Viel Schlaf im Alter, insbesondere bei Demenzkranken, ist ein komplexes Thema mit vielfältigen Ursachen. Dieser Artikel beleuchtet die Zusammenhänge zwischen Demenz, übermäßigem Schlaf und Schlafstörungen, um Ursachen aufzuzeigen und Lösungsansätze zu bieten.
Einführung
Schlafstörungen und Veränderungen im Schlafmuster sind häufige Begleiterscheinungen von Demenzerkrankungen. Während ein gesunder Schlaf für jeden Menschen wichtig ist, spielt er bei Demenzkranken eine besonders entscheidende Rolle. Er beeinflusst nicht nur das Wohlbefinden, sondern auch die kognitiven Fähigkeiten und das Verhalten.
Zusammenhang zwischen Schlaf und Demenz
Erhöhtes Demenzrisiko bei veränderter Schlafdauer
Studien deuten darauf hin, dass sowohl zu viel als auch zu wenig Schlaf im Alter mit einem erhöhten Risiko für Demenz verbunden sein kann. Eine zunehmende Schlafdauer kann möglicherweise auf eine erhöhte Gefahr für den beschleunigten kognitiven Abbau bei älteren Menschen hinweisen. Schlafprotokolle von Senioren ließen keine Rückschlüsse auf die Ursachen des gestörten Schlafzyklus zu. Um zu verstehen, weshalb übermäßig tagesmüde Ältere anfälliger für die pathologischen Veränderungen sein können, die letztendlich zum beschleunigten kognitiven Abbau führen, sollten künftig, so die Experten, auch andere Marker für Demenz mit einbezogen werden.
Beta-Amyloid und Schlaf
Eine Studie, die Schlafprotokolle mit Positronen-Emissions-Tomographie (PET)-Scans abglich, zeigte, dass fast jeder vierte Studienteilnehmer über ausgeprägte Müdigkeit tagsüber berichtete. Es wird vermutet, dass übermäßige Tagesschläfrigkeit mit der Akkumulation von Beta-Amyloid in Verbindung stehen könnte, einem Eiweiß, dessen Stoffwechsel bei Alzheimer gestört ist. Akkumulieren ß-Amyloide, so bilden sie unauflösliche Ablagerungen zwischen den Nervenzellen. Diese stören die Kommunikation zwischen Nervenzellen, sodass die Nervenzellen mitsamt ihrer Nervenzellverbindungen über viele Jahre hinweg absterben. Davon betroffen sind vor allem die Großhirnrinde und der Hippocampus, welche für das Gedächtnis, das Denken, die Sprache und die Orientierung zuständig sind.
Einfluss der Schlafdauer auf das Demenzrisiko
Eine Studie im Wissenschaftsmagazin Nature Communications hat Zahlen für einen Zusammenhang zwischen Schlaf und Demenzrisiko vorgelegt. Daten von fast 8.000 Menschen über eine Zeit von 25 Jahren wurden dazu ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmende mit durchschnittlich sieben Stunden Nachtruhe im Alter die niedrigste Demenzrate hatten. Bei jenen mit kürzeren Schlafzeiten trat eine Demenz hingegen um 30 Prozent öfter auf.
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Schlaf als Ursache oder Folge von Demenz?
Die Frage, ob veränderte Schlafmuster Ursache oder Folge von Demenz sind, ist noch nicht abschließend geklärt. Prof. Dr. Frank Erbguth, Präsident der Deutschen Hirnstiftung e. V., betont, dass weitere Studien klären müssen, ob der Schlaf der Auslöser ist oder ob der kürzere Schlaf eine Folgeerscheinung der Demenz bei den untersuchten Personen ist.
Exzessive Nickerchen am Tag
Forschende der University of California San Francisco (UCSF) und der Harvard Medical School haben in Zusammenarbeit mit dem Brigham and Women's Hospital (beide in Boston/USA) in einer Studie nun den Zusammenhang zwischen exzessiven Nickerchen am Tag und einem erhöhten Risiko für Alzheimer-Demenz untersucht. Mit Hilfe eines uhrähnlichen Messgerätes zeichneten sie die Schlafepisoden der Menschen auf. Diese waren durchschnittlich 81 Jahre alt. Die Forschenden stellten fest, dass häufigere und längere Nickerchen am Tag einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Demenz bei kognitiv normalen älteren Männern und Frauen darstellt. Interessant an den Ergebnissen der Studie ist, dass der Zusammenhang zwischen übermäßigen Nickerchen am Tag und Demenz auch dann noch bestand, wenn die nächtliche Schlafmenge und -qualität berücksichtigt wurden.
