Das Gehirn ist ein komplexes Organ, das eine Vielzahl von Nährstoffen benötigt, um optimal zu funktionieren. Eiweiß, auch Protein genannt, spielt dabei eine entscheidende Rolle. Dieser Artikel beleuchtet die vielfältigen Funktionen von Eiweiß im Gehirn, von der Unterstützung der Nervenzellvernetzung bis hin zur Vorbeugung neurodegenerativer Erkrankungen.
Die Bedeutung von Eiweiß für die Nervenzellvernetzung
Damit das Gehirn seine Aufgaben erfüllen kann, müssen sich seine Nervenzellen miteinander verschalten. Diese Vernetzung ist essenziell für Lernprozesse, Gedächtnisbildung und die Verarbeitung von Informationen.
Axone und Wachstumskegel
Für die Vernetzung von Nervenzellen sind ihre langgestreckten Fortsätze, die sogenannten Axone, von großer Bedeutung. An den Enden der auswachsenden Axone befinden sich Wachstumskegel, die die Umgebung nach Signalen absuchen. Diese Signale können entweder anziehend oder abstoßend wirken und somit die Richtung des Axonwachstums beeinflussen.
Aktin und CAP1
Die Wachstumskegel bilden mikroskopisch kleine, dynamische Zellfortsätze aus, die das Gerüstmolekül Aktin in hoher Konzentration enthalten. Aktin-Moleküle lagern sich zu langgestreckten Filamenten zusammen, die das Gerüst dieser Zellfortsätze bilden. Neben Aktin findet man in den Wachstumskegeln auch Aktin-Regulatoren wie das Protein CAP1 in großer Menge. Studien haben gezeigt, dass CAP1 die Ausbildung der Zellfortsätze und somit die Funktion der Wachstumskegel kontrolliert. Die Funktion des einen Proteins hängt von dem anderen ab und umgekehrt. Experimente an Versuchstieren haben zudem ergeben, dass sich das wachsende Gehirn nicht normal entwickelt, wenn CAP1 fehlt. CAP1 kontrolliert die Aktingerüste in Wachstumskegeln, was wiederum die Verschaltung der Neuronen beeinflusst.
Eiweiß und neurodegenerative Erkrankungen
Neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson und Chorea Huntington sind durch den fortschreitenden Verlust von Nervenzellen im Gehirn gekennzeichnet. Ein gemeinsames Merkmal dieser Erkrankungen sind Eiweißablagerungen im Gehirn.
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Tau-Proteine und PREP
Bei Tauopathien, einer Gruppe neurodegenerativer Erkrankungen, zu denen auch die Alzheimer-Krankheit und die frontotemporale Demenz gehören, sammeln sich sogenannte Tau-Proteine im Gehirn an. Diese Proteine sind wichtige Strukturproteine, die die Nervenzellen stabilisieren und den Transport von Nährstoffen und anderen Materialien in den Zellen unterstützen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen bilden sich jedoch veränderte Formen des Tau-Proteins, die als hyperphosphoryliertes Tau-Protein bezeichnet werden. Dabei binden sich Phosphatgruppen an das Protein, wodurch es seine Funktion verliert und sich zu Filamenten und Ablagerungen ansammelt. Diese Ansammlungen stören die Funktion der Nervenzellen und führen zum fortschreitenden Verlust von Gehirnfunktionen.
Ein Forschungsteam hat untersucht, ob die Hemmung von PREP, einer Serinprotease, die Proteine und Peptide spalten kann und in Verbindung mit Neurodegeneration gebracht wird, vor den schädlichen Wirkungen von Tau schützt. Wurde PREP mit einem Inhibitor blockiert, reduzierte sich die Ansammlung von Tau-Protein in den Zellen. Zudem verbesserte sich die Beseitigung von unlöslichem Tau. Bei einem Mausmodell der frontotemporalen Demenz führte die Hemmung von PREP dazu, dass sich die Krankheitssymptome verringerten und die normalen kognitiven Fähigkeiten wiederhergestellt werden konnten. Zudem stellten die Forscher eine Verringerung von oxidativem Stress im Gehirn fest. Dies deutet darauf hin, dass die Hemmung von PREP dabei helfen kann, die neurodegenerative Schädigung des Gehirns bei Tauopathien zu reduzieren.
