Demenz ist eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung, die weltweit Millionen Menschen betrifft. Der schleichende Abbau von Hirnsubstanz führt zu Gedächtnisverlust, Orientierungsschwierigkeiten und Einschränkungen im Denkvermögen. Da die Krankheit oft erst spät erkannt wird, ist die Entwicklung von Methoden zur frühzeitigen Diagnose und zur Unterstützung von Betroffenen von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang rücken Demenz-Spiele-Apps immer stärker in den Fokus. Sie bieten nicht nur die Möglichkeit, erste Anzeichen der Erkrankung zu erkennen, sondern auch, den Verlauf positiv zu beeinflussen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
Frühzeitige Erkennung durch innovative Apps
Ein vielversprechender Ansatz ist die Entwicklung von Smartphone-Apps, die alltagsnahe Situationen simulieren und Orientierungsschwierigkeiten der Nutzer aufzeigen. Eine solche App wurde von Forschenden entwickelt, um Personen mit einem erhöhten Demenzrisiko zuverlässig zu identifizieren. Die Erkennung basiert auf den erfassten Bewegungsdaten der Menschen während einer „Schnitzeljagd“, die alltagsnahe Orientierungs-Situationen simuliert. Anhand des Orientierungssinns der Personen kann damit auf ihren geistigen Zustand geschlossen werden.
Die App zeigte dabei jeweils eine Straßenkarte mit der aktuellen Position und dem nächsten Ziel, inklusive Foto. Allerdings verschwanden diese Informationen, sobald die Probanden losliefen. „Die Versuchsteilnehmer mussten sich Straßenbild, Standpunkt und Zielort einprägen und dann ihrem Orientierungssinn und räumlichem Gedächtnis folgen“, erklärt Marquardt. „Wussten sie unterwegs nicht weiter, konnten sie in der App einen Hilfe-Button drücken. Die App erfasste während dieser Schnitzeljagd per GPS die Bewegungsdaten der Teilnehmenden. Die Forschenden werteten diese GPS-Daten anschließend aus und verglichen die Bewegungsprofile der Probanden.
Die Analyse ergab, dass ältere Erwachsene mit SCD häufiger kurz anhielten, vermutlich, um sich zu orientieren, als ältere Erwachsene ohne SCD. Mit der App lassen sich demnach Personen mit erhöhtem Demenzrisiko zuverlässig identifizieren. Die App könnte somit auch eine frühzeitige Behandlung ermöglichen: „Ich könnte mir vorstellen, dass künftig derartige Apps dabei helfen können, Risikopersonen zu identifizieren und daraufhin zu entscheiden, ob weitere Untersuchungen oder bereits eine Therapie nötig sind“, so Diersch.
Eine spezielle Navigations-App erkennt, wie oft jemand auf seinem Weg zur Orientierung anhält. Häufige Stopps können ein Zeichen für eine beginnende Demenz sein.
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Digitale Helfer für die Früherkennung
Ein digitaler Ansatz zur Früherkennung von Alzheimer wird auch durch eine App des Magdeburger Unternehmens neotiv verfolgt. Diese App ermöglicht eigenständige Gedächtnistests auf Smartphones und Tablets, ohne dass eine professionelle Betreuung erforderlich ist. Die Software ist wissenschaftlich validiert und wird in der Alzheimer-Forschung sowie als diagnostisches Hilfsmittel für Arztpraxen eingesetzt.
Die App beinhaltet interaktive Gedächtnisaufgaben, bei denen sich die Nutzer Bilder merken oder Unterschiede zwischen Bildern erkennen müssen. Die Ergebnisse der App werden mit den Befunden etablierter klinischer Methoden verglichen, um Gedächtnisbeschwerden aussagekräftig zu beurteilen.
Spielerische Unterstützung im Alltag
Neben der Früherkennung bieten Demenz-Spiele-Apps auch vielfältige Möglichkeiten, den Alltag von Demenzerkrankten und ihren Angehörigen zu erleichtern. Dr. Konstantin Lekkos, Chefarzt der Klinik für Altersmedizin im Helios Klinikum Hildesheim, hat gemeinsam mit seinem Team eine App mit Spielen entwickelt, die auf Demenzerkrankte zugeschnitten sind. Das Besondere: Es können Fotos aus der eigenen Vergangenheit hochgeladen werden, um die Erinnerungen des Erkrankten anzuregen. Damit soll einerseits das Gehirn trainiert werden, viel wichtiger ist Dr.
Beim Starten der Demenz-App „Auguste“ erscheint die Spieleauswahl in der Optik eines Holztisches. „So einen Tisch haben viele der Patientinnen und Patienten zu Hause. Das Gerät verschmilzt für sie quasi mit dem Tisch und sie haben keine Berührungsängste.
Es entstanden verschiedene Spiele in unterschiedlichen Schwierigkeitsstufen, zugeschnitten auf den jeweiligen Schweregrad der Erkrankung. Besonders wichtig war es den Entwickler:innen, dass die Nutzer:innen die Spiele individuell gestalten können. So können sie Bilder der eigenen Kinder, des Zuhauses oder anderer wichtiger Ereignisse aus dem Leben des Erkrankten in die App hochladen. Wichtigster Effekt dabei ist nicht primär das Gehirntraining, sondern dass die Menschen anfangen zu erzählen - von früher, von den Situationen auf den Bildern. Sie kommen mit ihren Angehörigen ins Gespräch, können zusammen lachen und weinen. „Unser primäres Ziel ist es, Erkrankte und ihre Angehörigen wieder näher zueinander zu bringen“, so Dr. Lekkos. „Ich war überrascht, wie gut selbst schwerst-demente Patientinnen und Patienten mit der App und dem Tablet klarkommen.