Ursachen für Schlafstörungen bei Demenz
Schlafstörungen bei Demenz können vielfältige Ursachen haben:
- Veränderungen im Gehirn: Demenz betrifft häufig den Bereich im Gehirn, der den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert. In der Folge gerät die innere Uhr aus dem Takt - und mit ihr das Gefühl dafür, wie spät es ist oder ob gerade Tag oder Nacht ist.
- Körperliche Beschwerden: Schmerzen, Harndrang, Atemnot oder andere körperliche Beschwerden können den Schlaf stören. Die Einschätzung und Behandlung von Schmerzen bei Menschen mit fortgeschrittener Demenz sind schwierig. Schon kleine Veränderungen des gewohnten Verhaltens können Hinweise auf Schmerzen sein.
- Medikamente: Einige Medikamente können Schlafstörungen verursachen oder verstärken. Wenn Schlafstörungen oder ein gestörtes Wach-/Schlafverhältnis bei älteren Personen auftreten, sollte auch immer ein genauer Blick auf alle verordneten Medikamente geworfen werden.
- Psychische Faktoren: Depressionen, Angstzustände oder Unruhe können den Schlaf beeinträchtigen. Menschen mit Demenz haben zusätzlich oft auch Depressionen. Depressionen wiederum können ebenso dafür verantwortlich sein, dass die Betroffenen nachts nicht schlafen können und sich ständig hin und her drehen, die Gedanken nicht zur Ruhe kommen und ein Einschlafen schwierig wird.
- Umgebungsfaktoren: Eine unangenehme Schlafumgebung, Lärm oder fehlende Dunkelheit können den Schlaf stören.
- Mangelnde Tagesstruktur und Beschäftigung: Menschen mit Demenz fallen oftmals aus Langeweile und Unterforderung tagsüber in einen Dämmerschlaf und benötigen somit nachts weniger Schlaf.
Spezifische Demenzformen und Schlafstörungen
Je nach Art der Demenz gibt es unterschiedliche Muster der Schlafstörungen. Bei Alzheimer kann es länger brauchen bis der Betroffene einschläft, bei der Lewy-Körperchen- Demenz erwachen die Betroffenen mehrmals in der Nacht und bei Demenzen im Zusammenhang mit Parkinson kommt es häufig zu einer ausgeprägten Tagesschläfrigkeit.
Das Sundowning-Syndrom
Als Sundowning- Syndrom wird bei Demenzerkrankten eine zunehmende Verschlechterung des kognitiven Zustands ab dem späten Nachmittag bezeichnet. Dabei werden die Betroffenen unruhig, aggressiv, schreien oder halluzinieren. Vor allem im Sommer sorgt die lange Helligkeit für Verwirrung und Unruhe. Ausreichend Beschäftigung kann dem Sundowning vorbeugen. Forscher vermuten, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Teil des Gehirns gibt, das die innere Uhr enthält und dem Teil, der die Aggressionen kontrolliert. Dadurch kommt es laut den dänischen Forschern zum Sundowning-Syndrom bei Demenzerkrankten.
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Lösungsansätze für besseren Schlaf bei Demenz
Nicht-medikamentöse Maßnahmen
- Tagesstruktur und Beschäftigung: Eine strukturierte Tagesgestaltung mit ausreichend Aktivität und Beschäftigung kann den Schlaf-Wach-Rhythmus stabilisieren. Werden die Betroffenen am Tage ausreichend gefordert und aktiviert, kann dafür gesorgt werden, dass sie tagsüber nicht mehr und dafür nachts besser und länger schlafen.
- Körperliche Aktivität: Regelmäßige Bewegung, idealerweise an der frischen Luft, fördert die Müdigkeit am Abend.
