Das faszinierende Schlafverhalten der Delfine: Eine Reise in die Welt des Halbseitenschlafs

Wer hätte gedacht, dass manche Tiere nur 30 Sekunden am Stück schlafen oder nur mit einer Gehirnhälfte? Auch wenn die Schlafgewohnheiten teilweise merkwürdig klingen - sie machen immer einen Sinn. Delfine gehören zweifellos zu den interessantesten Meereslebewesen. Ihr Schlafverhalten ist ein Aspekt, der diese Faszination ausmacht und einen wesentlichen Teil ihrer außergewöhnlichen Überlebensstrategie bildet. Als Säugetiere, die im Wasser leben, aber auch immer noch regelmäßig atmen müssen, ist der Schlaf eine riskante Angelegenheit. Delfine können also nicht vollständig „wegnicken“, sondern höchstens etwas schlummern.

Schlafen unter Wasser: Eine Herausforderung für Meeressäuger

Wale sind einzigartig unter den Säugetieren. Sie atmen nicht wie gewöhnliche Fische, indem sie den Sauerstoff über Kiemen aus dem Wasser filtern, sondern müssen für die Atmung stets an die Wasseroberfläche. Gleiches gilt übrigens auch für Delfine. Das bedeutet für Wale, dass wenn sie schlafen, stets Luft holen müssen. Im Gegensatz zu vielen anderen Säugetieren ist die Atmung bei Walen ein bewusster Prozess und kein Reflex.

Der Halbseitenschlaf: Eine einzigartige Anpassung

Delfine praktizieren einen sogenannten Halbseitenschlaf. Das bedeutet, während der Schlafphase bleibt eine Hirnhälfte aktiv, die andere wechselt in den Ruhemodus. Während des Schlafes befinden sie sich also immer zur Hälfte in einem Wachzustand und bleiben so für potenzielle Gefahren gerüstet. Für den Schlaf suchen sich Delfine daher auch bewusst Bereiche im Wasser, die möglichst geschützt liegen. Sie lassen sich dabei wahlweise auf den Grund sinken oder an der Wasseroberfläche treiben. Beim Schutz kommt ihnen auch ihr Sozialverhalten zugute. Da sie immer in Gruppen, sogenannten Delfinschulen zusammenleben, sind sie auch während der Schlafphasen nie allein. Während der Schlafphase bleibt bei Delfinen eine Hirnhälfte aktiv und die andere Hirnhälfte wechselt in einen Ruhemodus.

Wale besitzen daher die Fähigkeit, eine Hälfte ihres Gehirns vollständig abzuschalten, während die andere Hälfte schläft. Die nicht schlafende Gehirnhälfte sorgt dafür, dass sie bei Bewusstsein bleiben, um zum Atmen an die Wasseroberfläche zu kommen. Wale praktizieren eine Schlafform, die als „unihemisphärischer Slow-Wave-Schlaf“ bezeichnet wird. Wale schlafen typischerweise für sehr kurze Zeiträume, normalerweise nur wenige Minuten am Stück, Tag und Nacht. Die verschiedene Walarten besitzen leicht unterschiedliche Schlafmuster und Verhaltensweisen, aber das allgemeine Prinzip des unihemisphärischen Schlafs (auch Halbhirn- oder Halbseitenschlaf genannt) ist allen Walarten gemein.

Der Halbhirnschlaf ist im übrigen kein Phänomen, dass nur bei Walen vorkommt. Mauersegler, Seebären und auch Löwen besitzen diese Eigenschaft auch, wobei die beiden letztgenannten sowohl mit nur einer, als auch mit beiden Gehirnhälften schlafen können. Der Halbhirnschlaf, so verlockend es klingen mag, ist für Menschen nicht erlernbar.

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Die Rolle der Atmung beim Delfinschlaf

Delfine gehören zur Klasse der Säugetiere. Als solche sind sie darauf angewiesen, regelmäßig Luft zu holen, da sie nur eine begrenzte Zeit unter Wasser verbringen können. Da Delfine - beispielsweise im Gegensatz zu Menschen - über keinen Atemreflex verfügen, setzen sie ihre Atmung bewusst ein. Demnach kann es nicht passieren, dass ein Delfin aus Versehen unter Wasser atmet. Luft holen sie mithilfe ihres auf dem Kopf sitzenden Blasloches ausschließlich über Wasser. Der fehlende Atemreflex ist auch ein Grund für den Halbseitenschlaf. Würden Delfine ihr Gehirn komplett in einen Ruhemodus versetzen, wären sie nicht imstande, bewusst zu atmen.

