Umschulung von Linkshändern: Folgen und Auswirkungen auf das Gehirn

Die Umschulung von Linkshändern auf die rechte Hand war in der Vergangenheit eine gängige Praxis, die jedoch erhebliche Auswirkungen auf das Gehirn und die psychische Gesundheit der Betroffenen haben kann. Dieser Artikel beleuchtet die Folgen der Umschulung, die Veränderungen im Gehirn und die möglichen positiven und negativen Auswirkungen.

Was passiert im Gehirn bei umgeschulten Linkshändern?

Laut Prof. Dr. Hartwig Siebner, Professor für Präzisionsmedizin an der Universität Kopenhagen, können Linkshänder durch Training und Zwang lernen, mit der rechten Hand fast so gut zu schreiben wie Rechtshänder. Das Umlernen ist im Kindesalter einfacher als im Erwachsenenalter, aber auch nach einem Schlaganfall können Menschen auf die andere Hand umlernen.

Funktionelle Bildgebungsuntersuchungen zeigen, dass das Gehirn von umgeschulten Linkshändern mehr arbeiten muss. Bei der Ausführung einer Bewegung ist der Motorcortex aktiv, wobei immer die gegenüberliegende Hirnhälfte die Hand steuert. Bei Rechtshändern dominiert die linke Hemisphäre, bei Linkshändern die rechte. Umschulte Linkshänder aktivieren beim Schreiben mit rechts beide Hirnhälften, was darauf hindeutet, dass die Hirnaktivität nicht einfach die Seite wechselt. Auch für andere Aufgaben, die nicht trainiert wurden, benötigen sie die Aktivität beider Hirnhälften.

Durch das Umlernen wird der Motorcortex beider Hirnhälften gestärkt, wobei der Anteil der Nervenzellen für die rechte Hand ansteigt. Die Kontrolle der Bewegung geht jedoch weiterhin von der dominanten rechten Hirnhälfte aus. Die Präferenz für die linke Hand bleibt also auch beim Umschulen bestehen.

Mögliche Folgen der Umschulung

Negative Auswirkungen

Die Umschulung kann negative Folgen haben, insbesondere wenn sie erzwungen wird. Betroffene Erwachsene leiden oft unter psychischen Symptomen, ohne erkennbare Ursache. Viele wissen nicht einmal, dass sie Linkshänder sind, da sie bereits im Kleinkindalter umgewöhnt wurden.

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Wenn Linkshänder nicht mit links schreiben dürfen, kann dies zu Einschränkungen im Lern- und Leistungsbereich oder in der Persönlichkeitsentwicklung führen. Die rechte Hand kann feinmotorisch überfordert sein, was zu Lernstörungen wie LRS oder Dyskalkulie führen kann. Viele Betroffene empfanden die Schulzeit als Qual.

Erwachsene umgeschulte Linkshänder leiden häufig unter Erschöpfungsdepressionen, rezidivierenden depressiven Störungen, unerklärlichen Ängsten und Minderwertigkeitsgefühlen. Oftmals wird in der Psychotherapie nicht nach einer möglichen unterdrückten Linkshändigkeit gefragt.

Positive Auswirkungen

Das Umlernen kann auch positive Effekte haben, insbesondere beim Musizieren. Durch das Training beider Hände können Linkshänder bessere musikalische Fähigkeiten entwickeln. Ein Beispiel ist ein Cellist, der durch die Umschulung seine Fähigkeiten verbesserte.

Fallbeispiele und Erfahrungen

Marina Neumann, eine umgeschulte Linkshänderin, berichtet von ihren negativen Erfahrungen in der Schulzeit, als sie gezwungen wurde, mit rechts zu schreiben. Sie entwickelte Schlafstörungen und hatte Angst vor der Schule. Nach der Rückschulung auf links erlebte sie eine körperliche und psychische Befreiung.

Rita Maier, eine Heilpraktikerin, entdeckte mit 55 Jahren, dass sie Linkshänderin ist. Nach der Rückschulung bemerkte sie, dass sie keinen Mittagsschlaf mehr brauchte und ihre Arbeit müheloser von der Hand ging.

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Oliver Gössel, ein Sänger und Musiklehrer, stellte mit 30 Jahren fest, dass er eigentlich Linkshänder ist. Er entdeckte seine kreative Seite und überwand seine Legasthenie.

Die Bedeutung der Rückschulung

Die Rückschulung auf die linke Hand kann für umgeschulte Linkshänder ein Ausweg sein, um zu ihrer angeborenen Händigkeit zurückzufinden. Sie sollte langsam und behutsam unter professioneller Begleitung erfolgen. Durch die Rückschulung können die Betroffenen ihre Fähigkeiten, die in der dominanten rechten Gehirnhälfte liegen, wieder leben.

Marina Neumann betont, dass die Rückschulung eine körperliche und psychische Befreiung sein kann. Sie berichtet von Patienten, die durch die Rückschulung in der Psychiatrie Fortschritte gemacht haben.

Die Rolle der Gesellschaft und Bildung

Es ist wichtig, dass die Gesellschaft und insbesondere Bildungseinrichtungen für die Problematik der Umschulung von Linkshändern sensibilisiert werden. Lehrer und Erzieher sollten auf Anzeichen einer angeborenen Linkshändigkeit achten und Kinder nicht zur Rechtshändigkeit zwingen.

Johanna Sattler, Psychologin und Leiterin der ersten deutschen Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder, betont, dass die Umschulung ein Eingriff in das Gehirn ist, der psychische Folgen haben kann. Sie rät Betroffenen, sich fachkompetent beraten zu lassen, bevor sie mit der Rückschulung beginnen.

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Genetische Veranlagung und Dunkelziffer

Nach neuesten Forschungen ist genetisch jeder zweite Mensch Linkshänder. In Deutschland leben jedoch nur 10 bis 15 % ihre Linkshändigkeit. Die Dunkelziffer von umgeschulten Linkshändern ist hoch, da viele nichts von ihrer angeborenen Linkshändigkeit wissen.

Es wird vermutet, dass chronische Erschöpfung, Depressionen, Angstzustände, Schlafstörungen und Lernschwierigkeiten eine Folge von falsch gelebter Händigkeit sein können.

Historische Hintergründe

Die Diffamierung und Herabwürdigung von Linkshändern hat eine lange Tradition. Im Mittelalter wurden linkshändige Menschen oft als Hexen verfolgt. Auch in religiösen Kontexten wurde die linke Hand oft als unrein angesehen.

Diese historischen Hintergründe haben dazu beigetragen, dass die Linkshändigkeit in der Gesellschaft lange Zeit unterdrückt wurde. Eltern und Erzieher versuchten, Kinder zur Rechtshändigkeit zu erziehen, um sie vor Ausgrenzung und Diskriminierung zu schützen.

Die Bedeutung der Selbstentdeckung

Die Entdeckung der eigenen Linkshändigkeit kann für Betroffene ein wichtiger Schritt zur Selbstentfaltung sein. Es ermöglicht ihnen, ihre verborgenen Fähigkeiten zu entdecken und sich selbst neu zu erfinden.

Menschen, die sich ohne Vorurteile auf die Feststellung einer möglichen Linkshändigkeit und auf die Rückschulung einlassen, berichten von mehr Energie, Lebensfreude und einer besseren Abgrenzungsfähigkeit.

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