Epilepsie: Zahlen, Fakten und Aktuelles

Epilepsie ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen weltweit. Rund ein Prozent der Weltbevölkerung ist betroffen, was über 60 Millionen Menschen entspricht. In Deutschland leben etwa 640.000 Menschen mit Epilepsie. Die Erkrankung manifestiert sich durch wiederkehrende epileptische Anfälle, die in ihrem Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein können.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie ist eine chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems, die durch eine anhaltende Prädisposition für das Auftreten epileptischer Anfälle gekennzeichnet ist. Diese Anfälle entstehen durch eine plötzliche, unkontrollierte Überaktivität von Nervenzellen im Gehirn. Das Wort Epilepsie kommt aus dem Griechischen und bedeutet "packen, jemand heftig ergreifen".

Definition und Epidemiologie

Um die Vergleichbarkeit epidemiologischer Kennzahlen zu gewährleisten, bedarf es einer einheitlichen Definition von Epilepsie. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) definiert Epilepsie als eine Erkrankung, die durch eine anhaltende Prädisposition für das Auftreten epileptischer Anfälle und deren neurobiologische, kognitive, psychologische und soziale Folgen charakterisiert ist und mindestens einen Anfall voraussetzt.

Epidemiologische Studien zeigen, dass die Prävalenz und Inzidenz der Erkrankung im fortgeschrittenen Alter höher sind als in jungen Jahren. Unter dem Begriff „Altersepilepsie“ werden alle ab dem 65. Lebensjahr (LJ) an neu auftretenden Epilepsien zusammengefasst.

Prävalenz und Inzidenz

Die Prävalenz beschreibt die Verteilung eines Ereignisses oder einer Eigenschaft in der Grundgesamtheit einer räumlichen oder zeitlich definierten Population. Die Punktprävalenz der aktiven Epilepsien liegt bei ca. 6,4/1000 (95 % CI 5,6-7,3) und unterscheidet sich nach Herkunftsland, Alter und Geschlecht mitunter erheblich. In Deutschland leiden etwa 500.000 Menschen (von 83 Mio., Stand 2021) an einer Epilepsie. Die EPIDEG-Studie (EPIDemiology of Epilepsies in Germany) zeigte einen Anstieg der Prävalenz von 4,7 auf 5,5/1000 zwischen 1995 und 2010. Bei älteren Menschen (≥ 65. LJ) war sie mit 12,5/1000 deutlich höher als bei Kindern und Jugendlichen (< 18. LJ, 5,2/1000) und höher als bei Erwachsenen (8,9/1000).

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Die Inzidenz beschreibt die relative Häufigkeit für das Auftreten einer Erkrankung oder eines Merkmals in einer Population in einem definierten Zeitraum. In einer Metaanalyse von 48 Inzidenzstudien war die jährliche kumulative Inzidenz 67,8/100.000/Jahr. Die Inzidenzrate lag im Mittel bei 61,4/100.000 Personenjahre. Die Inzidenz zeigt einen U‑förmigen Verlauf mit den höchsten Inzidenzraten bei den jüngsten und ältesten Betroffenen [7]. Grund für diesen zweiten Erkrankungsgipfel sind v. a. die mit dem Alter zunehmende Häufigkeit zerebrovaskulärer Erkrankungen (40 %), der mit Abstand häufigsten Ursache für Anfälle in dieser Altersgruppe, sowie toxisch-metabolischer Prozesse, neurodegenerativer Erkrankungen, Tumoren und Schädel-Hirn-Traumata.

Ursachen und Risikofaktoren

Epilepsien können sehr viele verschiedene Ursachen haben. Daher ist es wichtig, die genaue Ursache zu diagnostizieren, denn diese ist die Basis für die erfolgreiche Therapie. Die Ursachen für eine Epilepsie können vielfältig sein:

  • Strukturelle Hirnschäden (z. B. durch Trauma, Schlaganfall, Entzündung)
  • Genetische Veränderungen
  • Metabolische und immunvermittelte Störungen
  • Fieberkrämpfe, Hirnverletzungen oder Epilepsie in der Familie erhöhen das Risiko
  • Schlafmangel, Alkohol oder Lichtreize (z. B. Diskos) können Anfälle auslösen
  • Hirnverletzung durch Unfälle oder Tumore
  • Schädigungen durch Alkohol
  • Hirnentzündungen
  • Hirnblutungen
  • Sauerstoffmangel während der Geburt
  • Fehlbildungen in der Hirnentwicklung
  • Durchblutungsstörungen

Erkrankungen des höheren Lebensalters sind nicht selten mit einem erhöhten Risiko für unprovozierte epileptische Anfälle assoziiert. Schlaganfälle, Parkinson-Krankheit, Alzheimer und andere Demenzformen gehen mit einem erhöhten Risiko unprovozierter Anfälle einher.

