Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen und sind dennoch hinsichtlich ihrer individuellen und gesellschaftlichen Bedeutung meist unterschätzt. Sie können Menschen jeden Alters und mit jedem kulturellen Hintergrund betreffen. In Deutschland sind etwa 16 Prozent der Bevölkerung im Laufe ihres Lebens von einer Depression betroffen.
Definition und Klassifikation
Depressionen (ICD-10 F32) zählen zu den affektiven Störungen. Nach dem internationalen Klassifikationssystem ICD-10 bzw. ICD-11 sind die Hauptsymptome einer depressiven Episode:
- Depressive, gedrückte Stimmung
- Gravierender Interessenverlust und Freudlosigkeit (Anhedonie)
- Antriebsminderung mit erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung
Zentrale Symptome sind Niedergeschlagenheit, Interessenverlust, Antriebsmangel, Freud- und Hoffnungslosigkeit, oft begleitet von erhöhter Ängstlichkeit und rascher Ermüdbarkeit. Beschwerdebild und Verlauf können individuell stark variieren. Betroffene sind in ihrer Lebensführung eingeschränkt, häufig gelingt es ihnen nicht oder nur schwer, die Aufgaben des täglichen Alltags zu bewältigen. Wohlbefinden und Selbstwertgefühl sind zum Teil erheblich beeinträchtigt.
Epidemiologie
Die Jahresinzidenz wird mit ein bis zwei Erkrankungen pro 100 Personen angegeben. Die Lebenszeitprävalenz beträgt weltweit bei 16 bis 20 Prozent. In Deutschland liegt das Lebenszeitrisiko für eine diagnostizierte Depression laut Selbstauskunft bei 11,6 Prozent. Der Studie zufolge leiden circa 8,1 Prozent der Bevölkerung im Alter von 18 bis 79 Jahren an einer depressiven Symptomatik. Die Zwölf-Monats-Prävalenz einer depressiven Episode bzw. unipolaren Depression in der Allgemeinbevölkerung wird auf 7,7 Prozent, für eine Major Depression auf 6 Prozent und für eine Dysthymie auf 2 Prozent geschätzt. Das bedeutet, dass in Deutschland etwa 6,2 Millionen Menschen innerhalb eines Jahres an einer unipolaren Depression erkrankt sind.
Frauen sind häufiger von depressiven Störungen betroffen als Männer. Für eine unipolare Depression wird das Erkrankungsrisiko mit einer Zwölf-Monats-Prävalenz von 10,6 Prozent angegeben. Damit ist es etwa doppelt so hoch wie bei Männern mit 4,8 Prozent. Auch in der Vier-Wochen-Prävalenz depressiver Störungen liegen hierzulande Frauen aller Altersgruppen deutlich vor den gleichaltrigen Männern.
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Studien legen nahe, dass das Erkrankungsrisiko für Mädchen und junge Frauen steiler ansteigt als für ihre männlichen Altersgenossen. Frauen weisen zudem einen signifikant früheren Beginn einer unipolar depressiven Ersterkrankung, eine längere Episodendauer und eine höhere Rückfallgefahr für weitere depressive Phasen auf. 15- bis 19-jährige Mädchen und Frauen haben im Vergleich zu den übrigen Altersgruppen bei beiden Geschlechtern die höchste Suizidversuchsrate. Allerdings konnten mehrere Länder in den vergangenen Jahren eine Zunahme der Suizide bei männlichen Jugendlichen beobachten.
Depressionen können in jedem Lebensalter vorkommen. In den 1990er-Jahren wurde das durchschnittliche Alter bei depressiver Ersterkrankung zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr angenommen. Ein Bundesgesundheitssurvey von 2004 lieferte jedoch Hinweise, dass in Deutschland 50 Prozent aller Patienten bereits vor ihrem 31. Lebensjahr erstmalig an einer Depression erkranken. Zudem nimmt die Tendenz der Erkrankungsraten in jüngeren Altersgruppen zu. Ein beträchtlicher Anteil an Patienten erleidet bereits in der Kindheit oder Adoleszenz die erste depressive Episode. In einer 10-Jahres-Längsschnittstudie wurde ein bedeutsamer Anstieg der an unipolarer Depression erkrankten Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 18 Jahren nachgewiesen.
