Das glückliche Gehirn: Wie es funktioniert

Die Frage nach dem Glück und wie man es erreichen kann, beschäftigte früher vor allem Philosophen. So sah der Chinese Lao Tse (6. Jahrhundert v. Chr.) im Einklang mit der Natur den Weg zum Glück. Für die griechischen Philosophen Sokrates, Platon und Aristoteles (5./4. Jahrhundert v. Chr.) führte eine tugendhafte Lebensweise zum Glück. Glückseligkeit oder Eudämonie war in ihren Augen das Ziel, auf das alles Handeln ausgerichtet sein soll. Ganz anders dachte der griechische Philosoph Epikur im 4. Jahrhundert v. Chr. Für ihn war Glück das Erleben von Lust und die Abwesenheit von Schmerz. Heute beschäftigt die Suche nach dem Glück nicht nur die Philosophie.

Glücksforschung heute

Soziologen wollen herausfinden, wo die glücklichsten Menschen leben. Der Niederländer Ruut Veenhoven hat die weltgrößte Glücksdatenbank gegründet, in der internationale Publikationen zum Thema analysiert werden. Unter den Bewohnern von 155 Ländern sind demnach die Dänen am glücklichsten, es folgen die Schweizer und Isländer. Dafür sieht Veenhoven verschiedene Gründe: Diese Länder haben eine lange demokratische Tradition und geben ihren Bürgern ein hohes Maß an Mitbestimmung, sie haben eine zuverlässige Regierung und es herrscht materieller Wohlstand. Außerdem ist die Gesellschaft wenig hierarchisch gegliedert.

Psychologen kehren der traditionellen Erforschung negativer Gefühle den Rücken zu und beschäftigen sich zunehmend mit dem Positiven. Die wichtigste, noch relativ junge Forschungsrichtung ist die Positive Psychologie. Auch die Politik entdeckt das Glück. So forderte David Cameron, der frühere Premierminister von Großbritannien, das Bruttoinlandsprodukt durch einen Indikator für das allgemeine "Wohlbefinden" zu ersetzen.

Die Neurobiologie des Glücks

Was passiert eigentlich im Gehirn, wenn wir uns glücklich fühlen? Bereits Ende der 1950er-Jahre bemerkte James Olds, Psychologe an der University of Michigan, dass Ratten die elektrische Stimulation eines bestimmten Gehirnareals mochten. Die Ratten konnten diese Gehirnregion selbst per Knopfdruck stimulieren und drückten den Knopf immer wieder. So lange, bis sie vor Durst, Hunger und Erschöpfung beinahe gestorben wären. Olds hatte das Lustzentrum im Gehirn entdeckt, eine Ansammlung von Neuronen im Mittelhirn. Sie werden aktiv, wenn etwas passiert, das besser ist als erwartet. Dann stoßen sie den Glücksstoff Dopamin aus und leiten ihn weiter: zum einen in den Nucleus accumbens im unteren Vorderhirn sowie direkt ins Frontalhirn.

Wenn Dopamin im Nucleus accumbens ankommt, produzieren die dortigen Neuronen opiumähnliche Stoffe - wir fühlen uns euphorisch und glücklich. Das Dopamin im Frontalhirn führt dazu, dass unser Gehirn besser funktioniert: Wir werden aufmerksamer, verarbeiten die Informationen des unerwarteten Ereignisses und lernen, was gut für uns ist. Damit es uns mit einer Überdosis Glück nicht geht wie den Ratten, ist es wichtig, dass unser Glücksempfinden auch wieder abflaut. "Unser Gehirn ist nicht dafür gebaut, dauernd glücklich zu sein.

