Motorische Störungen bei Demenz: Ursachen, Formen und Hilfestellungen

Demenz ist ein Syndrom, das durch den Verlust von Gehirnfunktionen gekennzeichnet ist, die zuvor vorhanden waren. Es betrifft vor allem das Denkvermögen (Kognition), das Kurzzeitgedächtnis, die Sprache und auch die Motorik. Demenz ist keine normale Alterserscheinung, obwohl sie bei älteren Menschen häufiger auftritt. Die Symptome einer Demenz können von ganz unterschiedlichen Krankheiten hervorgerufen werden.

Einführung

Motorische Störungen sind ein häufiges Begleitsymptom von Demenzerkrankungen. Sie können die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen und die Bewältigung des Alltags erschweren. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen und Formen motorischer Störungen bei Demenz und gibt praktische Tipps für den Umgang mit Betroffenen.

Was sind motorische Störungen bei Demenz?

Motorische Störungen bei Demenz umfassen eine Vielzahl von Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit. Dazu gehören:

  • Apraxie: Verlust der Fähigkeit, zielgerichtete Handlungen auszuführen, obwohl die motorischen und sensorischen Fähigkeiten vorhanden sind.
  • Gangstörungen: Unsicherer, kleinschrittiger oder breitbeiniger Gang, der zu Stürzen führen kann.
  • Körpersteife: Erhöhter Muskeltonus, der die Beweglichkeit einschränkt.
  • Verlangsamung der Bewegungen (Hypokinese): Chronische Verlangsamung aller Bewegungsabläufe, Unfähigkeit neue Bewegungen zu initiieren und Störung der Feinmotorik.
  • Zittern (Tremor): Unwillkürliches Zittern der Hände oder anderer Körperteile.
  • Gleichgewichtsstörungen: Schwierigkeiten, das Gleichgewicht zu halten, was zu Stürzen führen kann.

Apraxie im Detail

Das Wort «Apraxie» hat seinen Ursprung im Altgriechischen und bedeutet übersetzt so viel wie «Untätigkeit». Im medizinischen Zusammenhang wird damit eine neurologische Störung umschrieben. Als Apraxie bezeichnet man den angeborenen oder erworbenen Verlust der zielgerichteten Handlungsfähigkeit (der «Praxie»), der trotz vorhandener motorischer und sensorischer Fähigkeiten auftritt.

Bei einer Apraxie liegt weder eine körperliche Behinderung vor, noch lässt sich eine Tonusveränderung der Muskulatur feststellen. Dennoch gelingt es den Betroffenen nicht, bewusste und willkürliche Bewegungen auszuführen - etwa Gebrauchsgegenstände wie Messer und Gabel fehlerfrei zu nutzen. Die Störung kann Mimik, Gestik, Sprache oder Motorik beeinträchtigen. Häufig tritt zusätzlich eine Sprachstörung (Aphasie) auf.

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Man unterscheidet zwei Hauptformen:

  • Ideatorische Apraxie: Betroffene können sich bestimmte Bewegungsabläufe nicht mehr vorstellen und führen sie deshalb nicht sinnvoll aus, z. B. eine Flasche öffnen und wieder verschliessen, ohne den Inhalt auszugiessen.
  • Ideomotorische Apraxie: Die Bewegungsabfolge ist gedanklich noch präsent, kann aber nicht ausgeführt werden. Nachahmen ist in manchen Fällen möglich.

Ursachen motorischer Störungen bei Demenz

Ursache ist meist eine strukturelle Schädigung des zentralen Nervensystems, etwa nach einem Schlaganfall oder im Verlauf einer demenziellen Erkrankung wie Alzheimer, Lewy-Body-Demenz oder Frontotemporaler Demenz.

Die häufigste Ursache einer Demenz ist die Alzheimer-Krankheit, die zu den sogenannten degenerativen Demenzen zählt. Am zweithäufigsten wird die Demenz durch Durchblutungsstörungen im Gehirn verursacht (gefäßbedingte = vaskuläre Demenz). Dann gibt es noch Mischformen und sekundäre Demenzen, die aufgrund einer anderen Gehirnerkrankung auftreten können, beispielsweise bei Parkinson-Erkrankungen.

