Ist Demenz heilbar? Aktuelle Forschungsergebnisse und Behandlungsansätze

Die Frage, ob Demenz heilbar ist, beschäftigt Fachleute und Betroffene gleichermaßen. Während die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form der Demenz, bis heute als unheilbar gilt, gibt es Fortschritte in der Forschung, die neue Perspektiven eröffnen. Ein Teil der Demenzfälle ist durch Prävention vermeidbar oder - im Fall von sekundären Erkrankungen - sogar heilbar.

Sekundäre Demenzen: Heilung ist möglich

Ein Hoffnungsschimmer liegt in den sekundären Demenzen. Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie (DGGPP), betonte auf einer Pressekonferenz in Berlin, dass bei etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Demenzkranken die Möglichkeit besteht, die Demenz zu heilen. Dies betrifft Demenzen, die durch andere Grunderkrankungen ausgelöst werden.

Ein Beispiel hierfür ist eine Demenz, die durch eine Schilddrüsenerkrankung verursacht wird. Wird die Schilddrüsenerkrankung rechtzeitig behandelt, können sich die demenziellen Beschwerden wieder zurückbilden. Auch andere behandelbare Ursachen wie Nebenschilddrüsenadenome, chronische subdurale Hämatome, Bluthochdruck, Diabetes mellitus und Hirninfarkte können durch entsprechende Therapien eine Besserung oder gar einen Stillstand der Demenz bewirken.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) bestätigt, dass etwa zehn Prozent aller Demenzen sekundäre Erkrankungen sind und bei erfolgreicher Behandlung der Grunderkrankung eine Rückbildung der demenziellen Beschwerden möglich ist.

Um diese Chancen optimal zu nutzen, ist eine breite Früherkennung ab 60 Jahren notwendig. Rapp betont, dass durch eine solche Früherkennung die Anzahl an Demenzkranken deutlich reduziert werden könnte. Aktuell erhalten nur etwa 40 bis 50 Prozent der Demenzkranken eine Frühdiagnose, wodurch viele Menschen mit behandelbarer Demenz nicht von entsprechenden Therapien profitieren können.

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Prävention: Das Risiko senken

Neben der Behandlung sekundärer Demenzen spielt die Prävention eine entscheidende Rolle. Studien deuten darauf hin, dass durch konsequente Präventionsmaßnahmen auf individueller Ebene weitere zehn bis zwanzig Prozent der Demenzen verhindert werden könnten. Zu diesen Maßnahmen gehören unter anderem die Behandlung von Depressionen im mittleren Lebensalter, regelmäßiger Sport, eine gesunde Ernährung und soziale Teilhabe.

Auch wenn es unrealistisch ist, dass alle Menschen alle Präventionsempfehlungen umsetzen, kann jedes Prozent, um das die Anzahl der Demenzfälle reduziert wird, eine bedeutende Rolle spielen.

Neue Medikamente: Ein Hoffnungsschimmer für Alzheimer-Patienten

Ein weiteres wichtiges Thema in der Demenzforschung sind neue Medikamente. Im Juli hatte der zuständige Ausschuss der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) zunächst empfohlen, das Alzheimer-Präparat Lecanemab nicht zuzulassen. Nach erneuter Prüfung wurde Lecanemab jedoch am 15.04.2025 von der EU-Kommission für eine genau umrissene Gruppe von Patientinnen und Patienten mit Alzheimer im Frühstadium zugelassen. Seit dem 25.09.2025 ist mit Donanemab auch ein zweites Antikörper-basiertes Alzheimermedikament in der EU zugelassen. Im Dezember 2024 wurde für ein drittes Alzheimermedikament das Zulassungsverfahren eröffnet.

Diese Antikörper-Präparate zielen darauf ab, die Erkrankung im frühen Stadium ursächlich zu bekämpfen, indem sie die für Alzheimer typischen Amyloid-Plaques im Gehirn reduzieren. Studien haben gezeigt, dass Lecanemab bei frühzeitiger Anwendung das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen kann. Es ist das erste zugelassene neue Alzheimer-Medikament seit 2002, als Memantine eine EU-Zulassung erhielt.

