Epilepsie nach Schädel-Hirn-Trauma: Ursachen und Auswirkungen

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Krampfanfälle gekennzeichnet ist. Ein Krampfanfall, auch epileptischer Anfall genannt, entsteht durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen von Nervenzellen im Gehirn. Betroffene können vorübergehend die Kontrolle über ihren Körper und/oder ihr Bewusstsein verlieren. Dies kann sich in Form von Stürzen, Zuckungen und Krämpfen äußern, aber auch in veränderten Sinneswahrnehmungen oder Bewusstseinsstörungen.

Wie entstehen epileptische Anfälle?

Das zentrale Nervensystem im Gehirn besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die elektrische Signale erzeugen, empfangen und übertragen. Dieses Zusammenspiel ist normalerweise genau aufeinander abgestimmt. Bei Störungen kommt es zu plötzlichen elektrischen Entladungen, die sich im Körper ausbreiten und krampfartige Zuckungen von Muskelgruppen, insbesondere in Armen und Beinen, auslösen können. Diese Zuckungen sind willentlich nicht kontrollierbar.

Jede Schädigung des Hirngewebes kann zu einer spontanen Entladung von Nervenzellen und damit zu einem Krampf führen. Bei Säuglingen und Kleinkindern kann hohes Fieber einen Anfall auslösen, der als Fieberkrampf bezeichnet wird. Epileptische Anfälle oder Epilepsie können grundsätzlich in jedem Lebensalter auftreten, wobei die Ursache manchmal unbekannt bleibt. Bei manchen Menschen erhöhen bestimmte Trigger das Risiko für einen Krampf.

Krampfanfälle können sich auf Bewegungen, Empfindungen und das Bewusstsein auswirken. Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen unterschieden. Bei einem fokalen Anfall ist die Störung auf einen kleinen Bereich in einer der beiden Hirnhälften begrenzt. Ein einmaliger Anfall führt nicht zwangsläufig zu einer Epilepsie. Erst bei wiederholten Anfällen spricht man von einer solchen. Es gibt auch nicht-epileptische Anfälle, die nicht durch unkoordinierte Entladungen von Nervenzellen verursacht werden, sondern andere Ursachen haben.

Krampfanfälle dauern meist ein bis zwei Minuten. Bei einem fokalen Anfall kann der Betroffene ungerichtete Verhaltensweisen zeigen, wie Schmatzen, Lippenlecken oder Nesteln. Auch Muskelzuckungen, verkrampfte Gliedmaßen und Muskelschwäche sind möglich. Während des Anfalls können Kribbeln, Taubheitsgefühle, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Gerüche wahrgenommen werden. Auch plötzliche Angst oder kurze Aussetzer in Sprache oder Gedächtnis können auftreten. Weitere Symptome sind Herzrasen, Schweißausbrüche, Speichelfluss und Übelkeit.

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Generalisierte Krampfanfälle können sich sehr unterschiedlich äußern. Teilweise handelt es sich um kurze "Aussetzer" (Absencen oder Bewusstseinsstörungen). Die betroffene Person kann auch länger ohnmächtig werden und stürzen. Es folgt eine Verkrampfung des ganzen Körpers mit Zuckungen der Arme und Beine. Am häufigsten ist ein tonisch-klonischer Anfall. Dabei spannt sich durch die Anspannung aller Muskeln der Körper plötzlich an (tonische Phase). Es folgt ein Bewusstseinsverlust - und danach die klonische Phase, in der die Muskeln krampfartig durch abwechselndes An- und Entspannen zucken. Bei einem tonisch-klonischen epileptischen Anfall kann es zu Zungen- oder Wangenbissen und Einnässen kommen.

Diagnose von Epilepsie

Zur Diagnose werden ausführliche Gespräche mit dem Patienten geführt und körperliche Untersuchungen durchgeführt. Das Elektroenzephalogramm (EEG) misst die Hirnströme und zeigt, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht. Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn können mittels Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) dargestellt werden. Auch Blutuntersuchungen können helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsie zu finden. Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.

Ursachen von Epilepsie

Alle Epilepsieformen haben ihren Ursprung im Gehirn. Als Auslöser kommen jedoch verschiedenste Ursachen infrage. Es besteht eine Verwechslungsgefahr zwischen den Auslösern einer Epilepsie und den Triggern einzelner Anfälle. Trigger sind bestimmte Reize oder Situationen, die zu Reflexanfällen führen können, wie z. B. Flackerlicht, Alkohol, Drogen, Fernsehen, Stress, Schlafmangel oder extreme Witterungswechsel. Diese Reize sind jedoch keine Auslöser einer Epilepsie, sondern können lediglich Anfälle auslösen. Zudem reagieren nicht alle Menschen mit Epilepsie auf diese Trigger mit einem Krampfanfall. Die genannten Trigger können theoretisch bei allen Menschen zu akut-symptomatischen Krampfanfällen oder Fieberkrämpfen führen, auch wenn diese nicht an Epilepsie leiden.

