Demenz-Test-App-Vergleich: Früherkennung von Alzheimer durch Smartphone-Anwendungen

Die Früherkennung von Demenzerkrankungen, insbesondere der Alzheimer-Krankheit, ist entscheidend, um den Krankheitsverlauf durch rechtzeitige Therapie zu verlangsamen und Betroffenen wertvolle Zeit zu schenken. Bisherige Diagnoseverfahren sind oft aufwendig und werden spät gestellt. Eine vielversprechende Entwicklung zur Verbesserung der Früherkennung sind Smartphone-Apps, die Gedächtnistests anbieten. Diese Apps ermöglichen es, erste Hinweise auf eine Demenz zu erhalten und den Weg für weitere klinische Untersuchungen zu ebnen.

Die Notwendigkeit der Früherkennung von Demenz

Eine frühzeitige Diagnose von Demenzerkrankungen wie Alzheimer bietet die Möglichkeit, den Verlauf der Erkrankung durch entsprechende Therapien zu verlangsamen und somit Betroffenen wertvolle Zeit zu schenken. Die Früherkennung ist deshalb wichtig, weil neueste Wirkstoffe den Krankheitsverlauf zwar abbremsen können - allerdings deutet vieles darauf hin, dass sie dafür bereits frühzeitig eingesetzt werden müssen. Eine Demenz rechtzeitig zu erkennen, wird deshalb immer wichtiger. Bislang ist die Früherkennung in der hausärztlichen Versorgung jedoch schwierig; die üblichen Gedächtnistests stellen Veränderungen erst dann zweifelsfrei fest, wenn die Erkrankung schon weiter fortgeschritten ist.

Funktionsweise und Vorteile von Demenz-Test-Apps

Visuelle Gedächtnistests zur Früherkennung

Dr. David Berron und seine Kollegen am Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) in Magdeburg haben in Kooperation mit dem Magdeburger Start-up neotiv eine Smartphone-App entwickelt, die visuelle Gedächtnistests nutzt, um bereits leichte Gedächtnisprobleme zu erkennen, die ein Hinweis auf eine Alzheimer-Erkrankung sein können. Unterstützt von der Alzheimer Forschung Initiative e.V. (AFI) wird die App weiter erforscht, um ihre Genauigkeit in der Messung von Gedächtnisveränderungen zu verstehen.

Die App enthält drei verschiedene Gedächtnistests, bei denen unterschiedliche Bereiche des Gehirns gefordert werden. Ein Test beinhaltet beispielsweise das Erkennen kleiner Unterschiede zwischen zwei ähnlichen Bildern. Dabei sehen die Testpersonen zunächst ein Bild und müssen sich dessen Details merken. Nach kurzer Zeit wird ihnen ein anderes Bild gezeigt, und sie müssen entscheiden, ob sich an den Objekten auf dem Bild etwas verändert hat. Ein direkter Vergleich der Bilder, wie man ihn von Zeitungsrätseln kennt, ist hier nicht möglich. „Tests dieser Art können wichtige Hinweise auf frühe Gedächtnisbeeinträchtigungen geben, da sie von Hirnregionen wie dem entorhinalen Kortex und dem Hippocampus abhängen, die bei der Alzheimer-Erkrankung schon früh betroffen sind“, erklärt Dr. Berron.

Ein weiterer Test prüft das räumliche Langzeitgedächtnis, indem sich die Testpersonen merken müssen, wo sich bestimmte Gegenstände in einem Raum befunden haben. Schließlich gibt es noch einen weiteren Langzeitgedächtnistest, bei dem die Teilnehmenden nach einiger Zeit erkennen müssen, ob sie bestimmte Bilder schon einmal gesehen haben. Laut Berron können diese drei Tests bereits ein erstes Bild von den kognitiven Beeinträchtigungen der Erkrankten machen. Da die Tests von unterschiedlichen Hirnnetzwerken abhängen, sollen sie auch dabei helfen, das Stadium der Erkrankung besser zu bestimmen.

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Vorteile gegenüber herkömmlichen Gedächtnistests

Gegenüber den herkömmlichen Gedächtnistests, die in Arztpraxen oder Gedächtnisambulanzen mit Papier und Stift durchgeführt werden, bieten digitale Tests einige Vorteile: Die Tests können bequem von zu Hause durchgeführt werden und werden automatisch ausgewertet. Da die Tests wiederholt werden können, fallen tagesformabhängige Schwankungen in der Gedächtnisleistung weniger ins Gewicht und stellen so ein repräsentativeres Bild der tatsächlichen kognitiven Leistung dar.

Berron betont jedoch, dass die App nicht als alleinstehender Selbsttest gedacht ist, sondern als Teil einer umfassenden Diagnostik und gegebenenfalls späteren medizinischen Begleitung von Demenzerkrankungen. Die Testergebnisse werden in einem Befundbrief zusammengefasst, der als Grundlage für die weitere Diagnostik und Behandlung dient.

Integration in die medizinische Versorgung

Die App wird bereits international in klinischen Studien eingesetzt. In Zukunft soll sie auch von Ärztinnen und Ärzten verschrieben werden können, sodass Patientinnen und Patienten sie über einen Zeitraum von bis zu 12 Wochen nutzen können. Der Arzt oder die Ärztin entscheidet auf Grundlage der Testergebnisse über die weiteren Schritte. Erste Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit Krankenkassen laufen bereits.