Erscheinungsbild und Klassifikation epileptischer Anfälle

Epilepsien können ganz unterschiedlich aussehen. Gemeinsames Merkmal: Es treten wiederholt epileptische Anfälle auf. Das Erscheinungsbild der Anfälle ist vielfältig. Es reicht von äußerlich nicht oder kaum wahrnehmbaren subjektiven Sinnesempfindungen oder geringfügigen Muskelzuckungen über kurze Bewusstseinspausen bis zu Stürzen mit Bewusstseinsverlust und Zuckungen am ganzen Körper oder auffälligen automatischen Handlungen.

Epileptische Anfälle können verschieden aussehen. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) hat im Jahr 2017 ein System entwickelt, bei dem die Anfallsformen nach ihren Merkmalen klassifiziert werden. Im ersten Schritt der Anfallsklassifikation unterscheidet man nach dem Beginn eines Anfalls:

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  • Ein fokaler Beginn, findet in einer Hirnhälfte statt.
  • Ein generalisierter Beginn, geht von beiden Hirnhälften aus.
  • Bei einem unbekannten Beginn ist nicht bekannt, wie der Anfall angefangen hat.

Fokale Anfälle

Entsteht ein Anfall in einem umschriebenen Ort im Gehirn, wird dies als "fokaler" Anfall bezeichnet. Anfälle mit fokalem Beginn werden darin unterschieden, ob der*die Betroffene sie bewusst oder nicht bewusst erlebt. Sie werden anschließend nach ihrem anfänglichen Erscheinungsbild klassifiziert. Hierbei unterscheidet man einen motorischen Beginn von einem nicht-motorischen Beginn.

Motorischer Beginn:

Unter dem Begriff „motorisch“ fasst man Muskelaktivitäten, wie beispielsweise Muskelzuckungen oder -krämpfe aber auch eine Muskelerschlaffung (Atonie, atonisch) zusammen. Die verschiedenen motorischen Symptome bei einem epileptischen Anfall werden mit spezifischen Fachbegriffen beschrieben. Beispiele hierfür sind:

  • klonisch: symmetrische oder asymmetrische Zuckungen, die rhythmisch sind und identische Muskelgruppen betreffen
  • myoklonisch: plötzliche, sehr kurze, einzelne oder mehrfache unrhythmische Muskelzuckungen, die weniger regelmäßig sind und kürzer andauern als klonische Zuckungen
  • tonisch: eine zunehmende Muskelanspannung (Kontraktion), die einige Sekunden bis Minuten anhält
  • epileptische Spasmen: plötzliche Muskelaktivität, die anfallsweise häufig wiederholt werden kann (Cluster); beispielsweise Beugen oder Strecken der Arme, Beugen der Rumpfmuskulatur, Grimassen, Nicken oder subtile Augenbewegungen
  • Automatismus: Bewegungen, die aussehen wie alltägliche koordinierte Handlungen, die die Betroffenen jedoch nicht willentlich steuern, beispielsweise Laufbewegungen oder Nicken. In manchen Fällen setzen die Betroffenen eine Handlung fort, die sie vor Beginn des Anfalls ausführten.
  • Hyperkinetisch: die Betroffenen bewegen sich sehr stark, sie strampeln beispielsweise.

Nicht-motorischer Beginn:

Hierunter fallen beispielsweise Symptome während eines Anfalls wie

  • Innehalten: Aktivitätspause, Erstarren, Bewegungslosigkeit
  • kognitive Einschränkungen: z. B. Sprach- und Sprechstörungen (Aphasie, Apraxie), Wahrnehmungsstörungen oder Halluzinationen
  • emotionales Verhalten: z. B. Angst, Furcht, Wut sowie Lachanfälle oder Weinen
  • autonome Reaktionen: z. B. Erröten, Blässe, Gänsehaut, Erektion, Veränderungen des Herzschlags oder der Atmung, Übelkeit
  • sensible/sensorische Störungen (Sinnesstörungen): z. B. Störungen des Hör-, Geschmacks- oder Geruchssinns, Gleichgewichtsstörungen oder Sehstörungen

Anfälle mit fokalem Beginn können auf eine Hirnhälfte begrenzt bleiben, sie können aber auch auf die andere Hirnhälfte übergreifen und dann beidseitig (bilateral) eine tonisch-klonische Aktivität hervorrufen.

