Hans Gerhard Creutzfeldt war ein bedeutender deutscher Neurologe und Neuropathologe, der vor allem für seine Mitentdeckung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit bekannt ist. Sein wissenschaftliches Wirken trug maßgeblich zur Entwicklung der biologischen Psychiatrie bei.
Frühes Leben und Ausbildung
Nach dem Abitur am Johanneum in Hamburg im Jahr 1903 begann Hans Gerhard Creutzfeldt sein Medizinstudium an der Universität Jena. Dort schloss er 1905 das vorklinische Studium mit dem Physikum ab. Nach seinem Militärdienst in Rostock setzte er sein klinisches Studium im Sommersemester 1906 an der Universität Kiel fort, das er 1908 mit dem Staatsexamen abschloss. Sein praktisches Jahr absolvierte Creutzfeldt am Allgemeinen Krankenhaus St. Georg in Hamburg, wobei er sich hauptsächlich in der pathologischen Abteilung unter der Leitung von Morris Simmonds (1855-1925) engagierte.
Wissenschaftliche Karriere
Frühe Forschung und Marinezeit
In seiner Dissertation mit dem Titel „Ein Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie der Hypophysis cerebri des Menschen“, die er 1909 an der Universität Kiel einreichte, widmete sich Creutzfeldt erstmals dem Zentralnervensystem. Er untersuchte die Beziehung zwischen histopathologischen Befunden und dem physiologischen Zustand. Nach einer kurzen Tätigkeit als Aufsichtsarzt beim Bau des Hamburger Elbtunnels im Jahr 1909 verpflichtete sich Creutzfeldt freiwillig als Unterarzt bei der Kaiserlichen Marine.
Tätigkeit in Frankfurt und Breslau
Im Jahr 1912 wechselte Creutzfeldt als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an Ludwig Edingers (1855-1918) Neurologisches Institut in Frankfurt am Main. Dort war er in der Senckenbergischen Anatomie und auf einer Bettenstation in der städtischen Krankenanstalt tätig. Im März 1913 trat er als Volontärarzt in die Psychiatrische und Nervenklinik der Universität Breslau (Niederschlesien, heute Wrocław, Polen) ein, wo er Alois Alzheimer (1864-1915) kennenlernte.
Münchner Zeit und Hinwendung zur Hirnforschung
Von 1919 bis 1920 arbeitete Creutzfeldt als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter unter Emil Kraepelin (1856-1926) an der Münchner Universitätsnervenklinik. Dort traf er auf Franz Nissl (1860-1919). Unter der Leitung des Psychiaters Walther Spielmeyer (1879-1935), der ihn zur angewandten Hirnforschung als Korrelat der klinischen Diagnostik inspirierte, wandte er sich erneut der Hirnanatomie, Neurohistologie und -histopathologie zu.
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Entdeckung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit
Ab 1920 war Creutzfeldt als Assistenzarzt an der von Ernst Siemerling (1857-1931) geleiteten Psychiatrischen und Nervenklinik der Universität Kiel tätig, wo er sich im selben Jahr habilitierte. In den Jahren 1920 und 1921 veröffentlichte er eine Fallgeschichte aus seiner Zeit in Breslau, in der er ein bis dahin unbekanntes Krankheitsbild auf histopathologische Erkenntnisse zurückführte. Da der Hamburger Neurologe Alfons Jakob (1884-1931) zeitgleich drei ähnliche Fälle entdeckte, führte Spielmeyer 1922 die Bezeichnung Creutzfeldt-Jakob-Krankheit in die medizinische Terminologie ein. Creutzfeldt selbst veröffentlichte 1923 eine Untersuchung „Zur Frage der sog.
Berliner Zeit und Professur in Kiel
Im Jahr 1924 trat Creutzfeldt eine als Stipendium finanzierte Volontärassistentenstelle an der von Karl Bonhoeffer (1868-1948) geführten Klinik für Psychiatrische und Nervenkrankheiten an der Charité der Universität Berlin an. Dort leitete er das Laboratorium mit anatomischen, physiologischen, bakteriologischen und serologischen Unterabteilungen. 1926 erhielt er als außerordentlicher Professor eine etatmäßige Stelle als Assistent, 1927 als Oberassistenzarzt und betrieb zusätzlich eine Privatpraxis am Kurfürstendamm. Zu seinen Veröffentlichungen in dieser Zeit zählen Beiträge zu Erkrankungen des Rückenmarks im Lehrbuch „Spezielle Pathologie und Therapie innerer Krankheiten“ und der Artikel „Histologische Besonderheiten und funktionelle und pathologische Veränderungen der nervösen Zentralorgane“.
