Die Lewy-Körperchen-Demenz (LKD), auch bekannt als Lewy-Körper-Demenz oder Lewy-Body-Demenz, ist eine neurodegenerative Erkrankung, die durch das Vorhandensein von abnormalen Proteinablagerungen, den sogenannten Lewy-Körperchen, im Gehirn gekennzeichnet ist. Diese Erkrankung, die meist erst nach dem 65. Lebensjahr auftritt, wirft Fragen auf, ob sie eine eigenständige Krankheit oder eine Variante der Parkinson-Krankheit mit frühem Demenzbeginn darstellt. Betroffene weisen Symptome auf, die denen von Alzheimer- und Parkinson-Patienten ähneln, und es sind auch Mischformen bekannt.
Was ist Lewy-Körperchen-Demenz?
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist eine Form der Demenz, die ähnliche Symptome wie Alzheimer und Parkinson verursacht. Sie ist nach dem deutschen Nervenarzt Friedrich H. Lewy benannt, der die charakteristischen Lewy-Körperchen erstmals bei Parkinson-Patienten beschrieb. Diese Lewy-Körperchen sind abnormale Eiweißansammlungen, die die Funktion der Nervenzellen im Gehirn beeinträchtigen.
In Deutschland leben etwa 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung (Stand: 2024), wobei schätzungsweise 5 bis 10 Prozent davon an Lewy-Körperchen-Demenz leiden, was etwa 90.000 bis 180.000 Menschen entspricht. Die Lewy-Körperchen-Demenz wird bei 10 bis 15 Prozent aller Demenzkranken diagnostiziert und ist damit die zweithäufigste Form der Demenz.
Symptome der Lewy-Körperchen-Demenz
Menschen mit LKD zeigen oft eine Kombination aus kognitiven, motorischen und psychischen Symptomen. Diese können im Tagesverlauf stark variieren, was die Diagnose erschwert. Zu den häufigsten Symptomen gehören:
- Kognitive Störungen:
- Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit: Betroffene erleben starke Schwankungen in ihrer Aufmerksamkeit, Wachheit und Gedächtnisleistung. An manchen Tagen wirken sie vollkommen gesund, während sie an anderen Tagen stark beeinträchtigt sind.
- Gedächtnisprobleme: Im Vergleich zu Alzheimer-Patienten bleibt die Erinnerungsfähigkeit bei LKD-Patienten oft länger erhalten, schreitet aber dennoch fort. Sie haben Schwierigkeiten, Familienmitglieder oder bekannte Gegenstände zu erkennen.
- Visuell-konstruktive Fähigkeiten: Tests, die das Zusammenspiel von Sehen, Denken und Motorik prüfen (z.B. der Uhrentest), können Auffälligkeiten aufdecken, selbst wenn klassische Demenztests noch unauffällig sind.
- Motorische Störungen:
- Parkinson-ähnliche Symptome: Viele Patienten entwickeln Symptome, die denen der Parkinson-Krankheit ähneln, wie z.B. Muskelsteifigkeit (Rigor), Zittern (Tremor), verlangsamte Bewegungen (Akinese) und eine instabile Körperhaltung.
- Stürze: Durch kurze Bewusstseinsverluste (Synkopen) oder Gangunsicherheiten kommt es häufig zu Stürzen.
- Psychische Symptome:
- Visuelle Halluzinationen: Bereits früh im Krankheitsverlauf treten detaillierte optische Halluzinationen auf, bei denen die Betroffenen Menschen, Tiere oder andere Objekte sehen, die nicht real sind. Akustische Halluzinationen sind seltener.
- REM-Schlaf-Verhaltensstörung (RBD): Betroffene leben ihre Träume im Schlaf regelrecht aus, was zu unruhigem Schlaf, vermehrten Bewegungen und Sprechen im Schlaf führt.
- Depressionen: Ein großer Teil der Patienten entwickelt im Laufe der Erkrankung Depressionen.
- Angst und Reizbarkeit: Viele Betroffene ziehen sich zurück, sind ängstlich oder gereizt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die genauen Ursachen für die Entstehung der Lewy-Körperchen-Demenz sind noch nicht vollständig geklärt. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass genetische Veränderungen eine Rolle spielen können. In einigen Familien lässt sich die Erkrankung auf Mutationen im Erbgut zurückführen, wobei die gleichen Gene betroffen sind wie bei der klassischen Parkinson-Krankheit.
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Ein weiterer möglicher Risikofaktor ist das Gen für eine bestimmte Protein-Variante (Apolipoprotein E4, kurz: ApoE4), das sowohl bei Menschen mit LKD als auch bei Parkinson-Patienten gefunden wurde. Studien deuten darauf hin, dass ApoE4 die Konzentration des Eiweißes Alpha-Synuclein reguliert, das zu den schädlichen Lewy-Körperchen verklumpt.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Lewy-Körperchen-Demenz in der Regel nicht erblich ist und es selten vorkommt, dass mehr als ein Familienmitglied erkrankt.
Diagnose der Lewy-Körperchen-Demenz
Die Diagnose der Lewy-Körperchen-Demenz kann schwierig sein, da viele Symptome denen von Alzheimer oder Parkinson ähneln. Ein Neurologe oder Geriater wird in der Regel eine umfassende Untersuchung durchführen, um die Diagnose zu stellen. Diese umfasst:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte und der aktuellen Symptome.
- Körperliche und neurologische Untersuchung: Beurteilung der motorischen Fähigkeiten, Reflexe und anderer neurologischer Funktionen.
- Neuropsychologische Tests: Überprüfung der kognitiven Fähigkeiten, wie Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Sprache.