Beispiele für Demenz-Test-Apps und ihre Funktionsweise

Die neotiv-App

Die neotiv-App, entwickelt vom Magdeburger Start-up neotiv in Kooperation mit dem DZNE, ermöglicht eigenständige Gedächtnistests ohne professionelle Betreuung. Die Software läuft auf Smartphones und Tablets und ist wissenschaftlich validiert. Die App ist interaktiv und umfasst drei Arten von Gedächtnisaufgaben, die jeweils unterschiedliche Bereiche des Gehirns ansprechen, die in verschiedenen Phasen einer Alzheimer-Erkrankung betroffen sein können. Im Wesentlichen geht es bei diesen Tests darum, sich Bilder zu merken oder Unterschiede zwischen Bildern zu erkennen, die von der App eingeblendet werden.

Der Demenz Screening Test (DST)

Der Demenz Screening Test (DST) soll Frühstadien einer Demenz oder eine möglicherweise bestehende Demenz erkennen. Die App bietet verschiedene Testsequenzen - darunter einen Uhrentest, in dem beispielsweise geometrische Formen zugeordnet und Zahlen platziert werden sollen. Darüber hinaus gibt es einen mehrstufigen Merktest, einen Wortetest, einen Aufmerksamkeitstest und einen Orientierungstest zur aktuellen Situation der Testperson. Das Ergebnis des Screenings wird anhand von Punktzahlen (individuelle und maximal mögliche) sowie einer farblichen Codierung angegeben. Es wird empfohlen, den Test regelmäßig durchzuführen, um einen zeitlichen Verlauf und eine mögliche Verschlechterung der Punktzahl abzubilden. Niedrige Punktzahlen sollten ärztlich abgeklärt werden.

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Wissenschaftliche Studien und Ergebnisse

Studie zur Validierung der neotiv-App

Eine Studie mit 199 Teilnehmern über 60 Jahre aus Deutschland und den USA hat die Effektivität des Gedächtnistests per Smartphone mit einer etablierten neuropsychologischen Untersuchung in der Klinik verglichen. Die Studiengruppe umfasste Personen, die kognitiv gesund waren, Menschen mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen (MCI) sowie andere mit subjektiv empfundenen, jedoch nicht messbaren Gedächtnisbeschwerden. Grundlage für die Diagnose waren Untersuchungen nach einem etablierten Verfahren, das u.a. Gedächtnis- und Sprachaufgaben beinhaltet. Außerdem führten alle Probanden über einen Zeitraum von mindestens 6 Wochen mehrfache Gedächtnistests mit der neotiv-App durch. Dazu nutzten sie eigene Smartphones oder Tablets.

Die Forschenden berichten, dass sich mit der App Gedächtnisbeschwerden aussagekräftig beurteilen lassen. Die Ergebnisse des digitalen Tests können auf eine für MCI typische Gedächtnisstörung hindeuten und den Weg für weitere klinische Untersuchungen ebnen. Weisen die Testergebnisse darauf hin, dass die Gedächtnisleistung im altersspezifischen Normalbereich liegt, kann man vorerst Entwarnung geben. Die Studie unterstreicht das Potenzial mobiler Apps für die Alzheimer-Forschung, klinische Studien und die medizinische Routineversorgung. Insbesondere die eigenständige Testdurchführung ermögliche, Gedächtnisprobleme im Frühstadium zu erkennen und Krankheitsverläufe genauer zu erfassen.

Einsatz künstlicher neuronaler Netze zur Auswertung des Uhrentests

Prof. Andreas Maier vom Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU hat ein Team geleitet, das künstliche neuronale Netze mit Uhrentests „gefüttert“ hat, um medizinische und psychologische Fachleute in der Praxis zu unterstützen. In über 96 Prozent der Fälle ordnen die neuronalen Netzwerke richtig zu, ob es sich um einen nicht-pathologischen oder einen pathologischen Befund handelt. Und in über 98 Prozent der Fälle sei die zugeordnete Erkrankungsstufe korrekt. Die Hoffnung der Forschenden ist es, dass künftig eine einfach zu handhabende App medizinisches Personal in der Diagnose von Demenz weltweit unterstützen kann.

Herausforderungen und Zukunftsperspektiven

Weiterentwicklung und Etablierung in der Regelversorgung

Derzeit arbeitet Berrons Team daran, die Tests noch feinfühliger zu machen und in der Regelversorgung zu etablieren. Dies ist jedoch kein Selbstläufer, da noch Leitlinien für solch innovative Ansätze in der Demenzversorgung fehlen. Um solche Selbsttests weiterzuentwickeln, müssen die klinischen Daten eines Patienten mit Selbsttests außerhalb der Klinik, aus dem Alltag, verknüpft werden.

Open Source Software zur Unterstützung der Demenzdiagnose

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler planen zudem, eine Open Source Software auf den Markt zu bringen, die medizinischen und neuropsychologischen Fachleuten weltweit die Diagnose von Demenz erleichtern kann.

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Langzeitstudien zur Verbesserung der Alzheimer-Diagnose

In einem neuen Forschungsprojekt untersuchen Dr. Berron und sein Team in der DELCODE Studie des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen, ob die regelmäßige Anwendung der digitalen Gedächtnistests über einen längeren Zeitraum dazu beitragen kann, den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung besser zu verstehen.

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