Im höheren Lebensalter sind Depressionen die häufigste psychische Störung, dazu besteht eine hohe Komorbidität mit körperlichen Erkrankungen und Funktionseinschränkungen. Die Zwölf-Monats-Prävalenz von depressiven Störungen bei älteren Menschen in Heimen und anderen Institutionen wird auf Werte zwischen 15 und 25 Prozent geschätzt.
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen von Depressionen sind vielfältig und komplex. Der einer Depression zugrundeliegende Pathomechanismus ist bis heute nicht vollständig verstanden. Nach gängiger Lehrmeinung geht man von einem Zusammenspiel genetischer, neurobiologischer, psychischer und psychosozialer Aspekte sowie Umweltfaktoren aus. Ätiopathogenetisch konnte bisher kein monokausaler Erklärungsansatz überzeugen. Nach aktueller Lehrmeinung ist von einem multifaktoriellen Geschehen auszugehen.
Genetische Faktoren
Epidemiologische Studien zeigen, dass depressive Störungen familiär gehäuft vorkommen. So haben Angehörige ersten Grades ein etwa 50 Prozent höheres Risiko als die Allgemeinbevölkerung, an einer unipolaren depressiven Störung zu erkranken. Gemäß einer dänischen Zwillingsstudie liegen die Konkordanzraten für bipolare Verläufe bei eineiigen Zwillingen bei 80 Prozent und bei zweieiigen Zwillingen bei 15-20 Prozent, die für unipolare Verläufe betragen bei eineiigen Zwillingen um die 50 Prozent, bei zweieiigen Zwillingen 15-20 Prozent. Noch ist es nicht gelungen, genetische Marker auf DNA-Ebene zu lokalisieren. Affektive Störungen scheinen durch Alterationen auf verschiedenen Genen (mit-)verursacht zu werden. Je nach Familie und bei den jeweils erkrankten Individuen können diese unterschiedlich kombiniert sein. Es gibt jedoch kein einzelnes "Depressionsgen", das hauptverantwortlich für die Erkrankung ist.
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Genetisch vulnerable Personen scheinen besonders prädestiniert zu sein, eine Depression zu entwickeln. Nach dem Vulnerabilitäts-Stress-Modell entsteht eine affektive Störung erst im Zusammenspiel mit Auslösefaktoren wie körperlichen Erkrankungen, hormoneller Umstellung im Wochenbett oder psychosozialen Faktoren (zum Beispiel Verluste, Trennungen, berufliche Enttäuschungen, Überforderungen, interpersonelle Konflikte, Beziehungskrisen, mangelnde soziale Unterstützung usw.).
Neurobiologische Faktoren
Jedes Gefühl, jede Stimmung, jeder Gedanke, jede Wahrnehmung und jedes Verhalten gehen mit einem besonderen Aktivitätsmuster der Nervenzellen im Gehirn einher. Die innerhalb einer Nervenzelle entstehende Aktivität wird über Axone, das sind Ausläufer der Nervenzelle, wie bei einem Kabel, zu vielen anderen Nervenzellen weitergeleitet. Zwischen den Nervenzellen besteht jedoch keine direkte Verbindung. Um den Reiz zur nächsten Nervenzelle weiterzuleiten, werden über unzählige Synapsen, das sind meist knopfartige Ausstülpungen an den Enden der Nervenzellausläufer, sogenannte Botenstoffe (Neurotransmitter) in den synaptischen Spalt (den Raum zwischen zwei Nervenzellen) ausgeschüttet werden. Die vorgeschaltete Zelle leitet so die Aktivität an die nachgeschaltete Zelle weiter. Diese freigegebenen Botenstoffe aktivieren Kontaktstellen (Rezeptoren) an den nachgeschalteten Zellen.
Es gibt viele verschiedene Botenstoffe, die auf Hirnfunktionen Einfluss nehmen. Einer davon, der mit Depression in Verbindung gebracht wird, ist das Serotonin. Da die meisten Antidepressiva die Wirkung des Serotonins beeinflussen, ist eine Annahme, dass eine Störung im Serotoninsystem eine Rolle bei der Depressionsentstehung spielt. Die Vorstellung, es würde schlicht ein Mangel an Serotonin vorliegen, ist zu simpel. Patientinnen und Patienten mit Depression weisen eine niedrigere Aktivität von Serotonin, Noradrenalin oder Dopamin auf. Auch eine Aktivitätsveränderung des limbischen Systems, das Gefühle empfindet und verarbeitet, kann zu einer Depression führen.
