Wenn es um Nervenerkrankungen im Alter geht, fallen meist die Schlagworte Schlaganfall und Demenz. Die dritthäufigste Nervenkrankheit unter den Senioren, die Altersepilepsie, wird dabei häufig übersehen. Einmal erkannt, sind die Beschwerden aber sehr gut behandelbar.
Was ist Altersepilepsie?
Altersepilepsie, auch als spät auftretende Epilepsie bekannt, bezieht sich auf das Auftreten von epileptischen Anfällen bei Menschen im fortgeschrittenen Alter, typischerweise ab dem 60. Lebensjahr. Diese spät auftretende Form der Epilepsie unterscheidet sich von der frühkindlichen Epilepsie, die in jüngeren Jahren auftritt.
Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die Menschen jeden Alters betreffen kann. Doch im Alter treten epileptische Anfälle häufiger auf und werden unter dem Begriff Altersepilepsie zusammengefasst.
Der Begriff Epilepsie stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Angriff oder Überfall. Es handelt sich um eine Erkrankung des Gehirns, die sich in epileptischen Anfällen (einfach gesagt Krampfanfällen) äußert. Von einer Epilepsie spricht man aber erst dann, wenn der Betroffene wenigstens zwei Anfälle ohne einen erkennbaren Auslöser erlitten hat.
In Deutschland gibt es insgesamt rund 500.000 Epilepsie-Patienten. Die Zahl der Neuerkrankungen liegt bei etwa 10.000 pro Jahr. Am häufigsten sind ältere Menschen von der Erkrankung betroffen. Die Altersepilepsie ist die dritthäufigste Erkrankung des Nervensystems im Alter nach Demenzen und Schlaganfall.
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Statistiken zeigen, dass Männer in Deutschland stärker als Frauen von Altersepilepsie betroffen sind. Die Altersgruppe, in der Altersepilepsie am häufigsten diagnostiziert wird, liegt zwischen 60 und 70 Jahren. Selten entwickelt sich Epilepsie erst im Alter. Nur jede 10. Erkrankung wird erst im hohen Alter festgestellt. 90 Prozent aller Epilepsie-Fälle werden im frühkindlichen Alter diagnostiziert.
Ursachen der Altersepilepsie
Die genauen Ursachen der Altersepilepsie sind oft schwer zu ermitteln. Das Auftreten einer Epilepsie im fortgeschrittenen Lebensalter kann eine ganze Reihe verschiedener Ursachen haben. Bei rund der Hälfte der älteren Patienten mit einer Epilepsie sind Durchblutungsstörungen des Gehirns oder vorangegangene Schlaganfälle der Grund für die Erkrankung. So können beispielsweise auch durch einen Schlaganfall verursachte Narben oder Blutabbauprodukte, die nach einem Schlaganfall im Gehirn verbleiben, zu den epileptischen Anfällen führen.
Im Alter kommen zum Beispiel Vernarbungen, Durchblutungsstörungen, Tumore, eine Demenz oder Schädel-Hirn-Traumen durch Unfälle in Frage. Demenzerkrankungen wie die Alzheimer-Krankheit können ebenfalls eine Epilepsie im Alter verursachen. Rund 3-5 Prozent der Demenzpatienten sind davon betroffen.
Ursachen für die Epilepsie im Alter können unter anderem Kopfverletzungen, kleine Schlaganfälle, beginnende Demenz oder Alkohol-Missbrauch sein.
Die jährliche kumulative Inzidenz aller Epilepsien beträgt über alle Altersgruppen hinweg 67,77/100.000 Personen. Hier sind jedoch zwei Spitzen zu verzeichnen: eine in den ersten fünf Lebensjahren (Early-onset-Epilepsie) und eine weitere jenseits des 50. Lebensjahrs (Late-onset-Epilepsie). Im Alter wird die höchste altersadjustierte Inzidenz von Epilepsien gemessen. Bei den über 65-Jährigen liegt die Inzidenz bei 90-150/100.000 Personen. Ebenso nimmt die Prävalenz mit dem Alter zu und steigt auf 1-2 Prozent bei den über 85-Jährigen. Der Häufigkeitsgipfel in der letzten Lebensdekade ist insbesondere mit dem Auftreten von Epilepsien nach Schlaganfällen und Hirntumoren sowie bei Demenzerkrankungen assoziiert. Bei den Demenzen haben Formen wie die Early-onset-Alzheimer-Erkrankung und die vaskuläre Demenz das größte Risiko, eine Epilepsie zu entwickeln.
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Symptome der Altersepilepsie
Altersepilepsie kann unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Dazu gehören fokale Anfälle, die in einem begrenzten Bereich des Gehirns beginnen, und generalisierte Anfälle, die das gesamte Gehirn betreffen. Epileptische Anfälle im Alter können vielfältige Symptome haben. Es ist wichtig, zu beachten, dass nicht alle Anfälle offensichtlich sind.
