochondrien (Mitophagie) und damit „Säuberung“ der Zelle steuern. Forschungsprojekte, wie das internationale Konsortium PD-MitoQUANT und das deutsche Verbundprojekt MitoPD , untersuchen gezielt, wie mitochondriale Fehlfunktionen zur Parkinson-Pathologie beitragen. Ziel ist es, mitochondriale Endophänotypen zu identifizieren, Biomarker für die Frühdiagnose zu entwickeln und neue therapeutische Angriffspunkte zu finden.
Untersucht werden auch klinische Ansätze zur Stabilisierung der Mitochondrienfunktion, wie die Einnahme von Vitamin K2 oder Coenzym Q10. Zudem gilt die Anzahl mitochondrialer DNA-Kopien im Blut als vielversprechender Biomarker für Diagnose und Prognose bei Parkinson.
Fortschritte in der Biomarkerforschung
Ein Meilenstein der Biomarkerforschung als Basis für die Entwicklung gentherapeutischer Ansätze waren schon 2018 und im Mai 2023 die Ergebnisse einer Studie, in der Forschende mithilfe eines neuen Seed Amplification Assay (SAA) erstmals fehlgefaltetes α-Synuklein im Liquor (Hirnwasser) von Parkinson-Patienten nachweisen konnten. Der SAA-Test ermöglicht eine frühe wissenschaftliche Diagnose und erreicht eine Genauigkeit von 97 Prozent. Zudem lassen sich je nach genetischer Ursache unterschiedliche SAA Profile im Hirnwasser identifizieren. Mittlerweile gelingt der Nachweis per SAA teils auch weniger invasiv in Blut, Haut oder Schleimhaut.
Einen weiteren Durchbruch markiert ein neuer Bluttest, der mithilfe künstlicher Intelligenz acht Proteine identifiziert, die mit Entzündungsprozessen und dem Abbau defekter Proteine assoziiert sind. In ihrer spezifischen Zusammensetzung im Blut können sie eine Parkinson-Erkrankung bei acht von zehn Risikopatienten mehrere Jahre im Voraus vorhersagen. Zusätzlich sind die Markerproteine mögliche Ziele für neue Therapien.
Ziel ist es nun, diese Biomarker-basierten Tests in die klinische Routine zu überführen und bevölkerungsbasierte Daten zu erheben.
Genetische und externe Faktoren
Die Entstehung von Parkinson wird durch ein Zusammenspiel genetischer und externer Faktoren beeinflusst. Während bei den seltenen erblichen Formen der Erkrankung Mutationen in Genen wie SNCA, LRRK2, Parkin und PINK1 die Krankheitsentstehung maßgeblich beeinflussen, stehen bei der häufigen sporadischen Form neben genetischen Veränderungen auch Umweltfaktoren, das Mikrobiom und Lebensstil im Fokus. Besonders relevant ist dabei das GBA1-Gen: Zehn Prozent der deutschen Parkinson-Patienten tragen hier genetische Veränderungen, wobei das Erkrankungsrisiko je nach Variante variiert und meist weitere auslösende Faktoren notwendig sind.
Die Entwicklung von Biomarkern ermöglicht, zwischen den jeweils beteiligten Stoffwechselwegen und den zugrundeliegenden Pathologien zu unterscheiden und gezielt zu bestimmen, welche Menschen höchstwahrscheinlich von einem bestimmten Therapieansatz profitieren.
Ernährung und Nahrungsergänzungsmittel bei Parkinson
Aktuell ist eine ursächliche Therapie von Parkinson-Syndromen (PS) nicht möglich. Mit der modernen medikamentösen Kombinationsbehandlung können die Symptome der Erkrankung zwar über einen langen Zeitraum gelindert und die Lebensqualität verbessert werden, eine Heilung oder auch nur ein Stillstand kann jedoch nicht erreicht werden. Viele Betroffene erhoffen sich daher eine präventive Wirkung und / oder eine Verlangsamung des Fortschreitens der Erkrankung (Progression) von diversen Nahrungsergänzungsmitteln / Gewürzen.
Nahrungsergänzungsmittel vs. Gewürze
Nahrungsergänzungsmittel (NEM) ergänzen die allgemeine Ernährung durch Mikronährstoffe, wie Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente oder sonstige Stoffe in konzentrierter Form und häufig in hoher Dosierung. Aus diesem Grund sind Überdosierungen möglich, welche definitiv nicht von Vorteil, sondern riskant sind. Sie gelten nicht als Arzneimittel und müssen aus diesem Grund kein behördliches Zulassungsverfahren durchlaufen. Demnach erfolgt keine Prüfung auf gesundheitliche Unbedenklichkeit und stoffliche Reinheit.
Gewürze wiederum sind im Unterschied zu NEM Pflanzenteile, welche in geringer Menge als geschmacks- bzw. geruchsgebende Zutaten zur allgemeinen Ernährung verwendet werden.