Im Jahr 1938 wurde Creutzfeldt als Nachfolger des vorzeitig in den Ruhestand versetzten Georg Stertz (1878-1959) zum ordentlichen Professor für Psychiatrie und Neurologie der Universität Kiel und Klinikdirektor der Kieler Medizinischen Fakultät berufen. In seinen klinischen Hauptvorlesungen konzentrierte er sich auf neurologische Untersuchungsmethoden und psychiatrische Einführungskurse. Ab dem Wintersemester 1944/45 lehrte er auch „Erbbiologie“ und „Rassenhygiene“. Daneben praktizierte er in seiner Privatpraxis, war als Sachverständiger im provinzialgerichtsärztlichen Ausschuss tätig, lehrte an der Marineärztlichen Akademie und war im Rang des Marineoberstabsarztes, später Marineflottenarztes als Beratender Sanitätsoffizier für Psychiatrie und Neurologie beim Sanitätsamt der Marinestation der Ostsee in Kiel tätig.
Rektorat und späte Jahre
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Creutzfeldt im November 1945 fast einstimmig zum Rektor der Universität Kiel gewählt. Aufgrund von Konflikten mit der britischen Besatzung bezüglich der Immatrikulation ehemaliger Berufsoffiziere wurde er jedoch im Mai 1946 vorzeitig entlassen. In der Folge widmete er sich dem Wiederaufbau der Universitäts-Nervenklinik. 1953 wurde er auf eigenen Wunsch von seinem Ordinariat entpflichtet und forschte als Gastwissenschaftler im hirnpathologischen Laboratorium an der vormaligen Forschungsanstalt für Psychiatrie in München (seit 1954 Max-Planck-Institut für Psychiatrie), wo er jedoch nicht mehr an seine früheren Leistungen anknüpfen konnte.
In dieser Zeit meldete Creutzfeldt den unter dem Pseudonym Dr. Fritz Sawade als Gutachter in Schleswig-Holstein tätigen und zur Fahndung ausgeschriebenen Werner Heyde (1902-1964), Leiter der medizinischen Abteilung der Zentraldienststelle T4 im Dritten Reich, dem Präsidenten des Landessozialgerichts. Da dieser nichts unternahm, unterließ es auch Creutzfeldt, die Fahndungsbehörden zu informieren.
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Vermächtnis
Hans Gerhard Creutzfeldt hinterließ ein bedeutendes wissenschaftliches Werk, das insbesondere durch die Entdeckung der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit geprägt ist. Seine Arbeiten trugen wesentlich zum Verständnis neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen bei und beeinflussten die Entwicklung der biologischen Psychiatrie nachhaltig.
Ausgewählte Publikationen
- Ein Beitrag zur normalen und pathologischen Anatomie der Hypophysis cerebri des Menschen, 1909. (Diss.)
- Zur Frage der sog.
Literatur
- Jörn Henning Wolf, Hans Gerhard Creutzfeldt (1885-1964). Klinischer Neuropathologe und Mitbegründer der biologischen Psychiatrie, 2003.
- Jörn Henning Wolf, Art. „Creutzfeldt, Hans Gerhard“, in: Werner E. Gerabek/Bernhard D. Haage/Gundolf Keil/Wolfgang Wegner (Hg.), Enzyklopädie Medizingeschichte.
- Christoph Cornelißen/Carsten Mish (Hg.), Wissenschaft an der Grenze.
- Michael Illert, Hans Gerhard Creutzfeldt (1885-1964), Nervenarzt, Wissenschaftler, erster Nachkriegsrektor der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Die Jahre 1933 bis 1946. Eine Neubewertung, 2020.
- Karl-Werner Ratschko, Von Ärzten und Anderem. Gesundheitswesen Medizin und ärztliche Standespolitik im Schleswig-Holstein des 19.
