Drogen, ob legal oder illegal, haben tiefgreifende Auswirkungen auf das Nervensystem. Sie verändern die Art und Weise, wie Neuronen miteinander kommunizieren, und können zu einer Vielzahl von kurz- und langfristigen Gesundheitsproblemen führen. Dieser Artikel untersucht die Mechanismen, durch die verschiedene Drogen das Nervensystem beeinflussen, und beleuchtet die spezifischen Schäden, die sie verursachen können.
Wie Drogen das Gehirn manipulieren
Drogen wirken, indem sie die natürlichen chemischen Prozesse im Gehirn stören. Sie "manipulieren" das Gehirn, indem sie Botenstoffe freisetzen, die zunächst ein Gefühl des Wohlbefindens auslösen. Dieser anfängliche "Kick" kann sehr süchtig machen, da das Gehirn lernt, diese künstlich erzeugte Freude mit dem Drogenkonsum zu assoziieren. Verschiedene Mechanismen im Gehirn sorgen dafür, dass das Verlangen nach der Droge immer größer wird, während gleichzeitig die Bedeutung anderer wichtiger Aspekte des Lebens, wie Partnerschaft, Freundschaften, Hobbies oder Beruf, abnimmt. Der Neurologe und Psychologe Prof. Dr. beschreibt diesen Zustand treffend: "Drogen machen uns zu Zombies, wir werden fremdgesteuert und verlieren uns als Mensch, das eigene Sein wird der Droge untergeordnet".
Das Belohnungszentrum im Visier
Diese "Manipulation" des Gehirns lässt sich durch eine drogenkonsumbedingte Erhöhung von Botenstoffen erklären, insbesondere Dopamin. Dopamin spielt eine zentrale Rolle im sogenannten "Belohnungszentrum" des Gehirns. Drogen wie Kokain und Amphetamine erhöhen die Dopaminspiegel im synaptischen Spalt, was zu einem übermäßigen Gefühl der Freude und Euphorie führt. Das Gehirn lernt schnell, dieses Gefühl zu suchen, was zu zwanghaftem Drogenkonsum und letztendlich zur Abhängigkeit führt.
Die Rolle von Synapsin bei der Signalübertragung
Forscher der Charité - Universitätsmedizin Berlin haben gemeinsam mit Kollegen um den Nobelpreisträger Thomas Südhof aufgeklärt, wie die "Modulatoren" der Kommunikation im Gehirn funktionieren. Der häufigste Botenstoff im Gehirn ist Glutamat. Modulatorische Botenstoffe wie Adrenalin, Dopamin und Serotonin beeinflussen die Signalweiterleitung mit Glutamat und verändern damit unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle und unsere Handlungen. Auch alle psychoaktiven Drogen wirken über dieses modulatorische System, bei vielen psychiatrischen Erkrankungen wie Depressionen oder Suchtkrankheiten ist es gestört. Die Forscher fanden heraus, dass das Molekül Synapsin hierbei eine bedeutende Rolle spielt. Es verändert durch die Wirkung von verschiedensten Neuromodulatoren seine Form, was dazu führt, dass sich die Vesikel in den Synapsen entweder zusammenschließen und mehr Botenstoffe ausschütten, was das Signal verstärkt, oder die Vesikel ziehen sich aus der Synapse zurück, schütten weniger Botenstoff aus und das Signal wird abgeschwächt. Mutationen im Synapsin-Gen können Entwicklungsstörungen, Epilepsie und Autismus auslösen.
Spezifische Auswirkungen verschiedener Drogen
Die Auswirkungen von Drogen auf das Nervensystem sind vielfältig und hängen von der Art der Droge, der Dosis, der Häufigkeit des Konsums und der individuellen Anfälligkeit ab. Im Folgenden werden die spezifischen Auswirkungen einiger der häufigsten illegalen Drogen auf das Nervensystem näher beleuchtet.
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Kokain: Schlaganfallrisiko und beschleunigte Hirnalterung
Kokain ist ein starkes Stimulans, das das zentrale Nervensystem beeinflusst. Es wirkt, indem es die Wiederaufnahme von Dopamin, Serotonin und Noradrenalin im Gehirn blockiert, was zu einer erhöhten Konzentration dieser Neurotransmitter im synaptischen Spalt führt. Dies führt zu einem Gefühl von Euphorie, erhöhter Energie und gesteigerter Aufmerksamkeit.
