EEG-Auswertung bei Epilepsie: Kriterien, Diagnose und Behandlung

Epilepsie ist eine der häufigsten chronischen neurologischen Erkrankungen, die durch wiederholte unprovozierte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle sind kurzzeitige Funktionsstörungen des Gehirns, die durch plötzliche, abnormale elektrische Aktivität verursacht werden. Die Diagnose und Behandlung von Epilepsie erfordert einen umfassenden Ansatz, bei dem verschiedene diagnostische Methoden eingesetzt werden, um die Art der Anfälle zu bestimmen, die Ursache zu identifizieren und die geeignete Therapie einzuleiten. Ein wesentliches Instrument in diesem Prozess ist die Elektroenzephalographie (EEG).

Die Bedeutung des EEGs in der Epilepsiediagnostik

Das EEG ist eine nicht-invasive Methode zur Messung der elektrischen Aktivität des Gehirns über Elektroden, die auf der Kopfhaut platziert werden. Es ist ein unverzichtbares Instrument zur Diagnose von Epilepsie, insbesondere in Kombination mit anderen diagnostischen Verfahren. Das EEG kann helfen, epileptiforme Entladungen und andere Anomalien zu identifizieren, die auf eine erhöhte Anfallsbereitschaft hinweisen.

EEG-Arten in der Epilepsiediagnostik

Es gibt verschiedene Arten von EEGs, die in der Epilepsiediagnostik eingesetzt werden:

  • Routine-EEG: Diese Standarduntersuchung dauert in der Regel 20 bis 30 Minuten und wird durchgeführt, während der Patient wach und entspannt ist. Während der Messung kann der Arzt kurze Anweisungen geben, wie z.B. das Öffnen und Schließen der Augen oder das Lösen einer einfachen Rechenaufgabe, um die Hirnaktivität zu beeinflussen und aufzuzeichnen.
  • Schlaf-EEG: Diese Untersuchung wird während des Schlafs durchgeführt, um die Hirnaktivität in verschiedenen Schlafstadien zu erfassen. Es wird häufig in einem Schlaflabor durchgeführt, wo die Hirnaktivität über die gesamte Schlafdauer gemessen und aufgezeichnet wird.
  • Langzeit-EEG: Bei dieser Methode wird die Hirnaktivität über einen längeren Zeitraum, in der Regel 24 bis 48 Stunden, gemessen. Der Patient trägt einen tragbaren Rekorder, der am Körper befestigt ist, und protokolliert alle Vorkommnisse, um sie mit Veränderungen der Hirnaktivität in Zusammenhang zu bringen.
  • Video-EEG-Monitoring: Hierbei handelt es sich um eine Langzeit-EEG-Ableitung, die videoüberwacht in speziell ausgestatteten Patientenzimmern erfolgt. Die gleichzeitige Videoaufzeichnung ermöglicht es, Veränderungen des Bewusstseins, kognitiver Fähigkeiten, des Herzrhythmus oder epilepsietypische Bewegungen zu erkennen und mit dem EEG abzugleichen.
  • Provokations-EEG: Bei diesem Verfahren wird versucht, einen epileptischen Anfall zu provozieren, um epilepsietypische Hirnstromkurven aufzuzeichnen. Dies kann durch Hyperventilation (verstärktes Atmen), Photostimulation (helle Lichtblitze) oder Schlafentzug erreicht werden.

EEG-Auswertung: Kriterien und Befundung

Die Auswertung des EEGs erfolgt durch einen erfahrenen Neurologen, der die aufgezeichneten Hirnwellen hinsichtlich Form, Frequenz und Amplitude beurteilt. Bestimmte Muster können auf verschiedene Erkrankungen oder Zustände hinweisen:

  • Ein verlangsamter Grundrhythmus kann auf Vergiftungen, Koma oder Gehirnentzündungen hindeuten.
  • Ein Herdbefund, also eine örtlich begrenzte Veränderung der Hirnaktivität, kann auf Tumore oder Hirnschäden durch Verletzungen hinweisen.
  • Epilepsietypische Hirnstromkurven, wie z.B. Spikewellen, treten typischerweise während eines Anfalls auf, können aber auch zwischen den Anfällen vorhanden sein.

Es ist wichtig zu beachten, dass das EEG zwischen den Anfällen häufig unauffällig sein kann, was die Diagnose von Epilepsie erschwert.

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EEG-Kriterien für den nichtkonvulsiven Status epilepticus (NCSE)

Eine besondere Herausforderung stellt die Diagnose des nichtkonvulsiven Status epilepticus (NCSE) dar, einer Form des Status epilepticus, die ohne die typischen motorischen Symptome wie Zuckungen oder Krämpfe verläuft. Die Diagnose des NCSE basiert auf einer Kombination aus klinischen und EEG-Kriterien.

