Demenz und gesteigerte Sexualität: Ursachen und Umgang

Sexualität im Alter, insbesondere in Verbindung mit Demenz, ist ein sensibles und oft tabuisiertes Thema. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen für veränderte sexuelle Verhaltensweisen bei Demenz, einschließlich gesteigerter Sexualität, und bietet Lösungsansätze für Betroffene, Angehörige und Pflegekräfte.

Einführung

Demenz verändert das Leben der Betroffenen und ihres Umfelds tiefgreifend. Neben kognitiven Beeinträchtigungen können auch Veränderungen im sexuellen Verhalten auftreten. Diese Veränderungen sind oft schwer zu verstehen und zu akzeptieren, sowohl für die Betroffenen selbst als auch für ihre Angehörigen. Es ist wichtig zu erkennen, dass Sexualität ein grundlegendes menschliches Bedürfnis ist, das auch bei Demenz nicht verschwindet, sondern sich lediglich in seiner Ausdrucksform verändern kann.

Sexualität im Alter und Demenz: Ein Tabuthema

In unserer Gesellschaft wird Sexualität oft mit Jugendlichkeit und Schönheit assoziiert, während sie im Alter meist totgeschwiegen wird. Dies führt dazu, dass sich viele ältere Menschen schämen oder unwohl fühlen, wenn es um ihre sexuelle Gesundheit und ihre Bedürfnisse geht. Es ist jedoch wichtig, dieses Tabu zu brechen, da Sexualität auch im Alter ein wichtiger Bestandteil eines erfüllten und glücklichen Lebens sein kann.

Veränderungen der Sexualität im Alter

Mit zunehmendem Alter können sich sexuelle Wünsche und Bedürfnisse im Rahmen eines normalen Entwicklungsprozesses ändern. Bei einer Demenzerkrankung können diese Veränderungen jedoch durch den Abbau kognitiver Fähigkeiten und eine eingeschränkte Impulskontrolle intensiver oder ungewohnter ausfallen.

Körperliche Veränderungen

Im Laufe der Zeit verändert sich der Körper, was sich auch auf die Sexualität auswirken kann. Erkrankungen wie Harninkontinenz, vorangegangene Operationen an den Geschlechtsorganen oder Krebsoperationen können die Sexualität beeinträchtigen. Bei Männern kann es vermehrt zu Erektionsstörungen und vorzeitigem Samenerguss kommen. Viele chronische Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Rheuma oder Bluthochdruck erfordern zudem die Einnahme von Medikamenten, die die Lust mindern und die sexuelle Leistungsfähigkeit beeinträchtigen können.

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Hormonelle Veränderungen

Bei Frauen nimmt während der Wechseljahre der Östrogenspiegel ab, was zu einer verstärkten Trockenheit der Scheidenschleimhaut führen kann. Auch bei Männern sinkt mit zunehmendem Alter der Testosteronspiegel, was die Libido verringern kann.

Psychologische Veränderungen

Ängste und Sorgen im Zusammenhang mit Gesundheitsproblemen, Sterblichkeit oder dem Verlust von Partnern oder Freunden können die Libido beeinträchtigen. Depressionen und andere Stimmungsstörungen können ebenfalls die sexuelle Funktion beeinträchtigen. Auf der anderen Seite können ein starkes Selbstbewusstsein und ein hohes Maß an Selbstakzeptanz älteren Menschen ermöglichen, ihre Sexualität auf eine neue Weise zu entdecken und zu genießen.

Ursachen für gesteigerte Sexualität bei Demenz

Eine Demenzerkrankung kann zu einer sexuellen Enthemmung führen. Betroffene zeigen dann ein unangemessenes Sexualverhalten, beispielsweise Onanieren in der Öffentlichkeit. Dies ist auf die Schädigung von Hirnregionen zurückzuführen, die für die Kontrolle von Gefühlen und Verhalten zuständig sind. Die Einsicht in und Kenntnis von sozialen Regeln (auch im sexuellen Umgang) gehen verloren.

Frontotemporale Demenz

Besonders häufig tritt sexuelle Enthemmung bei der Frontotemporalen Demenz (FTD) auf. Diese seltene Form der Demenz betrifft den Stirn- und Schläfenlappen des Gehirns und führt zu starken Persönlichkeitsveränderungen. Betroffene zeigen ein gestörtes und taktloses Sozialverhalten, äußern hemmungslos ihre Meinung und nehmen keine Rücksicht auf gesellschaftliche Normen. Weitere Erkennungszeichen können maßlose Ernährung, sexuelle Unbeherrschtheit und Schlafstörungen sein.

Andere Demenzformen

Auch bei anderen Demenzformen wie der vaskulären Demenz, der Parkinson-Demenz oder der Lewy-Body-Demenz kann es zu sexueller Enthemmung kommen. Menschen mit Alzheimer-Demenz sind seltener betroffen.

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Medikamente

Bestimmte Medikamente können ebenfalls zu unangemessenen sexuellen Handlungen führen.

Körperliche Ursachen

Bevor man von einem übermäßig gesteigerten Sexualverhalten ausgeht, sollte man bei demenzkranken Angehörigen abklären lassen, ob eine Blasenentzündung oder Pilzinfektion vorliegt. Schmerzen oder Juckreiz können zu ähnlichen Handlungen führen.

