Thomas Edison, der berühmte Erfinder, nutzte angeblich kurze Nickerchen, um neue Ideen zu entwickeln. Aber ist das nur eine Anekdote oder steckt wirklich etwas dahinter? Können kurze Schlafphasen tatsächlich die Kreativität fördern?
Edisons Kreativitätstechnik
Thomas Alva Edison, der Erfinder der Glühbirne, der Phonographenwalze und des Drehrohrofens, galt als einer der einfallsreichsten Köpfe seiner Zeit. Um auf neue Ideen zu kommen, soll Edison eine besondere Technik angewandt haben: Er soll in einem bequemen Sessel ein Nickerchen gemacht und dabei eine Metallkugel in der Hand gehalten haben. Sobald er einschlief, entspannten sich seine Muskeln und die Kugel fiel zu Boden. Das Geräusch weckte ihn auf.
Diese Anekdote wird von Hirnforschern gerne erzählt, ähnlich wie die Geschichte des Chemikers Kekulé, der im Traum eine Schlange sah, die sich in den Schwanz biss und so die ringförmige Struktur des Benzols erkannte. Allerdings ist das Zusammenspiel von Schlaf und Kreativität bisher wenig erforscht, insbesondere die kurze Einschlafphase, in der der halbwache Geist seinen Fokus verliert, wie sie von Edison genutzt wurde.
Experimentelle Beweise für den Kreativitätsschub
Um die Wirkung kurzer Nickerchen auf die Kreativität zu untersuchen, führten Forscher ein Experiment mit rund 100 Probanden durch. Die Teilnehmer mussten Zahlenreihen nach vorgegebenen Regeln schrittweise umformen, um eine Lösungszahl zu finden. Nach einer Weile gab es eine Pause, in der die Teilnehmer in einem abgedunkelten Raum in einem Sessel saßen und sich ausruhen sollten, wobei sie, ähnlich wie Edison, eine Plastikflasche in der Hand hielten. Einige blieben wach, andere nickten kurz ein, bis das Geräusch der fallenden Flasche sie wieder aufweckte, und einige schliefen sogar weiter.
Nach der Pause setzten alle die gleichen Rechenaufgaben fort. Die Probanden wussten nicht, dass es eine Abkürzung gab, um schnell zur Lösungszahl zu gelangen: Man musste nur den ersten Rechenschritt beachten, anstatt jede Zahlenreihe Schritt für Schritt bis zum Ende zu bearbeiten. Um das zu erkennen, braucht es Kreativität und einen freien Geist, der über das stupide Abarbeiten einer Aufgabe hinausdenkt.
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Das Experiment lieferte ein eindrückliches Ergebnis: Von den Probanden, die während der Pause wach geblieben waren, erkannten 30 Prozent im weiteren Verlauf den schnelleren Lösungsweg. Das Gleiche galt für diejenigen, die in einen tieferen Schlaf gesunken waren. Aber bei denen, die sich aus der Einschlafphase gleich wieder aufschrecken ließen, lag diese Quote bei 80 Prozent - also fast dreimal so hoch.
Die Mechanismen hinter dem Kreativitätsschub
Für Thomas Andrillon ist das der Beweis, dass an Edisons Kreativitätstechnik etwas dran ist. Allerdings nicht unbedingt in der Form, dass man aufwacht und gleich die Lösung eines Problems vor Augen hat. Anders als in den Anekdoten über Erfinder wachten die Probanden nicht mit der Lösung im Kopf auf. Der Heureka-Moment zeigte sich stets dadurch, dass die Versuchsteilnehmer die Aufgaben mit einem Mal deutlich schneller lösten.
Es könnten Erkenntnisprozesse unter der Oberfläche ablaufen, denen man sich nicht voll bewusst ist. Man wacht also nicht mit der Antwort für diesen spezifischen Test auf. Eine andere Erklärung für den Zeitversatz wäre, dass der wache Geist erst einmal prüfen und bestätigen muss, dass diese intuitive, im Schlaf gefundene Lösung tatsächlich funktioniert.
Die Ergebnisse dieses Experiments waren für Andrillon und sein Team so eindrücklich, dass sie die Mechanismen, wie bestimmte Prozesse im Gehirn während der Einschlafphase zur Kreativität beitragen, genauer erforschen wollen.
Schlafphasen und Kreativität
Fachleute teilen den Schlaf grundsätzlich in vier Phasen ein: Einschlafen (N1), leichter Schlaf (N2), Tiefschlaf (N3) und Traumschlaf (REM). Forscher bestimmen die Schlafphase eines Menschen in der Regel, indem sie Hirnaktivität, Muskelspannung und Augenbewegung messen. Während über die tieferen Schlafphasen relativ viel bekannt ist, weiß man über die N1-Phase - also dem Übergang vom Wachen zum Schlafen - noch relativ wenig.