Das Krankheitsbild Epilepsie wird dadurch definiert, dass Krampfanfälle auch ohne erkennbare Auslöser, also als nicht-provozierte Anfälle, auftreten. Nur dann spricht man wirklich von einer Epilepsie. Treten Anfälle ausschließlich bei entsprechender Provokation oder unter bestimmten Umständen auf, handelt es sich nicht um epileptische Anfälle. Die wirklichen Auslöser einer Epilepsie, die man eher als Ursache der Erkrankung bezeichnen sollte, sind niemals äußere Reize, sondern im Gehirn und Stoffwechsel der Patienten zu suchen.

Grundsätzlich kann jedes Ereignis, das einen Schaden im Gehirn verursacht, ein potenzieller Auslöser für ein epileptisches Anfallsleiden sein. Die Medizin unterscheidet hier strukturelle, infektiöse, metabolische, genetische und immunologische Ursachen.

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  • Strukturelle Ursachen: Veränderungen am Gehirn, wie sie beispielsweise durch Schlaganfälle, Tumore oder Kopfverletzungen entstehen können. Die strukturellen Veränderungen können mitunter zu einem erhöhten Hirndruck oder Durchblutungsstörungen führen, die dann epileptische Anfälle begünstigen. Narben im Gehirn, beispielsweise nach einem Geburtsschaden, Schlaganfall, Unfall oder einer Entzündung, können ebenfalls zu einer Übererregbarkeit mit fokalen Anfällen führen. Ein Teil dieser Fehlbildungen betrifft beide Hirnhälften und manchmal die gesamte Hirnrinde (Pachygyrie, Lissenzephalie, beidseitige Polymirkogyrie, Bandheterotopie). Die Betroffenen sind meist schwer behindert und haben schwierig zu behandelnde Epilepsien. Andere Fehlbildungen sind regional begrenzt und verursachen fokale Anfälle aus dieser Region (umschriebene Polymikrogyrie, noduläre Heterotopie). Eine besondere Rolle spielen die fokalen kortikalen Dysplasien (fokal= nicht überall, umschrieben; kortikal= die Hirnrinde betreffend; Dysplasie= Fehlanlage). Diese sind eine häufige Ursache schwer behandelbarer fokaler Epilepsien im Kindesalter und entgehen häufig einer Routine-MRT-Untersuchung, vor allem im Alter unter 2 Jahren. Bei Kindern mit entsprechend schwierigem Verlauf sollte unbedingt eine hochauflösende MRT mit gezielten Sequenzen zur Darstellung fokaler kortikaler Dysplasien durchgeführt und ggf. nach Abschluss der Hirnreifung wiederholt werden.

  • Infektiöse Ursachen: Infektionen des Gehirns, die beispielsweise durch Borreliose oder andere Viren oder Bakterien hervorgerufen werden können.

  • Metabolische Ursachen: Veränderungen im Stoffwechsel, die beispielsweise mit seltenen Stoffwechselerkrankungen wie der Phenylketonurie in Verbindung stehen.