Umgang mit gesteigerter Sexualität bei Demenz

Der Umgang mit gesteigerter Sexualität bei Demenz erfordert Geduld, Empathie und kreative Lösungsansätze.

Perspektivwechsel

Oft kann ein Perspektivwechsel helfen, scheinbar sexuell aufgeladene Situationen zu entspannen. Wenn sich beispielsweise ein Demenzkranker im Speisesaal einer Einrichtung entkleidet, kann man sich fragen, wo er glaubt, sich momentan zu befinden. Unter der Vorstellung, auf der Toilette, im Schlafzimmer, am FKK-Strand oder in einer Arztpraxis zu sein, kann das Verhalten durchaus passen.

Nicht-medikamentöse Maßnahmen

  • Ablenkung: Bieten Sie dem Betroffenen eine neue Aktivität, ein Getränk oder einen Gegenstand zum Halten an, um das unerwünschte Verhalten zu unterbrechen.
  • Erklärung: Erklären Sie dem Betroffenen die Situation und die Pflegehandlung genau.
  • Anpassung der Umgebung: Schaffen Sie eine ruhige und reizarme Umgebung.
  • Beschäftigung: Bieten Sie dem Betroffenen ausreichend Beschäftigung und soziale Kontakte.
  • Bewegung: Fördern Sie körperliche Aktivität, um Aggressionen abzubauen.

Medikamentöse Behandlung

In einigen Fällen kann eine medikamentöse Behandlung erforderlich sein, um auffällige Verhaltensweisen zu lindern. Hier können Antidepressiva oder Neuroleptika eingesetzt werden. Bei einem gesteigerten Sexualtrieb können auch Medikamente zur Verringerung des männlichen Sexualhormons (Antiandrogene) helfen.

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Kommunikation

  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit dem Betroffenen offen über seine Wünsche und Bedürfnisse.
  • Klare Grenzen: Setzen Sie dem Betroffenen klare Grenzen und machen Sie deutlich, welches Verhalten nicht akzeptabel ist.
  • Respekt: Behandeln Sie den Betroffenen mit Respekt und Würde.
  • Teamarbeit: Arbeiten Sie im Team mit anderen Pflegekräften und Angehörigen zusammen, um ein einheitliches Vorgehen zu gewährleisten.

Schutz vor Übergriffen

Sexuelle Übergriffe sind eine Form von Gewalt, auch wenn der Pflegekunde mit Demenz nichts dafür kann. Pflegekräfte haben das Recht, sich vor solchen Übergriffen zu schützen. Dies bedeutet konkret, dass sie sich dem Verhalten nicht aussetzen müssen. Sie können die Handlung unterbrechen oder mit der Pflegedienstleitung besprechen, dass andere Kollegen die Pflege des betroffenen Pflegekunden übernehmen.

Sexualität als Teil der Identität

Es ist wichtig zu beachten, dass Sexualität ein wesentlicher Bestandteil unserer Identität ist und weit mehr als nur Lust und Fortpflanzung bedeutet. Sie ist ein Grundbedürfnis und ein Menschenrecht. Auch wenn bei Menschen mit Demenz viele Fähigkeiten verloren gehen und ihre Persönlichkeit verändert scheint, werden sie dadurch nicht zu geschlechtslosen Wesen. Sexualität und der Ausdruck der eigenen sexuellen Identität sind ein grundlegendes menschliches Recht - und das gilt auch für Menschen, die nicht mehr selbständig für sich sorgen können.

Tipps für ein erfülltes Sexualleben im Alter

Auch im Alter ist ein erfülltes Sexualleben möglich. Hier sind einige Tipps:

  • Offene Kommunikation: Sprechen Sie mit Ihrem Partner offen über Ihre Wünsche und Bedürfnisse.
  • Medizinische Behandlungsmöglichkeiten: Lassen Sie sich von Ärzten über medizinische Behandlungsmöglichkeiten beraten.
  • Sexualität jenseits des Geschlechtsverkehrs: Erkunden Sie andere Möglichkeiten, sexuelle Aktivität zu genießen, wie Küssen, Umarmungen, Berührungen und Streicheleinheiten.
  • Sexuelle Hilfsmittel: Nutzen Sie sexuelle Hilfsmittel und -geräte, um sexuelle Aktivität zu steigern und zu verbessern.
  • Vertrauen und Nähe: Investieren Sie Zeit in Ihre Beziehung, um eine tiefere emotionale Verbindung aufzubauen.
  • Experimentierfreudigkeit: Probieren Sie neue Positionen, Orte und erotische Rollenspiele aus.
  • Körperliche Gesundheit und Fitness: Achten Sie auf Ihre körperliche Gesundheit und Fitness.

Die Rolle der Angehörigen

Für Partnerinnen und Partner sind sexuelle Veränderungen besonders belastend. Sie müssen oft eine neue Rolle als Pflegende annehmen, während die Dynamik ihrer intimen Beziehung sich grundlegend wandelt. Der Verlust der gemeinsamen Vergangenheit, die Veränderungen in der Kommunikation und das Auftreten unangemessenen Verhaltens können zu Gefühlen von Trauer, Frustration und Isolation führen. Es ist wichtig, dass Angehörige sich Unterstützung suchen und offen über ihre Gefühle sprechen.

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