Klinische Kriterien:

  • Veränderungen des Bewusstseins (qualitativ oder quantitativ)
  • Verhaltensauffälligkeiten
  • Vegetative Reaktionen
  • Subjektive Wahrnehmungen (Auren)

EEG-Kriterien:

Die folgenden EEG-Kriterien müssen in ihrer ausgeprägtesten Form für jeweils 10 Sekunden erfüllt sein:

  1. Epileptiforme Entladungen: Vorhandensein von epileptiformen Graphoelementen (z.B. Spikes, scharfe Wellen) mit einer Frequenz von mindestens 2,5/10 Sekunden.
  2. Rhythmische Aktivität: Vorhandensein von rhythmischer Aktivität mit einer Frequenz von mindestens 1 Hz.
  3. Evolutionsmuster: Auftreten von Evolutionsmustern in der Frequenz (z.B. Dekrement- oder Inkrementreaktion), räumlichen Ausbreitung oder Morphologie der EEG-Muster.
  4. Subtile klinische Phänomene: Subtile klinische Phänomene, wie z.B. periorbitale oder periorale Zuckungen, subtile Zuckungen an den Extremitäten, Hippus pupillae oder forcierte konjugierte Blickwendung, die mit epileptiformer oder rhythmischer Aktivität einhergehen.
  5. Ansprechen auf intravenöse Antiepileptika (ivAED): Veränderung der EEG-Muster oder des klinischen Zustands nach Gabe von ivAED.

Es ist wichtig zu beachten, dass die EEG-Kriterien des NCSE standardisiert erhoben werden müssen und dass die Interpretation des EEGs im Kontext der klinischen und paraklinischen Informationen erfolgen muss.

Differenzialdiagnose und Fallstricke bei der EEG-Interpretation

Die EEG-Interpretation erfordert eine hohe Expertise, da verschiedene Normvarianten und Artefakte fälschlicherweise als epileptiforme Aktivität interpretiert werden können. Zu diesen Normvarianten gehören beispielsweise Wicket-Spikes, die ETPs bei einer Temporallappen-Epilepsie ähneln können.

Es ist auch wichtig, nicht-epileptische Anfälle (PNEA) von epileptischen Anfällen zu unterscheiden. PNEA sind psychogene Anfälle, die keine epileptische Ursache haben. Verschiedene klinische Zeichen können auf einen PNEA hindeuten, wie z.B. geschlossene Augen, lange Anfallsdauer, Beckenstöße und stark fluktuierende Bewegungen.

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Weitere diagnostische Verfahren bei Epilepsie

Neben dem EEG werden bei der Diagnose von Epilepsie weitere diagnostische Verfahren eingesetzt, um die Ursache der Anfälle zu identifizieren und die Behandlung zu planen.

Magnetresonanztomographie (MRT)

Die MRT ist eine bildgebende Methode, mit der hirnorganische Veränderungen sichtbar gemacht werden können. Sie ist besonders sensitiv für die Erkennung von epileptogenen Läsionen wie Tumoren, Hirninfarkten, Kontusionsdefekten, vaskulären Malformationen, fokalen kortikalen Dysplasien und Hippocampussklerose.

Nuklearmedizinische Verfahren (SPECT, PET)

SPECT (Einzelphotonenemissionscomputertomografie) und PET (Positronen-emissionstomographie) sind nuklearmedizinische Verfahren, mit denen bestimmte Körperfunktionen mit Hilfe von radioaktiven Stoffen abgebildet werden können. In der Epilepsiediagnostik wird die PET eingesetzt, um die Stoffwechselaktivität der verschiedenen Hirnbereiche zu untersuchen. Bei Patienten mit Epilepsie ist die Stoffwechselaktivität während eines Anfalls erhöht, zwischen den Anfällen hingegen vermindert.

Neuropsychologische Untersuchung

In einer neuropsychologischen Untersuchung werden mögliche Veränderungen der geistigen Leistungsfähigkeit (kognitiven Funktionen) erfasst. Untersucht werden u.a. Aufmerksamkeits- und Gedächtnisleistungen, sprachliche und bildhafte Fertigkeiten sowie höhere geistige Funktionen wie Problemlösen und schlussfolgerndes Denken.

Wada-Test

Vor einer Operation wird in seltenen Fällen ein Wada-Test durchgeführt. Hierbei werden z.B. verschiedene Sprachfunktionen getestet, während die zu operierende Gehirnregion für wenige Minuten betäubt wird.

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Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder Anfallsfreiheit zu erreichen und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Medikamentöse Therapie

Die Epilepsiebehandlung wird in der Regel medikamentös mit sogenannten Antiepileptika begonnen. Diese Medikamente wirken direkt auf das Nervensystem und die Nervenzellen, indem sie die Reizweiterleitung der Nerven hemmen und die Erregbarkeit der Nervenzellen im Gehirn vermindern.

Epilepsiechirurgie

Wenn die medikamentöse Behandlung nicht ausreichend wirksam ist, kann eine epilepsiechirurgische Behandlung in Betracht gezogen werden. Dabei wird untersucht, ob die epileptischen Anfälle von einer bestimmten Stelle des Gehirns ausgehen und ob es möglich ist, diese operativ zu entfernen, ohne dass der Patient Störungen im Bereich von Gedächtnis, Kraft oder Sprache erleidet.

Neurostimulation

Die Neurostimulation ist eine weitere Behandlungsoption für Patienten, bei denen eine Anfallsfreiheit nicht erreicht werden kann. Dabei werden Strukturen im Gehirn oder solche, die dorthin führen (wie der Vagus-Nerv), mit niedriger Stromstärke stimuliert. Zu den Neurostimulationsverfahren gehören die Vagus-Nerv-Stimulation (VNS), die Tiefe Hirnstimulation (THS) und die Transkranielle Magnetstimulation (TMS).

Verhaltenstherapeutische Ansätze

Parallel zur medikamentösen Therapie kann auch der verhaltenstherapeutische Ansatz der Anfallsselbstkontrolle in die Behandlung integriert werden.

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