Weitere Ursachen für Demenz und damit verbundene motorische Störungen sind:

  • Vaskuläre Demenz: Hier kommt es infolge von Durchblutungsstörungen des Gehirns zu einem Absterben von Nervenzellen. Die häufigste Variante wird durch eine Wandverdickung in kleinen Blutgefäßen hervorgerufen, welche die tiefen Strukturen des Gehirns mit Blut versorgen. Bluthochdruck ist der wichtigste Risikofaktor. Eine seltenere Form ist die Multi-Infarkt-Demenz, bei der das Gehirn durch viele kleine Schlaganfälle geschädigt wird.
  • Lewy-Körperchen-Demenz: Diese Demenzform ähnelt der Alzheimer-Krankheit sehr stark, wodurch sie schwer voneinander zu unterscheiden sind. Kennzeichnend sind starke Schwankungen der geistigen Leistungsfähigkeit, optische Halluzinationen und leichte Parkinsonsymptome.
  • Parkinson-Demenz: Im Zusammenhang mit Parkinson entwickelt sich bei circa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen auch eine dementielle Erkrankung. Das Hauptsymptom der Parkinson-Krankheit besteht in einer chronischen Verlangsamung aller Bewegungsabläufe, einer Unfähigkeit neue Bewegungen zu initiieren und einer Störung der Feinmotorik.
  • Creutzfeldt-Jakob-Krankheit: Diese Krankheit tritt als sehr rasch (6-12 Monate) fortschreitende Demenz in Erscheinung, die typischerweise von motorischen Störungen in Form von Myoklonien (= ausgeprägte unwillkürliche Muskelzuckungen) und Ataxie (= ausgeprägte Gleichgewichts- und Koordinationsstörungen) begleitet ist.
  • Korsakow-Syndrom: Dieses Syndrom tritt insbesondere als ausgeprägte Merkfähigkeitsstörung in Erscheinung. Die Betroffenen haben die Fähigkeit verloren, neue Informationen zu speichern (sogenannte anterograde Amnesie) und entwickeln gleichzeitig die Tendenz, die entstehenden Gedächtnislücken und Orientierungsstörungen mit bisweilen frei erfundenen Geschichten zu füllen (sogenannte Konfabulation). Die häufigste Ursache ist ein jahrelanger übermäßiger Alkoholkonsum.
  • Chronische Traumatische Enzephalopathie (CTE): Diese seltene fortschreitende degenerative Erkrankung des Gehirns betrifft Menschen, die wiederholten leichtgradigen Schädeltraumen ausgesetzt waren.

Diagnose motorischer Störungen bei Demenz

Die Diagnose einer Demenz und der damit verbundenen motorischen Störungen ist ein komplexer Prozess. Im Idealfall erfolgt eine ärztliche Untersuchung. Bei Verdacht auf Demenz wird der Arzt gezielte Fragen stellen und so den Verdacht einer Demenz erhärten. Es folgen psychometrische Tests, bei denen der Betroffene mithilfe des Arztes oder eines Therapeuten einen Fragebogen ausfüllt. Übliche Tests sind beispielsweise der MMSE (Mini-Mental-State Examination), der Uhrentest oder der DemTest.

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Um keine behandelbare Ursache zu übersehen, sollten Laboruntersuchungen gemacht werden wie z. B. Kontrolle des Blutbilds, der Vitamin-B-12-Konzentration, des Blutzuckers sowie Leber-, Nieren-, Elektrolyt- und Schilddrüsenwerte.

Technische Untersuchungen wie beispielsweise ein EEG (Elektroenzephalogramm), oder bildgebende Verfahren wie ein MRT (Magnetresonanz-Tomogramm, auch Kernspin genannt) oder ein CT (Computertomografie) des Kopfes sind zur Unterscheidung von anderen Gehirnerkrankungen ebenfalls sinnvoll.

Bei einem Verdacht auf eine vaskuläre Demenz wird vor allem das Herz-Kreislauf-System untersucht, also Blutdruck, Herzgeräusche und Herzgröße. Ebenso wichtig ist der neurologische Status, der die Koordination, Motorik, den Tastsinn und den Gleichgewichtssinn umfasst.

Behandlung motorischer Störungen bei Demenz

Eine Heilung von Demenz ist nach aktuellem Stand der Forschung nicht möglich. Ziel der Behandlung ist es, die Symptome zu lindern, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Behandlung

  • Antidementiva: Medikamente, die die Demenzerkrankung verzögern und die Symptome etwas lindern können.
  • Parkinson-Medikamente: Bei Parkinson-Demenz können Medikamente, die spezifisch gegen die Akinese und den Tremor wirken, eingesetzt werden.
  • Acetylcholinesterase-Hemmer: Diese Medikamente scheinen bei der Lewy-Körperchen-Demenz besonders gut anzusprechen.
  • Blutverdünnende Medikamente: Bei vaskulärer Demenz werden Durchblutungsstörungen im Gehirn mit blutverdünnenden Medikamenten behandelt, um weiteren Schlaganfällen vorzubeugen.

