Vor rund einem Jahrhundert entdeckte der Neurologe und Psychiater Hans Berger die Existenz von Hirnwellen. Durch Ableitung elektrischer Aktivität von der Großhirnrinde eines Patienten über eine offene Stelle am Schädel wurde das Elektroenzephalogramm (EEG) erfunden. Dabei wurde eine große Frequenzbreite an Hirnwellen entdeckt, von sehr langsamen bis zu über 100 Schwingungen pro Sekunde. Hirnwellen entstehen, wenn Nervenzellen sich zusammenschalten und gemeinsam elektrische Impulse aussenden, wodurch auch weit entfernt liegende Hirnareale miteinander kommunizieren können.
Die Vielfalt der Hirnwellen
Es gibt verschiedene Arten von Hirnwellen, die jeweils mit unterschiedlichen Zuständen und Funktionen des Gehirns in Verbindung stehen:
- Delta-Wellen (1-3 Hz): Diese sehr langsamen Wellen sind im Tiefschlaf besonders stark ausgeprägt.
- Theta-Wellen (4-7 Hz): Eine Zunahme dieser Wellen kann ein Gefühl der Müdigkeit begleiten.
- Alpha-Wellen (8-12 Hz): Dominanz dieser Wellen deutet auf einen Zustand der Entspannung hin.
- Beta-Wellen (13-30 Hz): Diese Wellen spielen eine wichtige Rolle bei der Planung von Bewegungen. Sie sorgen dafür, dass Bewegungen nicht unüberlegt ausgeführt werden, sondern erst dann, wenn sie tatsächlich benötigt werden.
Die verschiedenen Hirnwellen überlagern sich im Gehirn.
Beta-Wellen und ihre Bedeutung bei Parkinson
Bei der Parkinson-Krankheit spielen Beta-Wellen eine besondere Rolle. Patienten mit Parkinson zeigen eine stark erhöhte Beta-Frequenz in bestimmten Hirnarealen. Diese erhöhte Beta-Frequenz kann die Bewegungsfähigkeit der Patienten einschränken. Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass Bewegungen und deren Planung mit Beta-Wellen zusammenhängen.
Ilka Diester erklärt, dass bevor man eine Bewegung ausführt, man eine gewisse Phase benötigt, in der man sich überlegt, wie man die Bewegung genau durchführen möchte. In dieser Phase helfen die Beta-Wellen, die Bewegung noch nicht ausführen zu lassen.
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Beeinflussung von Hirnwellen zur Therapie neurologischer Erkrankungen
Hirnwellen können nicht nur gemessen, sondern auch beeinflusst werden, um positive Auswirkungen auf neurologische Erkrankungen wie Depressionen, Schizophrenie, Alzheimer und Parkinson zu erzielen.
Tiefe Hirnstimulation
Ein Beispiel hierfür ist die tiefe Hirnstimulation (THS). Bei diesem Verfahren wird Parkinson-Patienten eine Elektrode in den Subthalamischen Nucleus implantiert, eine tief liegende Struktur im Gehirn. Durch kontinuierliche Abgabe eines Hochfrequenz-Stimulus (ca. 130 Hz) wird die erhöhte Beta-Frequenz im Gehirn gestört, was zu einer deutlichen Verbesserung der motorischen Fähigkeiten der Patienten führt.
Morbus Parkinson: Eine Übersicht
Morbus Parkinson ist nach der Alzheimer-Krankheit die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung. Allein in Deutschland sind mehr als 250.000 Menschen betroffen, mit steigender Tendenz. Die Krankheit entsteht durch den Verlust von Nervenzellen in einem Bereich des Hirnstamms, was zu einem Mangel an dem Botenstoff Dopamin führt. Dies äußert sich in Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamten Bewegungen, Muskelsteifheit und Gleichgewichtsstörungen. Zusammen mit anderen Symptomen wie Depressionen, kognitiven Beeinträchtigungen und Riechstörungen kann die Erkrankung die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.
Interdisziplinäre Versorgung an der Uniklinik Köln
An der Uniklinik Köln arbeiten Experten unterschiedlicher Fachbereiche interdisziplinär zusammen, um Betroffene bestmöglich zu versorgen. Dies umfasst die Diagnostik, individuelle Therapie und Nachsorge.