Generalisierte Anfälle

Umfasst die epileptische Aktivität von Anfang an beide Gehirnhälften, so spricht man von einem "generalisierten" Anfall. Ein generalisierter Anfallsbeginn wird von den Betroffenen niemals bewusst erlebt. Man beschreibt diese Anfälle nach ihren motorischen und nicht-motorischen Symptomen.

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Motorische Symptome bei generalisiertem Beginn:

Neben den tonischen, klonischen und myoklonischen Muskelaktivitäten, der Atonie und den epileptischen Spasmen, die man auch bei fokalen Anfällen beobachten kann, können bei einem Anfall mit generalisiertem Beginn Kombinationen dieser Symptome auftreten:

  • tonisch-klonisch
  • myoklonisch-tonisch-klonisch
  • myoklonisch-atonisch

Nicht-motorische Symptome bei generalisiertem Beginn:

Anfälle mit generalisiertem Beginn und nicht-motorischen Symptomen können auch als Absencen bezeichnet werden. Absencen treten typischerweise eher bei Kindern auf als bei Erwachsenen. Man unterscheidet:

  • typische Absence-Anfälle
  • atypische Absence-Anfälle (mit langsamem Beginn oder Ende oder bei signifikanter Veränderung der Muskelspannung)
  • myoklonische Krampfanfälle (kurze, vereinzelte und plötzlich auftretende Muskelzuckungen, hauptsächlich in Schultern und Armen)
  • Augenlid-Myoklonie (Lidzuckungen, Drehen der Augäpfel)

Anfälle mit unbekanntem Beginn

Der Beginn eines Anfalls ist unbekannt, wenn derdie Betroffene ihn nicht bewusst erlebt hat und es auch keine Zeuginnen gibt, die den Anfallsbeginn genau beschreiben können.

Beispiele für Anfallsformen:

  • Bilateral tonisch-klonischer Anfall (früherer Name: Grand mal): Manchmal Vorzeichen, die die Betroffene/der Betroffene spürt. Plötzliche Verkrampfung aller Gliedmaßen (tonische Phase), Bewusstlosigkeit, Aussetzen der Atmung, oft Sturz. Dann rhythmische Zuckungen am ganzen Körper (klonische Phase). Speichelfluss (manchmal blutig), z.T. dramatisches Aussehen. Dauer meist bis etwa zwei Minuten, danach kann die/der Betroffene noch längere Zeit verwirrt, müde und schläfrig sein.
  • Nicht bewusst erlebte Anfälle: Manchmal Vorzeichen, die die Betroffene/der Betroffene spürt. Reaktionsfähigkeit eingeschränkt oder aufgehoben (Bewusstseinsstörung). Automatische Bewegungen oder Verhaltensweisen, z.B. an Kleidern nesteln, schmatzen, brummen, umhergehen, "sinnlose" Handlungen ausführen. Langsames Ausklingen, manchmal noch längere Zeit verwirrt.
  • Absencen: Plötzliches Innehalten, keine Reaktion auf Ansprache.

Diagnose

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf einer sorgfältigen Anamnese, neurologischen Untersuchung und verschiedenen technischen Untersuchungen. Wichtig ist, ob es sich um eine fokale oder generalisierte Epilepsie handelt. Die Erfassung des Anfallserlebens des Betroffenen, insbesondere ob dem Anfall ein bestimmtes Gefühl bzw. eine möglichst detaillierte Beschreibung des Anfallablaufes vorausgeht, ist von großer Bedeutung. Zu den wichtigsten diagnostischen Instrumenten gehören:

  • EEG (Elektroenzephalogramm): Misst die elektrische Aktivität des Gehirns. Dabei versucht man, „epilepsietypische Potenziale“ zu finden. Ein normales EEG schließt eine Epilepsie nicht aus.
  • MRT (Magnetresonanztomogramm): Erstellt Schichtbilder vom Gehirn. Man sucht nach Veränderungen der Struktur, z.B. Narben. Ein normales MRT schließt eine Epilepsie nicht aus.
  • Lumbalpunktion: Vermutet man als Ursache epileptischer Anfälle eine Entzündung des Gehirns, wird eine Lumbalpunktion durchgeführt, bei der eine kleine Menge Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit entnommen wird.
  • Gespräch mit Patientinnen und Zeuginnen
  • Laboruntersuchungen