Nicht-medikamentöse Behandlung

Es gibt eine Reihe an nicht-medikamentösen Demenz-Therapien, die das Leben von Demenzkranken positiv beeinflussen können:

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  • Ergo- und Physiotherapie: Können helfen, mit den motorischen Einschränkungen besser umzugehen und die Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten.
  • Logopädie: Kann bei einer Apraxie des Sprechens unterstützend wirken.
  • Verhaltens-, Kunst- und Kreativtherapien: Fördern die geistige und körperliche Aktivität und soziale Interaktion.
  • Gedächtnistraining: Kann die kognitiven Fähigkeiten verbessern.
  • Aktivierende Maßnahmen: Um die oft apathischen Menschen anzuregen.
  • Musiktherapie, Erinnerungsarbeit und Krankengymnastik: Können Betroffenen helfen.
  • Kognitive Stimulation und autobiographische Arbeit: Können bei vaskulärer Demenz eingesetzt werden.

Anpassung des Lebensraums und des Alltags

Wenn Menschen mit Demenz Aufgaben und Bewegungen nicht mehr zielgerichtet ausführen können, ist es Zeit, den Lebensraum anzupassen. Kleine Änderungen können eine grosse Wirkung haben:

  • Kleidung: Slipper statt Schnürschuhe, Reiss- oder Klettverschlüsse statt Knöpfe, Röcke oder Jogginghosen mit Gummizug.
  • Wohnung: Barrieren abbauen und hilfreiche Anhaltspunkte zur zeitlichen und räumlichen Orientierung schaffen.

Umgang mit Betroffenen im Alltag

Angehörige brauchen viel Geduld. Wenn beispielsweise das Hochziehen eines Reissverschlusses an der Hose klappt, an der Jacke aber nicht liegt das nicht an Unwillen, sondern an der Unterschiedlichkeit der Aufgabe. Es hilft, Anforderungen zu reduzieren.

Man sollte bei der Kommunikation mit Menschen mit Demenz immer auf einen würdevollen und wertschätzenden Umgang achten. Das gilt auch in Situationen, bei dem es einem besonders schwer fällt, zum Beispiel, wenn der an Demenz erkrankte dem Pflegenden Vorwürfe macht oder ihn fälschlicherweise beschuldigt. Man darf natürlich seinen Standpunkt vertreten, aber sollte immer darauf achten, die Person nicht zu diskreditieren. Unabhängig von Konfliktsituationen ist es immer eine Möglichkeit sich auf die Lebenserfahrung der Person zu beziehen und diese wertzuschätzen. Man kann zum Beispiel nach einem Ratschlag fragen und/oder sich auch mal helfen oder trösten lassen.

Vorbeugung motorischer Störungen bei Demenz

Gezielte Maßnahmen, um einer Demenz vorzubeugen gibt es leider nicht. Sie können aber versuchen, die Widerstandsfähigkeit des Gehirns zu erhöhen. In wieweit Hirnjogging tatsächlich vor Demenz schützt, lässt sich nicht zweifelsfrei beweisen. Belegt ist aber, dass Menschen, die Zeit ihres Lebens geistig rege waren, ein höheres „Denkkonto" haben, von dem sie zehren können. Das heißt, bei diesen Menschen werden die Demenzsymptome später auftreten als bei Menschen, die ein eher gleichförmiges „Denkleben" hatten. Trainieren Sie also möglichst frühzeitig Ihr Gehirn: lesen Sie Bücher, schreiben Sie Briefe, spielen Sie Karten- oder Brettspiele in geselliger Runde, musizieren Sie, lösen Sie Kreuzworträtsel - halten Sie einfach Ihr Gehirn auf Trab.

Einen gewissen Schutz vor Demenz erlangen Sie auch, wenn Sie die Risikofaktoren von Demenz vermindern. Dazu gehört vor allem: den Blutdruck normalisieren, mehr bewegen, Meiden von Übergewicht, nicht rauchen, wenig Alkohol und soziales Engagement. Einer vaskulären Demenz beugt man vor, indem man einem Schlaganfall vorbeugt. Wer sich regelmäßig bewegt, kann (weiteren) Schlaganfällen vorbeugen.

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