Erhöhtes Schlaganfallrisiko
Eine systematische Metaanalyse von 36 Studien hat gezeigt, dass der Konsum von Kokain das Risiko für Hirnblutungen und ischämische Schlaganfälle verfünffacht. Prof. Dr. erklärt: "In aktuellen epidemiologischen Studien sehen wir aber, dass gerade die Schlaganfallrate von jüngeren Menschen unter 50 Jahren angestiegen ist, möglicherweise hängt das auch damit zusammen, dass deutlich mehr Kokain in Deutschland konsumiert wird." Kokain-bedingte Schlaganfälle enden öfter tödlich und gehen häufiger mit Komplikationen wie Gefäßspasmen und epileptischen Anfällen einher.
Gefäßveränderungen und beschleunigte Hirnalterung
Kokain beeinträchtigt die vaskuläre Funktion, was zu einer Verengung und Entzündung der Blutgefäße führt (Vasokonstriktion und Vaskulitis). Darüber hinaus beschleunigt Kokain den Alterungsprozess des Gehirns, indem es die Hirnstruktur verändert. Eine Studie aus dem Jahr 2023 verglich das Hirngewebe von Kokain-Abhängigen und Nicht-Konsumenten und stellte bei den Suchtkranken eine ausgedehnte Atrophie der grauen Substanz in den Bereichen Temporallappen, Frontallappen, Insula und limbischer Lappen fest. Bereits 2012 zeigte eine Bildgebungsstudie, dass Langzeit-Kokain-Abhängige eine schnellere Abnahme der grauen Substanz aufweisen, die doppelt so schnell vonstattengeht wie bei gesunden Menschen.
Kognitive Defizite
Sogar gelegentlicher Kokain-Konsum könnte einer Erhebung zufolge bereits mit kognitiven Defiziten verbunden sein. Dies ist besonders perfide, da Kokain oft von Menschen konsumiert wird, die ihre kognitive Leistungsfähigkeit steigern wollen. Die Droge hat hier zwar tatsächlich einen kurzfristigen Effekt, doch den zahlt man langfristig doppelt und dreifach in der gleichen Währung zurück.
Amphetamine: Nachhaltige Störung des Dopaminhaushalts und oxidativer Stress
Amphetamine, wie Speed und Crystal Meth, sind synthetische Stimulanzien, die das zentrale Nervensystem stark anregen. Sie wirken, indem sie die Freisetzung von Dopamin und Noradrenalin erhöhen und gleichzeitig deren Wiederaufnahme in die Nervenzellen hemmen. Dies führt zu einem Gefühl von Euphorie, erhöhter Energie, gesteigerter Aufmerksamkeit und vermindertem Appetit.
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Neurotoxische Wirkung und oxidativer Stress
Der Konsum von Amphetaminen kann jedoch schwerwiegende Folgen für das Gehirn haben. Studien haben gezeigt, dass Amphetamine neurotoxisch wirken, d. h. sie können Nervenzellen schädigen und zerstören. Ein wichtiger Mechanismus, der an dieser neurotoxischen Wirkung beteiligt ist, ist der oxidative Stress. Amphetamine produzieren freie Radikale, die Zellen "stressen", indem sie ihnen Elektronen entreißen. Nehmen freie Radikale überhand, reichen die körpereigenen Mechanismen nicht mehr aus, um sie zu neutralisieren.
Schädigung der Mitochondrien und Apoptose
Die durch Amphetamine produzierten freien Radikale schädigen auch die Mitochondrien, die "Kraftwerke" der Nervenzelle. Werden Mitochondrien zusätzlich durch oxidativen Stress geschädigt, kann ein Vorgang ausgelöst werden, der als programmierter Zelltod oder Apoptose bezeichnet wird. Amphetamine beschleunigen diesen programmierten Zelltod, wodurch Nervenzellen übermäßig absterben. Zwar kann das Gehirn Nervenzellen in begrenztem Maße neu bilden, es gibt aber Hinweise aus der Forschung, dass Amphetamine die Entstehung neuer Nervenzellen unterdrücken.
Schäden im Hippocampus, Striatum und präfrontalen Cortex
Die durch Amphetamine hervorgerufenen Schäden betreffen vor allem Nervenzellen im Hippocampus, im Striatum und im präfrontalen Cortex. Diese Bereiche des Gehirns sind wichtig für das Gedächtnis, die Bewegungssteuerung und andere geistige Leistungen wie die Entscheidungsfindung oder die Impulskontrolle.
Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke und Entzündungen
Studien zufolge steht insbesondere der Konsum von Methamphetamin auch mit einer Schädigung der Blut-Hirn-Schranke in Zusammenhang. Wird dieser Schutzmechanismus außer Kraft gesetzt, können giftige Substanzen, die im Blut zirkulieren, in das Gehirn vordringen und Entzündungen verursachen. Amphetamine fördern darüber hinaus Entzündungsreaktionen im Gehirn, was zu weiterem Nervenzellverlust führen kann.
