Die Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), die in Mitteleuropa weit verbreitet ist. In Deutschland sind schätzungsweise 200.000 Menschen betroffen. Da die MS, insbesondere im Frühstadium, gut behandelbar ist, sind eine frühzeitige Diagnose und der Therapiebeginn entscheidend.
Multiple Sklerose: Ein Überblick
Die Multiple Sklerose (MS) ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Entzündungs- und neurodegenerative Prozesse im Vordergrund stehen. Sie manifestiert sich meist im Alter zwischen 20 und 40 Jahren, wobei Frauen häufiger betroffen sind als Männer. Die Symptome sind vielfältig und hängen von der Lokalisation der Entzündungsherde im Gehirn und Rückenmark ab. Typische Symptome sind Sehstörungen, Doppelbilder, Sprachstörungen, Empfindungsstörungen, spastische Lähmungen, Koordinationsstörungen, Blasen-, Mastdarm- und Sexualstörungen sowie Fatigue. Es gibt verschiedene Verlaufsformen der MS: schubförmig-verlaufende MS (RR-MS), sekundär chronisch-progredient verlaufende MS und primär-progredient verlaufende MS.
Therapieoptionen bei MS
Es gibt drei Haupttherapieoptionen bei MS:
- Therapie der einzelnen Symptome
- Therapie des akuten Erkrankungsschubes
- Verlaufsmodifizierende Therapie
Bei der Auswahl der richtigen verlaufsmodifizierenden Therapie müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, wie Alter, Geschlecht, Familienplanung, Begleiterkrankungen, Vortherapien, Krankheitsverlauf und -dynamik. Das Ziel jeder Immuntherapie ist die anhaltende Freiheit von klinischer und paraklinischer Krankheitsaktivität (NEDA 4-Konzept).
Kortison in der Schubtherapie der MS
Was ist Kortison?
Kortison ist ein natürlich vorkommendes Steroidhormon, das im Körper in der Nebennierenrinde produziert wird. Es ist auch als Stresshormon bekannt, da sein Spiegel bei Stress ansteigt und den Körper in Alarmbereitschaft versetzt. Kortison kann auch künstlich hergestellt werden, wobei verschiedene Kortisonpräparate in ihrer Wirkstärke variieren. Beispiele für synthetische Kortikosteroide sind Prednison, Prednisolon und Methylprednisolon.
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Die Rolle von Kortison bei MS-Schüben
Kortison wirkt entzündungshemmend und wird daher bei akuten MS-Schüben eingesetzt. Eine hochdosierte Kortison-Stoßtherapie (meist 1.000 mg pro Tag über 3-5 Tage) kann die Entzündungszellen in Gehirn und Rückenmark ausbremsen und so die Folgen eines klinischen Schubes reduzieren. Obwohl Kortison entstandene Schäden nicht reparieren kann, hilft es, die Entzündung zu kontrollieren und mögliche bleibende Behinderungen zu minimieren.
Methylprednisolon wird aufgrund seines günstigen Nebenwirkungsprofils häufig bei MS-Schüben eingesetzt. Es kann als Infusion oder in Tablettenform verabreicht werden. Prof. Mathias Mäurer bevorzugt die Infusion, da sie magenschonender ist und schneller wirkt. Auf Reisen können Tabletten jedoch eine praktische Alternative für erfahrene MS-Patienten sein, um im Falle eines Schubes schnell reagieren zu können.
Warum hohe Dosen?
Die hohen Kortisondosen (z.B. 1.000 mg pro Tag) sind notwendig, um neben den genomischen auch nicht-genomische Prozesse zu erzielen, die für die Entzündungshemmung entscheidend sind. In hoher Dosierung wirkt Kortison membranstabilisierend, verhindert das Eindringen von Entzündungszellen in Gehirn und Rückenmark, fördert den programmierten Zelltod von Entzündungszellen und reduziert die Produktion von entzündungsfördernden Zytokinen.
Nebenwirkungen und Vorsichtsmaßnahmen
Da Kortison nur über einen kurzen Zeitraum gegeben wird, halten sich die Nebenwirkungen in Grenzen. Dennoch ist es wichtig, während der Therapie auf eine gute Hygiene zu achten und Menschenmengen zu meiden, da Kortison das Immunsystem beeinträchtigen kann. Auch eine gute Mundhygiene ist wichtig, um einem Pilzbefall der Mundschleimhaut vorzubeugen. Es ist entscheidend, die Kortison-Therapie nicht eigenmächtig abzubrechen und bei Auftreten von Durst, vermehrtem Wasserlassen, Fieber oder anderen Infektzeichen sofort den Arzt zu informieren.
