Die Demenz mit Lewy-Körpern (DLB), auch Lewy-Körperchen-Demenz oder Lewy-Body-Demenz genannt, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch das Vorhandensein von Lewy-Körperchen in den Nervenzellen des Gehirns gekennzeichnet ist. Diese Krankheit, die neben der Alzheimer-Demenz eine häufige neurodegenerative Demenzform darstellt, betrifft schätzungsweise 5 bis 10 Prozent der Menschen mit Demenz in Deutschland, was etwa 90.000 bis 180.000 Personen entspricht.
Epidemiologie
Die geschätzte Prävalenz der Demenz mit Lewy-Körpern innerhalb aller Demenzen liegt unterschiedlichen Studien zufolge zwischen 3,6 und 6,6 % bei über 65-Jährigen und zwischen 1,7 und 30,5 % bei Demenzerkrankten über 65 Jahre, dies ist abhängig vom Studiendesign. Die Parkinson-Krankheit selbst ist mit einer Prävalenz von 1,8 % bei über 65-Jährigen eine der häufigeren neurologischen Erkrankungen im höheren Lebensalter. Parkinson-Patienten haben gegenüber der Allgemeinbevölkerung ein sechsfach erhöhtes Risiko, eine Demenz zu entwickeln. Die Prävalenz der Parkinson-Krankheit mit Demenz liegt einem systematischen Review zufolge bei 0,5 % der über 65-Jährigen in der Gesamtbevölkerung und bei 3,6 % bei Demenzerkrankten. Allerdings schwanken die Angaben zur Häufigkeit der Parkinson-Krankheit mit Demenz erheblich, nämlich zwischen 39,9 % und bis zu 80 % nach einem mittleren Krankheitsverlauf von acht Jahren. Als Risikofaktoren für die Entwicklung einer Demenz bei der Parkinson-Krankheit gelten früh im Krankheitsverlauf auftretende Halluzinationen und der akinetisch-rigide Typ der Parkinson-Krankheit, außerdem hohes Lebensalter, komorbide Depression und Nikotinmissbrauch.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen der Lewy-Körperchen-Demenz sind noch nicht vollständig geklärt. Es wird angenommen, dass genetische Veränderungen eine Rolle spielen können, ähnlich wie bei der Parkinson-Krankheit. Lewy-Körperchen sind spezielle Eiweißablagerungen, die hauptsächlich aus dem Protein Alpha-Synuclein bestehen. Diese Ablagerungen finden sich in den Nervenzellen der Großhirnrinde und in anderen Hirnbereichen.
Es gibt Hinweise auf einen Zusammenhang mit einer Genvariante namens ApoE4. Dieses Gen reguliert das Protein Alpha-Synuclein, das bei der Lewy-Körperchen-Demenz und bei der Parkinson-Demenz zu den schädlichen Verklumpungen im Gehirn führt. ApoE4 ist auch ein Risikofaktor für die Alzheimer-Krankheit.
Symptome
Die Symptome der Lewy-Körperchen-Demenz können denen der Alzheimer-Krankheit und der Parkinson-Krankheit ähneln. Es treten jedoch auch spezifische Symptome auf, die auf diese Demenzform hinweisen. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
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- Starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit: Die kognitiven Fähigkeiten können im Tagesverlauf stark variieren. Betroffene können zeitweise völlig klar und orientiert sein, während sie in anderen Momenten verwirrt und desorientiert wirken.
- Visuelle Halluzinationen: Bereits früh im Krankheitsverlauf treten detaillierte optische Halluzinationen auf. Betroffene sehen oft Menschen, Tiere oder Gegenstände, die nicht vorhanden sind. Akustische Halluzinationen sind seltener.
- Parkinson-Symptome: Viele Patienten entwickeln Parkinson-ähnliche Symptome wie Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern, verlangsamte Bewegungen (Akinese) und eine instabile Körperhaltung.
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): Betroffene leben ihre Träume im Schlaf aus, was zu unruhigem Schlaf, Bewegungen und Sprechen im Schlaf führen kann.