Behandlung

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren oder idealerweise Anfallsfreiheit zu erreichen. Erste Wahl ist die medikamentöse Therapie mit Antiepileptika. Es stehen unterschiedliche Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen zur Verfügung. Man weiß, welche Medikamente bei welcher Epilepsieform am besten wirken. Dennoch kann die Wirkung beim einzelnen Menschen mit Epilepsie nicht genau abgeschätzt werden. Die Behandlung erfolgt über Jahre, manchmal lebenslang. Es gibt im Kindesalter Epilepsieformen, die von selbst aufhören. Wenn ein Medikament in einer niedrigen Dosierung nicht wirkt, kann zunächst die Dosis erhöht werden. Zeigt sich kein Erfolg, probiert man ein Medikament aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder kombiniert mehrere Wirkstoffe.

Bei Therapieversagen können chirurgische Eingriffe (z. B. Entfernung des Herds), Vagusnerv-Stimulation oder spezielle Diäten helfen. Eine operative Epilepsiebehandlung wird empfohlen, wenn verschiedene Medikamente keine Besserung bringen, wenn der Anfallsursprung eine umschriebene Veränderung im Gehirn ist und wenn die Entfernung dieses "Anfallherds" ohne größere Verletzung anderer wichtiger Hirnfunktionen möglich ist.

Nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren können in Einzelfällen ergänzend eingesetzt werden, z.B. Anpassung von Tagesstruktur und Schlaf-Rhythmus Vermeidung spezieller Auslösefaktoren wie Flackerlicht. Manche Menschen können lernen, ihre Anfälle mittels verhaltenstherapeutischer Verfahren zu unterbrechen.Bei der "Ketogenen Diät" (meist bei jüngeren Kindern eingesetzt) wird die Nahrung auf einen sehr hohen Fettanteil ausgerichtet.

Etwa 50 Prozent der Betroffenen gelten nach 10 Jahren ohne Anfall und 5 Jahren ohne Medikamente als geheilt.

Therapie bei Altersepilepsie

Gleichzeitig sind im fortgeschrittenen Lebensalter diagnostische und therapeutische Unterschiede zu beachten. Die Relevanz der Kenntnis um diese Unterschiede nimmt mit der Bevölkerungsentwicklung und dem Trend alternder Gesellschaften weiter zu.

Wann sollte man ein Epilepsie-Zentrum aufsuchen?

Erkrankte, die nach dem Einsatz von zwei Medikamenten nicht anfallsfrei geworden sind, sollten durch ein Epilepsie-Zentrum mitbehandelt werden. Spätestens nach einem ersten Anfall sollte man sich in einem Epilepsie-Zentrum vorstellen. Hier gibt es besondere Möglichkeiten der Diagnostik und Therapie. Da nur etwa 7% der niedergelassenen Neurologen ihre Patienten an eine Epilepsie-Ambulanz überweisen (was sie bei nicht-anfallsfreien Patienten eigentlich immer machen sollten) wirft dieser hohe Anteil an nicht-anfallsfreien Patienten ein eher ungünstiges Licht auf die Behandlungssituation in der Bundesrepublik Deutschland und lässt das Nachdenken über neue Versorgungsformen (z.B. Schwerpunktpraxen) als sinnvoll erscheinen.

Leben mit Epilepsie

Epilepsie beeinflusst den Alltag: Beruf, Mobilität und soziale Aktivitäten. Wichtig ist es, Auslöser zu kennen und zu meiden. Fahreignung und Arbeitssicherheit müssen ärztlich geprüft werden. In der Regel ist nach einem ersten Anfall bereits die Fahreignung (insbesondere für Fahrzeuge der Gruppe 2) nicht mehr gegeben. Auch andere Tätigkeiten, bei denen das Auftreten eines Anfalls gefährlich wäre, müssen gemieden werden. Es ergeben sich also Folgen für die Ausübung der Arbeit, die Berufswahl und die Lebensführung und -planung.

