Medikamente gegen Demenz: Wirksamkeit, Risiken und Alternativen

Bei kognitiven Beeinträchtigungen im Alter wird oft direkt an Alzheimer gedacht. Doch nicht immer ist die Diagnose so eindeutig. Viele Medikamente können die kognitiven Fähigkeiten älterer Menschen beeinträchtigen. Dieser Artikel beleuchtet die Wirksamkeit verschiedener Medikamente gegen Demenz, ihre Risiken und mögliche Alternativen.

Medikamenteninduzierte Kognitionsstörungen

Viele Substanzen, die ins Gehirn gelangen und dort wirken, können als Nebenwirkung Kognitionsstörungen, Verwirrtheit oder Delir verursachen oder das Sturzrisiko erhöhen. Dazu gehören Psychopharmaka wie Benzodiazepine, aber auch Opiate, Parkinsonmittel, Antidepressiva und Antiepileptika. Auch Arzneimittel, die aufgrund ihrer Kreislaufeffekte wirken, können bei älteren Menschen das Risiko für Vergesslichkeit, Verwirrtheit und Delir erhöhen. Wichtig ist, dass diese Symptome einer "medikamentösen Demenz" meist reversibel sind.

Die Rolle von Anticholinergika

Besonders bekannt für ihre kognitionsverändernden Effekte sind Anticholinergika. Studien zeigen, dass bestimmte Substanzen dieser Klasse bei langfristiger Anwendung bei älteren Patienten mit einem erhöhten Risiko für Demenzerkrankungen einhergehen. Eine Studie aus Taiwan hat gezeigt, dass sich die Häufigkeit von Demenzdiagnosen bei älteren Männern unter Anticholinergika verdoppelt.

Psychopharmaka und Delirrisiko

Psychopharmaka erhöhen das Risiko für ein Delir bei älteren Patienten. Neuroleptika sind mit einem 4,5-fachen Risiko eines Delirs assoziiert, Opioide mit einem 2,5-fachen Risiko und Benzodiazepine mit einem 3-fachen Risiko.

Rezeptfreie Arzneimittel als Problem

Ein weiteres Problem in der Altersmedizin sind rezeptfreie Arzneimittel, die sich Patienten ohne Wissen des behandelnden Arztes aus der Apotheke holen. Ein Beispiel ist Doxylamin, das meistverkaufte Schlafmittel Deutschlands, ein stark sedierendes Antihistaminikum, das das Delirrisiko fast verdoppelt.

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Langfristige Risikofaktoren für Demenz

Einige Medikamente beeinträchtigen die kognitiven Leistungen nicht akut, wirken aber langfristig als Risikofaktoren für Demenz. Dazu zählt beispielsweise eine postmenopausale Hormonersatztherapie. Es gibt auch Substanzen, die sowohl akut die kognitiven Leistungen verschlechtern als auch langfristig das Risiko für eine Demenz erhöhen, wie Anticholinergika oder Benzodiazepine. Oft erholt sich die kognitive Leistung wieder, wenn ein solches Medikament abgesetzt wird, aber eine langfristige Einnahme scheint dennoch Effekte im Gehirn zu haben, sodass eine Demenz beschleunigt wird.

FORTA-Klassifikation zur Verbesserung der Arzneimitteltherapie

Um die Qualität der Arzneimitteltherapie bei älteren Patienten zu verbessern, wurde die FORTA-Klassifikation (Fit fOR The Aged) entwickelt. Diese teilt Medikamente oder Medikamentengruppen in vier Kategorien ein:

  • A ("absolutes Muss"): Für Ältere unverzichtbare Medikamente mit eindeutigen Vorteilen und geringem Nebenwirkungspotenzial.
  • B ("Benefit"): Vorteilhaft mit geprüfter oder offensichtlicher Wirksamkeit bei Älteren; es gibt nur wenige Einschränkungen hinsichtlich Wirksamkeit oder Sicherheit.
  • C ("cautious/careful"): Medikamente mit fragwürdiger Nutzen-Risiko-Bewertung bei Älteren, die als Erstes weggelassen werden sollen; sonst mit intensivem Monitoring.
  • D ("donʼt/Das muss weg"): Bei älteren Patienten zu vermeiden, Alternativen sollten gefunden werden.

Die FORTA-Klassifikation unterstützt die Überprüfung von unnötigen, ungeeigneten und gefährlichen Medikamenten für ältere Patienten und verschafft ihnen die Chance, von positiv bewerteten Medikamenten zu profitieren.

Antidementiva: Cholinesterasehemmer und Glutamat-Antagonisten

Zur Informationsübertragung und -verarbeitung benötigt das Gehirn bestimmte Eiweißstoffe, die zur Kommunikation der Nervenzellen untereinander dienen. Ein Mangel dieser Botenstoffe im Gehirn, speziell an Acetylcholin, scheint u.a. die Krankheitszeichen der Alzheimer-Demenz zu verursachen. Die medikamentöse Therapie erfolgt daher in der Regel mit so genannten (Acetyl)Cholinesterasehemmern (z.B. Galantamin, Rivastigmin und Donepezil).