Meist verlaufen epileptische Anfälle im Alter leichter. Krampfanfälle, die mit Bewusstlosigkeit, Verkrampfungen und Zuckungen am ganzen Körper einhergehen, sind im Alter selten oder verlaufen schwächer. Typisch für die Altersepilepsie sind eher Anzeichen wie:
- Zuckungen einzelner Muskeln (zum Beispiel der Gesichtsmuskeln)
- Taubheitsgefühle
- Veränderter Geschmack auf der Zunge
- Bewusstseinsstörungen
- Akute Verwirrtheit
- Schwindelanfälle
Ein Epilepsie im Alter kann Symptome hervorrufen, die sich von denen jüngerer Patienten unterscheiden. Symptome eines epileptischen Anfalls bei älteren Menschen können Bewusstseinseintrübungen, die sich beispielsweise durch ein Starren äußern können, eine Sprechblockade, Gedächtnisverlust oder auch Verwirrtheit sein. Die bei jüngeren Menschen häufig auftretenden epileptischen Anfälle mit Muskelkrämpfen, Muskelzuckungen und mitunter auch Bewusstseinsverlust treten bei Senioren eher seltener auf. Weitere Symptome bei älteren Betroffenen können zeitweise auftretende Lähmungserscheinungen oder Missempfindungen sein, aber auch ganz unspezifische Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Muskelschmerzen.
Nicht selten bemerken viele der älteren Patienten ihre oft nur kurze Augenblicke bis wenige Minuten dauernden Anfälle gar nicht, solange sie nicht dabei hinfallen und sich verletzen. Aber gerade diese möglichen Stürze und die damit einhergehende Verletzungsgefahr stellen für ältere Epileptiker ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Ein Sturz kann aufgrund der geringeren Knochendichte im Alter schneller zu Knochenbrüchen führen.
Die Betroffenen sind nach einem Anfall häufig noch verwirrt. Im Gegensatz zu jüngeren Menschen, bei denen dieser Zustand oft schnell verschwindet, kann er bei älteren bis zu einem Tag anhalten. Beschwerden wie diese sollten unverzüglich neurologisch untersucht werden. Es könnten sich auch andere Erkrankungen wie zum Beispiel ein Schlaganfall dahinter verbergen.
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Was passiert bei einem epileptischen Anfall?
Im Normalfall sind die elektrischen und chemischen Signale, die zwischen den Nervenzellen ausgetauscht werden, so gut aufeinander abgestimmt, dass die Hirnareale ihre Funktion reibungsfrei ausüben können. Bei einem epileptischen Anfall bewirkt eine Störung dieses Zusammenspiels, dass sich viele Nervenzellen gleichzeitig entladen und einzelne Hirnregionen reizen. Dann spricht man von einem epileptischen Anfall.
Ein epileptischer Anfall ist im Grunde ein Krampfanfall, der durch eine vorübergehende Funktionsstörung von Nervenzellen im Gehirn ausgelöst wird.
Diagnose der Altersepilepsie
Die Diagnose von Altersepilepsie erfordert eine gründliche Untersuchung durch einen Neurologen. Dies beinhaltet eine Anamnese, neurologische Tests und bildgebende Verfahren wie MRT oder CT-Scans, um mögliche Ursachen oder Anomalien im Gehirn zu identifizieren.
Die Symptome einer Spätepilepsie sollten durch eine umfassende Untersuchung bei einem Neurologen abgeklärt werden. Dabei müssen insbesondere andere mögliche Ursachen für die bestehenden Beschwerden, wie beispielsweise kurzzeitige Hirndurchblutungsstörungen, Schwindelursachen, Migräne oder Medikamenten-Nebenwirkungen ausgeschlossen werden.
Voraussetzung für die Therapie der Altersepilepsie ist eine umfassende Diagnostik. Neben dem Messen der Hirnströme (EEG) kommen bildgebende Verfahren zum Einsatz.
Behandlung der Altersepilepsie
Die Behandlung von Altersepilepsie hängt von der Art und Schwere der Anfälle sowie den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab. In den meisten Fällen werden antiepileptische Medikamente verschrieben, um die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder zu verhindern. Eine sorgfältige Abwägung der Medikamente ist wichtig, um mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu vermeiden.
