Demenz Uhrentest Auswertung: Ein umfassender Überblick

Der Uhrentest ist ein psychometrisches Instrument, das zur Früherkennung von Demenz eingesetzt werden kann. Er ist ein einfacher, schneller und bekannter Test, der lediglich ein Blatt Papier und einen Stift erfordert und besonders für die Altersgruppe der 65- bis 85-Jährigen empfohlen wird. Obwohl er allein keine verlässliche Diagnose ermöglicht, dient er als erster wichtiger Hinweis auf mögliche kognitive Einschränkungen und wird oft in Kombination mit anderen Demenztests wie dem MMST (Mini-Mental-Status-Test) oder DemTect eingesetzt.

Grundlagen des Uhrentests

Durchführung des Uhrentests

Beim Uhrentest wird die Testperson gebeten, eine Uhr zu zeichnen. In der Regel erhält die Testperson ein Blatt Papier mit einem vorgezeichneten Kreis. Die Anweisung lautet dann: "Dieser Kreis soll eine Uhr sein." Anschließend soll die Testperson die Zahlen 1 bis 12 wie auf einem Ziffernblatt anordnen und eine bestimmte Uhrzeit mit Stunden- und Minutenzeiger eintragen (häufig 11:10 Uhr). Es gibt verschiedene Varianten des Uhrentests, die sich in der Art der Durchführung unterscheiden können. Eine Variante, die von Sunderland et al. (1989) entwickelt wurde, sieht vor, dass die Testperson auch das Ziffernblatt selbst zeichnen muss.

Während die Testperson zeichnet, achtet der Arzt oder die geschulte Person auf verschiedene Aspekte:

  • In welcher Reihenfolge geht die Testperson vor?
  • Bereitet ihr das Zeichnen Schwierigkeiten?
  • Wo zögert sie?
  • Muss sie häufig Korrekturen vornehmen?
  • Wie lange dauert der Test?

Verweigert die Patientin oder der Patient, überhaupt eine Uhr zu zeichnen, ist auch dies ein Ergebnis, das auf eine Demenzerkrankung hinweisen kann.

Visuokonstruktion

Im Zusammenhang mit dem Uhrentest fällt oft der Begriff "Visuokonstruktion" oder "visuokonstruktive Ausführungsleistung". Dies bezeichnet die Fähigkeit, komplexe Formen oder Muster zu erkennen und zu reproduzieren. Diese Fähigkeit nimmt bei Demenzerkrankten bereits früh im Krankheitsverlauf ab.

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Varianten des Uhrentests

Es gibt verschiedene Varianten des Uhrentests, die von unterschiedlichen Wissenschaftlern entwickelt wurden. Die bekanntesten sind:

  • Uhrentest nach Shulman (1993): Dies ist die am häufigsten verwendete Variante, bei der die Testperson die Zahlen in einen vorgegebenen Kreis eintragen und eine bestimmte Uhrzeit einzeichnen soll.
  • Uhrentest nach Sunderland et al. (1989): Bei dieser Variante muss die Testperson auch das Ziffernblatt selbst zeichnen.
  • Uhrentest nach Watson: Dieses Auswertungsverfahren ist sehr standardisiert und basiert auf der Zählung von Fehlpunkten in den Vierteln der Uhr.

Auswertung des Uhrentests

Die Auswertung des Uhrentests ist ein wichtiger Bestandteil des Verfahrens. Es gibt verschiedene Skalen und Methoden zur Bewertung der Zeichnung. Wichtig ist, dass die Auswertung von einer Person mit Erfahrung in der Durchführung solcher Tests vorgenommen wird, idealerweise von einem Arzt oder einer geschulten Fachkraft.