Die Cholinesterasehemmer blockieren ein Enzym, das für den Abbau des Acetylcholins zuständig ist - die so genannte Cholinesterase. Die Folge ist, dass im Gehirn die Konzentration des Botenstoffes Acetylcholin ansteigt. Galantamin übt neben der Enzym-Hemmung auch einen Effekt auf so genannte nikotinische Rezeptoren aus und fördert damit die Bindung von Acetylcholin an die Nervenzellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich durch den Einsatz eines Cholinesterasehemmers die Gesamtsymptome wie Gedächtnisstörungen, Störungen der Informationsverarbeitung, der Alltagsfertigkeiten und Verhaltensstörungen vorübergehend nicht weiter verschlechtern bzw. sogar teilweise verbessern. Der Gedächtnisabbau kann mit diesen Wirkstoffen gegenüber einer Nichtbehandlung etwa 1 bis 2 Jahre verzögert werden.

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Einen anderen Weg hinsichtlich des Wirkmechanismus beschreiten so genannte Glutamat-Antagonisten (z.B. Memantine). Diese Substanzen blockieren die Glutamat-Empfangsstellen an den Synapsen (Verbindung zwischen zwei Nervenstellen) und hemmen so die Erregungsweiterleitung an den Nervenzellen, die durch Glutamat reguliert werden.

Weitere Therapieansätze bei Demenz

Oft werden Präparate wie Vitamin A, C, E und Gingko Biloba in der Behandlung von Alzheimer-Patienten eingesetzt. Um zu beurteilen, ob die Medikamente wirken, führt der Facharzt zwei bis drei Monate nach Beginn der Therapie eine erste Kontrolluntersuchung durch. Da die Hirnleistungsfähigkeit der Betroffenen auch ohne medikamentöse Therapie schwanken kann, wird ein Präparat aber mindestens drei Monate gegeben und dann erst über Erfolg oder Fehlschlagen der Therapie geurteilt.

Behandlung von Verhaltensstörungen bei Demenz

Etwa 80% der Betroffenen fallen im Verlauf der Erkrankung durch gravierende Verhaltensänderungen auf. Diese Verhaltensstörungen sind heute in jedem Stadium gut behandelbar. Risperidon ist als einziges modernes Neuroleptikum von der Arzneimittelbehörde für die Behandlung von Demenz-begleitenden Verhaltensstörungen wie schwere Aggressionen, Wahnvorstellungen und Halluzinationen, zugelassen. Es kommen auch stimmungsaufhellende Mittel (z.B. Benzodiazepine sind als Beruhigungsmittel generell nicht geeignet. Sie können nicht nur zur Abhängigkeit führen, sondern statt der erwünschten beruhigenden Wirkung so genannte paradoxe Reaktionen auslösen, d.h. der Patient kann unter Umständen mit starker Erregung reagieren.

Weitere Behandlungsmaßnahmen

Neben der antidementiven Therapie und der Behandlung von Verhaltensstörungen sollte grundsätzlich eine Behandlung möglicher Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Fettstoffwechselstörungen sowie körperlicher Begleitbeschwerden wie z.B. eines Blasenkontrollverlusts (Inkontinenz) erfolgen. Um mobil zu bleiben, können Alzheimer-Patienten zusätzlich Physiotherapie erhalten. Sie fördert u.a. die Bewegungskoordination, die Körperwahrnehmung und den Antrieb.

Nootropika: "Smart Drugs" zur Steigerung der Gehirnleistung?

Nootropika sollen das Denken, das Lernen, das Gedächtnis und die Konzentrationsfähigkeit verbessern. Sie werden auch "Smart Drugs" genannt. Es gibt zwei Kategorien:

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  1. Arzneimittel zur Behandlung von kognitiven Störungen oder psychischen Erkrankungen (meist synthetisch)
  2. Nahrungsergänzungsmittel ohne nachgewiesene gesundheitliche Wirkung, die jedoch im Sinne eines „Hirndopings“ oder „Neuroenhancement“ die mentale Leistungsfähigkeit verbessern sollen

Natürliche Nootropika

Zu den gängigsten natürlichen Nootropika zählen:

