Demenz ist ein Syndrom, das durch den fortschreitenden Verlust kognitiver Fähigkeiten wie Gedächtnis, Denken, Orientierung und Sprache gekennzeichnet ist. Es ist wichtig zu verstehen, dass Demenz keine eigenständige Krankheit ist, sondern ein Sammelbegriff für verschiedene Erkrankungen, die zu einem Abbau der Hirnfunktionen führen. Die Symptome können je nach Art der Demenz und betroffenem Hirnbereich variieren. Ein häufiges und belastendes Problem bei Demenz ist die fehlende Krankheitseinsicht, auch Anosognosie genannt.
Was ist Demenz?
Der Begriff "Demenz" leitet sich vom lateinischen "demens" ab, was "ohne Geist" bedeutet. Er beschreibt einen krankheitsbedingten, erworbenen Verlust von Leistungen der höheren Gehirnfunktionen. Die kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Konzentration, Denken, Problemlösen, Sprache, Orientierung, Urteilsbildung und Handlungsplanung sind beeinträchtigt. Persönlichkeitsveränderungen und Stimmungsschwankungen können ebenfalls auftreten.
Ursachen von Demenz
Demenz kann viele Ursachen haben. Man unterscheidet zwischen primären und sekundären Demenzen. Primäre Demenzen sind durch den Abbauprozess selbst verursacht, während sekundäre Demenzen die Folge einer anderen organischen Störung sind. Die häufigsten Demenzformen sind:
- Alzheimer-Krankheit: Mit etwa 60% ist sie die häufigste Ursache aller Demenzen. Dabei kommt es zu einer fortschreitenden Zerstörung von Gehirnzellen, die mit Ablagerungen von Beta-Amyloid und Tau-Proteinen im Gehirn einhergeht.
- Vaskuläre Demenz: Sie macht etwa 10-15% aller Demenzen aus und wird durch Schädigungen der Blutgefäße im Gehirn verursacht, was zu Durchblutungsstörungen und Sauerstoffmangel führt. Risikofaktoren sind Bluthochdruck, Diabetes und Rauchen.
- Mischformen: In etwa 20% der Fälle treten Mischformen der Alzheimer- und vaskulären Demenz auf.
- Demenz mit Lewy-Körperchen: Diese Form macht etwa 10-15% aller Demenzen aus. Hier finden sich neben den Alzheimer-Plaques und Neurofibrillen noch weitere Eiweißablagerungen, sogenannte Lewy-Körperchen, in den Nervenzellen.
- Frontotemporale Demenz (FTD): Sie ist seltener als die Alzheimer-Demenz (5%) und betrifft eher jüngere Patienten (um das 50. Lebensjahr). Diese Form der Demenz wird durch eine Schrumpfung des Stirnlappens bzw. der Schläfenlappen verursacht. Typisch ist vor allem eine Wesensänderung und eine Störung der Verarbeitung von Emotionen.
Weitere Ursachen können chronischer Alkoholismus (Korsakow-Syndrom), Schädel-Hirn-Verletzungen, Hirntumore, Schilddrüsenunterfunktion und entzündliche Erkrankungen des Nervensystems sein.
Risikofaktoren für Demenz
Obwohl die genauen Ursachen vieler Demenzerkrankungen noch nicht vollständig geklärt sind, kennt man eine Reihe von Risikofaktoren, die das Demenzrisiko erhöhen:
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- Höheres Alter
- Familiäre Vorbelastung
- Kopfverletzungen
- Übermäßiger Alkoholkonsum
- Feinstaubbelastung
- Mangelnde Bildung
- Übergewicht
- Bluthochdruck
- Eingeschränkte Hörfähigkeit
- Rauchen
- Diabetes
- Depressionen
- Bewegungsmangel
- Mangel an sozialen Kontakten
Ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger Bewegung, geistiger Aktivität und ausgewogener Ernährung kann das Demenzrisiko senken und den Verlauf verlangsamen.