Proteostase und Ribosomen
Die Proteostase, das empfindliche Gleichgewicht von Produktion, Faltung und Abbau sämtlicher Proteine in einer Zelle, wird als ein Kennzeichen des Alterns angesehen und tritt auch bei altersbedingten neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson auf. Wissenschaftler haben Veränderungen im Killifisch-Gehirn gefunden, die in vielen Punkten denen im Alzheimer-Gehirn entsprechen. Bei der Analyse der Genexpression in Killifischen während des Alterns stellten sie fest, dass die Bildung von Proteinen in den Ribosomen nicht mehr rund läuft. Bestimmte Proteine werden kaum noch hergestellt, andere dagegen vermehrt, weil weniger Konkurrenz im Translationsprozess besteht. Die gestörte Funktion der Ribosomen könnte eine Hauptursache für die Alterungsprozesse im Gehirn sein. Die Reparatur der gestörten Funktion der Ribosomen könnte eine Möglichkeit sein, Alterungsprozesse oder Demenz zu verlangsamen.
YME1L und neuronale Stammzellen
Das Protein YME1L spielt eine wesentliche Rolle bei der Koordination des Wechsels zwischen zellulärer Proliferation (Zellteilung) und Quieszenz (Ruhezustand) neuronaler Stammzellen. Es ist verantwortlich für das Gleichgewicht bei der Umwandlung der neuronalen Stammzellen des Gehirns in Nervenzellen. Defekte in der Funktion dieses Proteins können zu einer verfrühten Umwandlung von neuronalen Stammzellen in spezialisierte Zellen führen und damit die neuronale Regeneration langfristig beeinträchtigen. Eine höhere YME1L-Aktivität kennzeichnet einen ruhenden Zellzustand, während eine niedrigere YME1L-Aktivität mit einem proliferativen Zustand übereinstimmt. Eine Beeinträchtigung der YME1L-Funktion zwingt die Zellen dazu, ihren Status als Stammzellen zu verlassen und sich vorzeitig in Nervenzellen zu spezialisieren, was zu einem allgemeinen Verlust von Stammzellen im Gehirngewebe führt.
Eiweißfehlfaltung und Abfallentsorgung
Eiweißablagerungen sind eine Folge von Eiweißfehlfaltung, durch die sich die dreidimensionale Struktur der Eiweiße verändert. Jede Zelle ist mit einem Abwehrsystem gegen Eiweißfehlfaltung ausgestattet, zu dem mehrere Faltungshelfer-Moleküle gehören, die geschädigte Eiweiße erkennen und reparieren bzw. ihren Abbau fördern, um eine stabile Funktion der Eiweiße in der Zelle zu gewährleisten. Es wird angenommen, dass die Fähigkeiten dieses Abwehrsystems mit dem Alter nachlassen, was zu Proteostasestörungen und zur Eiweißablagerung führt und somit neurodegenerative Erkrankungen begünstigt.
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In Nervenzellen mit Eiweißablagerungen wurden Veränderungen der Lysosomen festgestellt, den zellulären Strukturen, die für die Abfallentsorgung zuständig sind. Die Lysosomen waren angeschwollen und schienen unverdautes Material zu enthalten. Biochemische Analysen zeigten, dass in den betreffenden Zellen mehrere wichtige Eiweiße von den Ablagerungen „aufgefangen“ werden und an ihnen kleben bleiben, darunter auch ein Eiweiß, das am Transport struktureller Komponenten der Lysosomen beteiligt ist. Vermutlich führt dies zu unzureichender Funktion der Lysosomen und folglich zu einem Stau im zellulären Entsorgungssystem.
Hyperaktivität der Nervenzellen
Überraschenderweise konnte bereits vor dem Eintreten der krankheitsbedingten Verhaltensänderungen eine erhöhte Aktivität der Nervenzellen festgestellt werden. Histologische Untersuchungen wiesen darauf hin, dass diese Hyperaktivität der Nervenzellen möglicherweise mit unzureichender synaptischer Hemmung im Zusammenhang steht.
Forschungsprojekte
Ein Forschungsprojekt untersucht, wie das Tau-Protein verklumpt und sich im Gehirn ausbreitet. Es wurde nachgewiesen, dass nur bestimmte Verklumpungen des Tau Proteins in den Nervenzellen giftig wirken. Es wurde ein spezielles Zellkultur-System entwickelt, welches die Fehlfaltungen und Modifikationen des menschlichen Tau Proteins wiederspiegeln kann. Dieses Projekt hat zum besseren Verständnis in die frühen Ereignisse der Alzheimer-Krankheit geführt und mögliche Biomarker für klinische Studien enthüllt.
Ernährungsempfehlungen für eine optimale Gehirnfunktion
Neben einer ausreichenden Energiezufuhr ist auch die Zusammensetzung der Mahlzeiten wichtig, um das Gehirn mit den notwendigen Nährstoffen zu versorgen.