- Weitere Symptome: Depressionen, Angstzustände, Störungen des autonomen Nervensystems (z.B. niedriger Blutdruck beim Aufstehen, Harninkontinenz) und im späteren Verlauf Sprachstörungen und Schluckstörungen.
Die Demenz vom Lewy-Körper-Typ ist eine Variante der Parkinson-Krankheit, das heißt in der Regel folgt dem Auftreten einer kognitiven Störung innerhalb eines Jahres das Auftreten der für die Parkinson-Krankheit typischen motorischen Symptome. Der Begriff REM-Schlaf ist abgeleitet von der Tatsache, dass wir im Traum die Augen unwillkürlich schnell und ruckartig bewegen (englisch: Rapid Eye Movement - REM). Abgesehen von diesen ruckartigen, schnellen Augenbewegungen fehlt im REM-Schlaf jegliche Muskelaktivität, das heißt, wir sind sozusagen gelähmt, während wir träumen. Weiterhin finden sich im REM-Schlaf ein unregelmäßiger Herzschlag, Blutdruck- und Atmungs-Schwankungen. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung, kurz RBD (engl. „REM sleep behavior disorder“), wurde erstmals 1986 von dem amerikanischen Schlafforscher Carlos Schenck beschrieben. Charakteristisch für die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist: Die sonst im REM-Schlaf blockierte Muskelaktivität ist teilweise vorhanden. Dadurch kann bei der REM-Schlaf-Verhaltensstörung der Traum teilweise in Aktionen umgesetzt (ausagiert) werden. Da die Trauminhalte meist einen aggressiven Charakter haben, bewegen sich die Patientinnen und Patienten zum Teil heftig. Sie wehren sich im Traum, schreien, schlagen um sich oder versuchen zu fliehen. Die Betroffenen sind schnell erweckbar und erinnern sich an die Inhalte des Traumes gut.
Diagnose
Die Diagnose der Lewy-Körperchen-Demenz kann aufgrund der vielfältigen Symptome und der Ähnlichkeit zu anderen Demenzformen schwierig sein. Die Diagnose einer Lewy-Körperchen-Demenz ist schwierig - denn viele Symptome ähneln denen von Alzheimer oder Parkinson. Trotzdem gibt es heute gute Möglichkeiten, die Erkrankung bereits zu Lebzeiten mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erkennen. Die Diagnose wird in der Regel anhand der klinischen Symptome, neurologischer Untersuchungen und bildgebender Verfahren gestellt.
Klinische Kriterien
Die klinischen Klassifikationskriterien für die Demenz mit Lewy-Körpern wurden von einer Expertengruppe um McKeith erstmals im Jahr 1995 definiert und in den Jahren 1999 und 2005 revidiert. Neurologisch zeigen 25 bis 50 % der Patienten, die an einer Demenz mit Lewy-Körpern leiden, Parkinson-Symptome zu Beginn der Erkrankung. Fehlen diese initial, wird die Erkrankung häufig nicht erkannt. Typischerweise tritt bei Patienten, die an einer Demenz mit Lewy-Körpern erkrankt sind, auch eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung („REM-Sleep Behaviour Disorder“, [RBD]) in Form von lebhaften und oft angstbehafteten Träumen im REM-Schlaf auf, die von motorischer Symptomatik begleitet sein können. Die REM-Schlaf-Verhaltensstörung ist charakteristisch für neurodegenerative Erkrankungen mit pathologischen zerebralen Ablagerungen des Proteins alpha-Synukleins. Störungen des autonomen Nervensystems sind bei Demenz mit Lewy-Körpern wesentlich häufiger als bei Alzheimer-Demenz. Psychiatrisch können sowohl die Demenz mit Lewy-Körpern als auch die Parkinson-Krankheit mit Demenz mit Depression und (meist visuellen) Halluzinationen einhergehen.
Neuropsychologische Tests
Einige neuropsychologische Tests können Hinweise auf eine Lewy-Körper-Demenz geben. Besonders aufschlussreich sind Verfahren, die sogenannte visuell-konstruktive Fähigkeiten prüfen - also das Zusammenspiel von Sehen, Denken und Motorik. Dabei soll der Patient eine herkömmliche Uhr zeichnen - mit Ziffernblatt und Zeigern. Der Uhrentest kann helfen, frühzeitig Auffälligkeiten zu erkennen - gerade, wenn klassische Demenztests wie der Mini-Mental-Status-Test noch unauffällig bleiben.