Viele Betroffene müssen sich bei Auftreten einer Epilepsie unter Umständen beruflich neu orientieren oder die beruflichen Aufgaben müssen angepasst werden. In den letzten Jahren sind Beratungsstellen für Menschen mit Epilepsien entstanden. Für erwachsene Betroffene, für Kinder mit Epilepsie und für deren Eltern gibt es auch Schulungsprogramme zum Umgang mit Epilepsie, die darüber hinaus auch den Austausch fördern. Ergänzend kann eine Psychotherapie hilfreich sein. Sie kann dabei unterstützen, mit den Folgen der Erkrankung umzugehen und die Lebensqualität zu verbessern.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Bei einem epileptischen Anfall ist es am wichtigsten, dass Helferinnen und Helfer Ruhe bewahren und Betroffene vor Verletzungen schützen. Dauert der Anfall länger als fünf Minuten an oder treten mehrere Anfälle kurz hintereinander auf, sollte der Rettungsdienst (Notruf 112) informiert werden. Bei einem schweren Anfall kann ein Krankenhausaufenthalt notwendig sein.

  • Ruhig bleiben, Überblick verschaffen, auf die Uhr schauen
  • Dabeibleiben und für Sicherheit sorgen: Gefährliche Gegenstände entfernen, Kissen oder Jacke unter den Kopf legen, Enge Kleidung lockern
  • Warten, bis der Anfall vorbei ist.
  • Hilfe holen, wenn der Anfall länger als 5 Minuten dauert.

Das sollten Sie in keinem Fall tun:

  • Dieden Betroffenen festhalten oder zu Boden drücken
  • der betroffenen Person etwas in den Mund schieben - auch wenn sie sich in die Zunge beißt

Mortalität und SUDEP

Epilepsie-Patienten weisen eine erhöhte Sterblichkeit auf, insbesondere, wenn generalisierte konvulsive Anfälle bestehen. Die Mortalität bei Epilepsie ist um den Faktor 2 bis 3 erhöht. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Menschen mit Epilepsie ein erhöhtes Risiko für eine vorzeitige Mortalität. Die standardisierte Mortalitätsrate (SMR) liegt für Epilepsie im Mittel bei 1,6 bis 3,6 und ist für alle Altersgruppen erhöht. Sie ist abhängig von der zugrunde liegenden Erkrankung und v. a. bei konvulsiven Anfällen und fehlender Anfallsfreiheit erhöht.

Häufig sterben gerade junge Menschen am SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy = plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie). Etwa 700 Menschen sterben in Deutschland jedes Jahr an SUDEP. Im Laufe des Lebens stirbt 1 von 29 Patienten mit Epilepsie an einem SUDEP (60 Jahre Leben mit Epilepsie). 10 - 20 % aller Todesfälle bei Epilepsiepatienten sind auf SUDEP zurückzuführen. Dabei macht SUDEP rund die Hälfte der anfallsbedingten Todesursachen bei Epilepsie aus. Die anderen Ursachen beinhalten Unfälle, Ertrinken, Status Epilepticus und Lungenentzündung sowie andere Atemwegserkrankungen. Bereits ab 3 generalisierten tonisch-klonischen Anfällen im Jahr steigt das SUDEP-Risiko um den Faktor 8 gegenüber Patienten ohne Anfälle dieses Typs. Schlafen Menschen mit GTKA alleine oder unbeobachtet, erhöht sich ihr SUDEP Risiko um den Faktor 67!

Mythen und Fakten über Epilepsie

Trotz der Häufigkeit von Epilepsie gibt es immer noch viele Mythen und Missverständnisse über die Erkrankung.

Mythos: Epilepsie ist eine psychische Erkrankung.Fakt: Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, keine psychische. Sie entsteht durch ungewöhnliche elektrische Aktivität im Gehirn, die zu Anfällen führt.

Mythos: Menschen mit Epilepsie können kein normales Leben führen.Fakt: Mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können viele Menschen mit Epilepsie ein normales und erfülltes Leben führen. Sie können studieren, arbeiten, eine Familie gründen und Sport treiben.

Mythos: Während eines Anfalls sollte man etwas in den Mund der betroffenen Person stecken.Fakt: Dies ist ein besonders gefährlicher Mythos. Niemals sollte man versuchen, während eines Anfalls etwas in den Mund der betroffenen Person zu stecken. Dadurch besteht Erstickungsgefahr oder das Risiko, dass der/die Betroffene oder der/die Helfer/in sich verletzt.

