Epilepsie und Schichtarbeit: Studien, Auswirkungen und Empfehlungen für den Arbeitsplatz

Einführung

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit und kann sich aufgrund der Anfallsrisiken auf die berufliche Teilhabe betroffener Menschen auswirken. Die vorliegende Artikels untersucht den Zusammenhang zwischen Epilepsie und Schichtarbeit, beleuchtet die Herausforderungen und gibt Empfehlungen für Arbeitgeber, Arbeitsmediziner und Betroffene, um die berufliche Teilhabe von Menschen mit Epilepsie zu verbessern.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des Nervensystems, die durch wiederkehrende krampfartige Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle treten meist ohne erkennbaren Grund auf und sind die Folge von überschießenden Entladungen von Nervenzellen in einzelnen Hirnregionen oder im gesamten Gehirn. Auslöser können vielfältig sein, wie z. B. Flackerlichteffekte, Schlafentzug oder ein gestörter Schlafrhythmus, der häufig durch Schichtarbeit bedingt ist. Es ist wichtig zu betonen, dass ein einzelner epileptischer Anfall nicht zwangsläufig auf Epilepsie hindeutet, da jeder Mensch unter bestimmten Umständen einen Gelegenheitsanfall erleiden kann. Von Epilepsie spricht man in der Regel erst, wenn mindestens zwei spontane Anfälle aufgetreten sind.

Ursachen und Häufigkeit von Epilepsie

Epilepsien können durch genetische Veranlagung, aber auch durch Unfälle oder Krankheiten ausgelöst werden. Etwa die Hälfte aller Epilepsien tritt vor dem 10. Lebensjahr auf, etwa zwei Drittel vor dem 20. Lebensjahr. Danach sinkt das Erkrankungsrisiko und steigt ab dem 55. Lebensjahr wieder an. Neben den Anfällen können neuropsychologische, psychiatrische oder körperliche Begleitsymptome wie Lern- und Gedächtnisstörungen, Depressionen, Ängste oder feinmotorische Störungen auftreten.

Arten von epileptischen Anfällen

Da der Verlauf und die Auswirkungen epileptischer Anfälle je nach betroffener Hirnregion sehr unterschiedlich sind, kann man nicht von einem typischen epileptischen Anfall sprechen. Anfälle lassen sich grob in zwei Gruppen einteilen:

  • Fokale Anfälle: Bei einfach-fokalen Anfällen bleibt das Bewusstsein erhalten, der Anfall wird voll miterlebt. Die Anfälle äußern sich durch ungewöhnliche Sinnesempfindungen. Die leichteste Form eines einfach-fokalen Anfalls ist die Aura. Sie dauert meist nur wenige Sekunden und kann isoliert auftreten oder andere Anfallsformen einleiten. Im Gegensatz zu einfach-fokalen Anfällen ist das Bewusstsein bei komplex-fokalen Anfällen eingeschränkt. Während des Anfalls ist die Koordinationsfunktion des Gehirns teilweise gestört.
  • Generalisierte Anfälle: Bei Absencen kommt es zu einer kurzen Bewusstseinspause ohne Sturz. Die Betroffenen blicken starr oder verträumt und sind nicht ansprechbar. Myoklonische Anfälle werden von den Betroffenen als blitzartiger elektrischer Schlag oder als Schreck erlebt. Die Person kann zu Boden fallen oder Gegenstände wegschleudern. Der Grand Mal ist ein generalisierter Anfall, bei dem die betroffene Person das Bewusstsein und die Kontrolle über ihren Körper verliert.

Epilepsie und Schichtarbeit

Ein gestörter Schlafrhythmus, wie er bei Schichtarbeit häufig vorkommt, kann ein Auslöser für epileptische Anfälle sein. Es gibt zwar keine systematischen Untersuchungen zum direkten Einfluss von Schichtarbeit auf die Anfallshäufigkeit, doch die Erfahrung zeigt, dass unregelmäßige Arbeitszeiten und Schlafentzug das Anfallsrisiko erhöhen können.

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Auswirkungen von Epilepsie auf die berufliche Teilhabe

Epileptische Anfälle können die berufliche Teilhabe betroffener Menschen beeinträchtigen. Solange mit Anfällen gerechnet werden muss und die Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist, bestehen Risiken für die erkrankte Person selbst und für andere Personen im Arbeitsumfeld. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die meisten Menschen mit Epilepsie dank einer Therapie anfallsfrei leben und in der Regel keine besondere Unterstützung am Arbeitsplatz benötigen. Sie haben auch keine höheren Fehlzeiten oder mehr Arbeitsunfälle als andere Beschäftigte.