Es ist wichtig zu beachten, dass diese Medikamente bisher nur einem sehr kleinen Teil der Betroffenen zugutekommen können und auch keinen Stopp der Krankheit bewirken. Betroffene werden im Verlauf weiterhin hilfebedürftig werden. Daher ist es unerlässlich, das Unterstützungssystem weiter auszubauen und so umzugestalten, dass Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen flächendeckend passende Angebote finden.

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Lecanemab: Ein genauerer Blick

Lecanemab ist ein Antikörper-Wirkstoff, der gezielt eine Vorstufe der Amyloid-beta-Protein-Plaques im Gehirn erkennt und bindet. Dadurch wird das körpereigene Immunsystem aktiviert und baut die Plaques ab bzw. verhindert die Bildung neuer Plaques. Ziel der Behandlung ist es, den geistigen Abbau bei Menschen im frühen Krankheitsstadium zu verlangsamen.

Voraussetzungen für eine Behandlung mit Lecanemab

  • Frühes Stadium der Erkrankung: Lecanemab kommt nur für Menschen infrage, die sich im frühen Stadium der Erkrankung befinden und bislang nur geringe Einbußen ihrer geistigen Leistungsfähigkeit haben (MCI oder frühe Alzheimer-Demenz).
  • Nachweis von Amyloid-beta-Ablagerungen: Die krankhaften Amyloid-beta-Ablagerungen müssen im Gehirn nachgewiesen werden (Lumbalpunktion oder Amyloid-PET).
  • Genetische Voraussetzungen: Erkrankte dürfen höchstens eine Kopie des ApoE4-Gens tragen. Personen mit zwei Kopien sind wegen der erhöhten Gefahr für Hirnblutungen von der Behandlung ausgeschlossen.
  • Keine Einnahme von Gerinnungshemmern: Lecanembi eignet sich nicht für Menschen, die Gerinnungshemmer einnehmen.

Ablauf der Behandlung

  • Gentest: Vor Beginn der Behandlung wird geprüft, ob die Patientin oder der Patient das ApoE4-Gen besitzt.
  • Verabreichung: Lecanemab wird als Infusion alle zwei Wochen direkt in die Vene verabreicht.
  • Kontrolle auf Nebenwirkungen: Vor Beginn und während der Behandlung sind MRT-Untersuchungen notwendig, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder kleine Blutungen im Gehirn frühzeitig zu erkennen.
  • Teilnahme an einem EU-weiten Register: Patientinnen und Patienten sowie ihre behandelnden Ärztinnen und Ärzte müssen in ein zentrales Register eingeschrieben werden.

Mögliche Nebenwirkungen

In Studien traten bei einem Teil der Teilnehmenden Nebenwirkungen auf - darunter Hirnschwellungen (ARIA-E) und Hirnblutungen (ARIA-H). Das Risiko für solche Nebenwirkungen hängt stark vom ApoE4-Gen ab. Weitere mögliche Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen und Infusionsreaktionen.

Einschätzung der Wirksamkeit

Trotz der messbaren Wirksamkeit wird die Wirkung von Leqembi von vielen Expertinnen und Experten eher als moderat eingeschätzt. Es ist fraglich, inwieweit die Wirkung für an Alzheimer erkrankte Menschen spürbar ist und im Alltag einen Unterschied macht. Die Studie hat jedoch gezeigt, dass sich der verzögernde Effekt mit der Dauer der Einnahme zunimmt. Das könnte bedeuten, dass eine Einnahme über den Zeitraum der bisher untersuchten 18 Monate hinaus die Wirksamkeit von Lecanemab noch erhöht.

Weitere Forschungsansätze

Neben den Antikörper-Medikamenten werden zahlreiche andere Ansatzpunkte für eine Alzheimer-Therapie in klinischen Studien oder bei Tieren erprobt.