Frühe Diagnostik mit molekularer Bildgebung
Schon vor Beginn der Behandlung werden Verfahren der molekularen Bildgebung eingesetzt, die eine Parkinson-Erkrankung mit Hilfe von „Biomarkern“ nicht-invasiv frühzeitig erkennen und verschiedene Erkrankungsformen unterscheiden können. Mittlerweile ist es mit Hilfe von spezifischen Biomarkern sogar möglich, die Erkrankung bereits viele Jahre vor dem Auftreten der charakteristischen motorischen Kernsymptome zu erkennen und zu diagnostizieren. In der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin der Uniklinik Köln wird hierzu zum Beispiel eine Bildgebung des Dopamin-Systems durchgeführt. Die Arbeitsgruppe „Frühe und Atypische Parkinson-Krankheiten“ unter Leitung von Univ.-Prof. Thilo van Eimeren hat das Ziel, Parkinson-Erkrankungen so früh wie möglich zu erkennen und somit frühe Gegenmaßnahmen zu ermöglichen.
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Individuelle Therapieansätze
Das Kölner Parkinson Netzwerk bietet seit 2012 eine zentrale Anlaufstelle für Betroffene. Ziel des Netzwerks ist, durch eine enge Zusammenarbeit von Ärzten und Parkinson-Experten eine nachhaltige Verbesserung von Krankheitssymptomen und Lebensqualität zu erreichen.
In einer Spezialambulanz für Bewegungsstörungen und Tiefe Hirnstimulation können sich Betroffene individuell über Therapiemöglichkeiten informieren. Ein Schwerpunkt ist die Tiefe Hirnstimulation, die helfen kann, krankheitsbedingt unkontrolliertes Zittern oder Verkrampfungen des Körpers zu unterdrücken, nicht-motorische Symptome wie Schlafstörungen zu lindern und Medikamente zu reduzieren. Im Kölner Parkinson Netzwerk steht eine erfahrene Parkinson-Pflegekraft (Parkinson Nurse) zur Verfügung, die von Beginn an gemeinsam mit Betroffenen die Symptome, den Krankheitsverlauf und die Ziele der Therapie bespricht und ein individuelles Behandlungskonzept erarbeitet.
Ein Angehörigen-Café bietet ein breit gefächertes Informationsangebot mit praktischen Empfehlungen für jede Krankheitsphase. Mit dem Konzept der „Patenschaften" ermöglicht das Netzwerk Betroffenen darüber hinaus einen Erfahrungsaustausch im Bereich der Tiefen Hirnstimulation unter Mitpatienten.
Positive Wirkung von Bewegung und Sport
Wichtig für die langfristige Therapie von Parkinson-Patienten sind zusätzlich zur gezielten Physiotherapie auch ergänzende Bewegung und Sport. An der Uniklinik Köln können Betroffene nicht nur an Bewegungsinterventionen teilnehmen, sondern profitieren auch von neusten Forschungserkenntnissen auf diesem Gebiet. Die Forschenden der Klinik arbeiten daran, unter anderem Parkinson immer besser zu verstehen und so die Diagnostik, Prävention beziehungsweise Therapie zu verbessern. Ein aktuelles Beispiel ist die Therapie mit Hilfe von Bewegung und Sport.
Eine systemische Übersichtsarbeit bestätigt die positive Wirkung verschiedener Bewegungsformen wie Tanzen, Wassergymnastik und Yoga auf den Schweregrad von motorischen Bewegungssymptomen und die Lebensqualität der Betroffenen. Die Arbeit legt nahe, dass die genaue Art der Bewegung zweitrangig sein könnte; eine gute Nachricht für Menschen mit Parkinson, da sie die Möglichkeit haben, die für sie passende Bewegungsform auszuwählen und so langfristig motivierter diese auszuüben.
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Fazit
Das EEG bietet wertvolle Einblicke in die Hirnaktivität bei Parkinson-Krankheit. Das Verständnis der verschiedenen Hirnwellen und ihrer Rolle bei der Erkrankung ermöglicht die Entwicklung gezielter Therapieansätze wie die tiefe Hirnstimulation. Darüber hinaus spielen Bewegung und Sport eine wichtige Rolle bei der langfristigen Behandlung von Parkinson-Patienten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit von Experten und die individuelle Betreuung der Patienten sind entscheidend für eine erfolgreiche Therapie und eine Verbesserung der Lebensqualität.