- Bildgebende Verfahren:
- MRT und CT: Diese Untersuchungen dienen dazu, andere Erkrankungen, wie z.B. Hirntumore, auszuschließen. Sie können aber nicht direkt Lewy-Körperchen nachweisen.
- PET und SPECT: Diese speziellen bildgebenden Verfahren können helfen, die Lewy-Körperchen-Demenz von anderen Demenzformen zu unterscheiden. Die FDG-PET zeigt LBD-typische Veränderungen im Hinterkopfbereich, während mit dem DaT-SPECT LBD-typische Nervenschädigungen erkannt werden können.
- Schlafuntersuchung (Polysomnographie): Bei Verdacht auf REM-Schlaf-Verhaltensstörung wird eine Schlafuntersuchung im Schlaflabor durchgeführt, um die Muskelaktivität im REM-Schlaf zu beurteilen.
Die Diagnose wird in der Regel anhand der klinischen Kriterien gestellt, die Gedächtnisprobleme, wiederkehrende Halluzinationen und motorische Störungen umfassen. Sind zwei dieser drei Kriterien erfüllt, ist von einer Lewy-Körperchen-Demenz auszugehen.
Behandlung der Lewy-Körperchen-Demenz
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist bisher nicht heilbar. Die Behandlung zielt darauf ab, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Sie umfasst in der Regel eine Kombination aus medikamentösen und nicht-medikamentösen Maßnahmen.
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- Medikamentöse Behandlung:
- Cholinesterasehemmer: Diese Medikamente (z.B. Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) können helfen, die psychotischen Symptome (Halluzinationen, Verwirrtheit) zu reduzieren, indem sie den Mangel an Acetylcholin im Gehirn ausgleichen. Allerdings ist bei Menschen mit LKD Vorsicht geboten, da sie oft überempfindlich auf diese Medikamente reagieren.
- Neuroleptika: Bei schweren psychotischen Symptomen, die nicht auf Cholinesterasehemmer ansprechen, können Neuroleptika wie Clozapin oder Quetiapin eingesetzt werden. Allerdings ist hier besondere Vorsicht geboten, da andere Neuroleptika die Symptome verschlimmern können.
- Antiparkinsonmittel: Medikamente wie L-Dopa können die motorischen Symptome lindern, sind aber oft weniger wirksam als bei der Parkinson-Krankheit und können die psychotischen Symptome verstärken.
- Antidepressiva: Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI) wie Citalopram können bei Depressionen eingesetzt werden.
- Nicht-medikamentöse Behandlung:
- Verhaltenstherapie: Kann helfen, mit Verhaltensauffälligkeiten und psychischen Problemen umzugehen.
- Hirnleistungstraining: Fördert die geistigen Fähigkeiten und kann helfen, den Alltag zu strukturieren.
- Ergotherapie und Physiotherapie: Können die motorischen Fähigkeiten verbessern und die Selbstständigkeit im Alltag erhalten.
- Logopädie: Hilft bei Sprach- und Schluckstörungen.
- Musik- und Kunsttherapie: Können das Wohlbefinden verbessern und die Kommunikation fördern.
- Anpassung des Wohnumfelds: Klare Routinen, Orientierungshilfen und eine reizarme Umgebung können helfen, Verwirrung und Angst zu reduzieren.
- Unterstützung für Angehörige: Angehörige spielen eine wichtige Rolle bei der Betreuung von Menschen mit LKD. Es ist wichtig, dass sie gut über die Erkrankung informiert sind und Unterstützung erhalten, um mit den Herausforderungen umgehen zu können.
Leben mit Lewy-Körperchen-Demenz
Das Leben mit Lewy-Körperchen-Demenz kann für Betroffene und ihre Familien sehr herausfordernd sein. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit der Erkrankung auseinanderzusetzen und professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es gibt verschiedene Unterstützungsmöglichkeiten, die den Alltag erleichtern können:
- Pflegegrad: Menschen mit LKD haben unter Umständen Anspruch auf einen Pflegegrad und damit auf verschiedene Leistungen der Pflegekasse.
- Pflegehilfsmittel: Im Rahmen eines anerkannten Pflegegrads können Pflegebedürftige monatlich bis zu 40 Euro für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch erhalten.
- Ambulante Pflegedienste: Können bei der häuslichen Pflege unterstützen.
- Tagespflege: Bietet Betreuung und Aktivierung tagsüber.
- Selbsthilfegruppen: Bieten die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen und Angehörigen auszutauschen.
- Patientenverfügung: Ermöglicht es, die medizinischen Wünsche für den Fall der Einwilligungsunfähigkeit festzulegen.
- Vollmacht: Ermöglicht es, eine Person des Vertrauens zu bevollmächtigen, Entscheidungen in gesundheitlichen und finanziellen Angelegenheiten zu treffen.
Verlauf und Prognose
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist eine fortschreitende Erkrankung, die in der Regel nicht heilbar ist. Die durchschnittliche Lebenserwartung nach der Diagnosestellung beträgt etwa sieben bis acht Jahre. Im fortgeschrittenen Stadium nehmen die Symptome deutlich zu, und die Betroffenen verlieren zunehmend ihre Alltagskompetenz. Im Endstadium treten oft Schluckbeschwerden auf, und die Patienten werden immobil und bettlägerig.
Fazit
Die Lewy-Körperchen-Demenz ist eine komplexe und herausfordernde Erkrankung, die eine umfassende und individuelle Betreuung erfordert. Eine frühzeitige Diagnose und Behandlung können helfen, die Symptome zu lindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Es ist wichtig, dass Betroffene und ihre Angehörigen sich gut über die Erkrankung informieren und professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um mit den Herausforderungen umgehen zu können.
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