In Deutschland leben über 600.000 Menschen mit Epilepsie, einer neurologischen Erkrankung, die durch vielfältige Symptome wie Gefühlsstörungen, Anfälle mit Bewusstseinstrübung und unkontrollierbaren Handlungen bis hin zu schweren Krämpfen gekennzeichnet ist. Für viele Betroffene bedeutet dies eine erhebliche Einschränkung ihrer Lebensqualität. Während etwa zwei Drittel der Patienten mit Medikamenten geholfen werden kann, stellt die Epilepsiechirurgie für die übrigen eine vielversprechende Option dar, um Anfallsfreiheit zu erreichen. Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Aspekte von Epilepsie-Operationen in Deutschland, einschließlich der Kosten, der verfügbaren Verfahren und der Erfolgschancen.
Epilepsiechirurgie als Therapieoption
Für etwa ein Drittel der Epilepsie-Patienten reichen Medikamente, sogenannte Antiepileptika, nicht aus, um die Anfälle vollständig zu kontrollieren. In diesen Fällen kann eine Operation eine sinnvolle Alternative sein. Professor Dr. Christian Elger betont, dass die Epilepsiechirurgie diesen Patienten eine einzigartige Chance bietet, von der Epilepsie geheilt zu werden.
Die Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung e.V. (DGKN) kritisiert, dass diese wichtige Therapieoption noch immer zu selten oder zu spät in Betracht gezogen wird. Studien zeigen, dass durch eine Operation etwa zwei Drittel der jugendlichen Patienten dauerhaft anfallsfrei werden können, bei Erwachsenen immerhin noch 58 Prozent. Auch bei Patienten, die nach der Operation nicht vollständig anfallsfrei sind, können die Anfälle deutlich reduziert werden.
Professor Dr. med. Felix Rosenow, Leiter des Epilepsiezentrums Frankfurt Rhein-Main der Goethe Universität Frankfurt/Main, erklärt, dass mithilfe moderner Antikonvulsiva etwa 70 Prozent der Betroffenen anfallsfrei leben können. Dies bedeutet jedoch, dass bei fast jedem dritten Patienten die medikamentöse Therapie allein nicht ausreicht. In solchen Fällen stellt die operative Entfernung des Epilepsieherdes eine wichtige Behandlungsmöglichkeit dar.
Präoperative Diagnostik und Operationsplanung
Um festzustellen, ob ein chirurgischer Eingriff für einen Patienten in Frage kommt, ist eine präzise Diagnostik unerlässlich. Fragen nach den Erfolgsaussichten und möglichen Funktionsausfällen werden im Vorfeld der Operation geklärt.
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„Mithilfe von Hirnstrom-Ableitungen (EEG), der Magnetoenzephalografie (MEG) und modernen bildgebenden Verfahren wie der speziellen epilepsieangepassten Hochfeld-Kernspinntomografie (3T MRT) lässt sich die auslösende Hirnregion sehr genau eingrenzen“, erklärt Rosenow. Diese Untersuchungen sind eine wichtige Voraussetzung, um einen operativen Eingriff überhaupt planen zu können. Allerdings kritisiert der Neurologe, dass Teile der spezialisierten präoperativen Diagnostik wie die MEG und EEG-Quellenlokalisation bislang nicht mit den Krankenkassen abgerechnet werden können und nur im Rahmen von Forschungstätigkeit eingesetzt werden.
Die Entscheidung für oder gegen eine chirurgische Intervention liegt immer beim Patienten selbst. Rosenow betont, dass dies zuweilen eine schwere Entscheidung sein kann, wie etwa bei einem kleinen Mädchen, dessen Epilepsie sich durch Handzuckungen bemerkbar machte, darüber hinaus aber auch die Gehirnentwicklung erheblich beeinträchtigte. „Durch die Entfernung des Anfallsherdes konnte das Gehirn des Mädchens sich wieder normal entwickeln. Der Preis hierfür war jedoch eine dauerhafte Lähmung der betroffenen Hand“, berichtet Rosenow. Solche neurologischen Defizite seien in manchen Fällen unvermeidbar, könnten aber heute auf ein Minimum begrenzt werden.
Konventionelle Operationsverfahren und innovative Technologien
Bei der Behandlung von Epilepsie kommen verschiedene Operationsverfahren zum Einsatz. Zu den herkömmlichen Verfahren gehört die mikrochirurgische Entfernung des Anfallsherdes. In bestimmten Fällen, insbesondere bei fokalen Epilepsien, können auch stereotaktische Verfahren eingesetzt werden.