Halluzinogene: Veränderung der Wahrnehmung und des Bewusstseins
Halluzinogene sind eine Gruppe von Drogen, die Veränderungen in der Wahrnehmung, im Bewusstsein und in der Gemütslage hervorrufen. Sie wirken meist als Agonisten an Rezeptoren und Bindungsstellen für Serotonin im Zentralnervensystem, insbesondere in der Großhirnrinde. Eine Veränderung des Glutamat-Transmittersystems wird als Grundlage drogeninduzierter Halluzinationen diskutiert.
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Visuelle Illusionen und "Horrortrips"
Halluzinogene können zu visuellen Illusionen und gefährlichen "Horrortrips" führen, bei denen es aufgrund eines Kontrollverlusts zu Handlungen mit Fremd- oder Eigengefährdung kommen kann. Auch nach der letzten Einnahme von Halluzinogenen, die längere Zeit zurückliegen kann und während der keine Wirkung mehr gespürt wird, kann es wieder zu Rauschzuständen kommen ("flash backs").
Beispiele für Halluzinogene
Zu den Halluzinogenen gehören Meskalin, Psilocybin (aus Pilzen der Gattung Psilocybe gewonnen) und das künstlich hergestellte LSD. Meskalin wirkt als Teilagonist an Serotoninrezeptor-Kanälen und als Glutaminsäure-Agonist in der Großhirnrinde. Psilocybin wirkt ähnlich wie LSD, jedoch mit geringerer Intensität.
Cannabis: Auswirkungen auf sensorische und kognitive Wahrnehmung
Cannabis enthält psychoaktive Substanzen, die über definierte Rezeptoren bzw. Überträgersubstanzen (Neurotransmitter) im Gehirn wirken. Die Bewusstseinsveränderung kann sich z. B. als körperliches Wohlbefinden (Euphorie) oder als Veränderungen der sensorischen und kognitiven Wahrnehmung, der Wachheit oder des Erinnerungsvermögens äußern. Ebenso werden physiologische Reaktionen beeinflusst (z. B. Appetitsteigerung).
Die neuronalen Grundlagen der Sucht
Nicht jeder Mensch, der Drogen konsumiert, entwickelt eine Abhängigkeit. Schätzungen zufolge entwickelt etwa eine von fünf Personen, die Drogen konsumieren, eine Abhängigkeit. Was unterscheidet die Gehirne der Menschen, die kontrolliert konsumieren, von jenen, bei denen der Konsum aus dem Ruder gerät?
Die Rolle des Dopaminsystems
Allen Drogen mit Suchtpotential ist gemeinsam, dass sie im Gehirn die Aktivität des Neurotransmitters Dopamin beeinflussen. Dies betrifft vor allem das mesolimbische System, auch bekannt als Belohnungssystem. Drogen wie Amphetamin fördern die Ausschüttung von Dopamin, während Kokain die Wiederaufnahme von Dopamin in die präsynaptische Endigung hemmt.
Neuronale Verbindungen und zwanghaftes Verhalten
Forscher der Universität Genf haben möglicherweise eine wichtige Entdeckung gemacht, die erklären könnte, warum manche Menschen das offenkundig schädliche Konsumverhalten nicht einstellen können. Sie identifizierten eine synaptische Verbindung zwischen dem orbitofrontalen Kortex (einer wichtigen Instanz für die Entscheidungsfindung) und dem dorsalen Striatum (das für willkürliche Bewegungsabläufe von Bedeutung und Teil des Belohnungssystems ist). Die Aktivität dieser neuronalen Verbindung nahm kurz vor der Inkaufnahme negativer Konsequenzen (z. B. eines elektrischen Schocks in einem Tierexperiment) zu. Wurde die Verbindung künstlich gehemmt, stellten auch die zuvor ausdauernd hebeldrückenden Tiere ihre Aktivität ein. Wurde die Hemmung aufgehoben, fingen die Mäuse wieder an, den Hebel zu drücken.
Stärke der synaptischen Verbindung
Die Forscher konnten nachweisen, dass die Stärke der synaptischen Verbindung zwischen den Neuronen des orbitofrontalen Kortex und dem dorsalen Striatum bei den Mäusen, die trotz Schmerzen weiter den Hebel drückten, zugenommen hatte. Mäuse, die das Hebeldrücken einstellten, zeigten eine weniger starke Verbindung beider Hirnareale. Durch die Manipulation der Stärke dieser synaptischen Verbindung konnten die Forscher das Verhalten der Mäuse beeinflussen.
