Schätzungsweise 20 Prozent der Bevölkerung greifen regelmäßig zu Abführmitteln. Eine aktuelle Studie hat nun einen möglichen Zusammenhang zwischen der regelmäßigen Einnahme von Abführmitteln und einem erhöhten Demenzrisiko aufgezeigt. Dieser Artikel beleuchtet die Ergebnisse dieser Studie und gibt einen Überblick über die möglichen Mechanismen, die hinter dieser Verbindung stehen könnten.
Die aktuelle Studienlage
Eine im Fachjournal »Neurology« veröffentlichte Kohortenstudie unter der Leitung von Dr. Zhirong Yang von der Universität Cambridge untersuchte den Zusammenhang zwischen der Anwendung verschiedener Laxanzien und dem Demenzrisiko. Die Wissenschaftler nutzten Daten von insgesamt 502.229 Menschen im Alter zwischen 40 und 69 Jahren, bei denen zu Beginn der Untersuchung keine Diagnose einer Demenz vorlag.
Der selbstberichtete Laxanzien-Gebrauch an den meisten Tagen einer Woche in den vier Wochen vor Studienaufnahme wurde für die Analyse als regelmäßige Anwendung eingestuft. Von den mehr als 500.000 Teilnehmern traf dies auf 18.235 Personen zu. Die Nachbeobachtung betrug im Durchschnitt knapp zehn Jahre. In dieser Zeit erhielten 218 Teilnehmer (1,3 Prozent) eine Demenzdiagnose.
Die Ergebnisse wurden hinsichtlich soziodemografischer Merkmale, Begleiterkrankungen, Familienanamnese und sonstiger regelmäßiger Medikamenteneinnahme statistisch adjustiert. Insgesamt errechneten Yang und Kollegen bei regelmäßigem Gebrauch von Abführmitteln ein signifikant erhöhtes Risiko für Demenz jeglicher Ursache von 50 Prozent. Ferner kamen die Forschenden zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Demenzen insgesamt sowie für vaskuläre Demenz mit der Zahl der eingenommenen unterschiedlichen Laxanzien anstieg. 5800 Studienteilnehmer hatten angegeben, dass sie nur eine Art von Abführmittel verwenden. Hier stach insbesondere die Gruppe jener hervor, die osmotisch wirksame Abführmittel verwendet hatte. Das Risiko für Demenz jeglicher Ursache war in dieser Gruppe signifikant erhöht (64 Prozent).
Die Rolle der Darm-Hirn-Achse
Doch wie können Abführmittel das Demenzrisiko beeinflussen? Ein möglicher Erklärungsansatz bezieht sich auf die sogenannte Darm-Hirn-Achse. Über diesen Weg „kommunizieren“ Darm und Gehirn. Bekannt ist, dass eine gestörte Darmflora (Dysbiose) diese Signalübertragung und sogar die Produktion von Neurotransmittern beeinflussen kann.
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Die ständige Verwendung von Abführmitteln kann zur Veränderung der Darmflora führen. Dieses Mosaik aus verschiedenen Mikroorganismen, das sogenannte Darmmikrobiom ist Teil der Darm-Hirn-Achse, über welche der Darm und das Gehirn miteinander interagieren. Es ist bekannt, dass eine gestörte Darmflora die Produktion von verschiedenen Neurotransmittern ändern und somit auch in die Signalübertragung eingreifen kann.
Eine Studie zeigte bereits 2018, dass osmotisch wirksame Laxanzien das Mikrobiom verändern können. Abführmittel können auch die Epithelbarrieren des Darms stören und den Übergang von aus dem Darmmikrobiom stammenden neurotoxischen Stoffwechselprodukten in das zentrale Nervensystem erleichtern und inflammatorische Prozesse begünstigen.