Tierexperimentelle Forschungsarbeiten lassen vermuten, dass Stressreaktion bzw. Stressbewältigung einen entscheidenden Einfluss auf die an affektiven Störungen beteiligten Neurotransmittersysteme hat.
Psychosoziale Faktoren
Getrennte, geschiedene und verwitwete Personen und solche ohne enge Bezugspersonen erkranken eher an einer Depression. Unter den sozioökonomischen Faktoren sind ein höheres Bildungsniveau und eine sichere berufliche Anstellung mit niedrigeren Depressionsraten assoziiert.
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Ein psychodynamischer Erklärungsansatz geht davon aus, dass sich Beziehungsgeschichten (Abhängigkeiten, Trennung, Verlust) negativ auf die Trennungsempfindlichkeit auswirken und so wiederum die Depressionsentstehung begünstigen.
Dem verstärkungstheoretischen interpersonellen Depressionsmodell nach Lewinsohn (1974) - auch als Verstärker-Verlust-Theorie bekannt - zufolge kommt es im Vorfeld einer Depression zum quantitativen und qualitativen Verlust potenziell verstärkender Ereignisse bzw. sind diese in der sozialen Umgebung nicht mehr im bisherigen Umfang erreichbar, etwa durch Trennung, Tod, Zurückweisung, soziale Isolation oder Armut. Das Ausbleiben von positiven Verstärkungen (Belohnungen), die zum Wohlbefinden einer Person beigetragen haben, sollen Resignation und depressive Verstimmungen fördern.
Kognitionspsychologische Hypothesen sehen kognitive Störungen als Auslöser einer Depression. Demnach entstehen depressive Störungen, wenn situative Auslöser mit realitätsfremden, negativen, verzerrten Kognitionen verarbeitet werden, die mit gelernter Hilflosigkeit und Verhaltensdefiziten sowie einem Mangel an positiv verstärkenden Aktivitäten gepaart sind. Die situativen Auslöser beziehen sich hierbei entweder auf aktuelle oder auf chronische Belastungen. Depressive Störungen basieren der Annahme nach auf dysfunktionalen Einstellungen und negativen automatischen Gedanken über sich selbst, die Welt und die Zukunft.
Psychische Störungen wie etwa eine Angststörung, die schon im Kindes- oder Jugendalter aufgetreten ist, können zur Entwicklung einer Depression beitragen. Genauso verhält es sich bei Einsamkeit, belastenden Lebensereignissen oder Traumata wie Missbrauch, Misshandlung, Vernachlässigung, Überfürsorge, Trennung oder Tod eines geliebten Menschen. Lebensgewohnheiten wie langanhaltender Stress, Über- oder Unterforderung, Ernährung, Bewegungsmangel oder Rauchen können ebenfalls zu einer Depression führen. Eine große Veränderung im Leben wie etwa eine Pensionierung kann auch zu einer Depression beitragen.
Hormonelle Faktoren
In der Pubertät, während einer Schwangerschaft, im Wochenbett oder in den Wechseljahren kommt es zur Umstellung der Hormone. Durch Schwankungen oder ein Ungleichgewicht von insbesondere Serotonin und Dopamin können depressive Phasen oder Verstimmungen entstehen.
Symptome
Es gibt unterschiedliche Anzeichen einer Depression, die verschiedene Ausprägungen haben können. Diese können sich sowohl körperlich als auch psychisch äußern. Weitere Beschwerden, die mit Depression in Verbindung gebracht werden können, aber auch solche, die auf den ersten Blick nichts mit der psychischen Erkrankung zu tun haben, kommen meist hinzu.
Kernsymptome depressiver Episoden sind nach der ICD-10-Klassifikation:
- Depressive, gedrückte Stimmung
- Gravierender Interessenverlust und Freudlosigkeit (Anhedonie)
- Antriebsminderung mit erhöhter Ermüdbarkeit und Aktivitätseinschränkung
Eine depressive, gedrückte Stimmung wird individuell unterschiedlich charakterisiert, zum Beispiel als Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung oder Gefühllosigkeit. Patienten können sich weder über positive Ereignisse freuen noch Trauer empfinden. 70 bis 80 Prozent der Betroffenen berichten zudem über Zukunftsängste und Angstgefühle als Ausdruck einer starken Unsicherheit.