Rechtliche Aspekte und Arbeitsschutz

Grundsätzlich sind alle Arbeitgeber nach § 5 Arbeitsschutzgesetz und nach der DGUV Vorschrift 1 verpflichtet, alle mit der Arbeit verbundenen Gefährdungen zu beurteilen, um die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen. Ein pauschales Verbot bestimmter Tätigkeiten ist jedoch nicht sinnvoll, da jeder Anfall anders verläuft und individuell beurteilt werden muss. Die Frage, ob Epilepsie eine Behinderung darstellt, kann nicht pauschal beantwortet werden, da epileptische Anfälle nur ein Symptom verschiedener Erkrankungen sind und wenig über die Leistungsfähigkeit und soziale Teilhabe der Betroffenen aussagen. Der Grad der Behinderung (GdB) bei Epilepsie richtet sich nach Art, Schwere, Häufigkeit und tageszeitlicher Verteilung der Anfälle.

Empfehlungen für Arbeitgeber und Betroffene

Um die berufliche Teilhabe von Menschen mit Epilepsie zu fördern, sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:

  • Information und Aufklärung: Mangelnde Information über die tatsächlichen Gefahren, aber auch über die vorhandenen Chancen von Epilepsie, können zu Vorurteilen und unnötigen Einschränkungen führen. Arbeitgeber sollten sich umfassend über die Erkrankung informieren und ihre Mitarbeiter entsprechend aufklären.
  • Individuelle Gefährdungsbeurteilung: Jeder Arbeitsplatz sollte individuell auf die spezifischen Bedürfnisse und Einschränkungen des betroffenen Mitarbeiters angepasst werden. Dabei sollten die Anfallsart, die Anfallshäufigkeit, mögliche Auslöser und die Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden.
  • Anpassung des Arbeitsplatzes: Es können technische Lösungen wie spezielle Arbeitsmittel oder Anpassungen der Arbeitsumgebung zum Einsatz kommen, um die Sicherheit des Mitarbeiters zu gewährleisten.
  • Flexible Arbeitszeiten: Wenn möglich, sollten flexible Arbeitszeiten angeboten werden, um den individuellen Schlafrhythmus des Mitarbeiters zu berücksichtigen und Schlafentzug zu vermeiden.
  • Offene Kommunikation: Eine offene Kommunikation zwischen Arbeitgeber, Mitarbeiter und behandelndem Arzt ist entscheidend, um mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und gemeinsam Lösungen zu finden.
  • Erste Hilfe Schulungen: Mitarbeiter sollten in Erster Hilfe bei epileptischen Anfällen geschult werden, um im Notfall richtig reagieren zu können.

Tätigkeiten mit besonderen Anforderungen

Einige berufliche Tätigkeiten erfordern besondere Vorsichtsmassnahmen bei Epilepsie. Hierzu gehören:

  • Tätigkeiten mit Absturzgefahr: Nach den berufsgenossenschaftlichen Richtlinien des arbeitsmedizinischen Ausschusses der DGUV gelten besonders strenge Regelungen für Arbeiten in einer Höhe von 3 m über festem Boden mit Absturzgefahr.
  • Fahr-, Steuer- und Überwachungstätigkeiten: Viele berufliche Tätigkeiten erfordern das Führen eines Fahrzeugs. Die Fahrerlaubnis hängt von der Anfallsfreiheit ab und wird in verschiedenen Gruppen unterschiedlich gehandhabt.
  • Bildschirmarbeit: Nur bei einem kleinen Teil der Betroffenen können rhythmische Lichtreize fotosensible Reaktionen auslösen. Bei den heute überwiegend verwendeten Bildschirmen mit Flüssigkristallanzeige (LCD) besteht jedoch keine Anfallsgefahr.

Arbeitsunfall und Haftung

Kein Arbeitsunfall liegt vor, wenn Beschäftigte während der Arbeitszeit oder auf dem Weg zur oder von der Arbeit einen Anfall erleiden und der Sturz zu einer behandlungsbedürftigen Verletzung führt. Nach der Empfehlung des Ausschusses für Arbeitsmedizin der DGUV liegt ein Arbeitsunfall nur dann vor, wenn betriebliche Umstände wesentlich zum Eintritt und zur Schwere des Unfalls beigetragen haben. Die Haftpflichtversicherung springt bei Unfällen immer ein, nimmt aber bei fahrlässigem oder grob fahrlässigem Verhalten die Verursacherinnen oder Verursacher in Regress. Da eine Person während eines Anfalls häufig keine Kontrolle über ihre Sinne und/oder die Bewegungen hat, kann ihr weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

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Informationspflicht und Bewerbungsgespräch

Arbeitnehmer sind grundsätzlich nicht verpflichtet, ihre Arbeitgeber über ihre Erkrankung zu informieren. Wenn aber das Unternehmen jedoch bei der Auswahl oder der Gestaltung des Arbeitsplatzes auf wesentliche Funktionseinschränkungen im Hinblick auf die geforderten Tätigkeiten Rücksicht nehmen muss, sind die Beschäftigten verpflichtet, ihre Arbeitgeber auf die Erkrankung hinzuweisen. Es empfiehlt sich, im Bewerbungsgespräch zunächst die eigenen Stärken und Fähigkeiten zu betonen, bevor die Erkrankung oder Behinderung zur Sprache kommt. Umgekehrt dürfen Arbeitgeber nur dann nach einer Erkrankung fragen, wenn diese die Eignung für die Tätigkeit dauerhaft einschränkt.

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