Corona-Impfung und Nervenschmerzen: Ursachen und Zusammenhänge

Die Corona-Impfung hat sich als ein entscheidender Faktor im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie erwiesen. Wie andere Impfstoffe können auch Vakzine, die auf das Coronavirus abzielen, bei manchen Menschen Nebenwirkungen hervorrufen. Zu den Symptomen können anhaltende Kopfschmerzen, starke Müdigkeit sowie abnormale Herzfrequenz und Blutdruck gehören. In diesem Artikel werden wir uns mit den Ursachen von Nervenschmerzen im Zusammenhang mit der Corona-Impfung auseinandersetzen, wobei wir uns insbesondere auf das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und andere neurologische Beschwerden konzentrieren.

Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und Corona-Impfung

Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine seltene neurologische Erkrankung, bei der das Immunsystem die peripheren Nerven angreift. Dies kann zu Kribbeln, Taubheit, Muskelschwäche und Lähmungen führen.

Risiko nach SARS-CoV-2-Infektion und Impfung

Eine israelische Studie hat gezeigt, dass nach einer SARS-CoV-2-Infektion das Risiko für die Nervenkrankheit um über das Sechsfache erhöht ist. Eine Impfung mit einem mRNA-Impfstoff kann es hingegen sogar senken. Auswertungen der Daten aus dem Zeitraum zwischen dem 27.12.2020 bis 31.8.2021 zeigen: Ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) nach der Impfung gegen Covid-19 kann vorkommen, allerdings nur selten. Auch wurde es nur im Zusammenhang mit der Verwendung Vektor-basierter Vakzinen häufiger beobachtet als erwartet. Eine Impfung mit mRNA-Impfstoffen scheint das Risiko für GBS hingegen um mehr als die Hälfte zu verringern, wie eine israelische Studie aus dem Jahr 2023 zeigt.

Studienergebnisse im Detail

Die Forschenden analysierten die GBS-Fälle, sie sowohl nach einer Impfung mit dem mRNA-Impfstoff BNT162b2 als auch nach einer Covid-19-Erkrankung auftraten. Dafür wurden bei 3.193.951 Patientinnen und Patienten im Alter über 16 Jahren, die zuvor keine GBS-Diagnose hatten, im Zeitraum zwischen dem 1. Januar 2022 und dem 30. Juni 2022 alle Fälle eines GBS erfasst. Insgesamt erlitten 76 Patientinnen und Patienten ein GBS. Neun der GBS-Betroffenen waren in den sechs Wochen zuvor positiv auf SARS-CoV-2 getestet worden (11,8 Prozent), ebenso wie 18 der Kontrollpatientinnen und -patienten (2,4 Prozent). Acht der GBS-Betroffenen (10,5 Prozent) hatten in den sechs Wochen zuvor eine Impfung gegen SARS-CoV-2 erhalten (alle BNT162b2) sowie 136 der Kontrollpatientinnen und -patienten (17,9 Prozent), von denen 134 mit BNT162b2 geimpft worden waren. Die Studienautoren kommen daher zu dem Schluss, dass eine Corona-Impfung mit einem mRNA-Impfstoff nicht mit einem höheren Risiko für GBS einhergeht. Stattdessen zeigt die aktuelle Erhebung, dass eine SARS-CoV-2-Infektion das Risiko eines GBS um über das Sechsfache erhöht.

Symptome und Behandlung von GBS

Beim GBS handelt es sich um eine Nervenerkrankung, die in seltenen Fällen nach einer Virus- oder Bakterieninfektion auftreten kann. Mediziner gehen davon aus, dass es sich dabei um eine Autoimmunerkrankung handelt, bei der sich das Immunsystem irrtümlich gegen den eigenen Körper richtet. Im Fall des Guillain-Barré-Syndroms sind die Nerven betroffen, ein erstes Warnzeichen sind Kribbeln und ein Taubheitsgefühl in den Beinen, Armen oder im Gesicht. Es kann auch zu Lähmungserscheinungen führen, die sich von den Beinen nach oben hin ausbreiten. In schlimmen Fällen ist davon auch die Atmung betroffen, was die Erkrankung lebensbedrohlich macht. Die Betroffenen erhalten zur Therapie entweder hochdosiert intravenös Immunglobuline oder es erfolgt ein Blutreinigungsverfahren, bei dem die krankheitsauslösenden Autoantikörper herausgefiltert werden.