Weitere typische Beschwerden sind:
- Rasche Irritierbarkeit und Überforderung, zum Beispiel in sozialen Kontaktsituationen
- Morgentief, Tagesschwankungen der Symptome
- Verminderte Konzentration/Aufmerksamkeit
- Wiederkehrende Grübeleien
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle/Gefühl der Wertlosigkeit
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Suizidgedanken
- Schlafstörungen, Früherwachen
- Agitiertheit
- Rückgang des Aktivitätsniveaus
- Verminderter Appetit, Gewichtsverlust
- Libidoverlust, sexuelle Interesselosigkeit
- Mangelnde/fehlende Reagibilität auf Erfreuliches
- Entscheidungsschwierigkeiten bzw. Entscheidungslosigkeit
Häufig beschreiben Patienten depressive Symptome nicht direkt, sondern klagen über somatische Beschwerden. Weitere Symptome einer depressiven Störung sollten daher aktiv exploriert werden. Das gilt ebenso bei Verdacht auf etwaige somatische, psychische und psychotische Zusatzsymptome. Ferner ist ein Missbrauch psychotroper Substanzen auszuschließen. Deshalb sind eine gründliche, strukturierte Anamneseerhebung und körperliche Untersuchung unerlässlich.
Beschwerden, die auf eine depressive Störung hinweisen:
- Allgemeine körperliche Abgeschlagenheit, Mattigkeit
- Schlafstörungen (Ein- und Durchschlafstörungen)
- Appetitstörungen, Magendruck, Gewichtsverlust, Obstipation, Diarrhöe
- Diffuser Kopfschmerz
- Druckgefühl in Hals und Brust, Globusgefühl
- Funktionelle Störungen von Herz und Kreislauf (zum Beispiel Tachykardie, Arrhythmie, Synkopen), Atmung (z.B. Dyspnoe), Magen und Darm
- Schwindelgefühle, Flimmern vor den Augen, Sehstörungen
- Muskelverspannungen, diffuse Nervenschmerzen (neuralgiforme Schmerzen)
- Libidoverlust, Sistieren der Menstruation, Impotenz, sexuelle Funktionsstörungen
- Gedächtnisstörungen
Bei Männern können sich Depressionen unter Umständen anders äußern. Neben den oben genannten Symptomen können bei ihnen z.B. aggressives Verhalten, Ärger über sich selbst oder andere, Suchtverhalten und körperliche Symptome wie Kopfschmerzen oder Potenzstörungen auf Depressionen hinweisen. Zudem suchen Männer i.d.R.
Auswirkungen auf den Alltag
In der Regel verursachen Depressionen einen hohen Leidensdruck. Betroffene sind in ihrer Lebensführung erheblich eingeschränkt, oft gelingt es ihnen nicht oder nur schwer, die alltäglichen Aufgaben zu bewältigen. Das physische und psychische Wohlbefinden sowie das Selbstwertgefühl leiden zum Teil sehr stark. Sozialer Rückzug, die Abnahme persönlicher Beziehungen und evtl. der Verlust der Arbeitsfähigkeit führen nicht selten zu Vereinsamung. Zudem wirkt sich die Erkrankung auf die familiären und Partnerbeziehungen aus - so kann die Depression eines Elternteils zu großer Verunsicherung der Kinder und zu einer möglichen Vernachlässigung dieser führen.
Verlauf
Depressive Störungen verlaufen typischerweise episodisch und zeigen interindividuell eine große Bandbreite:
- Eine depressive Episode kann vollständig remittieren, ohne dass in der Folgezeit weitere Symptome auftreten.
- Bei unvollständiger Remission bleibt eine Residualsymptomatik bestehen, die das Risiko für eine erneute depressive Episode erhöht.
- Rezidivierende depressive Episoden werden von symptomfreien Phasen unterbrochen.
- Eine Dysthymie ist von einer mindestens seit zwei Jahren bestehenden subsyndromalen depressiven Symptomatik gekennzeichnet, aus der sich eine zusätzliche depressive Episode entwickeln kann (sogenannten double depression).
