Die Frage, ob eine Narkose das Demenzrisiko erhöht, ist ein viel diskutiertes Thema in der Medizin. Die postoperative kognitive Dysfunktion (POCD) ist ein bekanntes klinisches Phänomen, das bereits 1955 von Bedford beschrieben wurde. Diese Übersichtsarbeit fasst den aktuellen Erkenntnisstand zu POCD zusammen, um den interdisziplinären Dialog zu fördern.
Einführung in die Postoperative Kognitive Dysfunktion (POCD)
Die postoperative kognitive Dysfunktion (POCD) ist definiert als eine neu aufgetretene kognitive Funktionsstörung nach einem operativen Eingriff. POCD gilt im Allgemeinen als eine vorübergehende Störung, die jedoch alle Altersgruppen betreffen kann, wobei das Risiko mit zunehmendem Alter steigt. Eine aktuelle Untersuchung zeigt, dass etwa 40 % der über 60-Jährigen bei Entlassung nach stationärer Behandlung von POCD betroffen sind. Drei Monate später leiden noch etwa 10 % der Patienten unter POCD.
Angesichts der demografischen Entwicklung und des medizinischen Fortschritts wird die Zahl älterer Patienten, die sich umfangreichen Operationen unterziehen, weiter zunehmen. Daher ist es wichtig, dass alle, die Patienten vor, während und nach Operationen betreuen, über POCD informiert sind.
Definition und Differenzialdiagnose der POCD
Die Diagnose der POCD erfolgt durch psychometrische Testverfahren, die prä- und postoperative kognitive Leistungen erfassen. Die Symptome sind vielfältig und subtil, abhängig von den betroffenen kognitiven Bereichen. Gedächtnisstörungen und eine eingeschränkte Fähigkeit, intellektuelle Aufgaben zu bewältigen, werden am häufigsten genannt.
Wichtige Differenzialdiagnosen sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
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Inzidenz und Relevanz der POCD
Die Angaben zur Inzidenz der postoperativen kognitiven Dysfunktion variieren je nach untersuchtem Patientenkollektiv, Definition von POCD, angewandten Messmethoden, statistischer Auswertung, Zeitpunkt der Erhebung und Wahl der Kontrollgruppe.
Krenk et al. wiesen in ihrer Übersichtsarbeit darauf hin, dass POCD alle Altersgruppen betreffen kann, aber bei Patienten über 60 Jahren länger anhält und das Alltagsleben sowie die berufliche Reintegration erschwert. Monk et al. konnten POCD zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus bei 36,6 % der 18-39-Jährigen, 30,4 % der 40-59-Jährigen und 41,4 % der Patienten über 60 Jahre nachweisen. Drei Monate später bestand POCD noch bei 12,7 % der Patienten über 60 Jahre.
Deskriptive Studien zeigen, dass spezielle Patientenkollektive, wie z. B. Patienten mit Koronarsklerose oder vorbestehender subklinischer Demenz, eine höhere Inzidenz für POCD aufweisen.
Kontrollierte Langzeitstudien deuten darauf hin, dass POCD eine transiente Störung ist. Selnes et al. wiesen nach, dass Patienten nach on-pump oder off-pump koronarchirurgischen Interventionen sowie mit koronarer Herzerkrankung ohne chirurgische Intervention ähnliche kognitive Defizite zeigten. Alle Patientengruppen hatten im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe im Beobachtungszeitraum über sechs Jahre signifikante Einschränkungen.
Die subjektive Wahrnehmung von Patienten korreliert teilweise nicht mit den psychometrisch gemessenen Defiziten. Die Fallbeispiele von Chung und Assmann dokumentieren, dass Fehlwahrnehmungen in der unmittelbaren postoperativen Situation schwerwiegende Folgen haben können. Es stellt sich die Frage, inwieweit die implementierten Messinstrumente geeignet sind, relevante Veränderungen adäquat abzubilden.
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Steinmetz et al. dokumentierten in ihrer Langzeitbeobachtung über 8,5 Jahre nach der ISPOCD-Studie, dass POCD mit einer erhöhten Mortalität, einer früheren Berentung und der Notwendigkeit von vermehrten sozialen Transferleistungen assoziiert war. Monk und Koautoren wiesen auf ein erhöhtes Risiko hin, innerhalb eines Jahres zu sterben, wenn POCD zum Zeitpunkt der stationären Entlassung bestand.