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Diese Phase ist sehr kurz und dauert zwischen einigen Sekunden und wenigen Minuten. Wird ein Mensch darin gestört, kann er im Nachhinein schwer sagen, ob er gerade noch wach war oder geschlafen hat, ob er gedacht oder geträumt hat. Es komme zu unfreiwilligen, spontanen, traumähnlichen Erfahrungen, schreiben Oudiette und ihr Team. Dabei werde kürzlich Erlebtes auf eine kreative Art mit lose verknüpften Erinnerungen verbunden. Das könnte das Entstehen neuer Ideen fördern. In der N1-Phase beginne der Mensch, sich von seiner Umgebung zu lösen und könne deshalb nach Belieben beobachten, wie er seinen Geist schweifen lässt, schreiben die Forscher um Oudiette. Gleichzeitig sei aber noch genug logische Fähigkeit da, um "kreative Funken zu identifizieren".
Edisons Technik im 21. Jahrhundert
US-amerikanische Forscher um Adam Horowitz vom US-amerikanischen Massachusetts Institute of Technology (MIT) sind schon einen Schritt weiter und haben den Ansatz von Erfinder-Ikone Edison ins 21. Jahrhundert geholt. Dafür wird genau überwacht, dass ein gerade wegdämmernder Proband die N1-Phase nicht verlässt. Die Forscher stellten fest, dass die Probanden diese Begriffe in ihre Träume einbauen. Zudem werden die Testpersonen im Zustand zwischen Wachen und Schlafen ermutigt zu erzählen, was ihnen gerade durch den Kopf geht. Dieses Gespräch werde aufgezeichnet, schreiben die Dormio-Erfinder.
Tipps zur Verbesserung der Konzentration und Kreativität
Neben Edisons Trick gibt es noch weitere Möglichkeiten, die Konzentration und Kreativität zu steigern:
Gute Stimmung: Sorgen Sie für gute Stimmung, bevor Sie sich auf eine wichtige Aufgabe konzentrieren. Hören Sie Ihre Lieblingsmusik, lachen Sie oder bewegen Sie zumindest Ihre Mundwinkel zu einem Lächeln.
Erfolgserlebnisse: Sorgen Sie für kleine Erfolge und visualisieren Sie diese. Finden Sie Aspekte Ihrer Aufgaben, die Ihnen Freude bereiten, und machen Sie Ihren Erfolg sichtbar, indem Sie beispielsweise einen Haken hinter erledigte Aufgaben auf Ihrer To-Do-Liste setzen.
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Arbeitsumfeld: Stellen Sie sicher, dass Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz wohlfühlen. Beseitigen Sie das Chaos, finden Sie heraus, in welchem Umfeld Sie sich am besten konzentrieren können, und stellen Sie sich eine Flasche Wasser auf den Tisch.
Tiefes Durchatmen: Atmen Sie tief durch, um Ihren Geist zu beruhigen und Ihre Konzentrationsfähigkeit zu steigern. Probieren Sie die 4-7-8-Technik aus: Atmen Sie 4 Sekunden lang ein, halten Sie den Atem für 7 Sekunden an und atmen Sie dann 8 Sekunden lang aus.
Reduzierung digitaler Ablenkungen: Reduzieren Sie die Zeit, die Sie mit digitalen Geräten verbringen. Stellen Sie Push-Benachrichtigungen aus, schließen Sie alle nicht relevanten Computerprogramme und legen Sie Ihr Smartphone außer Sichtweite.
Feste Zeiten für Aufgaben: Planen Sie für Ihre Aufgaben feste Zeiten ein und machen Sie dazwischen Pausen, um Ihrem Gehirn die Möglichkeit zu geben, sich zu regenerieren. Probiere dafür die Pomodoro-Technik aus.
Bilder statt Worte: Wandeln Sie Informationen in Bilder um, um Ihr Gedächtnis zu aktivieren und Ihre Konzentration zu verbessern.
Klare Ziele: Machen Sie sich klar, was Sie erreichen möchten, bevor Sie anfangen zu arbeiten oder zu lernen. Erstellen Sie sich außerdem eine sinnvoll strukturierte und machbare To-Do-Liste mit Aufgaben, die Sie bearbeiten möchten.
Bewegung: Integrieren Sie kleine Bewegungseinheiten in Ihren Tag, um die Durchblutung anzuregen und wacher und aufmerksamer zu sein.
Gehirnjogging: Trainieren Sie Ihr Gehirn mit Denksportaufgaben, die nichts mit Ihrer sonstigen Tätigkeit zu tun haben.