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Glück ist mehr als nur Dopamin

Es gibt verschiedene Glückshormone bzw. Botenstoffe, die für das Glück wichtig sind. Sie leiten im Gehirn blitzschnell Informationen weiter und vermitteln uns gute Gefühle. Dopamin ist in Bereichen des Gehirns angesiedelt, die vor allem mit Belohnung zu tun haben. Es tritt in Aktion, wenn etwas Positives passiert, etwas Schönes, mit dem ich nicht gerechnet habe. Es ist verantwortlich für unsere Motivation, für gesteigerte Wahrnehmungsfähigkeit und Leistung. Es kann einen regelrechten Glücksrausch auslösen.

Serotonin ist wichtig für unser Schmerzempfinden, aber auch an unserem Schlaf- und unserem Sexualverhalten beteiligt und hat Auswirkungen auf unseren allgemeinen emotionalen Zustand. Noradrenalin wird vor allem bei Stress ausgeschüttet und steuert, ob wir wach und aufmerksam sind und hat Einfluss darauf wie motiviert wir sind. Endorphine dämpfen Schmerzen und versetzen uns in eine Art Rauschzustand, während Oxytocin Angst und Stress verringert und soziale Fähigkeiten wie Empathie steigert.

Sind wir zum Glücklichsein veranlagt?

Manche Menschen scheinen immer gut drauf und zufrieden zu sein. Wurde ihnen das Glück schon in die Wiege gelegt? Jein. Der Psychologe David Lykken untersuchte das Glücksempfinden von Zwillingen. Dazu verglich er in Interviews das Wohlbefinden von eineiigen Zwillingen, die nach ihrer Geburt getrennt wurden und in verschiedenen Familien aufwuchsen, mit gemeinsam aufgewachsenen Zwillingspaaren. Das Ergebnis: Die Antworten beider Gruppen unterschieden sich kaum. Doch wir sind nicht die willenlosen Knechte unserer Gene. Es gibt ja noch die anderen 50 Prozent.

Der Neuropsychologe Richard Davidson untersuchte Babys und stellte fest, dass bei manchen die linke Gehirnhälfte aktiver ist als die rechte. Optimistische Typen hatten einen aktiveren linken Frontalcortex als unglücklichere Naturen. Aber: Nach zehn Jahren untersuchte er die Kinder wieder. Und da war nicht mehr viel vom damaligen Muster der Hirnströme zu erkennen. Das Gen SLC6A4 leitet das Hormon Serotonin in die Zellen weiter, was uns entspannt und gut gelaunt macht. Wer die Langform des Gens besitzt, bekommt mehr Serotonin ab und sieht eher das Positive. Internationalen Studien zufolge wird die Veranlagung zum Glücklichsein zu etwa 30 bis 40 Prozent von unseren Genen bestimmt. Die Lebensumstände machen rund 10 Prozent aus. Den Rest haben wir selbst in der Hand.

Was macht uns wirklich glücklich?

Geld macht glücklich - aber nur, wenn man wirklich arm ist. Sobald die Grundbedürfnisse befriedigt sind, flacht die Glückskurve ab, je mehr man verdient. Menschen, für die Luxus und Reichtum besonders wichtig sind, sind sogar eher unglücklich. Denn "Materialisten" sind seltener mit Freunden zusammen. Freunde machen glücklich und verhelfen sogar zu einem längeren und gesünderen Leben. Denn einsame Menschen stehen unter dem Stress, alleine mit allen Schwierigkeiten im Leben klarkommen zu müssen.

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Frisch verliebte Menschen sind - wenig überraschend - besonders glücklich. Bei ihnen sind fast die gleichen Gehirnschaltungen aktiv wie bei Drogensüchtigen. Besonders wirksam heizen Berührungen dem Glückszentrum ein: Wenn sie länger als 20 Sekunden dauern, werden der Glücksstoff Oxytocin und körpereigene Endorphine ausgeschüttet. Weitere spannende Erkenntnisse aus der Glücksforschung: Verheiratete sind im Schnitt glücklicher und gesünder als Ledige. Laut einer Langzeitstudie der Harvard University sind gute soziale Beziehungen, die das Gefühl von Verbindung und Zugehörigkeit vermitteln, der wichtigste Faktor für ein glückliches Leben.