- Hält eine depressive Episode länger als zwei Jahre ohne Besserung bzw. Remission im Intervall an, liegt eine chronische depressive Episode vor (persistent depressive disorder).
Formen von Depressionen
Grob kann Depression in zwei Kategorien unterteilt werden. Zum einen in die unipolare Depression, die wiederum unterschiedliche Schweregrade und Verläufe hat, und zum anderen in die bipolare affektive Störung.
- Unipolare Depression: Hier treten depressive Phasen, jedoch keine manischen Phasen auf.
- Bipolare Störung: Hier treten außer den Symptomen der Niedergeschlagenheit, Antriebsarmut und Interesselosigkeit auch Phasen grundloser, übermäßig gehobener und distanzloser Stimmung (Manie) auf.
Weitere Formen sind:
- Depressive Episode: Eine einzelne depressive Phase, die mindestens 2 Wochen andauert.
- Rezidivierende depressive Störung: Wiederholtes Auftreten depressiver Episoden.
- Dysthymie: Eine anhaltende depressive Störung, welche durch eine mindestens 2 Jahre andauernde leichte depressive Verstimmung charakterisiert ist.
- Saisonale Depression: Depressive Symptome, die wiederholt nur zu einer bestimmten Jahreszeit auftreten, i.d.R. im Winter (Winterdepression).
Komorbiditäten
Depressive Störungen treten häufig in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen auf, speziell:
- Angst- und Panikstörungen
- Substanzabhängigkeiten (Alkohol, Medikamente und Drogen)
- Essstörungen (speziell Anorexia nervosa oder Bulimia nervosa)
- Persönlichkeitsstörungen
- Zwangsstörungen
Psychische Komorbiditäten beeinflussen das Krankheitsgeschehen negativ. So weisen Betroffene ein höheres Chronifizierungsrisiko, eine ungünstigere Prognose und ein erhöhtes Suizidrisiko auf.
Weiterhin sind Depressionen gehäuft mit somatischen Pathologien wie arteriosklerotische kardiovaskuläre Erkrankungen, zerebrovaskuläre Krankheiten wie Schlaganfall und vaskuläre Demenz, Karzinomerkrankungen, Migräne, Asthma bronchiale, Allergien, Magengeschwür, Diabetes mellitus und Infektionskrankheiten assoziiert.
Darüber hinaus gehen depressive Störungen mit einer hohen Mortalität, vor allem durch Suizide, einher.
Diagnose
Eine Depression wird primär klinisch aufgrund von Bewertungen verschiedener Ebenen (kognitiv, emotional, verhaltensbezogen) diagnostiziert. Nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Psychotherapeuten und -therapeutinnen können Depressionen erkennen. Um eine Diagnose zu stellen, müssen Betroffene zunächst eine Reihe von Fragen zu den Beschwerden der letzten zwei Wochen beantworten. Haben Betroffene mindestens fünf typische Symptome einer Depression über mehr als zwei Wochen und darunter ein Hauptsymptom wie Freudlosigkeit, Interessenverlust oder eine gedrückte Stimmung, kann das ein Hinweis auf eine vorliegende Depression sein. Im nächsten Schritt werden Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen ausgeschlossen. Da sich bei jedem Menschen eine Depression unterschiedlich äußert, sind nicht immer alle Beschwerden vorhanden. Mittels eines weiteren Fragebogens zu den Symptomen kann der Schweregrad der Depression beurteilt werden.
Screeninginstrumente:
Eine Möglichkeit zur schnellen Erfassung einer unipolaren depressiven Störung bietet der sogenannte „Zwei-Fragen-Test“:
- Fühlten Sie sich im letzten Monat häufig niedergeschlagen, traurig bedrückt oder hoffnungslos?
- Hatten Sie im letzten Monat deutlich weniger Lust und Freude an Dingen, die Sie sonst gerne tun?
Werden beide Fragen mit „Ja“ beantwortet, müssen die formalen Diagnosekriterien erfasst werden. Screeninginstrumente wie der WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden, die Allgemeine Depressionsskala und der Gesundheitsfragebogen für Patienten (PHQ-D bzw. PHQ-9) liefern valide Hinweise auf depressive Störungen und sind insbesondere in der primärärztlichen Versorgung bewährte Instrumente in der Depressionsdiagnostik.
