Epilepsie und Sonnenlicht: Ein umfassender Überblick

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn. Es gibt verschiedene Formen von Epilepsie, und die Auslöser für Anfälle können vielfältig sein. Einer dieser Auslöser, der oft übersehen wird, ist Sonnenlicht.

Fotogene Epilepsie: Wenn Licht zum Auslöser wird

Bei manchen Menschen mit Epilepsie können flackernde Lichtreize epileptische Anfälle auslösen. Dies wird als fotogene Epilepsie bezeichnet. Sie gehört zu den Reflexepilepsien, bei denen spezifische anfallsauslösende Faktoren bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung reflexartig zum Auftreten epileptischer Anfälle führen.

Historischer Hintergrund

Schon im alten Rom war bekannt, dass epileptische Anfälle durch rasch wechselnde Hell-Dunkel-Kontraste ausgelöst werden können. Heute sind Diskotheken mit ihrem Flackerlicht ein typischer Auslöser.

Moderne Auslöser

Fotogene Anfälle vor dem Fernsehapparat sind seltener geworden, seitdem die alten Röhrenbildschirme durch Flachbildschirme abgelöst wurden. Allerdings können Videospiele oder Fernsehsendungen mit flackernden Lichtreizen in ihren Bildfolgen, insbesondere bei Frequenzen zwischen fünf und 50 pro Sekunde, bei empfindlichen Kindern mit fotogenen Anfällen reagieren, was auch ein flimmerfreier Bildschirm nicht verhindern kann.

Ein bekanntes Beispiel ist der Vorfall in Japan im Dezember 1997, als während der Ausstrahlung der Zeichentrickserie Pokémon 700 Kinder epileptische Anfälle erlitten. Ursache war ein schneller Wechsel von rotem und blauem Licht. Auch allein das Betrachten kontrastreicher Streifen- oder Schachbrettmuster kann anfallsauslösend sein.

Lesen Sie auch: Kann ein Anfall tödlich sein?

Ein Fallbeispiel

Ein anschauliches Beispiel ist eine Jugendliche, die bei der Suche nach einem Ball auf einem Getreidefeld mit kniehohen Halmen einen epileptischen Anfall erlitt - ausgelöst durch Sonne und die regelmäßigen Streifenmuster der Halme.

Weitere Reflexepilepsien

Neben der fotogenen Epilepsie gibt es noch weitere Reflexepilepsien, die durch spezifische Reize ausgelöst werden können:

  • Startle (Schreck)-Epilepsie: Ausgelöst durch meist akustische Schreckreize.
  • Audiogene Reflexepilepsie: Ausgelöst durch ganz bestimmte Töne oder Melodien.
  • Seltenere Reflexepilepsien: Ausgelöst durch Essen, Lesen, Rechnen, Denken, das Lösen von Sudoku-Rätseln oder Zähneputzen.

Selbstinduzierte Anfälle

Der erste Fall mit selbstinduzierten epileptischen Anfällen wurde im Jahr 1827 beschrieben. Dabei handelte es sich um einen Patienten, der bei sich selbst Halbseitenkrämpfe mit Visusverlust auslöste, ohne dabei das Bewusstsein zu verlieren. Die Prävalenz dieses sogenannten Selbstinduktionsverhaltens wird heute auf etwa 1 % der Menschen mit Epilepsie geschätzt. Gut ein Viertel aller Patienten mit photosensitiver Epilepsie dürfte betroffen sein.

Auslöser für selbstinduzierte Anfälle

Oftmals werden die Anfälle über visuelle Reize ausgelöst, denen sich die Betroffenen gezielt aussetzen, etwa:

  • Augenschluss mit forcierter Aufwärtsbewegung der Augen
  • Bestimmte Handbewegungen vor den Augen
  • Blinzeln, etwa beim Blick in die Sonne
  • Kopfwackeln, -nicken und -schütteln
  • Annähern an den Fernseher auf weniger als 1 m, mitunter weniger als 30 cm
  • Fixieren einer weißen Wand, Betrachten bestimmter Muster
  • Starren auf eine Lichtquelle, ein Fenster oder in die Sonne

Ungewöhnlichere Trigger sind heißes Wasser, das über den Kopf gegossen wird, Hyperventilieren oder Musik. Gelegentlich dient auch das Imitieren der Bewegungen eines Anfalls sowie das eigenmächtige Reduzieren oder vollständige Absetzen der antikonvulsiven Medikation den Betroffenen regelmäßig als effektiver Auslöser.