Kann man Glück lernen?

"Auf die Dauer nimmt die Seele die Farbe der Gedanken an", sagte der römische Kaiser Marc Aurel. Das stimmt auch, wenn es ums Glück geht. Wer die Welt mit positiven Augen sieht, sich häufiger das Schöne im Leben bewusst macht, ist glücklicher. Aber auch Menschen, die eher griesgrämig durchs Leben gehen, können lernen, ihr Gehirn auf "Glück" umzuprogrammieren. Denn gute Gefühle sind kein Zufall, sondern die Antwort unseres Gehirns und Körpers auf einen Reiz. Gezielt Situationen und Erlebnisse zu suchen, die man als schön und positiv empfindet, macht auf Dauer glücklich. Für die einen ist das Sport, für die anderen Zusammensein mit Freunden, Kochen oder Reisen. Stefan Klein schreibt in seinem Buch "Die Glücksformel", dass man das Glück wie eine Fremdsprache lernen und trainieren kann: Freude, Lust, Aufmerksamkeit, Neugier und Lernen seien untrennbar miteinander verbunden.

Michaela Sambanis und Christian Ludwig haben Methoden entwickelt und wiederentdeckt, die das Lernen vereinfachen und für mehr Spaß beim Pauken sorgen sollen. Sie vermuten, dass es Lernenden einiges abverlangt, in Schule oder Universität eine starke Leistung zu bringen, zusätzlich zu Hause noch Übungen zu machen, in der digitalen Medienwelt eine ständige Ablenkung zu erleben und dazu noch Sorgen und Zukunftsängste zu haben. Es ist zu viel, das Gehirn ist überlastet und macht dicht. Deshalb wollten sie Wege finden, die mentale Gesundheitsförderung mit Spaß und Freude am Lernen zusammenzubringen. Sie raten, sich vor dem Lernen für eine Minute an einen "Happy Place" zu versetzen oder in einer stressigen Situation eine "Power Pose" einzunehmen.

Tipps für ein glücklicheres Leben

  • Achtsamkeit: Kleinigkeiten im Alltag ganz bewusst ausführen.
  • Positive Gedanken: Positives aufschreiben und vielleicht sogar teilen. Sich abends bewusst machen, was man tagsüber gut gemacht hat.
  • Bewegung: Yoga, Bewegung & (Outdoor-) Sport.
  • Soziale Kontakte: Sich mit guten Freunden austauschen, anderen etwas schenken.
  • Natur: Nach einem stressigen Tag Spazierengehen.
  • Musik: Sein Lieblingslied hören.
  • Humor: Jeden Tag eine Minute lächeln, jemandem ein Kompliment machen.
  • Entspannung: Meditation & Achtsamkeitsübungen, Tagträumen.
  • Probleme angehen: Sorgen nicht verleugnen und nicht anhäufen, sondern Stück für Stück angehen und sich evtl. Hilfe suchen.
  • Abwechslung: Einen abwechslungsreichen, aufregenden Alltag haben. Beim Spazierengehen neue Wege einschlagen oder solche, die mit positiven Gefühlen besetzt sind.

Glück in besonderen Lebensphasen

Auch das Alter spielt eine Rolle beim Glücklichsein. Professor Tobias Esch sagt, dass ältere Menschen in der Regel glücklicher und zufriedener als Erwachsene im mittleren Alter seien. Im Laufe des Lebens ändere sich die Art des Glückempfindens. Junge Leute suchten Vergnügen und Nervenkitzel, während ältere Menschen oft wenig bräuchten, um glücklich zu sein.

Kritik und Grenzen der Glücksforschung

Es ist wichtig, sich vor einem "toxischen Zwang zum Glücklichsein" zu hüten und sich zugestehen, auch mal traurig zu sein. Die Selbsthilfe-Kultur in den sozialen Medien gaukelt einfache Lösungen vor und macht dadurch Druck bei allen, denen es nicht so leichtfällt, etwas umzusetzen.

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