Die Entdeckung von Entzündungsherden im Gehirn, insbesondere durch Magnetresonanztomographie (MRT), kann auf verschiedene Erkrankungen hinweisen. Eine der bekanntesten und häufigsten Ursachen ist die Multiple Sklerose (MS), eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen von Entzündungsherden im Gehirn, die Rolle der MRT bei der Diagnose und die Bedeutung dieser Erkenntnisse für das Verständnis und die Behandlung von MS.
Immunologische Grundlagen der Multiplen Sklerose
Um die Entstehung von Entzündungsherden bei MS zu verstehen, ist es wichtig, die immunologischen Grundlagen der Erkrankung zu betrachten. MS ist eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise Bestandteile des Gehirns und Rückenmarks angreift. Diese fehlgeleitete Immunreaktion entsteht außerhalb des ZNS, im Blut und in den Organen des lymphatischen Systems.
Wenn Immunzellen in diesen Organen aktiviert werden, können ZNS-Antigen-spezifische Immunzellen die Blut-Hirn-Schranke überwinden, sich dort aktivieren und Entzündungen im Gehirn und Rückenmark verursachen. Diese Entzündungen treten vor allem um Blutgefäße und in der Nähe der Hirnventrikel auf.
Entzündungsherde im MRT: Nicht jede Läsion bedeutet einen Schub
In der MRT sind Entzündungen im Gehirn und Rückenmark als akute Herde oder Läsionen sichtbar. Allerdings führt nicht jeder neue Herd zwangsläufig zu Symptomen. Studien haben gezeigt, dass dies nur bei etwa jedem zehnten Herd der Fall ist. Wenn sich ein Herd an einer strategisch wichtigen Position im Gehirn oder Rückenmark befindet, kann es während der akuten Entzündungsphase zu einem neurologischen Ausfall kommen, der als Schub bezeichnet wird.
Nach dem Abklingen der Entzündung bilden sich die Symptome eines Schubs oft, aber nicht immer vollständig zurück. Die verbleibenden Symptome eines unvollständig remittierenden Schubs werden als "residuelle" Ausfälle bezeichnet. Wiederholte Schübe können aufgrund der fehlenden Rückbildung von Schubsymptomen zu einer schrittweisen klinischen Verschlechterung führen. Davon abzugrenzen ist eine kontinuierliche klinische Verschlechterung ohne Schübe bei primär oder sekundär progredienter MS sowie die erst kürzlich entdeckte schleichende Verschlechterung zwischen zwei Schüben, bekannt als PIRA (Progression Independent of Relapses Activity).
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Neben den offensichtlichen Merkmalen der Krankheitsaktivität bei schubförmiger MS (klinische Schübe, neue oder sich vergrößernde MRT-Herde) gibt es leider auch einen "Eisberg von MS-Phänomenen" mit unsichtbaren degenerativen Veränderungen wie kortikalen Läsionen, subklinischen ("schleichenden") Entzündungen oder der Abnahme des Gehirnvolumens.
Schub oder Pseudoschub? Abgrenzung ist entscheidend
Besonders bei länger bestehender MS sind Schwankungen neurologischer Ausfälle häufig und müssen von echten, immunologisch bedingten Schüben unterschieden werden. Eine vorübergehende Verschlechterung bereits bestehender Symptome oder ein Wiederauftreten von in der Vergangenheit aufgetretenen Schubsymptomen wird als "Pseudoschub" bezeichnet.
Typische Ursachen für Pseudoschübe sind eine Erhöhung der Körpertemperatur (Uhthoff-Phänomen), Fieber, Infektionen, aber auch körperliche Überlastung, Stress oder psychische Belastungssituationen. Insbesondere Harnwegs-, Atemwegs- und Hautinfektionen im Rahmen eines Dekubitus sind häufige Ursachen für Pseudoschübe bei MS, insbesondere bei progredienter MS. Daher sind vor einer MS-Schubtherapie eine Blutuntersuchung auf Entzündungswerte sowie eine Urinanalyse und gegebenenfalls weitere diagnostische Maßnahmen wie eine Röntgenaufnahme des Brustkorbs erforderlich. Insbesondere unter hochwirksamen MS-Immunmedikamenten können Infektionen gehäuft auftreten.
Bei hitzebedingten Symptomen bei MS (Uhthoff-Phänomen), die durch eine gestörte Nervenleitfähigkeit bei steigender Körper- oder Außentemperatur auftreten, können Kühlung oder Fampridin helfen.
Behandlungsmöglichkeiten bei MS-Schüben
MS-Schübe mit relevanter Funktionseinschränkung sollten so schnell wie möglich behandelt werden. Die Therapie der Wahl ist die hochdosierte Steroidpulstherapie, in der Regel als intravenöse Infusion über drei bis fünf Tage. Wenn kein venöser Zugang möglich ist oder eine Infusion aus anderen Gründen, z. B. auf Reisen, nicht verfügbar ist, kann die Steroidpulstherapie mit gleicher Wirksamkeit, aber schlechterer Verträglichkeit auch in Tablettenform eingenommen werden. Vor Beginn einer Steroidpulstherapie müssen Kontraindikationen wie akute Infektionen oder Schwangerschaft sowie Leberschäden ausgeschlossen werden. Zudem ist beim ersten Schubereignis besondere Sorgfalt auf den Ausschluss anderer Erkrankungen zu legen.
