In Deutschland leiden etwa 1,5 Millionen Menschen an chronischer Demenz, wobei Alzheimer mit zwei Dritteln aller Fälle die häufigste Ursache darstellt. Während vaskuläre Demenzen, die auf Durchblutungsstörungen beruhen, teilweise reversibel sind, gilt die degenerative Alzheimererkrankung als unumkehrbar. Diese Diagnose erhalten jährlich zehntausende weitere Menschen allein in Deutschland. Trotz jahrzehntelanger Forschung, die ein Zusammenspiel von Beta-Amyloid und Tau-Proteinen identifiziert hat, fehlen weiterhin erfolgversprechende Therapieverfahren.
Michael Nehls, Arzt und Molekulargenetiker, stellt in seinem Buch "Die Alzheimer-Lüge" die These auf, dass Alzheimer kein Schicksal, sondern eine Mangelerkrankung sei. Er argumentiert, dass durch die Behebung dieser Mängel Alzheimer vermeidbar und im Anfangsstadium sogar heilbar sei.
Die These von Michael Nehls: Alzheimer als Mangelerkrankung
Nehls' These zufolge sind Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Komplikationen, Krebs und Alzheimer vor allem eine Folge unserer modernen Ernährungs- und Lebensweise. Er argumentiert, dass viele gesundheitliche Probleme vermeidbar wären, wenn wir uns wieder "artgerechter" ernähren und eine "natürlichere" Lebensweise praktizieren würden.
Die Anti-Alzheimer-Formel
Nehls' Anti-Alzheimer-Formel umfasst fünf Bereiche:
- Gesunde Ernährung
- Körperliche Aktivität
- Schlaf
- Soziale Aktivität
- Lebenssinn
Er betont, dass die Herausforderung darin besteht, genügend Zeit für diese Bereiche aufzubringen, da Alzheimer sonst zu einer "Krankheit aus Zeitmangel" werde. Chronischer Stress, der durch Vernachlässigung dieser Aspekte entsteht, behindere das Wachstum des Hippocampus, der Erinnerungszentrale unseres Gehirns. Nehls' Ratschläge zielen darauf ab, einer Schrumpfung des Hippocampus entgegenzuwirken.
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Kritik an Nehls' Vereinfachungen und Begrifflichkeiten
Obwohl Nehls' Ansatz plausibel und empfehlenswert erscheint, wird seine Sorglosigkeit beim Vereinfachen komplexer Zusammenhänge sowie seine ideologisch aufgeladenen Begrifflichkeiten kritisiert. Seine Hochrechnungen, wie die Behauptung, dass bereits eine Stunde Fernsehen täglich das Alzheimerrisiko um 30 Prozent erhöhe, werden als gewagt und seine Bezugnahme auf eine "altsteinzeitliche Ernährungsweise" als "artgerecht" als albern kritisiert.
Studien zeigen, dass die Ernährung der Wildbeuter stark an den jeweiligen Lebensraum angepasst war und dass ihre Gesundheit oft schlecht war. Die Entwicklung einer "artgerechten" Ernährung für den modernen Menschen ist ein fortlaufender Prozess.
Die Rolle des Hippocampus und die Bedeutung eines gesunden Lebensstils
Nehls betont die Bedeutung des Hippocampus, der Erinnerungsschaltstelle des Gehirns, in dem Nervenverbindungen lebenslang neu wachsen können. Diese Neubildung ist jedoch auf Impulse von außen angewiesen. Bleiben diese aus, schrumpft der Hippocampus, was letztendlich zu einem Übergreifen des Nervenzelluntergangs auf das gesamte Gehirn führen kann.
Die Grenzen medikamentöser Behandlung und die Bedeutung von Verhaltensänderungen
Nehls argumentiert, dass eine medikamentöse Heilung von Alzheimer nicht zu erwarten sei, da Chemie kein Fehlverhalten korrigieren könne. Er betont, dass Diabetes, Bluthochdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, übermäßiger Alkoholkonsum, Depressionen, Rauchen und Bildungsmangel das Risiko für Demenz erhöhen. Im Gegensatz zu sterilem Training betont er den Wert einer umfassenden, als sinnvoll und erfüllend empfundenen Verankerung im Leben.
Stellungnahmen zur "Alzheimer-Lüge"
In Bezug auf den aktuellen Bestseller „Die Alzheimer-Lüge“ von Dr. Michael Nehls, in dem Forschungsergebnisse der Alzheimerforschung aus den letzten Jahren zusammengefasst und interpretiert werden, gibt es unterschiedliche Meinungen.
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Einige Experten argumentieren, dass Nehls viele bekannte Forschungsergebnisse miteinander verknüpft und zu dem Schluss kommt, dass Alzheimer auf den Lebenswandel der modernen Gesellschaft zurückzuführen ist und daher schon jetzt ohne Medikamente heilbar ist. Sie weisen jedoch darauf hin, dass Alzheimer keine Lüge sei, da allein in Deutschland 1,4 Millionen Menschen betroffen sind. Das Alter ist bekanntermaßen der größte Risikofaktor für Demenz.
Es ist zwar bekannt, dass Sport, gesunde Ernährung und Stressreduktion einen positiven Effekt auf die Entwicklung einer Demenz haben können, aber es ist fraglich, ob sich die Krankheit allein durch eine Änderung des Lebenswandels verhindern lässt. Die Veränderungen im Gehirn werden trotzdem fortschreiten und unfehlbar in der Demenz münden.
Andere Experten betonen, dass jeder Mensch die Anlage hat, Alzheimer zu entwickeln, da jeder das giftige, Alzheimer auslösende Amyloid produziert. Sie fordern, dass präventive Maßnahmen viel früher ansetzen müssen und dass gute und sichere Nachweisverfahren entwickelt werden müssen, um Menschen mit einem erhöhten Risiko frühzeitig zu erkennen.
Die Behauptung, Alzheimer allein durch richtigen Lebenswandel zu verhindern, wird als Wunschtraum kritisiert, der den Betroffenen und ihren Familien nicht gerecht wird. Es wird argumentiert, dass solche Behauptungen pseudowissenschaftlich sind und der Eitelkeit des Autors dienen.
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