Einleitung
Die Demenz stellt eine der größten Herausforderungen im Gesundheitswesen des 21. Jahrhunderts dar. Neben den medizinischen Aspekten rücken zunehmend psychosoziale Therapieansätze in den Fokus, die darauf abzielen, die Lebensqualität von Menschen mit Demenz zu verbessern. Künstlerische Therapien, wie Musik-, Kunst- und Tanztherapie, bieten hierbei einen vielversprechenden Ansatz. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über die Anwendung und Wirkung von Kunst und Kunsttherapie bei Demenz.
Künstlerische Therapien im Kontext psychosozialer Behandlungen
Innerhalb der psychosozialen Therapien nehmen künstlerische Therapieformen einen besonderen Stellenwert ein. Sie nutzen nonverbale und prozedurale Kommunikation, um über künstlerische Medien und Prozesse Fähigkeiten zu stärken und Ressourcen zu aktivieren. Die Stimulation visueller, auditiver und taktiler Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Konzentration und Orientierung soll durch nonverbale und verbale Aktivität kommunikative und soziale Kompetenzen fördern. Zu den wichtigsten künstlerischen Therapieformen gehören:
- Musiktherapie
- Kunsttherapie
- Tanztherapie
- Theatertherapie
Musiktherapie bei Demenz
Aktive und rezeptive Musiktherapie
Die Musiktherapie wird in zwei Hauptformen unterteilt: aktive und rezeptive. Aktive Musiktherapie beinhaltet die aktive Beteiligung des Demenzkranken am musikalischen Geschehen, entweder durch Stimme oder Instrument. Rezeptive Musiktherapie hingegen umfasst das gezielte Abspielen von Musik. Beide Verfahren nutzen emotional positiv besetzte Altgedächtnisinhalte und fördern interpersonale Erfahrungen.
Evidenzbasierte Forschung zur Musiktherapie
Ein Cochrane-Review, der fünf randomisierte kontrollierte Studien (RCTs) zur Musiktherapie bei Demenzerkrankten einschloss, konnte aufgrund der Studienqualität keine abschließende Bewertung der Wirkung vornehmen. Eine RCT mit 32 Bewohnern eines Pflegeheims mit Demenz und Apathie zeigte jedoch eine signifikante Zunahme der Anteilnahme der Teilnehmer durch interaktives Musizieren im Vergleich zu einer Ruhephase (Responderrate: 69 %). Das Hören von aufgenommener Musik zeigte keine signifikante Zunahme des Antriebs im Vergleich zur Ruhe (Responderrate: 25 %).
Eine weitere RCT mit 59 Bewohnern in drei Pflegeeinrichtungen mit moderater bis schwerer Demenz ergab eine signifikante Verbesserung der psychischen und Verhaltenssymptome, gemessen mit dem Neuropsychiatric Inventory (NPI), nach acht und 16 Wochen (Ende der Intervention) und vier Wochen darüber hinaus durch aktive Musiktherapie. Positive Effekte zeigten sich insbesondere auf Wahnerleben, agitiertes Verhalten, Angst, Apathie, Reizbarkeit, Unruhezustände sowie Schlafrythmusstörungen.
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Empfehlungen zur Musiktherapie
Es gibt Hinweise darauf, dass aktive Musiktherapie geringe Effekte auf psychische und Verhaltenssymptome bei Menschen mit Demenz hat, weshalb sie empfohlen werden kann. Rezeptive Musiktherapie, insbesondere das Vorspielen von Musik mit biographischem Bezug ("preferred music"), kann ebenfalls geringe Effekte auf agitiertes und aggressives Verhalten haben und wird daher ebenfalls empfohlen.
Kunsttherapie bei Demenz
Ansätze und Methoden
In der kunsttherapeutischen Behandlung von Demenzen finden verhaltens- und tiefenpsychologische sowie heilpädagogisch-rehabilitative Ansätze Anwendung. Kunsttherapie mit Demenzerkrankten kann im stützenden, strukturierten Einzel- oder Gruppensetting die nonverbalen Ausdrucksmöglichkeiten eröffnen und erweitern, wenn kognitive Leistungen wie Sprach- und Erinnerungsvermögen beeinträchtigt sind.
Forschungsergebnisse zur Kunsttherapie
Eine RCT mit 45 Demenzkranken berichtete über Verbesserungen im Bereich der Stimmung, der Gesamtbefindlichkeit im Lebensalltag sowie der kognitiven Leistungen älterer Demenzerkrankter, die an einer psychodynamisch orientierten Kunsttherapie in der Gruppe teilnahmen. Aufgrund der hohen Drop-out-Rate von mehr als 50 % der Versuchsgruppe sind diese Effekte jedoch unsicher. Hochwertige RCTs für eine wissenschaftliche Bewertung der Wirkung liegen aktuell nicht vor.