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In der Regel wirkt die Steroidpulstherapie sehr gut. Wenn es dennoch nicht zu einer Besserung kommt, kann entweder eine zweite Steroidpulstherapie in höherer Dosierung oder eine "Blutwäsche" (Apherese-Therapie) eingesetzt werden. Letztere wird in spezialisierten Zentren in zwei verschiedenen Varianten durchgeführt: entweder als Plasmapherese, bei der Plasma ausgetauscht und Spenderblutbestandteile zurückgegeben werden, oder als Immunadsorption, bei der bestimmte Proteine (Antikörper) aus dem Blut entfernt werden.
Eine Blutwäsche ist bei schweren MS-Schüben oder Schüben bei Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen indiziert und sollte so schnell wie möglich nach Beginn der Symptome begonnen werden. Selten eingesetzte Methoden zur Schubtherapie sind die Infusion von Immunglobulinen, insbesondere bei Kindern und in der Schwangerschaft, sowie die intrathekale Steroidtherapie.
Die meisten MS-Schübe bessern sich unter der Schubtherapie deutlich, weitere Verbesserungen sind innerhalb von sechs Monaten möglich. Häufig ist auch der frühzeitige Beginn einer funktionellen Trainingstherapie, beispielsweise im Rahmen einer Rehabilitationsmaßnahme, sinnvoll.
Nicht alle Schübe müssen behandelt werden, aber jeder Schub sollte Anlass geben, über einen möglichen Wechsel der prophylaktischen MS-Immuntherapie nachzudenken.
Die Rolle der MRT bei der Diagnose und Verlaufskontrolle von MS
Die Magnetresonanztomographie (MRT) spielt eine entscheidende Rolle bei der Diagnose und Verlaufskontrolle der Multiplen Sklerose. Sie ermöglicht die Darstellung von Entzündungsherden im Gehirn und Rückenmark, die für die Erkrankung charakteristisch sind. Die MRT kann bereits im Frühstadium der MS eine Diagnosestellung unterstützen, was für den frühzeitigen Einsatz einer verlaufsmodifizierenden Therapie von großer Bedeutung ist.
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Mittels MRT können Entzündungsherde auch dann nachgewiesen werden, wenn keine typischen körperlichen Anzeichen vorliegen. Daher sind regelmäßige MRT-Untersuchungen auch nach der Diagnose von Multipler Sklerose erforderlich. Die MRT liefert Schichtbilder des Gehirns und Rückenmarks, auf denen Gehirnstrukturen und insbesondere entzündliche Veränderungen sehr genau dargestellt sind.
Vor der Untersuchung wird häufig Gadolinium gespritzt, ein Kontrastmittel, das sich besonders in Entzündungsherden anreichert, die erst kürzlich entstanden sind. Neben neuen und fortschreitenden Entzündungsherden kann eine MRT-Untersuchung auch Aufschluss über das Ausmaß der Gehirnatrophie (Schwund von Hirngewebe) geben, die von den Gewebeschädigungen im Gehirn verursacht wird.
Weitere Ursachen für Entzündungsherde im Gehirn
Obwohl Multiple Sklerose eine häufige Ursache für Entzündungsherde im Gehirn ist, gibt es auch andere mögliche Ursachen, die in Betracht gezogen werden müssen. Dazu gehören:
- Infektionen: Entzündungen des Gehirns, wie z. B. Meningitis oder Enzephalitis, können ebenfalls zu Entzündungsherden führen.
- Vaskuläre Erkrankungen: Erkrankungen der Blutgefäße im Gehirn, wie z. B. Schlaganfälle oder Vaskulitis, können ebenfalls Entzündungen und Läsionen verursachen.
- Autoimmunerkrankungen: Neben MS können auch andere Autoimmunerkrankungen, wie z. B. Lupus oder Sjögren-Syndrom, Entzündungen im Gehirn verursachen.
- Tumore: Hirntumore können ebenfalls Entzündungen und Läsionen im umliegenden Gewebe verursachen.
- COVID-19: Studien haben gezeigt, dass COVID-19 bei einigen Patienten zu neurologischen Komplikationen führen kann, darunter Entzündungen und Läsionen im Gehirn.
Moderne MRT-Techniken und ihre Vorteile
Moderne MRT-Geräte, insbesondere solche mit hoher Feldstärke (z. B. 3-Tesla-MRT), bieten eine besonders hohe Auflösung und ermöglichen eine detailliertere Darstellung von Hirnstrukturen und Entzündungsherden. Dies ist besonders wichtig für die Früherkennung und Diagnose von Erkrankungen wie MS.
Einige Kliniken bieten auch spezielle MRT-Untersuchungen mit "MR-Kino" an, bei denen während der Untersuchung kurze Filme gezeigt werden, um Patienten abzulenken und die Untersuchung angenehmer zu gestalten. Dies kann besonders für Patienten mit Platzangst von Vorteil sein.
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