Weiterführende Untersuchungen:
Um organische Grunderkrankungen zu erkennen oder auszuschließen und eventuelle Kontraindikationen für eine Pharmakotherapie der depressiven Störung oder eine depressive Symptomatik aufgrund einer medikamentösen Behandlung zu identifizieren, sollten vor Therapiebeginn eine sorgfältige internistische, neurologische und neuroradiologische Untersuchung, eine ausführliche Medikamentenanamnese und eine Basis-Laboruntersuchung erfolgen.
Diagnosekriterien nach ICD-10:
Im internationalen Klassifikationssystem ICD-10 werden depressive Störungen innerhalb der Kategorie „affektive Störungen“ erfasst. Die beiden Pole des Stimmungsspektrums bilden die „schwere Depression“ und „Manie“. Für die Diagnose einer depressiven Störung nach ICD-10 müssen mindestens zwei (schwere Episode: drei) der aufgeführten Hauptsymptome über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen bestehen. Bei schweren depressiven Episoden mit ausgeprägtem Beschwerdebild kann eine Diagnose bereits nach weniger als zwei Wochen Symptomdauer gerechtfertigt sein.
Hauptsymptome:
- Depressive, gedrückte Stimmung
- Interessenverlust und Freudlosigkeit
- Verminderung des Antriebs mit erhöhter Ermüdbarkeit (oft selbst nach kleinen Anstrengungen) oder Aktivitätseinschränkung
Zusatzsymptome:
- Verminderte Konzentration und Aufmerksamkeit
- Vermindertes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen
- Schuldgefühle und Gefühle von Wertlosigkeit
- Negative und pessimistische Zukunftsperspektiven
- Suizidgedanken oder -handlungen
- Schlafstörungen
- Verminderter Appetit
Behandlung
Je nach Verlaufsform und Schweregrad gibt es mehrere Möglichkeiten, eine Depression zu behandeln:
- Psychotherapie (auch in Kombination mit Medikamenten)
- Medikamente gegen Depressionen wie Antidepressiva
- Licht-, Wach-, Bewegungs- oder Ergotherapie sowie künstlerische Therapien
Die Psychotherapie und die Behandlung mit Medikamenten (Antidepressiva) bilden die zwei Säulen der Therapie von Depression. Alle weiteren Möglichkeiten wie Beratungen, Selbsthilfegruppen oder andere Therapien können neben Psychotherapie und Medikamenten ergänzend hinzugezogen werden. Durch eine medikamentöse Behandlung mit Antidepressiva kann direkt auf diese neurobiologischen Ungleichgewichte eingewirkt werden.
Belastende Erfahrungen können nicht immer vermieden werden. Um jedoch das Risiko einer Entstehung von Depression zu senken, können Menschen einen anderen Umgang mit den negativen Einflüssen erlernen oder diese, wenn möglich, vermeiden - wie beispielsweise die Einnahme von bestimmten Medikamenten. Ein soziales Umfeld mit stabilen Beziehungen senkt ebenfalls das Risiko einer Depression.
Dysthymie (Neurotische Depression)
Offiziell wird der Terminus neurotische Depression nicht mehr verwendet und erscheint nicht länger in der internationalen Klassifikation der Erkrankungen (ICD). Stattdessen spricht man von Dysthymie oder Dysthymia, nicht von Neurosen.
Der Terminus Dysthymie bzw. dysthyme Störung nach 6A72 ICD-11 (ICD-10 F34.1) meint eine affektive Störung, die der Depression bzw. depressiven Episode darin ähnelt, dass sie die gleichen kognitiven und psychischen Muster zeigt. Allerdings sind die Symptome hier schwächer ausgeprägt, aber halten deutlich länger, oft über Jahre an. Der Verlauf der Beschwerden ist schwankend: Relativ belastungsarme Zeiten wechseln mit monatelangen Phasen gedrückter Stimmung, Gestresstheit und Freudlosigkeit.
Was eine neurotische Depression bzw. Dysthymia verursacht, ist noch nicht hinlänglich bekannt. Vermutet wird eine genetische Disposition, da Fälle von Dysthymia in Familien gehäuft auftreten. Kommen dann psychosoziale Faktoren wie Stress, soziale Isolation oder ein Fehlen sozialer Unterstützung hinzu, kann sich eine neurotische Depression manifestieren.
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