Kriterien der Auswertung

Bei der Auswertung werden verschiedene Aspekte berücksichtigt:

  • Zeichnung der Uhr: Stimmen die Ziffern und ihre Position? Sind die Zeiger eingezeichnet? Stimmt die Uhrzeit? Sind die Abstände zwischen den Zahlen annähernd gleich? Sind die Ziffern deutlich lesbar?
  • Verhalten während des Tests: Hat die Testperson gezögert? Waren Korrekturen notwendig? Wie lange dauerte der Test?

Je fortgeschrittener eine Demenz, desto schwieriger gestaltet sich der Uhrentest für die Betroffenen. Die gezeichnete Uhr wird immer unkenntlicher, die Ziffern und Zeiger werden falsch eingezeichnet oder fehlen sogar. Bei schwerer Demenz machen viele Patienten gar keine Versuche mehr, eine Uhr zu zeichnen. Manche schreiben stattdessen Wörter oder ihren Namen auf das Papier.

Auswertungsskalen

Es gibt verschiedene Auswertungsskalen für den Uhrentest:

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  • Skala nach Shulman (1993): Diese Skala bewertet das Ergebnis mit 1 bis 6 Punkten, wobei 1 eine perfekte Darstellung und 6 keine Darstellung einer Uhr bedeutet.
    • 1 Punkt: Die Uhr ist perfekt gezeichnet.
    • 2 Punkte: Leichte Fehler (unregelmäßige Abstände).
    • 3 Punkte: Räumliche Darstellung korrekt, Uhr fehlerhaft (nur ein Zeiger, Text statt Ziffern).
    • 4 Punkte: Mittelgradige Desorganisation (Eintragen der Uhrzeit unmöglich bei z.B. mehr als zwölf Ziffern).
    • 5 Punkte: Schwergradige Desorganisation (wie bei 4).
    • 6 Punkte: Keine Darstellung einer Uhr.
  • Skala nach Sunderland et al. (1989): Diese Skala orientiert sich an einer Skala von 10 (korrekte Darstellung) bis 1 (nicht mehr als Uhr erkennbar).
  • Auswertung nach Watson: Hier wird jedes Viertel der Uhr auf Fehler überprüft. Für jedes Viertel, in dem ein Fehler gemacht wurde, werden Fehler-Punkte gezählt (1 Punkt für die ersten drei Viertel, 4 Punkte für das letzte Viertel). Bei drei oder mehr Punkten ist eine kognitive Einschränkung naheliegend.

Minutenzeiger-Phänomen

Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem sogenannten Minutenzeiger-Phänomen. Hierbei werden das Ziffernblatt mit seinen Zahlen und der Stundenzeiger korrekt dargestellt, der Minutenzeiger wird aber fehlerhaft platziert. Dieses Phänomen kann auf eine beginnende Demenz hinweisen.

Beispiele für eine Auswertung nach Watson

  • Beispiel 1: Eine korrekt gezeichnete Uhr mit der richtigen Uhrzeit erhält 0 Punkte.
  • Beispiel 2: Wenn in einem Viertel der Uhr ein Fehler gemacht wurde, wird ein Punkt vergeben. Befinden sich Fehler in mehreren Vierteln, werden entsprechend mehr Punkte vergeben.

Aussagekraft und Grenzen des Uhrentests

Der Uhrentest ist ein einfach und schnell durchführbarer Test, der eine erste Abschätzung über das Bestehen einer Demenzerkrankung ermöglichen soll. Er eignet sich gut, um frühzeitig eine Demenz zu erkennen und Defizite der kognitiven Funktionen sowie semantische Gedächtnisfunktionen zu überprüfen. Er untersucht die räumliche Wahrnehmung der Testperson, sowie das Gedächtnis und die Fähigkeit, Informationen aufzunehmen und zu verarbeiten.

Keine verlässliche Diagnose

Es ist wichtig zu betonen, dass der Uhrentest allein keine verlässliche Diagnose einer Demenz ermöglicht. Er kann lediglich einen ersten Hinweis auf eine mögliche kognitive Einschränkung geben. Eine Diagnose kann nur ein Arzt stellen, der dafür ausgebildet ist und Erfahrung hat.