Messmethoden zur Diagnose von POCD
Die Diagnose von POCD wird durch psychometrische Testmethoden verifiziert, wobei präoperative und postoperative kognitive Leistungen erfasst werden. In einer Konsensus-Empfehlung von 1995 zu POCD wurden als Kerntests der „Trail Making“-Test, der „Rey Auditory Verbal Learning“-Test (Worte-Lern-Test), der „Grooved Pegboard“-Test (Geschicklichkeitstest auf einem Steckbrett) und der „Digit Span“-Test (Erinnerungsvermögen für Zahlenreihen) benannt.
In Langzeitstudien zu POCD wurden ergänzend der „Stroop Farb-Wort“-Test, Papier- und Bleistift Gedächtnistest (Erfassung der sensomotorischen Geschwindigkeit und Geschwindigkeit der Gedächtnisleistung), Buchstaben-Ziffern-Ersetzen-Test (Erfassung der Geschwindigkeit von allgemeiner Informationsverarbeitung) und der Vier-Felder-Test (Erfassung von psychomotorischer Reaktionszeit) eingesetzt.
Eine umfassende klinisch neuropsychologische Untersuchung dauert etwa 2,5 Stunden. Eine Alternative bietet der Syndrom-Kurztest „Short Performance-Test (SKT)“ von Erzigkeit, der aus neun Subtests besteht. Die Durchführung des gesamten Tests dauert 15 Minuten und lässt sich perioperativ einsetzen. Chung et al. setzen einen Fahrsimulator ein, um die kognitive Leistung nach Allgemeinanästhesie zu erfassen.
Der „Mini-Mental-State-Examination“ (MMSE) hingegen dient als Screeninginstrument für demenzielle Entwicklung. Aufgrund eines ausgeprägten Lerneffektes ist der MMSE zur Quantifizierung von POCD entgegen der gängigen Praxis nicht geeignet.
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Der „Cognitive Failure Questionnaire“ (CFQ) ist ein Fragebogen zur Selbstbeobachtung des Patienten. Anhand von 25 Items erfasst er die Frequenz an täglichen Fehlhandlungen (Auffassungsvermögen, Gedächtnis und Motorik) auf einer verbalen Skala.
Im klinischen Alltag kann der MMSE angewendet werden, um Patienten mit einem erhöhten Risiko für POCD bei vorbestehender subklinischer demenzieller Entwicklung zu identifizieren. Es erscheint sinnvoll, bei Patienten mit einem pathologischen MMSE im Einzelfall entsprechend der Konsensusempfehlung vorzugehen, was sich bisher allerdings noch nicht durchgesetzt hat. Parallel sollten Angst und Depressivität erfasst werden, die Einfluss auf die kognitive Leistungsfähigkeit haben. Der CFQ ist geeignet, um subjektive Beschwerden von gefährdeten Patienten zu erfassen.
Pathogenese und Risikofaktoren der POCD
Die Mechanismen, die nach einer Operation und Anästhesie zur kognitiven Beeinträchtigung führen, sind nicht vollständig geklärt. Tierexperimentelle Untersuchungen legen nahe, dass die immunologische Antwort nach einer Operation eine Rolle spielt. Terrando und Koautoren zeigten experimentell an Mäusen, dass nach einem peripheren chirurgischen Eingriff durch die Aktivierung der inflammatorischen TNFα/NF-κB abhängigen Signalkaskaden die Integrität der Blut-Hirn-Schranke durch Freisetzung von Zytokinen beeinträchtigt wird. Dies erleichtert den Makrophagen die Migration in den Hippocampus und führt zur Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung. Aktivierungen von anti-inflammatorischen cholinergen Signalkaskaden blockieren diesen Mechanismus, indem die Ausschüttung proinflammatorischer Zytokine verhindert wird und die kognitiven Funktionen unbeeinträchtigt bleiben.
