Epileptische Anfälle sind kurze Störungen der elektro-chemischen Signalübertragung im Gehirn, die sich in vielfältiger Weise äußern können. Die Epilepsie selbst ist definiert als ein erhöhtes Risiko für wiederholte epileptische Anfälle und wird umgangssprachlich auch als "Fallsucht" oder "Krampfleiden" bezeichnet.
Was ist Epilepsie?
Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns, die durch das Auftreten von meist bis zu 2 Minuten dauernden Anfällen gekennzeichnet ist. Diese Anfälle können sehr unterschiedlich sein, von kurzen, unscheinbaren Bewusstseinsaussetzern (Absencen) über fokale Anfälle mit Missempfindungen, Sprachstörungen oder Zuckungen bis hin zu Krampfanfällen mit Sturz.
Ursachen von Epilepsie
Epilepsie kann verschiedene Ursachen haben:
- Genetische Faktoren: In manchen Fällen ist Epilepsie erblich bedingt.
- Krankheitsbedingte Ursachen: Stoffwechselstörungen, Hirnhautentzündungen, Schlaganfälle oder Tumore können entsprechende Veränderungen im Gehirn verursachen, welche übermäßige Entladungen der Neuronen begünstigen.
- Unfallfolgen: Schädel-Hirn-Traumata können ebenfalls Epilepsie auslösen.
- Unbekannte Ursachen: Oftmals ist die genaue Ursache der Epilepsie jedoch unbekannt.
Zur Vorbeugung von Hirnhautentzündungen und Gehirnentzündungen und daraus folgenden Epilepsien sind einige Schutzimpfungen möglich. Das Epilepsie-Risiko wird außerdem geringer, wenn Menschen den Konsum von Alkohol und Drogen einschränken und einen gesunden Lebensstil pflegen.
Definition der Epilepsie
Die Diagnose Epilepsie wird gestellt, wenn mindestens eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
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- Mindestens zwei unprovozierte Anfälle (oder Reflexanfälle) im Abstand von mehr als 24 Stunden.
- Ein unprovozierter Anfall (oder Reflexanfall) und ein Rückfallrisiko von mindestens 60 % innerhalb der nächsten 10 Jahre (ähnlich wie nach zwei unprovozierten Anfällen).
- Diagnose eines Epilepsie-Syndroms (eine Krankheit mit dafür typischen epileptischen Anfällen und anderen typischen Merkmalen).
Es ist wichtig zu beachten, dass ein einmaliger epileptischer Anfall nicht automatisch bedeutet, dass eine Epilepsie vorliegt.
Abgrenzung zu anderen Anfallsformen
Es ist wichtig, epileptische Anfälle von anderen Anfallsformen zu unterscheiden:
- Akut-symptomatische Anfälle: Diese Anfälle werden durch akute Faktoren ausgelöst, z.B. Fieberkrämpfe bei Kindern, Unterzuckerung, Natriummangel, Vergiftungen oder Alkoholentzug.
- Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA): Diese Anfälle ähneln epileptischen Anfällen, haben aber psychische Ursachen. Sie sind weder vorgetäuscht noch eingebildet, sondern können z.B. durch traumatische Erlebnisse oder belastende Lebensumstände ausgelöst werden.
Die Abgrenzung ist wichtig für die Therapie, da Antiepileptika bei PNEA wirkungslos sind.
Formen epileptischer Anfälle
Epileptische Anfälle dauern meistens nur wenige Sekunden oder Minuten und haben sehr verschiedene Formen. Die Internationale Liga gegen Epilepsie (ILAE) klassifiziert Anfälle nach ihrem Beginn:
- Fokale Anfälle: Diese Anfälle beginnen in einem bestimmten Bereich des Gehirns.
- Fokale Anfälle mit Bewusstsein: Der Betroffene ist während des Anfalls bei Bewusstsein. Früher wurden diese Anfälle als "einfach-fokal" oder "einfach-partiell" bezeichnet.
- Fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörung: Der Betroffene ist während des Anfalls nicht bei Bewusstsein. Früher wurden diese Anfälle als "komplex-fokal" bezeichnet.
- Fokal zu bilateral tonisch-klonisch: Ein fokaler Anfall, der sich zu einem tonisch-klonischen Anfall (siehe unten) in beiden Gehirnhälften ausweitet.
- Generalisierte Anfälle: Diese Anfälle betreffen das gesamte Gehirn.