Zusätzliche Untersuchungen erforderlich

Daher ist es unerlässlich, bei einem positiven Befund weitere Untersuchungen durchzuführen, um die Diagnose zu bestätigen oder auszuschließen. Dazu gehören:

  • Ausführliche ärztliche Untersuchung: Vor allem der Seh- und Hörfähigkeit der Testperson.
  • Weitere Demenztests: Wie der MMST (Mini-Mental-Status-Test) oder DemTect.
  • Laboruntersuchungen
  • Bildgebende Verfahren: Wie MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT (Computertomographie).
  • Ausschluss anderer Erkrankungen: Wie Depressionen, die ähnliche Symptome wie eine Demenz hervorrufen können.

Einflussfaktoren

Es ist zu beachten, dass das Ergebnis des Uhrentests durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann:

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  • Bildungsniveau
  • Muttersprache
  • Psychische Belastungen
  • Andere Erkrankungen
  • Tagesform
  • Persönliche Anspannung

Kombination mit anderen Tests

Der Uhrentest wird häufig in Kombination mit anderen Demenztests eingesetzt, um die Aussagekraft zu erhöhen. Beliebte Kombinationen sind:

  • Uhrentest und MMST (Mini-Mental-Status-Test): Diese Kombination prüft unterschiedliche Merkmale ab und ergibt in der Summe eine gute Ersteinschätzung.
  • Uhrentest und DemTect: DemTect ist ein systematisches Testverfahren, mit dem eine Reihe kognitiver Funktionen untersucht wird (z. B. Wahrnehmung, Lernen, Erinnerungsvermögen, Denkvermögen).

Der DemTect-Test im Detail

Der DemTect-Test (Demenz-Detektions-Test) ist ein Screening-Verfahren zur Früherkennung von Demenz und Alzheimer. Er dauert nicht lange und kann auch von Personen ohne Fachkenntnisse durchgeführt werden.

Durchführung des DemTect-Tests

Der DemTect-Test besteht aus fünf Aufgaben, die verschiedene kognitive Funktionen prüfen:

  1. Wortliste: Die Testperson soll sich 10 Wörter merken und diese nach zwei Durchgängen wiederholen.
  2. Zahlen umwandeln: Die Testperson soll Zahlen in Zahlwörter und Zahlwörter in Zahlen umwandeln.
  3. Supermarkt-Aufgabe: Die Testperson soll so viele Dinge wie möglich aufzählen, die es in einem Supermarkt gibt.
  4. Zahlenreihen rückwärts: Die Testperson soll Zahlenreihen in umgekehrter Reihenfolge wiederholen.
  5. Wortliste erinnern: Die Testperson soll sich an die 10 Wörter vom Anfang des Tests erinnern.

Auswertung des DemTect-Tests

Für jede Aufgabe wird eine Punktzahl ermittelt, die dann anhand einer Umrechnungstabelle in einen Testwert umgewandelt wird. Die Testwerte werden abschließend addiert und anhand einer Skala gewichtet. Die Anzahl der gewichteten Testwerte zeigt, ob eine kognitive Beeinträchtigung oder eine Demenz wahrscheinlich sind.

Grenzen des DemTect-Tests

Auch der DemTect-Test ersetzt keine ausführliche medizinische und psychologische Untersuchung. Wenn aber die Punktwerte im kritischen Bereich liegen, sollte eine ärztliche Diagnose eingeholt werden. Ein Nachteil des DemTect-Tests ist, dass er keine visuell-konstruktive Komponente enthält.

Künstliche Intelligenz und der Uhrentest

Forscher arbeiten daran, die Auswertung des Uhrentests mithilfe künstlicher neuronaler Netze zu automatisieren. Ziel ist es, medizinische und psychologische Fachleute in der Praxis zu unterstützen und die Diagnose von Demenz zu erleichtern.

