Schlafstörungen stellen eine erhebliche Belastung in der Betreuung von Menschen mit Demenz dar. Wenn Betroffene nachts unruhig sind, umherwandern oder rufen, leiden nicht nur sie selbst, sondern auch die pflegenden Angehörigen, die oft in ständiger Alarmbereitschaft leben. Diese anhaltende Belastung kann langfristige gesundheitliche Folgen für die Pflegenden haben. Ein tiefergehendes Verständnis der Ursachen für diese Schlafstörungen bei Demenz ist daher entscheidend, um wirksame Strategien zur Verbesserung der Lebensqualität aller Beteiligten zu entwickeln.
Die Rolle des Gehirns und des Tag-Nacht-Rhythmus
Schlaf und Wachsein werden vom Gehirn gesteuert. Bei Demenzerkrankungen, wie Alzheimer, ist oft schon früh der Bereich im Gehirn betroffen, der den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. In der Folge gerät die innere Uhr aus dem Takt, was das Gefühl für die Tageszeit beeinträchtigt.
Sundowning: Wenn die Verwirrung am Abend zunimmt
Ein Phänomen, das häufig bei Menschen mit Demenz beobachtet wird, ist das sogenannte „Sundowning“. Dies bezeichnet eine Phase am frühen Abend, in der Betroffene unruhiger, verwirrt, ängstlich oder gereizt werden und unruhig umherlaufen. Vor allem im Sommer sorgt die lange Helligkeit für Verwirrung und Unruhe.
Die Bedeutung von gutem Schlaf für Menschen mit Demenz
Schlaf ist essenziell für die Regeneration des Gehirns, die Verarbeitung von Eindrücken, die Festigung von Erinnerungen und den Abbau schädlicher Stoffwechselprodukte. Gerade für Menschen mit Demenz kann guter Schlaf helfen, innere Anspannung zu verringern und die kognitiven Fähigkeiten zumindest vorübergehend zu stabilisieren. Auch für pflegende Angehörige ist ausreichender Schlaf unverzichtbar, um ihre Aufgaben bewältigen zu können.
Strategien zur Unterstützung eines besseren Schlafs
Auch wenn sich die innere Uhr nicht zurückstellen lässt, gibt es Möglichkeiten, sie zu unterstützen:
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- Tageslicht: Morgendliches Sonnenlicht oder eine Tageslichtlampe helfen dem Gehirn, sich zeitlich zu orientieren.
- Bewegung: Regelmäßige Bewegung, idealerweise im Freien, baut Spannungen ab und fördert die Müdigkeit am Abend.
- Schlafhygiene: Vermeiden Sie lange Nickerchen am Tag, um den Nachtschlaf nicht zu beeinträchtigen. Ein Mittagsschlaf kann guttun, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten.
- Schlafumgebung: Sorgen Sie für eine angenehme Schlafumgebung und dafür, dass sich der Senior wohlfühlt im Schlafzimmer, um für einen guten Schlaf-Wach-Rhythmus zu sorgen. Das Schlafzimmer muss gut abgedunkelt sein. Ein kleines Schlaflicht wie eine Steckdosenbeleuchtung ist wegen der Sturzgefahr in der Nacht aber häufig hilfreich.
- Reizarme Abendgestaltung: Vermeiden Sie Reizüberflutung am Abend durch laute Fernsehsendungen, hektische Gespräche oder zu helles Licht.
- Feste Routinen: Etablieren Sie feste Routinen vor dem Schlafengehen, wie z.B. einen Tee, leise Musik oder gemeinsames Zähneputzen.
- Aromapflege: Experimentieren Sie mit der Aromapflege. Öle wie Lavendel, Benzoe, Zirbelkiefer, Mandarine, Melisse erzielen als Einreibung, Kissenspray, auf einem Duftstein oder einer Lampe tolle Wirkungen und haben kaum Nebenwirkungen.
Weitere Faktoren, die den Schlaf beeinflussen
- Ernährung: Bieten Sie dem Pflegebedürftigen vor dem Schlafengehen eine Kleinigkeit aus Fett und Eiweiß (fetter Quark, Joghurt ohne Zucker, Vollkornbrot mit fettem Käse oder Lachs) an. Damit bleibt der Blutzuckerspiegel über Nacht konstant.