Bildgebung
Aus differenzialdiagnostischen Überlegungen heraus sollte bei der Demenz mit Lewy-Körpern und der Parkinson-Krankheit mit Demenz eine zerebrale Bildgebung (bevorzugt kraniale Magnetresonanztomographie, [cMRT]) zum Ausschluss struktureller Veränderungen und eventuell zusätzlicher vaskulärer Läsionen durchgeführt werden.
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PET und SPECT sind spezielle bildgebende Verfahren, die dabei helfen, eine Lewy-Body-Demenz von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Die FDG-PET zeigt LBD-typische Veränderungen im Hinterkopfbereich. Mit dem DaT-SPECT lassen sich LBD-typische Nervenschädigungen gut erkennen.
Ebenso empfiehlt sich eine Elektroenzephalographie (EEG) zum Ausschluss eines epileptischen Geschehens. Außerdem haben Patienten, die an einer Demenz mit Lewy-Körpern erkrankt sind, insgesamt langsamere EEG-Grundrhythmen verglichen mit EEGs von Patienten, die unter einer Alzeimer-Demenz oder Parkinson-Krankheit mit Demenz leiden. Bei der Demenz mit Lewy-Körpern liegt - im Gegensatz zur Alzheimer-Demenz - ein dopaminerges nigrostriatales Defizit vor. Daher eignet sich die nuklearmedizinische Untersuchung zur Bestimmung der Dopamin-Transporter-Bindung in Form einer FP-CIT SPECT-Untersuchung (Single-Photonen-Emissions-computertomographie) zur Abgrenzung der Demenz mit Lewy-Körpern (bei Fehlen eines gleichzeitig vorliegenden Parkinson-Syndroms) von der Alzheimer-Demenz. Mit Hilfe der Myokardszintigraphie (MIBG) kann die sympathische Denervierung des Herzens bei der Demenz mit Lewy-Körpern und der Parkinson-Krankheit mit Demenz nachgewiesen werden. Die nuklearmedizinischen Techniken können in der Abgrenzung zu der Alzheimer-Demenz helfen.
Liquoranalyse
Die Liquoranalyse auf beta-Amyloid und Tau-Protein hilft ebenfalls bei der Abgrenzung zur Alzheimer-Demenz: Bei der Demenz mit Lewy-Körpern ist, abgesehen von einigen sehr schnell verlaufenden Fällen, Tau-Protein normal und beta-Amyloid erniedrigt. Ein unauffälliger Liquor schließt jedoch weder eine Demenz mit Lewy-Körpern noch eine Parkinson-Krankheit mit Demenz aus.
Therapie
Eine Heilung der Lewy-Körperchen-Demenz ist derzeit nicht möglich. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Medikamentöse Therapie
- Cholinesterasehemmer: Bei Lewy-Body-Demenz können sogenannte Cholinesterasehemmer zum Einsatz kommen. Doch bei Menschen mit einer Lewy-Körperchen-Demenz ist Vorsicht geboten: Viele reagieren überempfindlich auf diese Medikamente. Acetylcholin wird im Gehirn durch Acetylcholinesterase und Butyrylcholin-esterase abgebaut. Cholinesterasehemmer hemmen verschiedene Isoenzyme der Cholinesterasen und führen zu einer Erhöhung der (krankheitsbedingt niedrigen) Konzentration von Acetylcholin im synaptischen Spalt. ChEI sind in der Therapie der kognitiven Symptome bei der Demenz mit Lewy-Körpern und der Parkinson-Krankheit mit Demenz wirksam. Zusätzlich reduzieren sie neuropsychiatrische Symptome. Für die Parkinson-Krankheit mit Demenz ist in Deutschland bis 2009 nur Rivastigmin in der oralen Darreichung (Kapseln) zugelassen, für die Demenz mit Lewy-Körpern sind derzeit keine ChEI zugelassen.