Lesen Sie auch: Cortison-Therapie bei Epilepsie im Detail

Arten von Anfällen

Scheinbar gezielt induzieren sie dadurch:

  • Generalisierte tonisch-klonische Anfälle
  • Absencen, mit und ohne Myoklonien
  • Myoklonien
  • Fokale Anfälle mit gestörter Bewusstheit

Motivation hinter selbstinduzierten Anfällen

Es ist fraglich, ob die Patienten die Anfälle tatsächlich mit Absicht und geplant auslösen. Nach eigenen Angaben empfinden viele von ihnen das Geschehen als unwillkürlichen Vorgang und bei einigen dieser Menschen finden sich Hinweise auf zwanghaftes Verhalten. So erklärte ein Patient, sein Tun sei ihm zwar bewusst, er könne es aber nicht unterdrücken. Mitunter scheinen die so provozierten Anfälle mit angenehmen Empfindungen im Sinne von Ekstase oder mit einer orgasmischen Aura einherzugehen. So beschrieb ein elfjähriger Junge den Zustand als angenehmes Gefühl des Gleichgewichts, wie man es wohl beim Fallschirmspringen im freien Fall empfinden müsse. Vielfach lässt sich zudem ein äußerlich sichtbares Glücksgefühl während der Anfälle erkennen.

Möglicherweise versuchen die Betroffenen, innere Spannungen zu lösen oder etwa die Symptomatik einer Depression abzumildern. Möglicherweise ist das Selbstinduktionsverhalten ein Bestandteil des Anfallgeschehens selbst.

Behandlung selbstinduzierter Anfälle

Die Behandlung gestaltet sich in der Regel schwierig. Bei einigen Patienten ließen sich mit Verhaltenstherapien, teils mit Entspannungstechniken positive Effekte erzielen. Photosensible Patienten können darüber hinaus von Sonnenbrillen oder speziell gefärbten Kontaktlinsen profitieren. Unter den pharmakologischen Therapien scheinen Clonazepam und die Kombination von Fenfluramin mit Valproat am vielversprechendsten zu sein.

Umgang mit Sonnenlicht-induzierter Epilepsie

Vermeidung von Auslösern

Die Therapie besteht zunächst in der Vermeidung der anfallsauslösenden Situation, also bei durch Sonnenlicht ausgelösten Epilepsien im häufigen Tragen einer, am besten grüngetönten polarisierten Sonnenbrille. Ein Zukneifen der Augen ohne Sonnenbrille verstärkt durch den Rot-Ton der Augenlider eher den anfallsauslösenden Effekt. Wenn möglich sollte ein Auge zugehalten werden. Besondere Vorsicht ist beim Baden geboten, besonders bei Sonnenschein.

Lesen Sie auch: Ein umfassender Leitfaden zur idiopathischen generalisierten Epilepsie

Weitere Faktoren, die Anfälle beeinflussen können

Epilepsie-Patienten berichten häufig, dass das Risiko, einen Anfall zu bekommen, vom Wetter abzuhängen scheint. Eine Studie der Universität Jena hat gezeigt, dass das Risiko für einen epileptischen Anfall mit fallendem Luftdruck steigt. Auch die Luftfeuchtigkeit scheint eine Rolle zu spielen: Mit steigender relativer Luftfeuchtigkeit wächst das Risiko eines epileptischen Anfalls. Sommerliche Temperaturen über 20 Grad Celsius senken das Anfallsrisiko.

Zusätzliche Risikofaktoren

Genetische Veränderungen, strukturelle Hirnläsionen einschließlich Schlaganfall, Krebs, Trauma und verschiedene Infektionen, Stoffwechselstörungen und autoimmunbedingte Fehlregulation des Entzündungsgeschens im Körper können Anfälle hervorrufen. Inzwischen steht fest, dass Patienten mit Epilepsie überwiegend eine Unterversorgung mit den Vitaminen D, C und B1 aufweisen. Besonders betroffen sind Patienten unter Behandlung mit Langzeit-Antiepileptika.