Digitalisierung und neuronale Netze

Prof. Andreas Maier vom Lehrstuhl für Mustererkennung der FAU (Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg) und sein Team haben Daten aus 2500 Uhrentests von 1315 Patientinnen und Patienten digitalisiert und in tiefe neuronale Netze eingespeist.

Ergebnisse

Die neuronalen Netzwerke ordnen in über 96 Prozent der Fälle richtig zu, ob es sich um einen nicht-pathologischen oder einen pathologischen Befund handelt. In über 98 Prozent der Fälle sei die zugeordnete Erkrankungsstufe korrekt.

Geplante App

Die Forschenden planen, eine einfach zu handhabende App zu entwickeln, die medizinisches Personal in der Diagnose von Demenz weltweit unterstützen kann. Mit der App kann der Uhrentest abfotografiert und sofort eine Auswertung bekommen werden. Dies soll mehr Zuverlässigkeit in den Diagnosen sowie eine bessere Graduierung und Abgrenzung von Demenzfällen bringen.

Praktische Anwendung des Uhrentests

Durchführung zu Hause

Der Uhrentest nach Shulman ist in der Durchführung und Auswertung sehr einfach und kann daher auch zu Hause praktiziert werden. Vorlagen und Arbeitsanweisungen für einen Demenz Uhrentest finden Sie auf verschiedenen Internetseiten.

Unterstützung durch Fachkräfte

Wenn Sie den Test nicht mit Ihren Angehörigen zu Hause machen wollen, kann Ihnen auch Ihr:e Hausärzt:in dabei behilflich sein. Alternativ können Sie auch eine:n Psycholog:in bitten, den Test durchzuführen.

Wichtigkeit weiterer Untersuchungen

Da der Test allein keine Diagnose erlaubt, sollten bei einem Verdacht auf eine Demenzerkrankung weitere Untersuchungen erfolgen.

Fazit

Der Uhrentest ist ein wertvolles Instrument zur Früherkennung von Demenz. Er ist einfach durchzuführen, schnell und kostengünstig. Allerdings sollte er immer in Kombination mit anderen Tests und einer ärztlichen Untersuchung eingesetzt werden, um eine zuverlässige Diagnose zu stellen. Die Entwicklung von Apps zur automatisierten Auswertung des Uhrentests könnte die Diagnose in Zukunft erleichtern und verbessern.

Umgang mit der Diagnose Demenz

Wenn sich der Verdacht auf Demenz erhärtet und die ärztliche Diagnose eine Demenzerkrankung bestätigt, sollten Sie sich Gedanken um die Behandlung, aber auch um die Betreuung und Pflege der erkrankten Person machen. Eine Demenzerkrankung ist eine schwere Diagnose mit weitreichenden Folgen für alle Beteiligten.

Informationen und Unterstützung

Zunächst einmal können Sie sich mit dem Krankheitsbild Demenz auseinandersetzen, um zu verstehen, was die Diagnose bedeutet und welcher Verlauf zu erwarten ist. Es gibt zahlreiche Informationsangebote und Beratungsstellen, die Ihnen dabei helfen können.

Rechtliche Fragen

Wenn ein Mensch nach und nach seine kognitiven Fähigkeiten einbüßt, bringt das auch rechtliche Fragen mit sich. Darf ein Demenzerkrankter Verträge abschließen? Oder Autofahren? Es ist wichtig, sich frühzeitig mit diesen Fragen auseinanderzusetzen und gegebenenfalls rechtlichen Beistand in Anspruch zu nehmen.

Alltag mit Demenz

Oft sind es aber gerade die kleinen Herausforderungen im alltäglichen Umgang mit Demenzerkrankten, die Angehörige und Pflegende vor Probleme stellen. Sie sollten aber nicht den Mut verlieren. Es gibt viele Möglichkeiten, den Alltag mit Demenz zu gestalten und die Lebensqualität der Betroffenen zu erhalten.

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