Fallstudie zur Kunsttherapie bei Alzheimer Demenz
Eine Dissertation dokumentierte die Behandlung von Menschen mit Alzheimer Demenz im Anfangsstadium mit Kunsttherapie. Die Studie untersuchte die Wirkung der Kunsttherapie auf die unmittelbare emotionale Lage der Patienten sowie auf die Progredienz der AD. Dabei wurde die Stimmung der Patienten vor und nach den einzelnen Therapiesitzungen mithilfe eines Fragebogens erfasst, der auf dem State-Trait-Anxiety-Inventory basierte.
Die Therapiesitzungen fanden unter der Leitung einer erfahrenen Kunsttherapeutin ein Jahr lang, einmal wöchentlich mit bis zu acht Patienten statt und dauerten 90 Minuten. In dieser Zeit wurde nach vorgegebenem Thema mit verschiedenen farbigen Medien auf Papier gearbeitet. Die Patienten waren in der Gedächtnissprechstunde der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des UKE diagnostiziert worden und in Behandlung.
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Die Ergebnisse zeigten, dass sich die Stimmung der Patienten nach der Therapiesitzung signifikant aufhellte. Die Beurteilung von Therapeutin und Beobachter fiel jedoch differenzierter aus. Anhand der regelmäßig durchgeführten Mini-Mental-Tests zeigte sich, dass der Verlauf der Alzheimer Demenz durch die Kunsttherapie nicht beeinflusst wurde. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Kunsttherapie eine Verbesserung der subjektiven Empfindung und eine Aufhellung der Stimmung der Patienten bewirkte.
Bedeutung der Kunsttherapie
Im Rahmen der therapeutischen Maßnahmen zur Behandlung der AD ist die Kunsttherapie als weder medikamentöse, noch invasive Therapieform bei einem Patientenpool, der meist wegen anderer Erkrankungen mit vielen Medikamenten eingestellt ist, auf jeden Fall zu unterstützen und weiter zu untersuchen.
Tanztherapie bei Demenz
In der Tanztherapie bei Demenz werden Bewegung und Tanz zur Interaktion mit dem Demenzkranken eingesetzt. Die Tanztherapie kann insbesondere bei Störungsbildern mit eingeschränkter sprachlicher Kommunikation bei Demenz einen ressourcenstärkenden Effekt haben.
Weitere Verfahren und Therapieansätze
Neben den genannten künstlerischen Therapieformen gibt es weitere Verfahren, die in verschiedenen Therapie- und Pflegebereichen zum Einsatz kommen können:
- Verhaltenstherapie (VT)
- Lichttherapie
- Telemedizinisch unterstützte Versorgung
- Demenz-Pflegekonzepte
Künstlerisches Gestalten zwischen Genius und Defizit
Menschen mit Demenz sind oft in der Lage, sich durch künstlerische Arbeiten auszudrücken und dabei persönliche und künstlerische Entwicklungen zu vollziehen. Kunsttherapeutische Begleitung kann solche Entwicklungen ermöglichen. Es stellt sich die Frage, welchen Gewinn Menschen mit Demenz aus künstlerischem Gestalten ziehen, ob Demenz die künstlerische Arbeit verändert und ob die Kunst von Menschen mit Demenz "echte" Kunst ist.
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Praktische Anwendung von Kunst und Musik bei Demenz
Musikalische und künstlerisch-kreative Ansätze haben sich als besonders wirksam erwiesen, um Menschen mit Demenz zu erreichen und ihr Wohlbefinden, das soziale Miteinander und die Lebensqualität nachhaltig zu fördern. Betreuungspersonen können Anregungen und Hilfestellungen erhalten, um den Alltag für und mit Menschen mit Demenz qualitativ zu bereichern und herausfordernde Situationen in der Versorgung besser zu meistern.
Die Rolle der Kunsttherapie in der Begleitung von Menschen mit Demenz
Die Kunsttherapie bietet einen Raum für Begegnung mit dem Menschen und nicht mit der Demenz. Sie ermöglicht einen Blick auf das, was sich hinter den Defiziten verbirgt, und fördert Ausdrucksmöglichkeiten, die aufgrund von Demenz möglich werden. Unaufdringliches Hinlenken und geduldiges Warten-können sind dabei essenziell.
Kunst von Menschen mit Demenz im Kontext der Kunstgeschichte
Die Kunst von Menschen mit Demenz kann im Kontext der Kunst von Geisteskranken betrachtet werden, wie sie beispielsweise in der Prinzhorn-Sammlung und der Art brut zu finden ist. Es ist wichtig, die Bedeutung von Kunst in der menschlichen Entwicklung zu verstehen und den Therapiebegriff von dem Prozess als Selbst-Therapie zu unterscheiden.
Kunsttherapie als Begegnung im offenen Atelier
Die Kunsttherapie kann als Begegnung im offenen Atelier stattfinden, beispielsweise in einem Alten- und Pflegeheim. Dabei ist es wichtig, die Begleitung der Menschen in den Mittelpunkt zu stellen.
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