- Vermeidung von Tagesschlaf: Ein Mittagsschlaf kann guttun, sollte aber 30 Minuten nicht überschreiten, da er sonst die innere Uhr zusätzlich durcheinanderbringt und den Nachtschlaf erschwert.
- Angenehme Schlafumgebung: Das Schlafzimmer sollte ruhig, dunkel und gut belüftet sein.
- Rituale: Feste Abendrituale wie ein Tee, leise Musik oder gemeinsames Zähneputzen können den Schlaf einleiten.
- Anpassung der Trinkmenge: Abends sollte nicht zu viel Flüssigkeit verabreicht werden, damit der Betroffene nachts nicht unnötig oft zur Toilette gehen muss.
- Aromapflege: Öle wie Lavendel, Benzoe, Zirbelkiefer, Mandarine, Melisse erzielen als Einreibung, Kissenspray, auf einem Duftstein oder einer Lampe tolle Wirkungen und haben kaum Nebenwirkungen.
Medikamentöse Behandlung
Medikamente zur Beruhigung sollten nur gezielt und nach Rücksprache mit Ärztin oder Arzt eingesetzt werden, da sie Risiken wie Stürze oder zusätzliche Verwirrtheit mit sich bringen können.
- Schlafmittel: Herkömmliche Schlafmittel wie zum Beispiel Zopiclon, Zolpidem, Doxepin und Oxazepam sollten nur bei großem Leidensdruck und vorübergehend eingenommen werden.
- Neuroleptika: Neuroleptika wie Risperidon, Quetiapin, Pipamperon und Melperon hingegen werden immer noch häufig verschrieben. Sie wirken schlaffördernd, angstlösend und bergen keine Abhängigkeitsgefahr. Allerdings ist bei dieser Medikamentengruppe die Sturzgefahr und die Entstehung von Druckgeschwüren erhöht.
- Antidepressiva: Antidepressiva wie Mirtazapin wirken ebenfalls schlaffördernd, machen aber nicht abhängig. Da auch hier Sturzgefahr durch einen „hangover“ besteht, dürfen diese Medikamente nicht zu spät am Abend verabreicht werden.
- Naturheilkundliche Mittel: Es gibt auch naturheilkundliche Schlafmittel auf der Basis von Baldrian oder Lavendel, wie zum Beispiel Lasea, die angstlösende und beruhigende Wirkungen erzielen können.
Weitere Maßnahmen
- Lichttherapie: Unter Umständen helfen auch Lichttherapien. Denn Licht und Dunkelheit signalisieren Tag und Nacht, und sind damit ein natürliche Zeitgeber. Dafür gibt es spezielle Tageslichtlampen, um den Schlaf-Wach-Rhythmus wieder ins Lot zu bringen.
- Sicherheit: Bei sturzgefährdeten Menschen ist für optimale Sicherheit zu sorgen, wenn sie nachts desorientiert das Bett oder den geschützten Raum verlassen. Hier leisten Trittmatten oder ein Bettkantenalarm gute Dienste.
Bedeutung für pflegende Angehörige
Mit der nächtlichen Unruhe ist nicht nur bei der dementen Person der Schlaf gestört, sondern auch bei den Angehörigen, die mit im Haushalt leben. Die ständige Angst, dass der Angehörige nachts stürzt und sich verletzt, vielleicht den Herd anschaltet oder gar das Haus verlässt, sorgt für einen unruhigen Schlaf bei den Pflegenden. Der Schlafmangel kann bei den Angehörigen zu Nervosität, Gereiztheit, Aggressionen und Müdigkeit führen. Schnell kann in solch einer Situation das harmonische Miteinander empfindlich gestört werden. Auf Dauer ist das für niemanden eine befriedigende Lösung und es muss Abhilfe geschaffen werden. Wenn die Gefahr besteht, dass pflegende Angehörige darunter leiden, dass der demente Mensch Tag und Nacht durcheinander bringt und deshalb selbst nicht mehr richtig schlafen, sollte daran gedacht werden, selbst eine Auszeit zu nehmen. Niemand kann auf Dauer sinnvoll pflegen, wenn ein permanenter Schlafentzug vorherrscht.
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