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Fallbericht und Analyse des AkdÄ

Dem AkdÄ wurde der Fall eines 35-jährigen Patienten gemeldet, der zwei Wochen nach Erstimpfung gegen COVID-19 mit Vaxzevria® zunächst ein Taubheitsgefühl an den Füßen sowie Kribbelparästhesien an den Fingern entwickelt hat. Im Verlauf kamen innerhalb von neun Tagen eine schlaffe, leicht rechtsbetonte Tetraparese mit abgeschwächten bzw. ausgefallenen Muskeleigenreflexen sowie eine periphere Fazialisparese rechts hinzu, die zur stationären Aufnahme führte. Ein zerebrales und spinales MRT waren unauffällig. Im Liquor bestand eine zytoalbuminäre Dissoziation (Eiweiß-Erhöhung von 98 mg/dl bei normaler Zellzahl). In der sensiblen und motorischen Neurographie zeigte sich ein demyelinisierendes Schädigungsmuster mit ausgefallenen F-Wellen. Dies spricht für eine schwerpunktmäßige Schädigung der Myelinschicht des peripheren Nerven. Es wurde die Diagnose eines Guillain-Barré-Syndroms (GBS) gestellt. Da keine anderen Ursachen für ein GBS identifiziert werden konnten (z. B. Gangliosid-Antikörper, Anti-MAG-Antikörper, Immunelektrophorese, Campylobacter- und Mykoplasmen-Serologie), wurde ein Kausalzusammenhang mit der Impfung gegen COVID-19 vermutet.

Behandlung und Verlauf des Falls

Unter der Behandlung mit intravenösen Immunglobulinen (3 x 10 g/d über fünf Tage) besserte sich der Zustand des Patienten zunächst und er konnte entlassen werden. Einige Tage später erfolgte die Wiederaufnahme, da sich die Fazialisparese verschlechtert hatte. Nach erneut durchgeführter Diagnostik wurde die Diagnose eines Rezidivs des GBS gestellt und der Patient erneut mit intravenösen Immunglobulinen (3 x 10 g/d über drei Tage) behandelt. Der Patient wurde schließlich in eine stationäre neurologische Rehabilitation entlassen.

Bedeutung der Meldung von Nebenwirkungen

Der beschriebene Fallbericht sowie weitere Berichte in der Literatur und im Spontanmeldesystem deuten darauf hin, dass GBS eine mögliche Nebenwirkung von Vaxzevria® sein könnte. Allerdings sind angesichts der Vielzahl der Geimpften auch spontan bzw. durch andere Pathogene ausgelöste GBS zu erwarten. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei dem berichteten Fall um eine zufällige Koinzidenz handelt. Da die Inzidenz eines etwaigen Vaxzevria®-assoziierten GBS sehr niedrig eingeschätzt wird (14), überwiegt aus Sicht der AkdÄ nach wie vor der Nutzen der Impfung deren Risiken.

Post-Vac-Syndrom und Nervenschmerzen

Neben dem GBS gibt es auch das sogenannte Post-Vac-Syndrom, bei dem Betroffene nach der Corona-Impfung ähnliche Symptome wie bei Long COVID entwickeln können. Extreme Müdigkeit, Nervenschmerzen und teils neurologische Ausfälle sind typische Beschwerden.

Symptome und Erfahrungen von Betroffenen

Eine Betroffene, Hannah Stoll, berichtet von einer Odyssee von Arztbesuchen ohne stichhaltige Diagnose. Ihre Beschwerden umfassen Krämpfe in Ellbogen, starke Glieder- und Muskelschmerzen, Ohrenweh, Übelkeit und pure Erschöpfung. Erst im Mai 2022 brachte ein Arzt einen konkreten Zusammenhang mit der Impfung und den Post-Covid-Symptomen ins Spiel.

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Mögliche Ursachen und Behandlungsansätze

Dr. Jörg-Heiner Möller, Chefarzt der Klinik am Städtedreieck in Burglengenfeld, sieht Post-Covid und Post-Vac als das Gleiche: eine Autoimmunerkrankung, bei welcher im Körper nicht nur gegen ein Virus gekämpft wird, sondern auch gegen eigenes Gewebe. Er untersucht das Blut von Betroffenen nach sogenannten Autoantikörpern und riet Hannah Stoll zur Apherese, einer Art Blutwäsche, bei der bestimmte Bestandteile wie die Autoantikörper aus dem Blut entfernt werden. Die Kosten für diese Behandlung musste die Familie selber tragen, da die Krankenkassen sie nicht übernehmen.