Symptome der Demenz
Die Symptome einer Demenz sind vielfältig und hängen von der Art der Erkrankung und dem Stadium ab. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Gedächtnisverlust: Vor allem das Kurzzeitgedächtnis ist betroffen. Betroffene vergessen Ereignisse, die erst kurze Zeit zurückliegen, und haben Schwierigkeiten, sich neue Informationen zu merken. Sie stellen immer wieder dieselbe Frage oder wiederholen die gleichen Sätze.
- Orientierungslosigkeit: Betroffene haben Schwierigkeiten, sich in fremder Umgebung zurechtzufinden und verlieren später auch in vertrauter Umgebung die Orientierung. Sie wissen nicht, welcher Tag oder welches Jahr ist.
- Sprachstörungen: Betroffene haben Wortfindungsstörungen, machen auffällige Grammatikfehler oder haben Probleme beim Sprachverständnis. Sie sprechen undeutlich und ihre Aussagen sind inhaltsleer.
- Probleme bei Alltagshandlungen: Betroffene haben Schwierigkeiten, gewohnte Tätigkeiten wie Kochen, Anziehen oder Waschen auszuführen.
- Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens: Betroffene können unkonzentriert, desinteressiert und achtlos wirken. Sie können auch reizbar, ängstlich, misstrauisch oder depressiv sein. Es kann zu Stimmungsschwankungen, Aggressionen und sozialem Rückzug kommen. Sie können unpassende Bemerkungen machen oder unangemessenes sexuelles Verhalten zeigen.
- Fehlende Einsicht: Betroffene erkennen ihre Probleme oft nicht oder streiten sie ab. Sie verdrängen Fehler, Irrtümer oder Verwechslungen.
Spezifische Symptome der Frontotemporalen Demenz
Die Frontotemporale Demenz (FTD) äußert sich oft anders als die Alzheimer-Krankheit. Je nachdem, welche Bereiche des Gehirns geschädigt sind, können unterschiedliche Symptome im Vordergrund stehen:
- Verhaltensbetonte Variante: Hier stehen Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens im Vordergrund. Betroffene zeigen Enthemmung, Apathie, Verlust von Einfühlungsvermögen, zwanghaftes oder ritualisiertes Verhalten und verändertes Essverhalten. Sie erkennen oft nicht, dass ihr Verhalten ungewöhnlich ist.
- Sprachbetonte Variante (Primär Progressive Aphasie): Hier stehen Sprachschwierigkeiten im Vordergrund. Es gibt verschiedene Unterformen:
- Semantischer Typ: Betroffene verlieren das Verständnis für Wörter.
- Unflüssiger/agrammatischer Typ: Das Sprechen wird mühsam und angestrengt.
- Logopenischer Typ: Betroffene haben Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden.
Fehlende Krankheitseinsicht (Anosognosie)
Ein zentrales Problem bei Demenz, insbesondere im frühen Stadium, ist die fehlende Krankheitseinsicht, auch Anosognosie genannt. Betroffene nehmen ihre Defizite oft nicht wahr oder wollen sie nicht wahrhaben. Sie lehnen Hilfe ab, reagieren mit Abwehr oder Aggression und lassen sich nur schwer zu ärztlichen Untersuchungen bewegen.
Ursachen für fehlende Krankheitseinsicht
Die Gründe für eine fehlende Krankheitseinsicht sind vielfältig:
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- Mangelnder Leidensdruck: Betroffene fühlen sich oft nicht "krank".
- Fehlende Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung: Betroffene können Veränderungen wie Vergesslichkeit oder Orientierungslosigkeit nicht richtig einordnen.
- Schutzmechanismus: Das Leugnen kann ein Schutzmechanismus sein, um eine Fassade aufrechtzuerhalten.
- Hirnschädigung: Anosognosie ist eine Folge der Hirnschädigung selbst und keine Verleugnung im psychologischen Sinn.
Umgang mit fehlender Krankheitseinsicht
Der Umgang mit fehlender Krankheitseinsicht ist eine große Herausforderung für Angehörige. Es ist wichtig zu verstehen, dass die fehlende Einsicht Teil der Erkrankung ist und kein "Wollen". Angehörige sollten:
- Verständnis zeigen: Akzeptieren Sie, dass die fehlende Einsicht Teil der Erkrankung ist.