Es ist wichtig zu beachten, dass der zur Verfügung gestellte Text keinen Hinweis auf das Todesjahr von Hans Gerhard Creutzfeldt enthält.
Zusätzlich zu Hans Gerhard Creutzfeldt, hier sind einige Informationen über andere erwähnte Persönlichkeiten:
Alfons Jakob (1884-1931): Ein Hamburger Neurologe, der zeitgleich mit Creutzfeldt ähnliche Fälle der später nach ihnen benannten Krankheit entdeckte.
Ludwig Edinger (1855-1918): Ein bedeutender Neurologe, bei dem Creutzfeldt in Frankfurt arbeitete.
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Emil Kraepelin (1856-1926): Ein einflussreicher Psychiater, unter dem Creutzfeldt in München tätig war.
Walther Spielmeyer (1879-1935): Ein Psychiater, der Creutzfeldt zur Hirnforschung inspirierte und die Bezeichnung Creutzfeldt-Jakob-Krankheit einführte.
Ernst Siemerling (1857-1931): Leiter der Psychiatrischen und Nervenklinik in Kiel, wo Creutzfeldt habilitierte.
Karl Bonhoeffer (1868-1948): Leiter der Klinik für Psychiatrische und Nervenkrankheiten an der Charité in Berlin, wo Creutzfeldt arbeitete.
Georg Stertz (1878-1959): Creutzfeldts Vorgänger als Professor in Kiel.
Werner Heyde (1902-1964): Leiter der medizinischen Abteilung der Zentraldienststelle T4 im Dritten Reich, den Creutzfeldt meldete.
Hier sind zusätzliche Informationen über andere erwähnte Neurologen, um den Kontext der Zeit besser zu verstehen:
Wilhelm Heinrich Erb (1840-1921):
Wilhelm Heinrich Erb war ein bedeutender deutscher Neurologe, der wesentliche Beiträge zur Erforschung von Nervenkrankheiten leistete.
- Studium und Karriere: Erb studierte Medizin in Heidelberg und Erlangen, wo er 1861 sein Staatsexamen ablegte. Er wurde Assistent von Nicolaus Friedreich in Heidelberg und habilitierte sich dort 1865. 1880 wurde er außerordentlicher Professor in Leipzig und 1883 ordentlicher Professor in Heidelberg.
- Wissenschaftliches Werk: Erbs Forschungsschwerpunkte waren die Klinik und Elektrophysiologie der Paralyse peripherer Nerven, Studien über Tabes dorsalis, Pathologie und Klinik der Rückenmarkerkrankungen sowie Muskelatrophien.
- Ehrungen: Erb wurde auf dem Bergfriedhof in Heidelberg beigesetzt, wo sein Grabmal mit einem Relief der Göttin Hygieia geschmückt ist.
Hans Berger (1873-1941):
Hans Berger war ein deutscher Psychiater und Neurophysiologe, der für die Entdeckung des Elektroenzephalogramms (EEG) bekannt ist.
- Studium und Karriere: Nach einem abgebrochenen naturwissenschaftlichen Studium begann Berger ein Medizinstudium in Jena, das er 1897 abschloss. Er verbrachte seine gesamte akademische Laufbahn an der Psychiatrischen Klinik in Jena, wo er 1919 Ordinarius für Psychiatrie wurde.
- Entdeckung des EEG: Berger suchte nach physiologischen Spuren psychischer Aktivität im Gehirn und entwickelte ab 1924 Methoden zur Aufzeichnung elektrischer Hirnpotenziale. 1929 berichtete er erstmals über regelmäßige Potenzialschwingungen des Gehirns, die später als Alpha-Wellen bekannt wurden.
- Kontroversen: Bergers Forschungen wurden anfangs skeptisch aufgenommen, da sie außerhalb der zeitgenössischen neurophysiologischen Forschung lagen. Seine Beteiligung an rassenhygienischen Maßnahmen während der Zeit des Nationalsozialismus ist umstritten.
Zusätzliche Informationen zu Georg Embden:
Da der Name Georg Embden im Ausgangstext erwähnt wird, hier einige zusätzliche Informationen zu dieser Person, um den Kontext zu erweitern: