Taubheitsgefühl: Medizinische Definition, Ursachen und Behandlung

Taubheitsgefühle sind ein weit verbreitetes Phänomen, das fast jeder Mensch schon einmal erlebt hat. Wenn ein Fuß "einschläft" und kribbelt, ist das zwar unangenehm, aber meist harmlos. Doch was genau verbirgt sich hinter dem medizinischen Begriff "Taubheitsgefühl" und wann sollte man einen Arzt aufsuchen?

Definition: Hypästhesie und verwandte Begriffe

In der Medizin wird Taubheitsgefühl als Hypästhesie bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine Sensibilitätsstörung, also eine herabgesetzte Empfindlichkeit der Haut gegenüber Berührungen oder Druck. Das Gegenteil der Hypästhesie ist die Hyperästhesie, eine erhöhte Empfindlichkeit der Haut.

Missempfindungen an der Haut umfassen verschiedene Beschwerden, die einzeln, jedoch auch in Kombination auftreten können. Empfindungen wie Kribbeln, Pelzigkeitsgefühl oder Ameisenlaufen werden als Parästhesie bezeichnet, wörtlich mit "Fehlempfindung" zu übersetzen. Sind die Missempfindungen unangenehm bis schmerzhaft, ohne dass es einen offensichtlichen Grund für die Schmerzen gibt, handelt es sich definitionsgemäß um Dysästhesien.

Je nach Art der beeinträchtigten Sinneswahrnehmung werden verschiedene Formen der Hypästhesie unterschieden:

  • Taktile Hypästhesie: Geminderte Berührungs- und Druckempfindung
  • Thermische Hypästhesie: Gemindertes Hitze- und Kälteempfinden
  • Hypalgesie: Reduziertes Schmerzempfinden
  • Pallhypästhesie: Verminderte Wahrnehmung von Vibrationen
  • Anästhesie: Kompletter Sensibilitätsausfall

Ein vollständiger Ausfall der Sensibilität, also wenn taktile Hypästhesie, Thermhypästesie, Hypalgesie und Pallhypästhesie gleichzeitig auftreten, nennt man Anästhesie.

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Symptome und Erscheinungsformen

Eine Hypästhesie kann an verschiedenen Körperstellen auftreten, typischerweise an Armen, Händen, Oberschenkeln, Füßen oder im Gesicht. Seltener macht sich das Taubheitsgefühl im Kopf- oder Rumpfbereich bemerkbar. Es kann sowohl einseitig als auch beidseitig spürbar sein.

Mögliche Begleiterscheinungen der Hypästhesie sind:

  • Schmerzen
  • Sehstörungen
  • Sprachstörungen
  • Gleichgewichtsprobleme
  • Kribbeln an der betroffenen Stelle

Ursachen von Taubheitsgefühlen

Taubheitsgefühle können vielfältige Ursachen haben. Oft sind sie harmlos und verschwinden nach kurzer Zeit von selbst wieder. In anderen Fällen können sie jedoch auf eine Grunderkrankung hinweisen.

Zu den häufigsten Ursachen gehören:

  • Ischämie: Mangelnde Durchblutung des betroffenen Bereichs. Wie etwa, wenn man sich auf einen Arm gelegt hat und dieser dann „eingeschlafen“ ist. In dem Fall kehrt das Gefühl meist mit dem typischen Kribbeln in den entsprechenden „eingeschlafenen“ Körperteil zurück. Dieses Kribbeln ist ein Symptom mangelnder Durchblutung, der sog. ‚Ischämie‘.
  • Abgeklemmte oder verletzte Nerven: Beispielsweise bei einem Bandscheibenvorfall oder nach einem Unfall.
  • Nervenerkrankungen: Wie Polyneuropathie, die besonders häufig bei Diabetes mellitus auftritt (diabetische Polyneuropathie). Die Polyneuropathie (PNP) ist eine Erkrankung der peripheren Nerven, meistens beginnend an den feinen Nerven-Endigungen der unteren Extremitäten. Nerven bestehen -grob beschrieben- aus einem leitenden Kabel (Axon) ähnlich einem Stromkabel und einer Isolierschicht (Myelinschicht). Beide Bestandteile können betroffen sein, meistens jedoch primär nur eine. Welche, wird bestimmt durch die zugrunde liegende Ursache. Die häufigsten Symptome sind Kribbelmissempfindungen, Spannungsgefühl der Füße, der Fußsohlen, oder auf dem Fußrücken; je nach Ursache, sich rascher oder langsamer weiter strumpfförmig nach oben ausbreitend; selten höher als die Knie oder die oberen Extremitäten betreffend. Letzteres meistens bei den selteneren erblich bedingten Polyneuropathien.
  • Schädigungen der Haut: Beispielsweise durch Verbrennungen.
  • Karpaltunnelsyndrom: Hierbei wird der Mittelhandnerv (Nervus Medianus) eingeklemmt, der sich an der Innenseite von Handgelenk und Handwurzel befindet. Schwillt das Gewebe im Karpaltunnel an, entsteht Druck auf den Nerv und die ihn versorgenden Blutgefäße. Bei dieser Einengung des Nervs am Handwurzelknochen kommt zu sensorischen Störungen und Missempfindungen wie Kribbeln, Schmerzen oder einem Taubheitsgefühl in der Hand. Erste Anzeichen für das Karpaltunnelsyndrom sind regelmäßiges Einschlafen von Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger an einer oder beiden Händen. Viele Menschen spüren dieses Kribbeln zunächst nur nachts, da sie in der Nacht ihre Handgelenke anwinkeln. Auch bei Tätigkeiten wie dem Fahrradfahren oder Telefonieren kann es zu Beschwerden kommen.
  • Schlaganfall: Plötzliches Taubheitsgefühl und Kribbeln im Mundbereich, an Armen und Beinen; Verkrampfung von Händen. Ein Schlaganfall, die sog. ‚Apoplexie‘, ist eine akute Störung der Durchblutung des Großhirns. Charakteristisch für einen Schlaganfall ist das plötzliche Einsetzen von Symptomen.
  • Infektionskrankheiten: Wie Gürtelrose, Hirnhautentzündung (Meningitis) oder Borreliose. Auch manche Infektionskrankheiten können Taubheitsgefühle als Symptom mitbringen. Beispiele dafür sind eine Hirnhautentzündung (sog. ‚Meningitis) und eine Gürtelrose (sog.
  • Migräne:
  • Psychologische Faktoren: Wie Angst- und Panikattacken oder als Ausdruck einer psychischen Störung, helfen eventuell Übungen zur Verbesserung des Körperbewusstseins. Mit Techniken wie Yoga oder dem Body Scan trainieren Sie, Ihre Aufmerksamkeit auch über einen längeren Zeitraum auf Ihren Körper zu richten und sich intensiver zu spüren.
  • Tumoren: Gehirntumor oder Rückenmarktumor.
  • Vergiftungen: (sog.
  • Diabetes:
  • Vitamin-B12-Mangel:
  • Multiple Sklerose:
  • Chronische Subduralblutung:
  • Kollagenosen:
  • Medikamentennebenwirkungen: (z. B.

Weitere mögliche Ursachen sind:

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  • Tarsaltunnelsyndrom (Engpasssyndrom des Tibialisnerven), oft nach Verletzungen im Sprunggelenk
  • Chronische Subduralblutung
  • Kollagenosen, z. B.
  • Anfallartiges Ameisenlaufen auf der Haut
  • Funktionelle Gefühls- und Bewegungsstörungen wie Lähmungserscheinungen (Paresen) oder Taubheitsgefühle treten meist unerwartet auf - oft in Situationen hoher seelischer Belastung. Ursache ist nicht eine strukturelle des Nervensystems.

Diagnose

Die Diagnose der Hypästhesie beginnt mit einer umfangreichen Anamnese. Der Arzt befragt den Patienten ausführlich zu seinen Beschwerden:

  • Wann trat das Taubheitsgefühl zum ersten Mal auf?
  • In welcher Situation wurde es bemerkt? (z. B. nach einem Unfall oder bei einer bestimmten Haltung)
  • Ist das Taubheitsgefühl einseitig oder beidseitig?
  • Ist es anhaltend, vergeht es oder kehrt es wieder?
  • Sind andere Erkrankungen bekannt, die das Taubheitsgefühl auslösen könnten? (z. B. Diabetes)

Im Anschluss führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Dabei prüft er:

  • Das Gleichgewichtsgefühl
  • Die Eigenreflexe
  • Das Sehen
  • Das Gehör
  • Das Bewusstsein

Je nach Verdacht können weitere Untersuchungen erforderlich sein, wie beispielsweise:

  • Elektroneurographie (ENG) zur Messung der Nervenleitgeschwindigkeit
  • Bildgebende Verfahren (MRT, CT) zur Darstellung von Gehirn, Rückenmark oder Nerven
  • Laboruntersuchungen (Blut, Nervenwasser) zur Suche nach Entzündungen, Infektionen oder Stoffwechselstörungen
  • Magen- und Darmspiegelung

Behandlung

Die Behandlung der Hypästhesie richtet sich nach der Ursache.