- Respektvoll kommunizieren: Vermeiden Sie Belehrungen oder Bevormundungen. Kommunizieren Sie ruhig, klar und wertschätzend.
- Gespräch suchen: Sprechen Sie das Thema immer wieder einfühlsam an, ohne Druck oder Vorwürfe.
- Unterstützung anbieten: Bieten Sie Hilfe an, ohne die Autonomie des Betroffenen zu gefährden.
- Sich selbst schützen: Holen Sie sich Hilfe und Unterstützung von Beratungsstellen oder Selbsthilfegruppen.
Diagnose von Demenz
Wenn der Verdacht auf eine Demenz besteht, ist eine umfassendeDiagnostik erforderlich. Diese umfasst in der Regel:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Beschwerden. Befragung von Angehörigen, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Um andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.
- Neuropsychologische Tests: Tests zur Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit, Sprache und Orientierung (z.B. Mini-Mental-Status-Test (MMST), Uhrentest, DemTect).
- Bildgebende Verfahren: MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie) des Gehirns, um strukturelle Veränderungen oder andere Erkrankungen auszuschließen.
- Blutuntersuchung: Um Stoffwechselstörungen oder Vitaminmangel auszuschließen.
- Liquoruntersuchung: In manchen Fällen wird eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) durchgeführt, um andere Erkrankungen auszuschließen.
- Genetische Untersuchung: Bei Verdacht auf eine erbliche Form der Demenz kann eine genetische Untersuchung durchgeführt werden.
Behandlung von Demenz
Eine Heilung der Demenz ist bisher nicht möglich. Ziel der Behandlung ist es, den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Angehörigen zu verbessern. Die Behandlung umfasst in der Regel:
- Medikamentöse Therapie: Es gibt Medikamente, die die Symptome der Alzheimer-Krankheit lindern können (z.B. Cholinesterasehemmer, Memantin). Bei anderen Demenzformen werden Medikamente eingesetzt, um Begleitsymptome wie Depressionen, Schlafstörungen oder Verhaltensstörungen zu behandeln.
- Nicht-medikamentöse Therapie: Kognitives Training, Ergotherapie, Physiotherapie,Logopädie, Musiktherapie und andere nicht-medikamentöse Therapien können helfen, die kognitiven Fähigkeiten und die Selbstständigkeit der Betroffenen zu erhalten.
- Unterstützung und Beratung: Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und Angehörigenschulungen bieten Unterstützung und Informationen für Betroffene und ihre Angehörigen.
- Anpassung des Lebensumfelds: Eine sichere und vertraute Umgebung kann dazu beitragen, die Orientierung und das Wohlbefinden der Betroffenen zu verbessern.
- Behandlung von Begleiterkrankungen: Die Behandlung von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Depressionen kann den Verlauf der Demenz positiv beeinflussen.
Umgang mit Demenz im Alltag
Der Umgang mit Menschen mit Demenz erfordert viel Geduld,Empathie und Verständnis. Hier einige Tipps:
- Kommunikation: Sprechen Sie langsam und deutlich. Verwenden Sie einfache Sätze und stellen Sie nur eine Frage auf einmal. Vermeiden Sie offene Fragen, die Betroffene überfordern könnten. Achten Sie auf nonverbale Signale.
- Routinen: Schaffen Sie einen geregelten Tagesablauf mit festen Zeiten für Mahlzeiten,Schlaf und Aktivitäten.
- Sicherheit: Sorgen Sie für eine sichere Umgebung, in der sich die Betroffenen frei bewegen können. Entfernen Sie Stolperfallen und kennzeichnen Sie gefährliche Bereiche.
- Aktivitäten: Bieten Sie den Betroffenen altersgerechte und sinnvolle Aktivitäten an, die ihren Fähigkeiten entsprechen.
- Selbstpflege: Achten Sie als Angehöriger auch auf Ihre eigene Gesundheit und Ihr Wohlbefinden. Holen Sie sich Unterstützung und nehmen Sie sich Auszeiten.
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