Studienlage zu Ernährung und NEM
Die meisten wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema befassen sich damit, wie man sich durch eine bestimmte Ernährung am besten vor dieser Krankheit schützen kann, also mit der Prophylaxe. Gute Studienergebnisse bei bereits von der Krankheit Betroffenen hinsichtlich Symptomkontrolle oder Prognose sind begrenzt und beschränken sich auf wenige wirklich erforderliche Supplements. Allerdings sind Mangelzustände bei Parkinson-Patienten zu erwarten und auch nachgewiesen, vor allem aufgrund der seit Jahrzehnten propagierten proteinarmen Ernährung, der altersbedingten Malnutrition (Mangel- und / oder Fehlernährung) und der Parkinson-assoziierten Stoffwechsel- und Organtoxizität (Beispiel Magen- und Darmlähmung). Auch die Dopamin-Ersatztherapie kann in der Langzeitbehandlung mit höheren L-Dopa-Dosen zu schädlichen Abbauprodukten und in der Folge zu einem Mangel an Vitaminen, insbesondere der B-Vitamine (B12, B6 und Folsäure), führen.
Ergebnisse der "CAM Care in PD" Studie
In der von Mischley et al. 2017 veröffentlichten „CAM Care in PD“ Studie (Komplementäre und alternative Medizin bei M. Parkinson) wurden 1 307 Parkinson- Patienten mit Online-Fragebögen nach ihren Krankheitsdaten und Ernährungsgewohnheiten befragt. Ergebnis: frisches Gemüse, frisches Obst, Nüsse, Samen, Olivenöl, Wein, Kokosöl, frische Kräuter und die Verwendung von Gewürzen waren mit einem langsameren Krankheitsverlauf assoziiert. Nach Ausschluss aller möglichen statistischen Fehler war nur Fischöl mit einer langsameren Progression assoziiert.
Empfehlungen basierend auf Studienergebnissen
- Vitamin-D-Mangel: Ein Mangel an Vitamin-D ist bei Parkinson-Patienten häufig und mit einem erhöhten Sturz- sowie Verletzungsrisiko verbunden. In mehreren Studien führte eine orale Nahrungsergänzung mit Vitamin D (1000 IE / d) zu einer erheblichen Reduktion von Frakturen (Knochenbrüche). Ist eine Osteoporose nachgewiesen, sollte eine zusätzliche Gabe von Kalzium erfolgen, wenn die Kalziumzufuhr unter 1 000 mg / d beträgt (aktuelle DVO-Leitlinie Osteoporose).
- B-Vitamin-Mangel: Aufgrund der oben bereits genannten Risikofaktoren kann es bei Parkinson- Betroffenen zu einem Mangel an B-Vitaminen kommen, insbesondere Vitamin-B12, Vitamin-B6 und Folsäure. Eine Ersatztherapie mit B-Vitaminen sollte erst dann erfolgen, wenn durch eine Blutuntersuchung ein Mangel festgestellt wurde.
- Eisenmangel: Die Wirksamkeit von NEM bei Patienten mit einem bestehenden, laborchemisch nachgewiesenen Eisenmangel oder Restless-Legs-Syndrom ist unbestritten. In diesem Fall wird bei Ferritin-Werten unter 50 μg / l eine Substitution mit Eisen empfohlen.
- Zinkmangel: Ein Zinkmangel kann zu Wundheilungsstörungen führen, welche bei Parkinson- Patienten gehäuft vorkommen.
Weitere potenziell nützliche Stoffe
- Nikotinhaltige Nahrungsmittel: Für nikotinhaltige Nahrungsmittel, einschließlich Tomaten, Kartoffeln, Auberginen, Chili und Paprika, konnte ein reduziertes Parkinson-Risiko bei Männern und Frauen nachgewiesen werden, die nie geraucht hatten.
- Lycopin: Lycopin, der rote Farbstoff der Tomate, konnte im Tierversuch dopaminerge Nervenzellen vor oxidativem Stress schützen.
- Senfölglykoside: Senfölglykoside verfügen im Tierversuch über einen antioxidativen Effekt. Sie befinden sich besonders in Kreuzblütengewächsen, wie Brokkoli, aber auch in Blumenkohl, Weißkohl, Rotkohl, Meerrettich, Rucola, Kresse und Senf.
- Anthocyane: Für mehrere Farbstoffe (Anthocyane) in roten Beeren und Gemüse wurde eine hemmende Wirkung auf die Monoaminooxidasen (MAO) A und B nachgewiesen. Besonders reich an Anthocyanen sind Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren und Heidelsowie Holunderbeeren, außerdem Weintrauben, Kirschen, rote Bete und Rotkohl.
- Carotinhaltige Lebensmittel: Auch für carotinhaltige Lebensmittel (u. a. Grünkohl, Karotten, Süßkartoffeln, Petersilie) und Beta-Carotin wurde in epidemiologischen Studien ein neuroprotektiver Effekt nachgewiesen: Sie verfügen über antioxidative Eigenschaften und schützen vor freien Radikalen.
- Curcumin: Studien lassen auf einen antioxidativen, entzündungshemmenden und schmerzlindernden Effekt schließen. In Parkinson-Labormodellen zeigte es eine neuroprotektive Wirkung.
Zusammenfassende Empfehlungen
Zusammenfassend können Nahrungsergänzungsmittel vor allem aufgrund der durchwachsenen Studienlage zur Wirksamkeit speziell bei Parkinson nur bei einem bereits bestehenden Mangel uneingeschränkt empfohlen werden. Gewürze und eine ausgewogene Ernährung mit Vitaminen, Mineralien und sekundären Pflanzenstoffen sind jedoch unbedenklich und nachgewiesenermaßen von Vorteil. Gegen den drohenden Muskelabbau (Sarkopenie) scheint neben regelmäßiger Bewegung eine Nahrungsergänzung mit Molkeprotein nützlich, zudem sollte von der über Jahre empfohlenen eiweißarmen Kost Abstand genommen werden.