- Flüssigkeitszufuhr: Der größte Teil der Flüssigkeit sollte bis zu vier Stunden vor dem Schlafengehen konsumiert werden.
- Schmerzen: Stellen Sie sicher, dass der Senior nachts keine Schmerzen hat. Besonders bei Demenzkranken werden diese nicht mehr adäquat geäußert und führen in der Folge zu Unruhe und Schlaflosigkeit.
- Medikamente: Auch Medikamente können dazu beitragen, dass es zu nächtlichen Schlafstörungen kommt.
- Beschäftigung: Menschen mit Demenz fallen oftmals aus Langeweile und Unterforderung tagsüber in einen Dämmerschlaf und benötigen somit nachts weniger Schlaf.
Das "Sundowning-Syndrom" verstehen und behandeln
Als Sundowning- Syndrom wird bei Demenzerkrankten eine zunehmende Verschlechterung des kognitiven Zustands ab dem späten Nachmittag bezeichnet. Dabei werden die Betroffenen unruhig, aggressiv, schreien oder halluzinieren. Forscher vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Teil des Gehirns gibt, das die innere Uhr enthält und dem Teil, der die Aggressionen kontrolliert. Dadurch kommt es laut den dänischen Forschern zum Sundowning-Syndrom bei Demenzerkrankten.
Um dem Sundowning vorzubeugen, können folgende Maßnahmen helfen:
- Ausreichend Beschäftigung: Sorgen Sie für ausreichend Beschäftigung, um dem Sundowning vorzubeugen.
- Beleuchtung: Beleuchten Sie, vor Einbruch der Dunkelheit, die Wohnräume des Demenzkranken und verdunkeln Sie die Fenster, damit keine Schatten entstehen.
- Routine: Halten Sie sich jeden Tag an denselben Zeitplan, damit sich die Person ruhiger und gelassener fühlt.
- Ernährung: Eine Anpassung der Ernährung einer Demenzkranken Person kann auch dazu beitragen, ihre Symptome in den späten Stunden zu lindern.
Delir: Eine akute Verwirrtheit als medizinischer Notfall
Ein Delirium kann einen lebensbedrohlichen, akuten medizinischen Notfall zur Folge haben. Vielfach sind ältere, demente Patienten betroffen. Bei einem „Altersdelir“ kommt es zu einer akuten, häufig fluktuierenden Funktionsstörung des Gehirns. Kognitive Störungen, Störungen der Vigilanz, Halluzinationen und Wahnvorstellungen, aber auch psychomotorische Symptome wie erhebliche Unruhe oder ebenso Zustände mit deutlich reduzierter Motorik treten auf.
Die Ursachen für Delirien sind vielfältig: Infektionen können es ebenso auslösen wie Schmerzen, psychische und körperliche Belastungen, zum Beispiel bei Operationen. Besonders häufig sind Nebenwirkungen von Medikamenten die Ursache, insbesondere die Polypharmazie stellt in diesem Zusammenhang wegen kaum überschaubarer Interaktionen ein Risiko dar.
Die Therapie des Delirs verläuft mehrgleisig. Allem voran sollten die auslösenden Ursachen - häufig eine neurologische oder internistische Grunderkrankung - beseitigt oder minimiert werden. Dazu gehört auch, die verordneten Medikamente auf deren Verträglichkeit zu überprüfen, die Dosis anzupassen oder mit der Einnahme zu pausieren. Unterstützend können eine symptomatische Arzneimitteltherapie erfolgen (zum Beispiel mit niedrigdosierten Neuroleptika) sowie nicht medikamentöse Interventionen eingeleitet werden.
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Medikamentöse Behandlung von Schlafstörungen bei Demenz
Herkömmliche Schlafmittel wie zum Beispiel Zopiclon, Zolpidem, Doxepin und Oxazepam sollten nur bei großem Leidensdruck und vorübergehend eingenommen werden. Wichtig ist, dass diese genau nach Anweisung des verordnenden Arztes und unbedingt vor Mitternacht verabreicht werden. Häufige Nebenwirkungen sind Tagesmüdigkeit und der so genannte „hangover“ mit Benommenheit, Schwindel und Schläfrigkeit in den frühen Morgenstunden.