Mythos: Epilepsie ist ansteckend.Fakt: Epilepsie ist absolut nicht ansteckend. Sie kann nicht durch Kontakt mit einer betroffenen Person übertragen werden.

Mythos: Frauen mit Epilepsie können keine Kinder bekommen.Fakt: Frauen mit Epilepsie können und bekommen gesunde Kinder. Sie sollten jedoch ihre Schwangerschaftsplanung mit ihrem Arzt besprechen, da einige antiepileptische Medikamente das Risiko von Geburtsfehlern erhöhen können.

Mythos: Epileptische Anfälle sind immer dramatisch und führen zu Krämpfen und Bewusstseinsverlust.Fakt: Epileptische Anfälle sind nicht immer so dramatisch, wie sie in Filmen und im Fernsehen dargestellt werden. Nicht alle Anfälle führen zu krampfhaften Bewegungen oder Bewusstseinsverlust. Es gibt viele verschiedene Arten von Anfällen, und einige, wie Absencen, können sehr subtil sein und nur wenige Sekunden dauern. Eine Person könnte während eines solchen Anfalls lediglich für kurze Zeit abwesend wirken oder zucken.

Mythos: Flackerndes Licht löst bei allen Menschen mit Epilepsie Anfälle aus.Fakt: Tatsächlich ist Photosensitivität, also die Anfälligkeit für flackerndes Licht, nur bei einem kleinen Prozentsatz von Menschen mit Epilepsie vorhanden. Diese empfindliche Reaktion auf bestimmte Lichtmuster kann bei einigen, jedoch nicht bei allen, epileptischen Anfällen ausgelöst werden. Diejenigen, bei denen Photosensitivität diagnostiziert wurde, können in der Regel durch geeignete Vorbeugemaßnahmen geschützt werden.

Mythos: Wer einen epileptischen Anfall hat, hat automatisch Epilepsie.Fakt: Nicht jeder, der einen epileptischen Anfall hat, hat Epilepsie. Und selbst wenn eine Epilepsie diagnostiziert wird, muss sie nicht immer chronisch sein. Einige Menschen erleben im Laufe ihres Lebens nur einen einzigen Anfall, während andere nach einer erfolgreichen Behandlung jahrelang anfallsfrei sein können.

Aktuelle Forschung und Digitalisierung im Gesundheitswesen

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und ihre Auswirkungen u. a. auf die Patientinnen- und Patientenversorgung bietet große Chancen. Das BMG fördert neben Einzelvorhaben insbesondere Forschungsaktivitäten zu übergreifenden Themen. Die Förderschwerpunkte richten sich nach den Handlungsfeldern der Ressortforschung.

Projekt MOND: Mobile Anfallserkennung durch KI

Mithilfe smarter Sensorik und Datenanalysen mittels Künstlicher Intelligenz (KI) soll der im Projekt MOND zu entwickelnde mobile Sensor für eine automatische Erkennung epileptischer Anfälle sorgen. Bislang baut die ärztliche Anamnese auf Berichten von Betroffenen und Bezugspersonen auf. Das primäre Arbeitsziel des Projekts MOND ist es, ein innovatives und im Alltag tragbares System zum Erkennen und Dokumentieren epileptischer Anfälle zu entwickeln. Hierzu sollen die kombinierten Kennzahlen zu Herzfrequenz, Körpertemperatur, Beschleunigung sowie Herzratenvariabilität und Sauerstoffsättigung zusammen mit Elektroenzephalografie-Signalen (EEG) durch Sensorik in Ohrnähe erfasst und mittels KI-basierter Algorithmen ausgewertet werden. Durch die gewonnenen und ausgewerteten Vitaldaten sollen präzisere Diagnosen und Therapieansätze erstellt werden können. Hierdurch soll perspektivisch das Risiko eines sogenannten „sudden unexpected death in epilepsy“ (SUDEP), also des plötzlich eintretenden Todesfalls während einer epileptischen Episode, gesenkt werden. Die Nutzenden werden in den Entwicklungsprozess im Rahmen klinischer Erprobungsstudien mit bis zu 80 Testpersonen eingebunden. Bei erfolgreicher Entwicklung ließe sich durch den Einsatz eines derartigen mobilen Anfall-Erkennungssystems die medizinische Überwachung der Patientinnen und Patienten erheblich verbessern. Dies würde die Lebensqualität steigern, da gezieltere und individuellere Behandlungsansätze möglich werden.

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