Vitamin D und Epilepsie

Eine ältere placebokontrollierte therapeutische Studie ergab, dass die tägliche Einnahme von 16.000 I.E. Vitamin D2 die Anfallshäufigkeit signifikant senken konnte. Eine Pilotstudie aus dem Jahr 2019 berichtete über die Verträglichkeit von Vitamin D-Dosierungen von 5000 I.E. täglich. Nach Anhebung des Vitamin D-Spiegels über die 20 ng/ml-Marke reduzierte sich die berechnete mittlere Anfallshäufigkeit.

Fazit: Antiepileptika wirken oftmals als sogenannte Vitamin-D-Räuber. Epileptiker sollten ihren Vitamin-D-Spiegel daher besonders gut im Auge behalten.

Epilepsie im Alter

Die Epilepsie ist die dritthäufigste neurologische Erkrankung im höheren Alter. In Deutschland sind etwa 150 000 Menschen über 60 Jahren betroffen. Das Krampfleiden ist meist schwierig zu erkennen oder wird gar fehldiagnostiziert.

Anfallsformen im Alter

Epileptische Anfälle sind im Alter meist fokal. Sie gehen von einem Ursprungsort aus, und die neuronalen Entladungen bleiben auf einen umschriebenen Bereich des Gehirns beschränkt. Wie sich der Anfall äußert, hängt vom Ort der Störung ab. So kann es zu rhythmischen Zuckungen einer Extremität kommen oder zu Missempfindungen. Während das Bewusstsein bei einfachen fokalen Anfällen erhalten bleibt, ist es bei den komplex-fokalen immer gestört. Ein fokaler Anfall dauert in der Regel eine bis zwei Minuten. Die Zeit danach (postiktual) kann jedoch bis zu 24 Stunden, bei einem älteren Patienten sogar Tage andauern und mit neurologischen Ausfällen einhergehen.

Ursachen von Epilepsie im Alter

Bei den Älteren sind es meist Durchblutungsstörungen oder neurodegenerative Erkrankungen, die zu einer Epilepsie führen. Bei neurodegenerativen Erkrankungen wie Morbus Alzheimer oder Parkinson-Syndrom gehen im Lauf der Erkrankung immer mehr Nervenzellen zugrunde. Manchmal kommen im Alter auch De-Novo-Abscencen vor. Dies sind kurze Bewusstseinsstörungen ohne motorische oder vegetative Symptome.

Medikamente als Auslöser

Eine Reihe von Medikamenten kann die Krampfschwelle senken, wobei die Mechanismen der Anfallsauslösung weitgehend ungeklärt sind. In therapeutischer Dosierung gilt dies für Neuroleptika, trizyklische Antidepressiva, Muskelrelaxanzien, Sympathomimetika sowie eine Reihe von Analgetika, Antirheumatika und Antibiotika. Bei Überdosierung können auch Diphenylhydantoin, Isoniazid, Acetylsalicylsäure, Clozapin und Antihistaminika Krämpfe induzieren.

Therapie im Alter

Wenn Präventivmaßnahmen die Anfälle nicht komplett verhindern können, ist der Einsatz von Antiepileptika unumgänglich. Bei der Auswahl des Antiepileptikums spielen altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik eine große Rolle. Im Alter sind Magensekretion, Blutvolumen und Blutfluss sowie die gastrointestinale Motilität vermindert. Die Serumkonzentration eines Medikaments hängt stark von seiner Proteinbindung ab, vor allem an Serumalbumin. Da die Proteinbindung im Alter deutlich abnimmt, steigt der freie Anteil eines Arzneistoffs im Serum an. Wichtige altersbedingte Veränderungen sind eine Verminderung der Lebermasse und damit des Leberstoffwechsels sowie eine Abnahme der Nierenfunktion. Aufgrund der vielen Interaktionen sind die enzyminduzierenden Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) im Alter nicht zu empfehlen.