Klinische Beobachtungsstudien zeigen, dass POCD nach ausgedehnten Operationen in Narkose, nach Sekundäreingriffen und postoperativen Komplikationen häufiger auftritt, was die Theorie der inflammatorischen Komponente unterstreicht. Die Effekte der Anästhetika per se auf die kognitiven Funktionen hängen von der Pharmakodynamik und -kinetik der einzelnen Substanzen ab. Je kürzer die Wirkzeiten, desto kürzer sind die unmittelbar postoperativen kognitiven Einschränkungen. Bisher gibt es keinen Beweis, dass Anästhetika ursächlich zur prolongierten POCD beitragen. Beobachtungen zur Neurotoxizität von Anästhetika wurden an Kindern erhoben, um zu klären, ob eine Anästhesie in frühen Lebensjahren zu Verhaltensauffälligkeiten, Lernbehinderungen und kognitiver Einschränkung führt. Die Studienergebnisse werden kontrovers diskutiert, aber Zwillingsstudien haben in diesem Zusammenhang bisher keinen sicheren Hinweis auf Neurotoxität von Anästhetika ergeben. Ebenso konnte bisher kein Nachweis erbracht werden, dass nach Durchführung einer Regionalanästhesie POCD seltener oder weniger ausgeprägt auftritt als nach einer Allgemeinanästhesie.
Das Alter des Patienten ist ein entscheidender Risikofaktor für POCD. Hirnleistung und zerebrale Kompensationsfähigkeit nehmen im Alter ab. Untersuchungen mit bildgebenden Verfahren zeigen, dass eine zerebrale Komorbidität präoperativ häufig nicht erkannt wird. Ito et al. wiesen an Patienten, bei denen im MRT eine Hirnischämie ohne klinische Symptomatik (silent brain ischemia) gezeigt wurde, eine höhere Inzidenz für POCD nach Bypass-Operation nach (15,2 % versus 4,9 % der Kontrollgruppe). Julie Ng wies in ihrer Übersichtsarbeit auf die synergistische Interaktion zwischen inflammatorischen Veränderungen bei einer Hirnischämie und operativem Eingriff hin.
Eine Longitudinalstudie zur Entwicklung und zum Verlauf der Alzheimer-Demenz diente Kline und Mitarbeitern als Grundlage ihrer Untersuchung. Die Autoren überprüften die Hypothese, ob ein chirurgischer Eingriff den Verlauf der Demenz beeinflusste. Anhand kernspintomographischer Untersuchungen zeigten sie 5-9 Monate nach einer Operation eine Abnahme der grauen Hirnsubstanz, atrophische Veränderungen des Hippocampus sowie eine relative Zunahme des Volumens der Seitenventrikel. Die postoperative kognitive Leistungseinschränkung war insbesondere bei Patienten beeinträchtigt, bei denen präoperativ bereits eine milde subklinische kognitive Leistungseinschränkung bestand. Der Unterschied zwischen Patienten mit und ohne Operation verlor sich im Langzeitverlauf bei Fortschreiten der demenziellen Entwicklung.
Weitere Risikofaktoren sind Alkoholabusus sowie eine ängstlich depressive Grundstimmung. Hudetz und Koautoren konnten in ihrer randomisierten Untersuchung nachweisen, dass Patienten mit einer Alkoholanamnese, auch nach einer Alkoholkarenz von fünf Wochen, postoperativ ein kognitives Leistungsdefizit im Vergleich zu einer operierten Gruppe ohne Alkoholanamnese als auch zu nicht operierten Patienten mit und ohne Alkoholkonsum zeigten. Eine einfache Schulausbildung ist ebenfalls mit einem erhöhten Risiko für POCD assoziiert. Prädisponierende genetische Faktoren werden vermutet.
Weitere Risikofaktoren für ein Delirium
Neben den bereits genannten Risikofaktoren für POCD gibt es weitere Faktoren, die das Risiko für ein Delirium erhöhen können, einem akuten Verwirrtheitszustand, der häufig nach Operationen auftritt. Zu diesen Faktoren gehören:
- Hohes Alter
- Schwere Erkrankung
- Demenz
- Gebrechlichkeit
- Gleichzeitige Einnahme mehrerer Arzneimittel (Polypharmazie)
- Neue oder abgesetzte Medikamente
- Alkoholmissbrauch
- Niereninsuffizienz
- Chirurgische Eingriffe
- Infektionen
- Flüssigkeitsmangel
- Sehstörungen
- Schwerhörigkeit
- Akuter Schmerz
Strategien zur Prävention und Behandlung von POCD
Indikationsstellung
Die Indikationsstellung für eine umfangreiche Operation bei älteren Menschen mit Komorbiditäten sollte die kritische Abwägung zwischen dem möglichen Vorteil durch die Operation gegenüber dem Nachteil einer wenn auch transienten kognitiven Verschlechterung beinhalten. Zusätzlich zur neurologischen Untersuchung mag in Einzelfällen deshalb die präoperative Erhebung des kognitiven Status hilfreich und indiziert sein.