Es gibt auch naturheilkundliche Schlafmittel auf der Basis von Baldrian oder Lavendel, wie zum Beispiel Lasea, die angstlösende und beruhigende Wirkungen erzielen können. Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Pipamperon und Melperon hingegen werden immer noch häufig verschrieben. Sie wirken schlaffördernd, angstlösend und bergen keine Abhängigkeitsgefahr. Allerdings ist bei dieser Medikamentengruppe die Sturzgefahr und die Entstehung von Druckgeschwüren erhöht. Antidepressiva wie Mirtazapin wirken ebenfalls schlaffördernd, machen aber nicht abhängig. Da auch hier Sturzgefahr durch einen „hangover“ besteht, dürfen diese Medikamente nicht zu spät am Abend verabreicht werden.
Die Bedeutung der Tagesstruktur und Beschäftigung
Gerade Menschen mit Demenz brauchen eine Tagesstruktur und eine Beschäftigung, um nachts nicht zum Nachtwanderer zu werden sondern ruhig schlafen zu können. Werden die Betroffenen am Tage ausreichend gefordert und aktiviert, kann dafür gesorgt werden, dass sie tagsüber nicht mehr und dafür nachts besser und länger schlafen.
Es gibt viele Möglichkeiten, demente Menschen zu beschäftigen. Die Beschäftigungsart ist jedoch auch immer abhängig vom Grad der Demenz:
- Spaziergänge: Spaziergänge an der frischen Luft sind sehr gut geeignet.
- Spiele und Gedächtnistraining: Dazu zählen auch Spiele und Gedächtnistraining.
- Hausarbeiten: Demenziell veränderte Frauen können noch in viele Hausarbeiten mit eingebunden werden. Männer mit Demenz können vielleicht bei technischen Arbeiten mithelfen.
Praktische Tipps für die Pflege im Alltag
- Gewohnheiten beibehalten: Wichtig ist es, bei einer Demenzerkrankung die Gewohnheiten beizubehalten. Versuchen Sie, den gewohnten Schlaf-Wach-Rhythmus des Senior aufrechtzuerhalten.
- Wohlbefinden fördern: Das Wohlfühlen im Schlafzimmer ist entscheidend, um für einen guten Schlaf- Wach-Rhythmus zu sorgen.
- Aktivität fördern: Achten Sie auf genügend Aktivität am Tag, am besten an der frischen Luft.
- Sicherheitsrisiken beseitigen: Beseitigen Sie aber alle Sicherheitsrisiken für ein nächtliches Herumwandern im Haus oder der Wohnung.
- Auf die Signale achten: Demente Menschen können oft keinen Schmerz mehr äußern. Schmerzen jeglicher Art können ebenfalls für Unruhe sorgen.
Unterstützung für pflegende Angehörige
Mit der nächtlichen Unruhe ist nicht nur bei der dementen Person der Schlaf gestört, sondern auch bei den Angehörigen, die mit im Haushalt leben. Die ständige Angst, dass der Angehörige nachts stürzt und sich verletzt, vielleicht den Herd anschaltet oder gar das Haus verlässt, sorgt für einen unruhigen Schlaf bei den Pflegenden.
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Wenn die Gefahr besteht, dass pflegende Angehörige darunter leiden, dass der demente Mensch Tag und Nacht durcheinander bringt und deshalb selbst nicht mehr richtig schlafen, sollte daran gedacht werden, selbst eine Auszeit zu nehmen. Niemand kann auf Dauer sinnvoll pflegen, wenn ein permanenter Schlafentzug vorherrscht.
Denken Sie daran, andere Familienangehörige immer wieder zu bitten, die häusliche Pflege aushilfsweise für Sie zu übernehmen. Außerdem kann eine Tagespflege in Anspruch genommen werden, um wenigstens tagsüber mal für sich selbst Ruhe zu finden. Die Nachtpflege soll immer weiter ausgebaut werden.