  • Durchblutungsstörungen: Bei kurzzeitigen Durchblutungsstörungen, wie "eingeschlafenen Füßen", hilft es meist, den betroffenen Körperteil auszuschütteln und zu reiben, um den Blutfluss anzuregen. Auch die Sitzposition sollte überprüft und gegebenenfalls geändert werden. Wechseln Sie also immer wieder die Sitzposition (in der Regel schläft das übergeschlagene Bein ein) und stehen Sie beim ersten Kribbeln sofort auf, damit das Blut wieder ungehindert fließen kann. Auch zu enge Schuhe schnüren die Blutzufuhr ab. Ein einfacher Test ist das Wackeln mit den Zehen. Steckt eine schlechte Durchblutung hinter den Empfindungsstörungen, hilft alles, was den Kreislauf in Schwung bringt und den Blutfluss anregt. Sorgen Sie für ausreichend Bewegung, etwa durch flotte Spaziergänge oder Radfahren. Kräftigungs-, aber auch Dehnübungen steigern die Durchblutung noch zusätzlich. Stehen Sie auch bei sitzenden Tätigkeiten immer wieder zwischendurch auf und gehen Sie herum, damit das Blut nicht in den Beinen "versackt". Gefäße gesund halten. Gesunde Blutgefäße sind die Voraussetzung für eine gute Durchblutung. Einige Risikofaktoren, wie etwa eine genetische Veranlagung, lassen sich nicht beeinflussen. Viele Abnutzungsprozesse entstehen aber durch einen falschen Lebensstil - z. B. durch Rauchen, Übergewicht oder Bewegungsarmut.
  • Eingeklemmte Nerven: Können mit muskelentspannenden Medikamenten und Schmerzmitteln behandelt werden. Zusätzlich kann eine Physiotherapie helfen.
  • Polyneuropathie: Bei einer Polyneuropathie kann eine Infusion verabreicht werden. Zusätzlich werden oft Schmerzmittel verordnet. Primäres Ziel ist es, das Fortschreiten der unangenehmen Symptome zu verhindern. Dies kann nur durch Behandlung der Ursache und damit der meistens zugrundeliegenden Systemerkrankung geschehen. Oftmals sind die Symptome damit leider nicht mehr zu mindern außer bei z.B. der diabetischen und alkoholtoxischen PNP, wenn die Symptome evtl. erst nur wenige Wochen bestehen. Ansonsten bleibt nur noch die sogenannte symptomatische Therapie, die eine medikamentöse Behandlung zur Linderung der Symptome vorsieht.
  • Karpaltunnelsyndrom: Wird zuerst eine konservative Behandlung durch Orthopäden, Physiotherapie und Chiropraktiker angestrebt. Bei leichten bis mittelstarken Beschwerden können medizinische Bandagen und Orthesen, etwa Handorthesen oder Handgelenksschienen, getragen werden. Gegen die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms können besonders nachts spezielle Schienen getragen werden, die ein Abknicken des Gelenks verhindern. Reicht aufgrund der Schwere des Karpaltunnelsyndroms jedoch eine konservative Behandlung nicht mehr aus, kann von einem Arzt Kortison in den Karpaltunnel injiziert werden, um eine Abschwellung des Gewebes zu erreichen. Leiden Patient*innen unter starken Schmerzen oder sogar neurologischen Ausfällen, hilft eine Karpaltunnelsyndrom-OP, bei welcher der Karpaltunnel erweitert wird. Das entlastet die Sehnen und vor allem der Medianus-Nerv deutlich; Schmerzen, Taubheitsgefühl und Kribbeln werden rasch besser. In der Regel bessert sich das Karpaltunnelsyndrom kurz nach der Operation. Die Heilungsdauer ist gering und nur selten gibt es Rückfälle. Bei den ersten Anzeichen eines Karpaltunnelsyndroms können Salben oder Öle aus der Apotheke helfen. Kühlen Sie alternativ das Handgelenk bei Schmerzen unter dem laufenden Wasserhahn, arbeiten Sie zukünftig mit einer ergonomisch geformten Tastatur und tragen Sie Handgelenksorthesen oder -bandagen. Bei Symptomen eines Karpaltunnelsyndroms helfen verschiedene Übungen. Strecken Sie den Arm nach vorne, in dem Sie Schmerzen oder Taubheitsgefühle haben. Strecken Sie den betroffenen Arm neben dem Körper aus. Der Ellenbogen ist hierbei gebeugt, so dass der Unterarm nach oben zeigt. Strecken Sie nun Ihren Ellenbogen und Ihre Hand auf ungefähr 75 % der maximalen Streckung. Mithilfe einer Faszienrolle können Arm und Handgelenk gezielt massiert werden. Legen Sie nun die Fingerspitzen einer Hand auf die Rolle und schieben Sie Ihre Hand langsam nach vorne.
  • Vitamin-B12-Mangel: Wird durch die Gabe von Vitamin B12, zumeist durch Injektionen, behandelt.
  • Funktionelle Störungen: Zur Behandlung motorischer und sensibler funktioneller Störungen haben sich sowohl physiotherapeutische als auch psychotherapeutische Verfahren bewährt. Die Erkrankung ist gut behandelbar, besonders mit frühzeitiger Unterstützung wie einer Bewegungs- und Psychotherapie.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Ein Arztbesuch ist ratsam, wenn:

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  • Das Taubheitsgefühl nicht nach kurzer Zeit von alleine vergeht, sondern länger anhält.
  • Das Taubheitsgefühl häufig auftritt oder von anderen Symptomen begleitet wird (z. B. Schmerzen, Sehstörungen, Sprachstörungen, Gleichgewichtsprobleme).
  • Das Taubheitsgefühl nach einem Unfall oder einer Verletzung auftritt.
  • Das Taubheitsgefühl plötzlich und ohne erkennbaren Grund auftritt.

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