Ernährung während der Kortisontherapie
Kortison kann den Bedarf an bestimmten Vitaminen und Mineralien erhöhen. Daher ist eine angepasste Ernährung mit Antioxidantien, Vollkornprodukten, Vitamin D und Kalzium empfehlenswert. Tierische Fette sollten reduziert werden. Die tägliche Kortisongabe sollte möglichst früh am Morgen erfolgen, um Schlafstörungen vorzubeugen. Regelmäßige Bewegung kann Folgeerkrankungen der MS vorbeugen.
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Alternativen zur Kortison-Stoßtherapie
Bei sehr schweren, nicht auf Kortison reagierenden Schubsymptomen kann eine Immunadsorption in Betracht gezogen werden. Dabei handelt es sich um eine Art "Blutwäsche", bei der Antikörper, die gegen das Nervensystem gerichtet sind, aus dem Blut entfernt werden.
Intrathekale Kortisongabe zur Spastikreduktion
Eine weitere Anwendung von Kortison bei MS ist die intrathekale Gabe von kristallin gebundenem Kortison. Diese Methode dient hauptsächlich der Reduktion von Spastik in den Beinen. Das Prinzip besteht darin, die entzündungshemmende Wirkung des Kortisons lokal am Rückenmark zu nutzen.
Bei MS-Patienten können Entzündungsherde im Rückenmark zu Lähmungen, Spastik und Gefühlsstörungen der Beine sowie zu Blasenentleerungsstörungen führen. Bei der intrathekalen Gabe wird ein Kortison-Präparat mit Depot-Wirkung (Kristall-Suspension mit dem Wirkstoff Triamcinolon) mittels Lumbalpunktion direkt in den Liquorraum gespritzt, der das Rückenmark umhüllt.
Diese Behandlung kann unter strenger Indikationsstellung und nach Aufklärung und schriftlicher Zustimmung des Patienten mehrfach in drei- bis viertägigen Abständen wiederholt werden. Mögliche Nebenwirkungen sind postpunktionelle Beschwerden wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Um diese zu minimieren, werden atraumatische Punktionsnadeln verwendet, und die Patienten sollten nach der Behandlung ausreichend lange liegen und viel Flüssigkeit zu sich nehmen. Bei Bedarf kann ein Anästhesist ein "Blutpflaster" setzen.
Weitere Therapieansätze bei MS
Neben der Schubtherapie und der intrathekalen Kortisongabe gibt es verschiedene weitere Therapieansätze, die darauf abzielen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Dazu gehören:
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Immuntherapie: Diese zielt darauf ab, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen, weitere Schübe und Entzündungsaktivität im Gehirn und Rückenmark zu verhindern und somit die Krankheitsaktivität zu kontrollieren. Es gibt verschiedene Medikamente, die als Basistherapie eingesetzt werden, wie Beta-Interferone, Glatirameracetat, Teriflunomid, Dimethylfumarat, Ozanimod und Ofatumumab. Bei hochaktiver Erkrankung kommen Präparate der Eskalationstherapie zum Einsatz, wie Fingolimod, Cladribin, Natalizumab, Alemtuzumab oder Ocrelizumab.
Symptomatische Therapie: Diese umfasst verschiedene Strategien zur Linderung von Symptomen und zur Steigerung der Lebensqualität. Dazu gehören Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Psychotherapie und der Einsatz von Hilfsmitteln.
Behandlung paroxysmaler Symptome: Paroxysmale Symptome sind plötzlich auftretende, kurze Beschwerden wie einschießende Schmerzen, Gefühls-, Sprech- oder Bewegungsstörungen. Sie können medikamentös mit Antiepileptika wie Carbamazepin, Gabapentin oder Lamotrigin behandelt werden.
Behandlung von Ataxie und Tremor: Ataxie und Tremor sind Koordinations- und Gleichgewichtsstörungen, die bei MS auftreten können. Die Behandlung umfasst Physiotherapie, Ergotherapie und den Einsatz von Hilfsmitteln. Medikamente sind oft wenig hilfreich und werden erst bei Versagen nicht-medikamentöser Therapien eingesetzt.
Behandlung von Blasenstörungen: Blasenstörungen sind häufige Begleiterscheinungen der MS. Die Behandlung umfasst nicht-medikamentöse Maßnahmen wie regelmäßige Trink- und Toilettengänge, Beckenbodengymnastik und medikamentöse Therapien mit Anticholinergika, Alphablockern oder Botulinumtoxin.
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