Epigenetische Einflüsse
Noch unklar ist, warum die Selbststimulation von Dopamin-Neuronen nur bei einem Teil der Mäuse zu zwanghaftem Verhalten geführt hat, zumal es sich um genetisch identische Tiere handelte. Denkbar seien epigenetische Einflüsse, die jedes Lebewesen einzigartig machen und die Gehirnfunktion beeinflussen. Die Epigenetik beschreibt nicht Veränderungen der Gene selbst, sondern den Prozess des Auslesens von genetisch gespeicherten Informationen. Der Ausleseprozess kann durch äußere Faktoren beeinflusst werden, so dass bestimmte Gene ein- oder ausgeschaltet werden.
Neue Behandlungsmöglichkeiten
Durch die Identifikation einer neuronalen Verbindung, der süchtigem Verhalten zugrunde liegt, würden sich möglicherweise neue Behandlungsmöglichkeit ergeben, sei es durch Medikamente oder durch die gezielte Stimulation von Hirnregionen.
Illegale Drogen und ihre Klassifizierung
Psychoaktive Substanzen (Psychopharmaka), deren Besitz, Verkauf und Einnahme nach Liste der WHO (Weltgesundheitsorganisation) verboten sind, bezeichnet man als illegale Drogen. Sie beeinflussen das Nervensystem, können erregend oder hemmend auf neuronale Vorgänge wirken und erzeugen persönlichkeitsverändernde Zustände (z. B. Halluzinationen, unbegründete Euphorie usw.). Illegale Drogen führen häufig zu physischer und/oder psychischer Abhängigkeit (Sucht).
Klassifizierung nach Wirkung
Illegale Rauschgifte bzw. Rauschdrogen mit einem hohen Potenzial für Sucht oder Abhängigkeit lassen sich z. B. einteilen in:
- "klassische" Drogen natürlicher Herkunft (z. B. Kokain, Koffein, Haschisch, Opium)
- halb- bzw. vollsynthetische Drogen (z. B. Amphetamine, Barbiturate, Crack, Ecstasy, Heroin, Lysergsäurediethylamid [Abk. LSD], Phencyclidin).
Andere Klassifizierungen unterscheiden auch nach physikalischen oder chemischen Eigenschaften. Nach ihrer Wirkung unterscheidet man Euphorika, die unbegründete Euphoriegefühle (Glücks- und Begeisterungsgefühle) auslösen, und Halluzinogene, die Halluzinationen (Wahrnehmungsstörungen, Trugbilder) hervorrufen.
Opiate als Beispiel für Euphorika
Zu den Euphorika gehören die Opiate (z. B. Morphin und Heroin). Opiate wirken auf spezifische Rezeptoren der Synapsenmembran und können so die Bildung eines Opiat-Rezeptor-Akzeptor-Komplexes auslösen. Sie wirken bereits in sehr geringen Konzentrationen und unterdrücken den diffusen, dumpfen, mehr chronischen und nicht lokalisierbaren Schmerz.
Körperigene Opiate (Endorphine)
Körpereigene Opiate (Endorphine) werden in Extremsituationen vom Organismus hergestellt und reagieren mit den Opiatrezeptoren in den Schmerzzentren. Unter extremen Belastungen des Körpers und damit verstärkter Bildung von Endorphinen werden euphorische Empfindungen ausgelöst.
Heroin und seine verheerenden Folgen
Heroin entsteht durch Acetylierung aus Morphin. Es wird von Süchtigen meist gespritzt. Aufgrund seiner guten Fettlöslichkeit kann es leicht die Blut-Hirn-Schranke passieren und reichert sich dann im Gehirn an. Im Körper wird Heroin wieder in Morphin umgewandelt. Der rasante Konzentrationsanstieg führt zu dem sogenannten „Kick“, einem Glücksgefühl, das sehr schnell zu körperlicher Abhängigkeit (Drogenabhängigkeit) führt (schon 1-2 Spritzen reichen aus, um einen Menschen süchtig zu machen). Abstinenz führt zu starken Entzugserscheinungen wie Schwindel, Durchfall, Erbrechen, Schweißausbrüchen, Schlaflosigkeit und Schmerzen. Die Folgen des Heroinmissbrauchs sind vielfältige gesundheitliche Schäden sowie schwere psychische und soziale Probleme, die vielfach in die Kriminalität führen (zur Beschaffung der Droge) und nicht selten durch eine Überdosis Heroin tödlich enden.