Die Altersepilepsie ist gut behandelbar. Ältere Patienten mit einer Epilepsie sind heutzutage insbesondere mit modernen Antiepileptika gut zu behandeln. Dabei gilt es jedoch, einige altersbedingte Besonderheiten zu berücksichtigen. Beim Einsatz von Medikamenten muss die Einstellung der Dosierung meist langsam erfolgen. Zudem müssen zusätzliche Erkrankungen des Patienten sowie mögliche Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln, die der Betroffene einnimmt, berücksichtigt werden. Auch ist Dosierung der Medikamente im Alter in der Regel niedriger als bei jüngeren Menschen, da sich der Stoffwechsel des Organismus mit zunehmendem Alter ändert. Ganz entscheidend für eine erfolgreiche Therapie ist die regelmäßige Einnahme der Antiepileptika.
Derzeit stehen mehr als 20 verschiedene Präparate zur Verfügung. Die Medikamente beeinflussen den Gehirnstoffwechsel, haben aber kaum Nebenwirkungen.
Die Altersepilepsie kann in der Regel medikamentös behandelt werden. Welche Behandlung sinnvoll ist, hängt von der Form der Epilepsie und dem Krankheitsverlauf ab. Meist wird eine Epilepsie mit Medikamenten behandelt, sogenannten Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.
Da es oft bei einem einzigen Anfall bleibt, kann man mit einer Behandlung meist erst einmal abwarten. Die Therapie beginnt in der Regel erst nach einem zweiten Anfall. Besteht jedoch ein erhöhtes Risiko für erneute Anfälle, wie etwa bei einer Gehirnerkrankung, kann bereits nach dem ersten Krampfanfall eine Behandlung sinnvoll sein. Wichtig ist, die persönliche Situation ausführlich mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen.
Wer sich für eine Behandlung mit Medikamenten entscheidet, nimmt diese meist über mehrere Jahre ein. Wenn in dieser Zeit keine Anfälle aufgetreten sind, können manche Menschen versuchsweise auf Medikamente verzichten. Andere benötigen ihr Leben lang Medikamente.
Antiepileptika können Nebenwirkungen wie Müdigkeit oder Schwindel haben. Manchmal bestehen spezielle Risiken, zum Beispiel während der Schwangerschaft für das ungeborene Kind. Eine ausführliche ärztliche Beratung ist dann besonders wichtig.
Können die Medikamente Anfälle nicht verhindern, ist ein Eingriff eine Alternative. Operation: Wenn sich bei fokalen Anfällen feststellen lässt, welcher Bereich des Gehirns die Anfälle auslöst, kann er entfernt werden. Das ist aber nicht immer möglich.
Vagusnerv-Stimulation: Dabei wird ein Schrittmacher unter die Haut im Brustbereich implantiert, der elektrische Impulse abgibt. Er ist über Kontakte am Halsbereich mit dem Vagusnerv verbunden und soll die Überaktivität der Nervenzellen hemmen. Der Vagusnerv ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und an der Regulierung der inneren Organe beteiligt. Für den Nutzen dieser Therapie gibt es bisher nur wenige aussagekräftige Studien. Daher wird die Vagus-Stimulation von den gesetzlichen Krankenkassen nur unter besonderen Voraussetzungen im Einzelfall erstattet.
Die Behandlung wird von einer Neurologin oder einem Neurologen begleitet. Kinder und Jugendliche werden von Kinder- und Jugendneurologinnen und -neurologen betreut. Meist findet ein Teil der Untersuchung und Behandlung im Krankenhaus statt. Manche ambulanten Einrichtungen und Kliniken haben sich auf die Behandlung von Menschen mit Epilepsie spezialisiert: Epilepsie-Zentren, Epilepsie-Ambulanzen und Schwerpunktpraxen. Diese eignen sich besonders bei speziellen Problemen, einer unklaren Diagnose oder wenn es trotz Behandlung weiter zu Anfällen kommt.
Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.
Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.
Der Krankheitsverlauf und Unterstützung für Betroffene
Der Krankheitsverlauf von Altersepilepsie kann variieren. Einige Patienten erleben eine vollständige Kontrolle über ihre Anfälle mit der richtigen Behandlung, während andere möglicherweise weiterhin gelegentliche Anfälle haben.
Wenn Sie Familienangehörige haben, die an Altersepilepsie leiden, ist es wichtig, sie zu unterstützen, damit sie möglichst lange selbständig in den eigenen vier Wänden leben können. Vermeiden Sie es, alleine zu lassen, wenn sie Anfälle haben und sorgen Sie für eine sichere Wohnumgebung.
Insgesamt ist es entscheidend, die Bedürfnisse und Herausforderungen von Senioren mit Altersepilepsie zu verstehen und ihnen die bestmögliche Unterstützung und Pflege zukommen zu lassen. Dies kann dazu beitragen, ihre Lebensqualität zu verbessern und die Anfallshäufigkeit zu reduzieren. Eine 24h Betreuungskraft kann Ihren Liebsten helfen, mit den Folgen der Epilepsie zurechtzukommen. Im Notfall ist die Betreuungskraft sofort vor Ort und kann Erste Hilfe leisten.