Empfohlene Medikamente

Hierzu gehören laut Elger beispielsweise Lamotrigin und Levetiracetam. So erwies sich Lamotrigin in kontrollierten, randomisierten und doppelblinden Studien als wirksam und verträglich. Eine Alternative zu Carbamazepin oder Oxcarbazepin bietet auch Valproinsäure. Neben den genannten Medikamenten werden auch Gabapentin, Topiramat, Ethosuximid, Felbamat und Rufinamid eingesetzt.

Temporal Light Artefacts (TLA)

Als "Temporal Light Artefacts" (TLA) bezeichnet man Wahrnehmungen, die auf zeitlichen Schwankungen der Helligkeit (der Leuchtdichte) oder der spektralen Verteilung von Licht beruhen. Wahrnehmung von Schwankungen der Helligkeit des Lichts für einen Beobachter in einer statischen Umgebung.

Ursachen von TLA

Diese Form der Lichtmodulation ist vor allem darin begründet, dass Lichtquellen mit Wechselstrom und nicht mit Gleichstrom betrieben werden. Ändert der Strom seine Stärke, wie es bei Wechselstrom mit einer Frequenz von 50 Hz der Fall ist, ändert sich die Helligkeit (als lichttechnische Größe ausgedrückt: die Leuchtdichte) 100 mal pro Sekunde (= Flimmerfrequenz 100 Hz).

Flimmerverschmelzungsfrequenz (FVF)

Das menschliche Auge kann, wenn die Frequenz niedrig genug und die Veränderung groß genug ist, Schwankungen der Lichtintensität visuell als Flimmern bewusst wahrnehmen. Erhöht sich die Flimmer-Frequenz, kann das Auge diese Veränderungen nicht mehr auflösen und nimmt die Strahlung als kontinuierlich wahr. Allerdings hängt diese sogenannte "Flimmerverschmelzungsfrequenz" (FVF) von verschiedenen Faktoren ab, so dass keine für alle Lichtquellen und alle Personengruppen einheitliche FVF definiert werden kann.

Gesundheitliche Auswirkungen

Bei visuell wahrgenommenem Flimmern, aber auch oberhalb der Flimmerverschmelzungsfrequenz, werden Beschwerden wie Kopf- und Augenschmerzen oder verminderte visuelle Leistungsfähigkeit berichtet. Bis zu welcher Frequenz solche Wirkungen auftreten können und wie häufig sie sind, ist nicht abschließend geklärt.

TLA und Epilepsie

Betrachtet man die Schwere gesundheitsrelevanter Auswirkungen von "Lichtflimmern" oder Stroboskopeffekten, muss das Risiko für Anfälle bei Menschen mit speziellen Formen der Epilepsie bedacht werden, bei denen Lichtreize als Auslöser wirken können (photosensitive Epilepsie). Am ehesten scheinen derartige Anfälle von Frequenzen um 15-25 Hz ausgelöst werden zu können, d.h. weit unterhalb der bei Lampen auftretenden Flimmerfrequenzen.

Maßnahmen zur Minimierung von TLA

Abgesehen von zwei Normen zur Vermeidung von Stroboskopeffekten bei der Beleuchtung von Arbeitsplätzen existieren derzeit keine harmonisierten Normen zur Vermeidung oder Minimierung von TLA. Allerdings enthält die EU-Verordnung 2019/2020 zur Festlegung von Ökodesign-Anforderungen an Lichtquellen (mit Änderungsverordnung 2021/341/EU, Anhang IV) erstmals Anforderungen, die Flimmern und Stroboskopeffekte bei LED-Lichtquellen, die direkt mit Strom aus dem öffentlichen Stromnetz betrieben werden können, begrenzen sollen. Die Anforderungen gelten seit dem 01.09.2021.

Unterstützung und Beratung

Die Diagnose Epilepsie kann für viele Menschen einen Schock bedeuten. Es ist wichtig, sich ausreichend über die Erkrankung zu informieren und sich professionelle Hilfe zu suchen. Beratungsstellen und Selbsthilfegruppen können Betroffenen und ihren Angehörigen Unterstützung und Informationen bieten.

tags: #epilepsie #und #sonne #zusammenhang