Operative Technik
POCD tritt nach umfangreichen Operationen häufiger und ausgeprägter auf. Eine entscheidende Bedeutung kommt der Vermeidung intra- und postoperativer Komplikationen zu. Inwieweit minimal-invasive operative Techniken grundsätzlich mit einer niedrigeren Inzidenz von POCD vergesellschaftet sind, ist nicht systematisch untersucht. Denkbar ist jedoch, dass diese Techniken aufgrund des kleineren Gewebetraumas mit einer geringeren postinflammatorischen Antwort und damit einer geringeren Einschränkung des kognitiven Leistungsvermögens einhergehen.
Anästhesiologische Techniken
Grundsätzlich gilt, je kürzer die Wirksamkeiten der verwendeten Anästhetika, umso kürzer die kognitiven Funktionseinschränkungen unmittelbar postoperativ. Kritisch hinterfragt werden muss in diesem Zusammenhang die gängige Prämedikationspraxis mit einem Sedativum, zum Beispiel Midazolam, das zu mnestischen Störungen führt. Im Rahmen der modernen perioperativen „fast track“-Konzepte, die eine frühzeitige postoperative aktive Mitarbeit des Patienten ermöglichen sollen, sind kognitive Einschränkungen negativ zu bewerten. Bisher konnte kein wissenschaftlicher Beweis erbracht werden, dass regionalanästhesiologische Techniken die Inzidenz von POCD reduzieren.
Das Edelgas Xenon ermöglicht sehr kurze Aufwachzeiten. Zahlreiche tierexperimentelle Untersuchungen weisen auf neuroprotektive Eigenschaften von Xenon bei zerebraler Ischämie hin. Randomisiert-kontrollierte Untersuchungen an Patienten zeigen keine Unterschiede hinsichtlich des Auftretens von POCD im Vergleich zu Propofol, Desfluran oder Sevofluran. Xenon kann nicht als Monoanästhetikum beim Menschen verwendet werden.
Prävention und Behandlung des Delirs
Zunehmend nutzen Experten Maßnahmen vor, während und nach dem Eingriff, um die Delir-Rate zu senken. So macht es schon vor der OP Sinn, die Patienten zu "screenen": Wer hat eine Blutarmut und sollte zunächst mit Eisen oder bei Nierenerkrankung auch mit Erythropoetin aufgepäppelt werden? Wer hat bereits neurokognitive Störungen und muss während der Narkose besonders intensiv überwacht werden? Weil vor allem ältere Menschen für ein Delir gefährdet sind, werden sie in der Anästhesieambulanz besonders streng untersucht. Bei Patienten mit Risikofaktoren für ein Delir kommen bestimmte Medikamente gar nicht zum Einsatz. Andere Medikamente bedürfen einer strengeren Indikation.
Während des Eingriffs überwachen die Anästhesisten gefährdete Patienten besonders sorgfältig. Bei ihnen darf die Narkose weder zu flach noch zu tief sein. Eine Präventionsstudie belegt: Drei Viertel der Delirien lassen sich durch einfache pflegerische Interventionen vermeiden. In zahlreichen Kliniken bundesweit unterstützen sogenannte Delir-Pfleger und -Pflegerinnen die Arbeit des Stationspersonals. Delir-Pfleger achten auf möglichst seltene Zimmer- und Pflegewechsel. Veranlassen, dass eine Uhr, ein Kalender oder ein vertrautes Foto Orientierung geben. Sorgen dafür, dass Patienten ihre Brillen oder Hörgeräte nutzen und dass sie regelmäßig essen und trinken. Sie helfen auch beim Einüben von Bewegungsabläufen, die im Krankenhausalltag leicht verloren gehen.
Angehörige können bei der Re-Orientierung helfen, sie können viel eher als das Pflegepersonal an Erinnerungen anknüpfen und diese aktiv halten. In einem gewissen Rahmen können gegebenenfalls auch Rituale von zu Hause in der Klinik umgesetzt werden. Alles was der Re-Orientierung dient, ist auch gleichzeitig eine Delir-Prophylaxe.