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Vielfalt an Spielen und Aktivitäten
Die Vielfalt an Demenz-Spiele-Apps ist groß und bietet für jeden Geschmack und jedes Stadium der Erkrankung passende Angebote. Viele Apps setzen auf Gedächtnisübungen, die bei leichter Demenz noch sinnvoll sein und Spaß bereiten können. Andere Apps fördern die Kreativität und die sinnliche Erfahrung durch den Umgang mit unterschiedlichen Materialien.
Musikhören und gemeinsames Singen bekannter Lieder aus der Jugendzeit können ebenfalls die Stimmung aufhellen und Erinnerungen wecken. Erinnerungsalben mit Fotos und anderen Erinnerungsstücken aus dem Leben der demenzerkrankten Person dienen der Erinnerungspflege und der Beschäftigung.
Gehirnjogging und Gedächtnistraining
Zahlreiche digitale Angebote in Form von Apps sollen das Gedächtnis trainieren. Die Anbieter von Brain Fitness Tools versprechen, Gedächtnis, Aufmerksamkeit und Konzentration nachhaltig zu verbessern. Kritiker merken jedoch an, dass sich mit Gehirnjogging zwar die Gedächtnisleistung bzw. Aufmerksamkeit des Einzelnen verbessern ließe, aber das generelle Denkvermögen dagegen unverändert bliebe.
Ein Tanzkurs zu besuchen oder eine neue Sprache zu lernen sei zum Beispiel ein besseres Gedächtnistraining, vor allem auch für Senioren. Wissenschaftler haben festgestellt, dass die Kombination von Kraft- und Ausdauertraining, gesunder Ernährung und regelmäßigem Gehirntraining die allgemeinen kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmer um 25-Prozent steigern ließ.
Personalisierte Trainingsprogramme
Einige Apps bieten personalisierte Gedächtnistrainingsprogramme an, die sich an die individuellen Fähigkeiten und Bedürfnisse des Nutzers anpassen. NeuroNation wurde vom Bundesministerium für Gesundheit ausgezeichnet und bietet 60 kognitive Übungen, die in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern entwickelt wurden. Die Studie hat gezeigt, dass durch intensives Gehirnjogging die generellen kognitiven Fähigkeiten und insbesondere die Aufmerksamkeit und das Gedächtnis der Teilnehmer nachhaltig verbessert wurden.
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Lumosity ist ein weiterer Marktführer für Gedächtnistraining mit personalisierten Workouts, die fünf kognitive Kernkompetenzen herausfordern. Die App wird laufend aktualisiert und dem Bedarf entsprechend optimiert.
Wichtige Aspekte bei der Auswahl von Demenz-Spiele-Apps
Bei der Auswahl von Demenz-Spiele-Apps sollten einige wichtige Aspekte berücksichtigt werden:
- Das Stadium der Demenz: Überforderung bewirkt negative Reaktionen.
- Persönliche Vorlieben und Abneigungen: Die Beschäftigung sollte Spaß machen.
- Respektieren Sie die Entscheidung des Demenzerkrankten: Lassen Sie es zu, wenn der Erkrankte nicht selbst aktiv werden möchte, sondern lieber beobachtet.
- Tolerieren Sie „Fehler“: Schimpfen Sie auf keinen Fall, wenn etwas nicht funktioniert.
- Kein Leistungsdruck: Dinge zu entdecken, sich zu erinnern und kleine Herausforderungen zu meistern ist wichtiger als der Wettbewerb um den Sieg.
Weitere Möglichkeiten der Unterstützung
Neben Demenz-Spiele-Apps gibt es noch viele weitere Möglichkeiten, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen zu unterstützen. Dazu gehören:
- Kunsttherapie: Die Betrachtung von Kunst und auch der Umgang mit Kunst schafft Raum für Kommunikation.
- Beschäftigung im Haus und Garten: Kleinere Arbeiten in Haus oder Garten sind leicht umsetzbar und naheliegend, wenn Ihr Angehöriger sich schon früher gerne mit solchen Aufgaben beschäftigt hat.
- Vorlesen: Vorlesen kann für Menschen mit Demenz genauso aktivierend sein wie Kopfrechnen für einen gesunden Menschen.
- Bewegung: Bewegung regt den Kreislauf an, fördert Sinneserfahrungen und bringt Freude. Deshalb sind Spaziergänge und Ausflüge immer eine sinnvolle Beschäftigung.
- Soziale Kontakte: Viele Sozialverbände und kirchliche Träger bieten regelmäßige Treffpunkte für Menschen mit Demenz.
- Berührung: Menschen mit Demenz, die Sie über Worte und Gesten nur noch schwer erreichen können, lassen sich manchmal leichter durch Berührung aktivieren.
- Snoezelen: Dabei werden gezielt unterschiedliche Sinne aktiviert und stimuliert.