Kohlenhydrate
Die Gehirnzellen brauchen Energie in Form von Traubenzucker (Glukose). Anders als Traubenzuckerbonbons eignen sich komplexe Kohlenhydrate, z. B. aus Vollkornbrot, Hülsenfrüchten und Gemüse, hervorragend, um Blutzuckerspitzen und drohende Leistungstiefs zu verhindern. Die darin enthaltene Glukose müssen im Darm erst aufgespalten werden. In Kombination mit Eiweiß und Fetten geschieht das in unterschiedlichem Tempo. Dadurch wird Energie über einen längeren Zeitraum hinweg freigesetzt - davon profitiert auch das Gehirn.
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Proteine
Um neue Informationen und Eindrücke zu speichern, braucht das Gehirn Eiweiße (Proteine) und deren Bausteine, die Aminosäuren. Sie dienen unter anderem als Baumaterial für Botenstoffe im Gehirn. Diese sind nötig, damit Informationen im Nervensystem schnell weitervermittelt und abgerufen werden können. Proteine, die das Gehirn leicht verwerten kann, sind zum Beispiel in Fisch, Fleisch, Milchprodukten, Hafer, Hülsenfrüchten, Sojaprodukten und Nüssen enthalten. Der empfohlene Anteil an Proteinen sollte zwischen 15 und 20 % des Tages-Energiebedarfs liegen. Älteren Menschen wird empfohlen, den Protein-Anteil auf mindestens 20 % zu erhöhen. Das entspricht ca. 1,0-1,2 g Protein je kg Körpergewicht. Ein wichtiges Ziel der Ernährung im Alter ist eine ausreichende Versorgung mit Proteinen (Eiweiß), um dem altersbedingten Abbau von Muskelmasse entgegen zu wirken. Achten Sie darauf, hochwertige Proteine zu sich zu nehmen. Tierische Proteine sind meist hochwertiger als pflanzliche, da ihr Aminosäuremuster dem Bedarfsmuster des Menschen ähnlicher ist. Durch die Kombination von tierischen und pflanzlichen Proteinlieferanten kann die sogenannte biologische Wertigkeit einer Mahlzeit gesteigert werden. Sinnvolle Proteinkombinationen sind z. B.
Fette
So sind die ungesättigten Omega-3-Fettsäuren am Stoffaustausch der Zellmembran beteiligt und leisten einen wichtigen Beitrag zur Informationsvermittlung und -speicherung. Zudem schützen sie vor Gefäßverkalkung (Arteriosklerose). Omega-3-Fettsäuren sind vor allem in Fisch, Pflanzenölen oder Walnüssen enthalten.
Vitamine
B-Vitamine sind besonders wichtig, damit die Hirnzellen reibungslos arbeiten können. Vitamin B1 (Thiamin) ermöglicht beispielsweise den hohen Glukoseumsatz von Hirn- und Nervenzellen. Fehlt es, nimmt die Konzentrationsfähigkeit ab, man wird müde oder sogar depressiv. Reich an Vitamin B1 sind Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Kartoffeln, Schweinefleisch oder Innereien. Vitamin B6 ist unter anderem für den Aufbau von Nervensträngen verantwortlich. Enthalten sind diese B-Vitamine in Leber, Schweinefleisch, Fisch, Nüssen, Spinat, Bohnen oder Bananen. Auch Vitamin B12 ist am Aufbau von Nervenzellen beteiligt, steuert viele Reaktionen im Eiweißstoffwechsel. Es kommt vor allem in Milchprodukten, Fleisch und Eiern vor. Folsäure spielt unter anderem eine Rolle bei der Zellvermehrung. Ein Mangel stört die Hirnentwicklung von Kindern, Erwachsene entwickeln Gedächtnisstörungen und ihre Hirnmasse schrumpft. Folsäure ist vor allem in Blattgemüse (v. a. Spinat), Kohlgemüse, Tomaten, Kartoffeln, Orangen, Vollkorn, Eiern und Leber enthalten. Da Folsäure sehr hitzeempfindlich ist, sollten Sie diese Nahrungsmittel möglichst roh verzehren.
Vermeiden Sie schweres Essen
Üppige und fettige Mahlzeiten machen schlapp, denn der Körper braucht Zeit und Energie, um sie zu verdauen. Statt ins Hirn, strömt dann viel Blut in den Bauchraum, um freigesetzte Nährstoff abzutransportieren. Wer nach dem Mittagessen nicht in ein Leistungstief fallen möchte, sollte auf das Wiener Schnitzel verzichten und zu etwas Leichtem greifen, etwa Fisch oder Gemüse.
Die Blut-Hirn-Schranke
Damit die Nervenzellen im Gehirn reibungslos funktionieren und Informationen verarbeiten können, ist das zentrale Nervensystem auf eine streng kontrollierte Umgebung angewiesen. Diese wird durch die Blut-Hirn-Schranke aufrechterhalten: Spezialisierte Hirnendothelzellen sitzen an den Innenwänden der Blutgefäße und kontrollieren den Austausch von Molekülen zwischen Blut- und Nervensystem.