Maßnahmen zur Delir-Prophylaxe
- Sorgfältige Erhebung der Krankengeschichte im Vorfeld der stationären Aufnahme
- Detailliert geplante Operationen mit möglichst geringer Narkosebelastung
- Aktive Vorsorge und frühzeitige Behandlung erster Symptome
- Re-Orientierung durch Angehörige und Bezugspersonen
- Rituale von zu Hause in der Klinik umsetzen
- Förderung der Mobilisation und ausreichend Flüssigkeitszufuhr
- Sicherstellung der Nutzung von Hilfsmitteln wie Brille und Hörgeräte
Die Rolle der Angehörigen
Nach der OP spielen die Angehörigen eine entscheidende Rolle, denn sie sorgen mit ihrer Präsenz für einen vertrauten und beruhigenden Rahmen - das ist neben der Zugewandtheit des Teams sehr wichtig. Angehörige können im Mehrbettzimmer helfen, indem sie auf Anzeichen wie Unruhe, Verwirrtheit, Teilnahmslosigkeit oder aggressives Verhalten achten. Sie sollten Beleidigungen, befremdliche Äußerungen oder abweisendes Verhalten nicht persönlich nehmen und Diskussionen vermeiden, wenn ein Patient die Realität verkennt oder anders wahrnimmt. Stattdessen sollten sie eine orientierende Umgebung mit persönlichen Gegenständen schaffen und dem verunsicherten Patienten Ängste nehmen und Sicherheit vermitteln.
Forschungsergebnisse und Kontroversen
Die Forschungslage zum Thema Narkose und Demenzrisiko ist komplex und teilweise widersprüchlich. Einige Studien deuten darauf hin, dass Operationen, insbesondere in Kombination mit Narkose, das Demenzrisiko erhöhen könnten. Andere Studien sehen keinen direkten Zusammenhang zwischen Narkose und Demenz, sondern betonen die Rolle von Entzündungsprozessen, die durch die Operation selbst ausgelöst werden.
Eine Studie aus Taiwan ergab beispielsweise, dass nach einer Anästhesie das Risiko, an Demenz zu erkranken, um das Doppelte anstieg. Die Forscher vermuten, dass bestimmte Eingriffe (Augen, Haut, Magen-Darm-Bereich, orthopädische Operationen, Geschlechtsorgane und Harnwege) das Demenzrisiko besonders erhöhen könnten. Sie spekulieren, dass bei einigen Patienten bereits eine Anfälligkeit für eine Demenz vorliegt, die aber noch nicht diagnostiziert wurde, oder dass sich Substanzen, die Ärzte für eine Anästhesie einsetzen, negativ auf das Nervensystem auswirken könnten.
US-amerikanische Mediziner gaben im Fachblatt Mayo Clinic Proceedings Entwarnung und betonten, dass die Angst vor Alzheimer nicht zu den Hauptsorgen gehören sollte, wenn ältere Menschen operiert werden müssen. Eine französische Forschergruppe kam hingegen zu dem Schluss, dass sich das Risiko, eine Demenz zu entwickeln, nach mindestens einer Vollnarkose um 35 Prozent erhöht.
Professor Dr. Roderic Eckenhoff von der University of Pennsylvania in Philadelphia glaubt, dass nicht die Narkose, sondern Entzündungsprozesse, die durch die Operation entstehen, eine Alzheimer-Erkrankung verschlimmern können.
Fazit
Die postoperative kognitive Dysfunktion (POCD) ist ein relevantes klinisches Phänomen, das insbesondere ältere Patienten nach Operationen betreffen kann. Die Ursachen sind vielfältig und komplex, wobei sowohl die Anästhesie als auch die Operation selbst eine Rolle spielen können. Entzündungsprozesse, das Alter des Patienten, Vorerkrankungen und genetische Faktoren können das Risiko für POCD erhöhen.
Die Forschungslage zum Thema Narkose und Demenzrisiko ist noch nicht abschließend geklärt. Einige Studien deuten auf einen Zusammenhang hin, während andere keinen direkten Zusammenhang finden. Es ist wichtig, weitere Forschung zu betreiben, um die genauen Mechanismen zu verstehen und gezielte Präventions- und Behandlungsstrategien zu entwickeln.
Um das Risiko für POCD und Delir zu minimieren, sollten Ärzte und Pflegepersonal verschiedene Maßnahmen ergreifen, wie z. B. eine sorgfältige Indikationsstellung, schonende Operationstechniken, eine angepasste Anästhesieführung und eine umfassende perioperative Betreuung. Auch Angehörige können einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie für eine vertraute und beruhigende Umgebung sorgen und die Re-Orientierung des Patienten unterstützen.
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