Osmotische Abführmittel im Fokus
Von den Teilnehmern, die angaben, nur eine Sorte Abführmittel zu nehmen (n=5.800), war nur die Gruppe der osmotisch wirksamen Abführmittel signifikant mit dem allgemeinen Demenzrisiko sowie dem für Demenzen vaskulärer Ursache assoziiert. Osmotische Abführmittel „ziehen“ Wasser in das Darmlumen, was den Stuhl verdünnt. Bei einem zu häufigen Gebrauch oder bei zu hohen Dosen kann es zu einem gestörten Mineralstoff- und Wasserhaushalt kommen.
Einschränkungen der Studie und Expertenmeinung
Es ist wichtig zu betonen, dass die Studie keine randomisierte kontrollierte Studie ist und daher nicht beweisend ist, dass Abführmittel das Demenzrisiko tatsächlich erhöhen. Weitere Untersuchungen sind notwendig, um die Mechanismen, die den Zusammenhang zwischen der Einnahme von Abführmitteln und der Entstehung einer Demenz erklären können, noch zu untersuchen.
Dennoch raten Experten angesichts des Ergebnisses zur Vorsicht im Umgang mit Laxanzien, gerade vor dem Hintergrund, dass Demenzerkrankungen immer weiter zunehmen.
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Professor Dr. Peter Berlit, Generalsekretär und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), erklärt: „Die Studie ist keine randomisierte-kontrollierte Studie und daher nicht beweisgebend, dass Abführmittel das Demenz-Risiko tatsächlich erhöhen. Weitere Untersuchungen sind notwendig. Dennoch raten wir angesichts des Ergebnisses zur Vorsicht im Umgang mit Laxanzien, gerade vor dem Hintergrund, dass Demenzerkrankungen immer weiter zunehmen.“
Demenzprävention: Gesunde Ernährung als Schlüssel
Derzeit nehmen ca. 20 Prozent der Allgemeinbevölkerung und 70 Prozent der Pflegeheimbewohner regelmäßig Abführmittel ein. Nach Ansicht des Experten könnten viele Menschen darauf verzichten, wenn sie ihre Ernährung umstellten und mehr Ballaststoffe, enthalten in Obst, Gemüse und Vollkornprodukten, und vor allem auch ausreichend Flüssigkeit in Form von Wasser oder ungesüßten Tee zu sich nehmen würden.
Eine gesunde Ernährung könnte nach Expertenmeinung womöglich gleich doppelt vor Demenz schützen: Zum einen mache sie Abführmittel häufig überflüssig, zum anderen sei sie per se demenzpräventiv. Für den Erhalt der geistigen Funktion bis ins hohe Alter lohnt es sich in jedem Fall, seine Ernährung umzustellen.
„Eine solche Ernährungsumstellung hat womöglich gleich eine doppelte Schutzwirkung gegen Demenz“, erklärt Berlit. „Zum einen lässt sich in vielen Fällen auf Abführmittel verzichten, die einen potenziell schädigenden Einfluss auf die Hirngesundheit haben, zum anderen gilt eine gesunde Ernährung per se als wichtige Säule der Demenzprävention."
Der Experte betont abschließend die Bedeutung der Demenzprävention: Der Anteil beeinflussbarer Demenzen liegt Schätzungen zufolge bei etwa 40 Prozent. Die rechtzeitige adäquate Behandlung oder Vermeidung dieser Risikofaktoren könnte laut dem Bericht der „Lancet Commission“ 2020 bis zu 40 Prozent aller Demenzerkrankungen verhindern.
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Weitere Risikofaktoren für Demenz
Neben der regelmäßigen Einnahme von Abführmitteln gibt es weitere bekannte Risikofaktoren für Demenz, die modifiziert werden können. Dazu gehören:
- Ein niedriger Bildungsstand
- Bluthochdruck
- Schwerhörigkeit
- Rauchen
- Übergewicht
- Depressionen
- Körperliche Inaktivität
- Diabetes mellitus
- Wenig Sozialkontakt
- Exzessiver Alkoholkonsum
- Schädel-Hirn-Traumen
- Luftverschmutzung
- Auch der Schlaf scheint eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer Demenz zu spielen.
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