Forschung und Versorgungslage zum Post-Vac-Syndrom

Die Coronapandemie hat die Gesundheitssysteme vor immense Herausforderungen gestellt und immer noch binden die protrahierten, postinfektiösen Beschwerden, welche als Long-COVID (LC) bezeichnet werden, viele Kapazitäten. Bereits im ersten Jahr der Impfkampagne gab es Berichte über Patientinnen und Patienten, die an einer LC-ähnlichen Sympto­matik leiden, ohne zuvor an COVID-19 erkrankt zu sein. Die Symptome stehen bei diesen Betroffenen im Zusammenhang mit einer Coronaimpfung, weswegen diese Impfkomplikation unter anderem als Post-Vac-Syndrom (PVS) bezeichnet wird. Studien zur Inzidenz des PVS liegen noch nicht vor. Eine Kurzanalyse des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI), in der Diagnosen wie „Long-COVID“ oder „Chronic-Fatigue-Syndrom“ (CFS) unter gemeldeten Impfkomplikationen gesucht wurden, ist aus Sicht der Autoren ungeeignet, die tatsächlichen Fallzahlen abzubilden.

Theorien zur Pathogenese des PVS

Angesichts der nahezu identischen Antigensequenz des Spike-Proteins bei Impfung und Infektion scheint ein gemeinsamer Pathomechanismus von LC und PVS plausibel. Es wird diskutiert, ob die Spikes in Zellen persistieren, selbst pathogen wirken oder eine veranlagte AIE auslösen könnten. Zur Pathogenese von PVS bzw. LC werden international mehrere Theorien diskutiert und erforscht. Eine Schweizer Studie konnte kürzlich nachweisen, dass bei Patienten mit LC eine Veränderung des Komplementsystems vorliegt.

Therapieansätze und Selbsthilfe

Zu den Therapieansätzen, die teilweise denen von LC entsprechen, existieren derzeit nur kleinere Studien oder Expertenmeinungen. Heilversuche werden hierzulande nach ausgiebiger Diagnostik unter anderem an der Marburger Post-Vax-Ambulanz, den Post-Vac- bzw. LC-Ambulanzen der Unikliniken in Augsburg, Hannover, Göttingen, Erlangen und weiteren Hochschulen unternommen. Sie erfolgen teilweise im Rahmen von Studien. Zum Einsatz kommen international derzeit unter anderem Statine und AT1-Antagonisten (Uni Marburg [1, 3]), Triple-Antikoagulation (Uni Stellenbosch, Südafrika [17]) oder extrakorporale Blutwäscheverfahren [18, 19]. In den USA sind zudem Maraviroc, Ivermectin, Nattokinase und andere Substanzen verbreitet [20, 21]. Diese werden auch hierzulande in einigen Praxen eingesetzt. Die meisten Therapien werden durch ein personalisiertes Energiemanagement (sogenanntes Pacing) und Diäten ergänzt.

Weitere neurologische Komplikationen nach COVID-19

Covid nervt nicht nur, es geht auch tatsächlich auf die Nerven. Denn SARS-CoV-2 kann auch neurologische Erkrankungen auslösen. Schon zu Beginn der Corona-Pandemie kamen Infizierte mit Symptomen in die München Klinik, die nichts mit der Atmung zu tun hatten. Schnell wurde klar, dass das Virus mehrere Organe und vor allem das Nervensystem in Mitleidenschaft ziehen kann.

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Neuro-Covid und seine Symptome

Viele Covid-19-Patientinnen entwickeln neurologische Beschwerden, die unter dem Begriff "Neuro-Covid" zusammengefasst werden. Anhaltende Erschöpfung, Schmerzen, Konzentrationsstörungen, Gedächtnisprobleme und Schlafstörungen - nicht nur viele Intensivpatientinnen, sondern auch leicht Erkrankte leiden während und noch Monate nach einer Covid-19-Erkrankung unter Neuro-Covid. In extremen Fällen kommt es sogar zu demenzähnlichen Symptomen oder Psychosen.

Erhöhtes Schlaganfallrisiko

Covid-19 erhöht das Schlaganfallrisiko. Schwere neurologische Komplikationen wie Schlaganfälle und Hirnblutungen haben ihre Ursache in der Blutgerinnung. Störungen der Gerinnung sind bei Covid-19-Pneumonie eher die Regel als die Ausnahme und bilden eine eigene Entität der Covid-19-Erkrankung. Es bilden sich in der Folge Gerinnsel, die ischämische Schlaganfälle oder Embolien auslösen können.

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