  • Genetische Ursachen: Genetisch bedingt haben manche Menschen eine stärkere Veranlagung zu epileptischen Anfällen als andere. Die Forschung geht heute davon aus, dass bei diesen Patienten ein oder mehrere Gene defekt sind, die als Ursache der Epilepsie anzusehen sind. Häufig sind die betroffenen Gene nicht bekannt, und es müssen bestimmte Gen-Konstellationen vorliegen, damit es zu einer Epilepsie kommt. Daher sind diese Epilepsie-Ursachen meist nicht vererbbar, auch wenn sie neuerdings als genetische Epilepsien bezeichnet werden. Von den etwa 20.000 Genen, die wir in jeder Körperzelle in uns tragen, haben tausende mit der Gehirnfunktion und -entwicklung zu tun. Wenn ein Gen, dass für die Hirnfunktion sehr wichtig ist und etwas mit der Erregung der Nervenzellen zu tun hat, krankhaft verändert ist, dann kann das zur Epilepsie führen (monogenetische Epilepsie). Es sind über 500 Gene, deren Mutation zur Epilepsie führen kann, bekannt. Diese Gene können im Labor einzeln oder im Rahmen der modernen Abklärung alle gleichzeitig untersucht werden (next generation sequencing, NGS). Es ist sogar möglich, alle Gene des Menschen in einer einzigen Untersuchung auf Mutationen hin abzuklären, wobei man sich darüber klar sein muss, dass es auch Zufallsbefunde mit und ohne Relevanz geben kann. Nach dem Gendiagnostikgesetz muss vor einer genetischen Diagnostik eine umfassende Aufklärung über den Sinn und Zweck, die Methodik und den Umgang mit Zusatzbefunden erfolgen und eine Einwilligung der Betroffenen, bzw. Sorgeberechtigten eingeholt werden. Die allermeisten monogenetischen Epilepsien sind nicht ererbt, sondern beruhen auf spontanen, also schicksalhaften Mutationen. Jedes Gen ist in der Zelle zweimal, also von Mutter und Vater stammend, vorhanden. Bei manchen Genen kann schon eine spontane Mutation einer Kopie des Gens zur Krankheit führen, was man „autosomal dominant“ nennt. Betroffene werden diese Mutation und die Krankheit statistisch an die Hälfte ihrer eigenen Kinder weitergeben. Da eine Mutation in Abhängigkeit von der übrigen genetischen Ausstattung der Zellen nicht immer zum vollen Krankheitsbild führen muss, kann es selten sein, dass in einer Familie jemand, der dieselbe Mutation trägt, nur mild oder sogar gar nicht betroffen ist. Dann ist eine Vererbung möglich, obwohl ansonsten scheinbar niemand in der Familie betroffen ist. Epilepsien werden selten „autosomal rezessiv“ vererbt, so dass Vater und Mutter jeweils eine Mutation und eine normale Genkopie in sich tragen und gesund sind, dann aber mit einem Risiko von 25% beide mutierten Kopien an das Kind weitergegeben werden, welches dann erkrankt. Vor einem Gentest muss also auch darüber gesprochen werden, wie man mit einer möglichen Vererbung umgeht. Erfahrungsgemäß sind Eltern aber erleichtert, wenn bei ihrem Kind endlich eine Diagnose schwarz auf weiß gestellt wurde, da nicht selten vor allem die Mütter über Jahre Schuldgefühle in sich tragen („Was habe ich falsch gemacht, dass mein Kind krank ist?“). Selten kann das Wissen um den Mechanismus, dessen Störung zur Epilepsie führt, einen personalisierten Therapieansatz ermöglichen („Präzisionsmedizin“). Wenn es sich bei dem betroffenen Gen um eines handelt, dass nur in einer bestimmten Phase der Hirnentwicklung wichtig ist, kann es sein, dass die Epilepsie nach dieser Zeit ausheilt. Andere Gene spielen lebenslang eine wichtige Rolle und eine Ausheilung der Epilepsie ist bei einer entsprechenden Mutation dann unwahrscheinlich. Bei den meisten Menschen mit genetischer Epilepsie sind die Ergebnisse der Mutationssuche normal. Die exakte Ursache bleibt unklar. In den meisten dieser Fälle ist es so, dass gar nicht ein einziges, für das Gehirn wichtiges Gen krankhaft mutiert ist, sondern eine kritische Anzahl an Genen minimale Varianten ihrer Aktivität zeigen, die jede für sich eigentlich noch normal sind (Normvarianten). Dabei funktioniert das eine Gen vielleicht ein bisschen zu stark und ein anderes ein bisschen zu wenig. Erst die Kombination dieser Veränderungen führt dann zur Krankheit. Diese Veranlagung nennt man „polygenetisch“. Diese häufige Form genetischer Epilepsien lässt sich heutzutage noch nicht im Labor diagnostizieren, da ja kein Gen krankhaft verändert ist und die Varianten ja auch bei Gesunden vorkommen. Gerade bei polygenetischer Epilepsie ist die Hoffnung auf einen selbstlimitierten Verlauf mit spontaner Ausheilung („verwächst sich“) groß, da ein Teil der Gene möglicherweise im Laufe der Entwicklung weniger Bedeutung haben und andere, ähnliche Gene ihre Funktion übernehmen können. Auch kann das Gleichgewicht von Erregung und Hemmung wiederhergestellt werden, wenn weitere genetische Aktivitäten im Laufe der Zeit hinzukommen und kleine Funktionsstörungen ausgleichen. Im Grunde ist es so, dass die Langzeitprognose einer Epilepsie umso besser ist, je weniger in der diagnostischen Abklärung gefunden wird. Bei manchen Epilepsien ist es sogar so, dass von Beginn an von einer guten Langzeit-Prognose ausgegangen werden kann (z. B.