Schlafzeiten und -dauer: Flexible Anpassung an die Lebensumstände

Die gesamte Schlafdauer eines Tages hängt von den individuellen Lebensumständen einer Delfinart ab. Sprich, wann sie aktiv sein müssen, um auf die Jagd zu gehen. Auch aufgrund dessen schlafen Delfine nie über mehrere Stunden am Stück. Hinzu kommt, dass sie nach spätestens 20 Minuten einige Atemzüge an der Wasseroberfläche nehmen müssen. Delfine sind also echte Experten, wenn es um Powernaps geht. Sie wechseln innerhalb eines Tages mehrmals zwischen Schlaf- und Aktivphasen ab. In der Summe bringen sie es aber trotzdem auf eine beachtliche Schlafdauer. Der Große Tümmler beispielsweise schläft gerne etwa ein Drittel des Tages, also acht Stunden. Auch mit Halbseitenschlaf und kurzen Schlafphasen kommen Delfine daher ausreichend zur Ruhe. Delfine schlafen nie mehrere Stunden am Stück, sondern sie suchen sich passende Schlafphasen im Laufe des Tages heraus.

Delfine schlafen ebenso am Tag wie in der Nacht. Wann genau Schlafenszeit ist, hängt von der Delfinart und deren Jagdverhalten ab. Delfine sind dann aktiv, wenn es ihre Beutetiere sind. Der Speiseplan variiert, je nachdem, in welcher Region der Erde sie leben und was saisonal verfügbar ist. Delfine sind ebenso Meeres- wie auch Flussbewohner. Daher jagen sie neben diversen Fischarten beispielsweise auch Krebstiere, Tintenfische oder Quallen.

Wachsame Augen: Schutz vor Gefahren während des Schlafs

Neben dem Menschen gehören Haie, Schwertwale (Orcas) und andere fremde Artgenossen zu den natürlichen Feinden der Delfine. Um sich auch während der Schlafphase vor diesen zu schützen, halten sie währenddessen immer ein Auge geöffnet, das andere geschlossen. Das bewahrt sie auch davor, mit Hindernissen in Berührung zu kommen. Delfine haben also im wahrsten Sinne des Wortes immer ein wachsames Auge auf ihre Umgebung. Sie wechseln das offene und das geschlossene Auge in einem Rhythmus von zwei Stunden ab. So kann immer eines zur Ruhe kommen.

Weitere faszinierende Schlafgewohnheiten im Tierreich

Das Schlafverhalten von Delfinen ist nur ein Beispiel für die Vielfalt an Schlafgewohnheiten im Tierreich. Hier sind einige weitere Beispiele:

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  • Flusspferde: Sie halten sich gerne im Wasser auf und schlafen dort, indem sie sich mit ihrem tonnenschweren Körpergewicht einfach unter Wasser sinken lassen.
  • Seekühe: Sie schlafen nicht nur unter Wasser, sondern tun das auch noch auf dem Rücken, am Meeresboden.
  • Haie: Die meisten Haie müssen ständig schwimmen, denn wenn kein Wasser durch ihre Kiemen fließt, dann bekommen sie keinen Sauerstoff. Um doch an eine gute Mütze Schlaf zu kommen, senken sie ihre Hirnfunktion.
  • Okapi: Die Waldgiraffe schlägt zwar ein Nachtlager auf und liegt etwa zwei Stunden herum, ihre Tiefschlafphase dauert aber nur 30 Sekunden.
  • Pottwal: Im Gegensatz zum Delfin schläft der Pottwal mit beiden Gehirnhälften. Er treibt dabei hochkant im Meer mit dem Maul nach oben. Bei den Pottwalen wird vermutet, dass beide Gehirnhälften schlafen und sie eine Art Erinnerungsfunktion zum Atemholen besitzen, die sie während des Schlafes kurz weckt um Luft zu holen. Die Schlafdauer aller Wal- und Delfinarien ist noch nicht hinreichend erforscht. Was man weiß ist, dass Pottwale ca. 90 Minuten am Tag schlafen. Inwieweit Wale ihr Schlafbedürfnis noch mit kurzen Nickerchen erfüllen, wird vermutet, ist aber noch ungeklärt.
  • Vögel: Wenn wir Menschen uns entspannen, lockern und verlängern sich unsere Muskeln. Bei Vögeln ist das genau umgekehrt. Die Muskeln in ihren Füßen ziehen sich bei Entspannung zusammen. Der Mauersegler düst drei Jahre fast ununterbrochen durch die Luft. Er fängt Beute im Flug, frisst sie im Flug und schläft im Flug! Ebenso machen es manche Zugvögel, die im Herbst und im Frühjahr tagelang über das offene Meer zu ihren Sommer- oder Winterquartier fliegen. Sie schlafen quasi am Steuer.
  • Basilisk: Die Echse klettert zum Schlafen an das Ende eines Astes, der über einen See hängt. Wenn sich ein Feind nähert, während der Basilisk von leckeren Insekten träumt, beginnt der Ast logischerweise zu wackeln. Der Basilisk fällt ins Wasser und ist außer Gefahr.
  • Huftiere: Viele Huftiere legen sich zum Schlafen nicht hin. Das könnte vor allem für Fluchttiere wie Antilopen übel ausgehen. Bis sie aufgestanden sind, hat der Löwe schon seinen Snack zwischen den Pfoten. Damit das nicht passiert, sammeln sie sich in Herden, stellen Wachposten auf und pennen im Stehen.