Neue Erkenntnisse zur Entstehung von Alzheimer

Eine Studie der Alzheimerforscher Marcus Grimm und Tobias Hartmann hat eine Wechselwirkung im Fettstoffwechsel des Körpers aufgezeigt, die eine wichtige Rolle bei der Erkrankung spielen könnte. Die Forscher fanden heraus, dass die Produktion des Eiweißes Beta-Amyloid die Menge von bestimmten Fetten, vor allem der sogenannten Sulfatide, beeinflusst und auch umgekehrt: dass die Menge an Sulfatiden wiederum die Menge dieses Eiweißes beeinflusst. Der Sulfatid-Spiegel ist im Gehirn von Alzheimer-Patientinnen und -Patienten verringert und das Beta-Amyloid erhöht.

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Diese Erkenntnisse eröffnen potenzielle Ansatzpunkte für präventive und therapeutische Strategien im Kampf gegen die Alzheimer-Krankheit. Faktoren wie Rauchen können die Sulfatidspiegel negativ beeinflussen, während eine ausreichende Versorgung mit Vitamin K oder der Verzehr mancher Meeresfrüchte sich positiv auswirken können.

Bedeutung der Früherkennung und Diagnose

Eine rechtzeitige Diagnose ist entscheidend, um von den verfügbaren Therapien und Präventionsmaßnahmen profitieren zu können. Neben der Diagnose durch Bilder vom Gehirn oder Untersuchungen des Blutes gibt es auch sogenannte psychometrische Demenz-Tests, die Hinweis auf eine demenzielle Erkrankung liefern können.

Im Jahr 2021 kam in den USA ein Bluttest zur Diagnosestellung von Alzheimer auf den Markt. Der Precivity AD-Bloodtest erfasst unter Berücksichtigung des Alters und einer genetischen Komponente das Verhältnis zweier Proteinvarianten von Amyloid-Beta. Ein deutsch-niederländisches Forscherteam hat zudem einen Bluttest entwickelt, der die Fehlfaltung des Amyloid-Beta Proteins erkennt.

Die Rolle der Forschung

Die Alzheimer- und Demenzforschung entwickelt sich rasant. Weltweit arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, die Ursachen der Erkrankung besser zu verstehen, neue Diagnostikverfahren zu entwickeln und Therapien zu finden, die den Verlauf der Krankheit beeinflussen können.

Die Schwerpunkte der aktuellen Demenzforschung liegen auf:

  1. Früherkennung: Neue Bluttests, bildgebende Verfahren und digitale Methoden sollen es ermöglichen, die Krankheiten deutlich früher und zuverlässiger zu erkennen.
  2. Antikörper-Medikamente: Die Medikamente Leqembi und Kisunla können den Verlauf von Alzheimer verlangsamen. Forschungsteams arbeiten außerdem daran, ob sich die Antikörper künftig mit anderen Wirkstoffen kombinieren lassen.
  3. Krankheitsmechanismen verstehen: Forschende untersuchen zentrale Prozesse im Gehirn von Menschen mit Alzheimer, um die Entstehung der Erkrankungen besser zu verstehen und neue Ansatzpunkte für Therapien zu finden.
  4. Vorbeugung von Demenzerkrankungen: Die Forschung versucht, die Zusammenhänge zwischen Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Hörverlust, Depressionen oder soziale Isolation und der Entstehung von Demenz besser zu verstehen und Menschen dabei zu unterstützen, ihr persönliches Risiko zu senken.
  5. Pflege und Lebensqualität: Studien befassen sich damit, wie die Versorgung individueller, die Belastung für Angehörige geringer und die Selbstständigkeit der Erkrankten länger erhalten werden kann.

Umgang mit Fehlinformationen

In den Medien wird häufig über Alzheimer oder Demenzforschung berichtet. Es ist wichtig, solche Nachrichten kritisch zu hinterfragen und sich nicht von sensationalistischen Schlagzeilen in die Irre führen zu lassen. Wenn in der Grundlagenforschung Erkenntnisse gewonnen werden, kann es noch sehr lange dauern, bis hieraus ein zugelassenes Medikament entsteht.

Patientenverfügung und Pflegegrad

Da Alzheimer nicht heilbar ist und früher oder später zu einem erhöhten Unterstützungs- und schließlich auch Pflegebedarf führt, ist es ratsam, frühzeitig eine Patientenverfügung zu erstellen und sich über die Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung durch einen Pflegegrad zu informieren.

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