  • Koffein und Guaraná: Koffein ist die weltweit am häufigsten konsumierte psychoaktive Substanz und kann Aufmerksamkeit und Reaktionszeit verbessern.
  • Ginseng: Soll das Gedächtnis fördern sowie Energie und Stressresistenz steigern. Die wissenschaftliche Evidenz ist jedoch begrenzt.
  • Ginkgo (Ginkgo biloba): Ob Ginkgo die Hirnleistung tatsächlich steigern kann, ist nicht gesichert. Hier ist weitere Forschung notwendig.
  • Rhodiola rosea (Rosenwurz): Soll zur Verbesserung des Gedächtnisses, der Lernfähigkeit und der Gehirnfunktion beitragen. Die Effekte sind jedoch nicht eindeutig belegt.
  • Ashwagandha (Withania somnifera): Einige Studien legen positive Effekte in den Bereichen Gedächtnis, Konzentration und psychisches Wohlbefinden nahe. Die Wirksamkeit ist jedoch nicht zweifelsfrei nachgewiesen.
  • Kreatin: Dient vor allem der besseren Energieversorgung und spielt daher als Nahrungsergänzungsmittel in der Fitnessszene eine große Rolle. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) konnte jedoch keinen Zusammenhang zwischen der Einnahme von Kreatin und einer verbesserten kognitiven Leistung feststellen.

Risiken und Nebenwirkungen von Nootropika

Auch natürliche Substanzen haben Nebenwirkungen. Besondere Vorsicht ist generell bei Kindern, Schwangeren und Stillenden geboten. Gleiches gilt für Menschen, die mehrere unterschiedliche Medikamente einnehmen.

Lithium und Demenzrisiko

Lithium ist ein wichtiges Spurenelement auch für den menschlichen Körper - wohl auch für unser Gehirn. Studien deuten darauf hin, dass niedrigere Lithiumspiegel in von Alzheimer betroffenen Hirnarealen zu finden sind. Ein Lithiummangel könnte zur Ablagerung von β-Amyloid und einer Akkumulation von phosphorylierten τ-Proteinen führen.

Cannabis und Demenz

Eine aktuelle Studie hat untersucht, ob intensiver Cannabiskonsum mit einem erhöhten Risiko für eine spätere Demenzdiagnose verbunden sein könnte. Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die wegen ihres Cannabiskonsums akut medizinische Hilfe benötigten, in den Folgejahren ein deutlich höheres Risiko hatten, an Demenz zu erkranken.

Cannabis kann jedoch auch die Lebensqualität von Menschen mit Demenz verbessern und gleichzeitig die Arbeit von Pflegefachkräften entlasten. In einer israelischen Studie hat medizinisches Cannabis einen hohen Wirkungsgrad gezeigt, indem es Schlafstörungen, Agitiertheit und Aggressionen reduzierte.

Hirndoping: Missbrauch von Medikamenten zur Leistungssteigerung

Hirndoping bezeichnet den Missbrauch von verschreibungspflichtigen oder verbotenen Substanzen zur geistigen Leistungssteigerung bei Gesunden. Zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten, die über eine Zulassung für definierte Erkrankungen verfügen, zählen z. B. Psychostimulanzien, die bei ADHS eingesetzt werden, oder Modafinil, welches in der Indikation Narkolepsie zugelassen ist. In die Kategorie Hirndoping fallen auch verbotene Drogen wie illegale Amphetamine oder Kokain.

Substanzen für Hirndoping

  • Koffein: Steigert Vigilanz und Aufmerksamkeit.
  • Methylphenidat (MPH): Steigert Katecholaminfreisetzung und kann Vigilanz und Aufmerksamkeit steigern.
  • Modafinil: Hemmt Dopamin- und Noradrenalinaufnahmetransporter und kann Müdigkeit dämpfen sowie kognitives Leistungsvermögen und Stimmung anheben.

Risiken von Hirndoping

Das Spektrum an Nebenwirkungen ist breit und umfasst Inappetenz, Schlafstörungen, innere Unruhe, Kopfschmerzen, Hautausschlag, Schwindel, Übelkeit, Hypertonie, Tachykardie, abdominelle Schmerzen, Gewichtsverlust, Tics und Dyskinesien. Stimulanzien haben ein Abhängigkeitspotenzial.

Neuroenhancement: Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit

Neuroenhancement ist der Versuch gesunder Personen, ihre geistige Leistungsfähigkeit durch die Einnahme psychoaktiver Substanzen zu steigern. Die am häufigsten verwendeten Substanzen sind Koffein, Ginkgo biloba, Methylphenidat, Amphetamine und Modafinil, aber auch Antidementiva und Antidepressiva bis zu illegalen Drogen wie Speed oder Ecstasy kommen zum Einsatz.

Fazit zu Neuroenhancement

Eine Steigerung der geistigen Leistungsfähigkeit bei Gesunden ist tatsächlich nur für die Substanzen Koffein, Methylphenidat, Amphetamine und Modafinil nachgewiesen, wobei die Wirkung im Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen kann. Unabhängig von den Effekten beim Einzelnen haben die genannten Stimulanzien teilweise erhebliche körperliche Nebenwirkungen und ein mehr oder weniger ausgeprägtes Abhängigkeitspotential.

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