Eine innovative Technologie ist das Visualase-System, eine MRT-geführte Laserablationstechnologie. Hierbei wird Laserenergie mithilfe eines Applikators in den Zielbereich transportiert. Die über eine laser-diffundierende Faser abgegebene Energie bewirkt einen Temperaturanstieg im Zielbereich und zerstört kontrolliert unerwünschtes Weichgewebe. Professor Dr. erklärt: „Dieses hochmoderne Verfahren erlaubt uns, kleine Gewebebereiche minimal-invasiv und sehr exakt zu behandeln. Die Wirkung des Lasers im Gehirn wird dabei im Magnetresonanztomografen live sichtbar gemacht und überwacht. Wir sind stolz und freuen uns sehr, dass wir Vorreiter in Deutschland sind und dieses Verfahren hier in der Beta Klinik anbieten werden können.“
Ein weiterer Vorteil der Laserablationstechnologie ist die Minimierung des Risikos kognitiver Beeinträchtigungen. Professor Dr. betont: „Bei den herkömmlichen Operationsverfahren im Schläfenlappen kann die Kognition, also die Lern- und Gedächtnisfähigkeit, beschädigt werden, da die Neurochirurgen während der Operationen meist in kritischen Hirnregionen arbeiten müssen. Durch die hohe Präzision beim Einsatz des neuen Lasers lässt sich dieses Risiko vermeiden.“
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Am Universitätsklinikum Frankfurt wurde am 20. Juli 2021 deutschlandweit erstmalig eine stereotaktische Laserablation an einem Epilepsiepatienten durchgeführt, die durch eine gesetzliche Krankenkasse finanziert wird. Der behandelte Patient litt unter zahlreichen epileptischen Anfällen, die seine Lebensqualität erheblich einschränkten. Nach dem Eingriff war der Patient gut ansprechbar und konnte bereits nach 48 Stunden die Klinik verlassen.
Auch am Universitätsklinikum Heidelberg wurde ein zweijähriger Junge mit einem seltenen gutartigen Hirntumor mithilfe eines minimalinvasiven Laserverfahrens von seiner Epilepsie befreit. Bei diesem Eingriff wurde eine Lasersonde über eine kleine Öffnung der Schädeldecke in den erkrankten Hirnbereich eingeführt und der Tumor verödet.
Kosten von Epilepsie-Operationen
Epilepsie verursacht erhebliche Krankheitskosten, wobei neben direkten und indirekten Kosten insbesondere intangible Krankheitskosten (iCOI) von Bedeutung sind. Diese umfassen den durch die Erkrankung bedingten Verlust an Lebensqualität und psychischem Wohlbefinden. Epilepsiechirurgie kann durch Anfallsreduktion und verbesserte Lebensqualität zur Senkung der iCOI beitragen.
Eine Studie untersuchte die Dynamik intangibler Kosten nach Epilepsiechirurgie in Deutschland. Die Ergebnisse zeigten eine relevante Reduktion der intangiblen Krankheitskosten von im Mittel 2678 €, 3734 € bzw. 4866 € pro Jahr nach 6, 12 und 24 Monaten nach epilepsiechirurgischem Eingriff. Es ergab sich ein signifikanter Unterschied zwischen vollständig anfallsfreien Patienten und Patienten mit anhaltenden Auren bzw. Anfällen nach Operation.
Die jährliche Reduktion der iCOI wurde zum Zeitpunkt des Follow-up nach 24 Monaten auf im Mittel −4866 € kalkuliert (±5982 €, Median −5000 €), wobei die Spanne zwischen einer Zunahme der iCOI um 9445 € und einer Abnahme von 20.000 € lag.
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Eine univariate Analyse potenzieller prädiktiver Faktoren ergab signifikante Ergebnisse für das postoperative Sistieren generalisiert tonisch-klonischer und fokaler Anfälle. Eine Reduktion der Anzahl der ASM, das Sistieren von UAW, generalisiert tonisch-klonischen sowie fokalen Anfällen und eine rückläufige Depressivität konnten als signifikant mit einer Reduktion der iCOI zum Zeitpunkt 24 Monate nach epilepsiechirurgischem Eingriff identifiziert werden.
Die Analyse krankheitsspezifischer Kosten gewinnt in einem zunehmend ökonomisch ausgerichteten Gesundheitssystem mehr und mehr an Relevanz. Aus gesundheitsökonomischer Sicht setzen sich die verletzungsbedingten Kosten im Rahmen epileptischer Anfälle aus direkten Versorgungskosten, indirekten Kosten und intangiblen Kosten zusammen.
Eine Studie analysierte die stationären, direkten Versorgungskosten von Patienten mit Verletzungen im Rahmen epileptischer Anfälle. Der tatsächliche mittlere DRG-Erlös der analysierten Fälle betrug 7408 € (±8993 €, Median 5008 €). In der Kalkulation der krankheitsspezifischen Behandlungskosten zeigte sich im Mittel ein Betrag von 9423 € (± 11.113 €, Median 5626 €). Die Analyse kostenverursachender Faktoren zeigte eine starke signifikante Korrelation erhöhter direkter Kosten mit einer Aufenthaltsdauer von ≥7 Tage.
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