Forschung zum Delfinschlaf: Einblick in ein komplexes Verhalten

Gleich mehrfach haben Wissenschaftler mit ethisch und wissenschaftlich reichlich fragwürdigen Versuchen Selbstverständlichkeiten eines Delfin-Lebens nachgewiesen. Die Meeressäuger schlafen nie vollständig ein, eine ihrer beiden Gehirnhälften ist auch während der Schlaf- und Ruhephasen hellwach - das muss sie auch. Da Delfine ihre Atmung bewusst steuern, wäre ein vollständiger Tiefschlaf beider Gehirnhälften, wie beim Menschen, tödlich.

Den Anfang der Schlafforschung machte 2009 ein internationales Forscherteam um Sam Ridgway vom US Space and Naval Warfare Systems Center in San Diego. Sie trainierten die Tümmler “Nay” und “Say” (Männchen und Weibchen) darauf, auf einen 1,5 Sekunden langen Pfeifton zu reagieren. Auf den Pfeifton hin mussten die Meeressäuger zu einem Paddel schwimmen und es mit der Schnauze anstoßen. Anschließend wurden die Becken mit leisen kurzen Tönen von einer halben Sekunde Dauer im Abstand von 30 Sekunden fünf Tage lang beschallt. Immer wenn die Forscher im Lauf der fünf Tage einen der 1,5 Sekunden langen Pfeiftöne einstreuten, reagierten die Delfine sofort - und zwar am Ende der Zeitspanne noch ebenso prompt wie zu Anfang. “Selbst nach fünf Tagen waren die Delfine noch so aufmerksam wie zu Beginn des Experiments”, berichten die Forscher. Einen leichten Durchhänger zeigten sie nur nachts, wenn sie normalerweise eine Ruhepause einlegen - insbesondere das Weibchen reagierte dann etwas langsamer auf die Signale.

In einem weiteren von Ridgway entworfenen Experiment mussten die Tiere mit einem Auge komplizierte Muster erkennen, die sie zuvor nur mit dem anderen zu sehen bekommen hatten. So untersuchten die Wissenschaftler die Fähigkeit von Delfinen, jeweils nur eine ihrer beiden Hirnhälften schlafen legen zu können. Zum Erstaunen der Beteiligten zeigte sich, dass die Tiere zu jeder Zeit des fünftägigen Experiments Muster mit dem rechten Auge erkennen konnten, auch wenn sie sie zuvor nur mit dem linken Auge zu sehen bekamen. Da die Augen bei Delfinen seitlich stehen, war ausgeschlossen, dass die Tiere die Muster jeweils mit dem anderen Auge erkennen konnten.

Einen weiteren Versuch, das Schlafverhalten von Delfinen zu entschlüsseln unternahmen im Jahr 2012 Wissenschaftler um Brian Branstetter von der National Marine Mammal Foundation in San Diego (US-Staat Kalifornien). Auch sie setzten lediglich zwei Große Tümmler ein, ein 30 Jahre altes Weibchen und ein 26-jähriges Männchen. Bei ihren Schlafstörungsversuchen stellten die Forscher fest, dass die Tiere während der Schlafphasen kontinuierlich Echolot-Signale aussenden, um sich zu orientieren, Objekte aufzuspüren oder Kontakt zu ihren Artgenossen zu halten. Jeweils einer der Delfine musste in einem mit einer speziellen Testanlage ausgestatteten Meerwasserbassin bestimmte Ziele finden. Bei einem Treffer gab es zur Belohnung einen Fischhappen. Jedes Tier absolvierte drei fünftägige Tests, wobei sie nur leichte Ermüdungserscheinungen zeigten und mit einer Trefferquote von 75 bis 86 Prozent für das Männchen und von 97 bis 99 Prozent beim Weibchen sehr gute Leistungen an den Tag legten. Besonders motiviert sei das Weibchen gewesen, berichten die Forscher, es reagierte teilweise mit “Sieges-Quietschlauten” auf richtige Treffer. Daraufhin entschlossen sich die Forscher, sie in einem Langzeitversuch, der schließlich nach 15 Tagen wegen einer Sturmwarnung abgebrochen werden musste, zu testen. Diese extrem lange Aufmerksamkeitsspanne sei eine natürlich Folge des “Halbseitenschlafs” meinen die Forscher - es wäre auch reichlich fatal, wenn Delfine während der Schlaf- und Ruhephasen ihr Orientierungs- und Ortungssystem nicht benutzen würden. Delfine können - ja müssen - mit wochen- oder sogar monatelangem Schlafverzicht leben.

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