- Antipsychotika: Gegenüber Neuroleptika, also Medikamenten, die gegen solche Sinnestäuschungen wirken, reagieren Menschen mit Lewy-Körperchen-Demenz oft überempfindlich. In der Folge können sich etwa Bewegungsstörungen verstärken, das Bewusstsein kann sich eintrüben oder die Betroffenen fallen in tagelangen Tiefschlaf. Wenn nötig, können atypische Neuroleptika wie Quetiapin oder Clozapin in niedriger Dosierung eingesetzt werden.
- Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) können bei Depressionen helfen.
- Parkinson-Medikamente: Die motorischen Symptome können mit dem Parkinson-Medikament Levodopa in niedriger Dosierung verbessert werden. Allerdings ist die Wirkung ist bei der Lewy-Körperchen-Demenz allerdings in der Regel geringer als bei der Parkinson-Krankheit. Als Nebenwirkung können sich Halluzinationen und Wahnvorstellungen verstärken.
Nicht-medikamentöse Therapie
Bei der Lewy-Body-Demenz können auch nicht-medikamentöse Maßnahmen sinnvoll sein. Ziel ist es, die geistigen Fähigkeiten zu fördern, den Alltag zu strukturieren und das Wohlbefinden zu verbessern. Menschen mit Lewy-Körper-Demenz sind oft sehr empfindlich gegenüber Stress, Lärm oder Reizüberflutung. Da die medikamentöse Behandlung schwierig ist, kommt der nicht-medikamentösenTherapie bei der Lewy-Körperchen-Demenz eine große Bedeutung zu. Die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten kann verbessert, die geistigen Fähigkeiten möglichst lange erhalten und herausforderndes Verhalten gemildert werden. Die Maßnahmen richten sich nach den individuellen Beschwerden. Geeignet sind die gleichen Verfahren wie bei der Alzheimer-Krankheit, also zum Beispiel Gedächtnistraining, Ergotherapie, Physiotherapie, Verhaltenstherapie, Musik- und Kunsttherapie. Welche dieser nicht-medikamentösen Therapiemaßnahmen im Einzelfall am sinnvollsten sind, wird individuell und in Absprache mit dem Patienten entschieden.
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Umgang im Alltag
Wenn Sie jemanden mit Lewy-Körper-Demenz zuhause pflegen oder betreuen, können Sie im Alltag viel für diese Person tun. Halten Sie alle Auffälligkeiten möglichst schriftlich fest - zum Beispiel in einem Pflegetagebuch. Hier können Sie dokumentieren, wo die Person im Alltag Unterstützung benötigt. Die Notizen helfen Ihrem Arzt und können bei zunehmendem Unterstützungsbedarf auch im Rahmen einer Pflegebegutachtung zum Einsatz kommen. Menschen mit Lewy-Körper-Demenz sind oft sehr empfindlich gegenüber Stress, Lärm oder Reizüberflutung. Umso wichtiger ist es, dass Sie als Angehörige gut über das Krankheitsbild informiert sind. Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass Ihre medizinischen Wünsche auch in unerwarteten Situationen respektiert werden und bewahrt so Ihre Selbstbestimmung. Sie greift, wenn Sie aufgrund von Krankheit oder Verletzung nicht in der Lage sind, sie selbst auszudrücken. Ein solches Dokument entlastet auch Ihre Angehörigen bei schwierigen Entscheidungen.
Verlauf und Prognose
Die Lewy-Body-Demenz ist bislang nicht heilbar. Die Symptome treten meist erst nach dem 65. Lebensjahr auf. Nach Diagnosestellung beträgt die Krankheitsdauer im Schnitt sieben bis acht Jahre. Die meisten Patienten mit Lewy-Body-Demenz sterben an Lungenentzündung. Im fortgeschrittenen Stadium nehmen die Symptome deutlich zu. Die Sprachfähigkeit nimmt ab, Schluckstörungen treten auf. Stürze und kurzzeitige Bewusstlosigkeit häufen sich, die Betroffenen werden immobil und schließlich bettlägerig.
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