  • Immunologische Ursachen: Entzündungsvorgänge im Gehirn, beispielsweise wenn die eigene Körperabwehr (Immunsystem) das Hirngewebe angreift und es zu einer Hirnhautentzündung kommt.

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Zusätzlich gibt es sogenannte kryptogene Epilepsien, die heute als Epilepsie mit unbekannter Ursache bezeichnet werden. Sie erfüllen die Kriterien für eine Epilepsie (Anfallshäufigkeit von nicht-provozierten Anfällen), jedoch ohne erkennbare strukturelle, immunologische, genetische, metabolische oder infektiöse Ursache. Eine spezifische Diagnose kann jedoch gestellt werden, wenn unter Berücksichtigung der ärztlichen Befunde, des EEG, der Symptomatik des Krampfanfalls und weiterer Aspekte ein spezifisches Epilepsie-Syndrom diagnostiziert wird.

Epilepsie nach Schädel-Hirn-Trauma

Ein Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist eine häufige Ursache für erworbene Epilepsie, insbesondere bei Erwachsenen. Die Verletzung des Gehirns kann zu Narbenbildung und strukturellen Veränderungen führen, die die elektrische Aktivität der Nervenzellen stören und die Entstehung von Anfällen begünstigen. Das Risiko, nach einem SHT eine Epilepsie zu entwickeln, hängt von der Schwere der Verletzung ab.

  • Leichte SHT: Das Risiko für eine posttraumatische Epilepsie ist gering.
  • Schwere SHT: Das Risiko ist deutlich erhöht, insbesondere wenn Begleitverletzungen wie Hirnblutungen oder Schädelbrüche vorliegen.

Die Anfälle können unmittelbar nach dem Trauma auftreten (frühe posttraumatische Anfälle) oder sich erst Monate oder Jahre später entwickeln (späte posttraumatische Anfälle). Frühe Anfälle sind nicht immer ein Zeichen für eine sich entwickelnde Epilepsie, während späte Anfälle ein höheres Risiko für eine dauerhafte Anfallserkrankung darstellen.

Behandlung von Epilepsie nach SHT

Die Behandlung von Epilepsie nach SHT ähnelt der Behandlung anderer Epilepsieformen. Ziel ist es, die Anfälle mit Medikamenten (Antiepileptika) zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. In einigen Fällen kann eine Operation in Erwägung gezogen werden, um Narbengewebe oder andere strukturelle Veränderungen zu entfernen, die die Anfälle verursachen.

Leben mit Epilepsie: Was man beachten sollte

Menschen mit Epilepsie können in vielen Fällen ein normales Leben führen, wenn die Anfälle gut kontrolliert sind. Es gibt jedoch einige wichtige Punkte zu beachten:

  • Regelmäßige Medikamenteneinnahme: Antiepileptika müssen regelmäßig und wie verordnet eingenommen werden, um einen ausreichenden Schutz vor Anfällen zu gewährleisten.
  • Vermeidung von Triggern: Bekannte Trigger sollten möglichst vermieden werden, um das Anfallsrisiko zu minimieren.
  • Sicherheit: In bestimmten Situationen, wie z. B. beim Baden, Schwimmen oder Autofahren, ist besondere Vorsicht geboten.
  • Unterstützung: Der Austausch mit anderen Betroffenen und die Unterstützung durch Familie und Freunde können helfen, mit der Erkrankung umzugehen.
  • Erste Hilfe: Angehörige und Freunde sollten über das richtige Verhalten bei einem epileptischen Anfall informiert sein.

Verhalten bei einem epileptischen Anfall

Wenn man Zeuge eines epileptischen Anfalls wird, ist es wichtig, ruhig und besonnen zu bleiben und die Person vor Verletzungen zu schützen. Bei einem großen generalisierten Anfall sollte man:

  • Den Betroffenen auf den Boden legen und den Kopf polstern.
  • Gefährliche Gegenstände in der Umgebung entfernen.
  • Enge Kleidung am Hals lockern.
  • Nicht versuchen, die Person festzuhalten oder etwas in den Mund zu schieben.
  • Nach dem Anfall bei der Person bleiben, bis sie wieder vollständig orientiert ist.
  • Bei einem Anfall, der länger als 5 Minuten dauert, oder bei einer Anfallsserie den Notruf 112 rufen.

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