- Tonisch-klonische Anfälle: Bei diesen Anfällen stürzen die Betroffenen und werden bewusstlos. In der tonischen Phase verkrampft der ganze Körper und wird steif, und in der klonischen Phase kommen dann Zuckungen dazu. Weitere typische Symptome sind bläuliche Hautverfärbungen, Einnässen, Speichelaustritt und Bissverletzungen an der Zunge. Diese Anfälle wurden früher als "Grand-mal-Anfälle" bezeichnet.
- Absencen: Eine sehr milde Form des generalisierten Anfalls, die oft als "Verträumtheit" oder "Aussetzer" verkannt wird. Dabei setzt das Bewusstsein kurz aus und die Betroffenen halten in ihrer momentanen Tätigkeit inne. Manchmal zucken die Augenlider leicht. Stürze und ausgeprägte Krämpfe kommen nicht vor. Absencen sind bei Kindern und Jugendlichen besonders häufig.
- Anfälle mit unbekanntem Beginn: Wenn der Beginn eines Anfalls nicht bekannt ist.
Symptome epileptischer Anfälle
Die Symptome epileptischer Anfälle sind vielfältig und hängen von der Art des Anfalls ab:
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- Motorische Symptome: Muskelzuckungen, Krämpfe, Steifheit, unwillkürliche Bewegungen, Automatismen (z.B. Schmatzen, Kauen).
- Nicht-motorische Symptome: Missempfindungen, Halluzinationen, Sprachstörungen, Bewusstseinsstörungen, Angstgefühle, depressive Stimmung, vegetative Symptome (z.B. Schwitzen, Herzrasen, Übelkeit).
Prodromi und Auren
Ähnlich wie bei einer Migräne kann es vorkommen, dass bestimmte Symptome einen Anfall ankündigen:
- Prodromi: Vorboten eines Anfalls, wie z.B. Reizbarkeit, Appetitlosigkeit oder Niedergeschlagenheit.
- Auren: Bewusst erlebte fokale Anfälle, z.B. mit verzerrter Wahrnehmung, Angstgefühlen, depressiver Stimmung oder unangenehmen körperlichen Gefühlen.
Status epilepticus
Ein Status epilepticus ist einNotfall und muss so schnell wie möglich medikamentös behandelt werden. Er ist definiert als ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert oder eine Serie von Anfällen, zwischen denen der Betroffene nicht zu Bewusstsein kommt. Nach ca. 30 Minuten ohne Unterbrechung eines Status epilepticus bei generalisierten Krampfanfällen drohen bleibende Schäden oder der Tod.
Erste Hilfe bei epileptischen Anfällen
Bei der ersten Hilfe bei einem epileptischen Anfall gilt:
- Ruhe bewahren.
- Betroffene Person auf den Boden legen, um einem Sturz vorzubeugen.
- Alle Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen oder Gefahren führen könnten.
- Nicht festhalten.
- Keinen Beißkeil oder ähnliches zwischen die Zähne.
- Verletzungen verhindern.
- Auf die Uhr schauen und Notfallmedikamente erst nach der ärztlich angegebenen Zeit geben.
- Dauer und Begleiterscheinungen des Anfalls beobachten.
- Nach einem Anfall ist es wichtig dabei zu bleiben, bis das Bewusstsein wieder klar ist.
- Wenn der Mensch vorher noch nie einen epileptischen Anfall hatte, nach dem 3. Anfall einer Anfallsserie und/oder bei Verletzungen bzw. Atemnot: Notruf (112) rufen.
Diagnose von Epilepsie
Gerade bei einem ersten Epilepsieanfall stehen behandelnden Ärzten nur wenige Informationen über die Symptome des Anfalls zur Verfügung. Die Diagnose von Epilepsie umfasst in der Regel:
- Anamnese: Erhebung der Krankengeschichte, insbesondere der Anfallsbeschreibung.
- Körperliche Untersuchung: Neurologische Untersuchung.
- EEG (Elektroenzephalographie): Messung der Hirnströme, um epileptiforme Potenziale zu erkennen.
- MRT (Magnetresonanztomographie): Bildgebung des Gehirns, um strukturelle Veränderungen zu erkennen.
- Videoaufnahmen von Anfällen: Können bei der Diagnose helfen.
Behandlung von Epilepsie
Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.
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- Medikamentöse Therapie: Antiepileptika sind dieStandardbehandlung der Epilepsie. Es gibt verschiedene Medikamente aus verschiedenen Wirkstoffgruppen. Die Wahl des Medikaments hängt von der Art der Epilepsie und den individuellen Bedürfnissen des Patienten ab.
- Chirurgische Behandlung: In manchen Fällen kann eine Operation helfen, die Anfälle zu reduzieren oder zu beseitigen. Dies kommt vor allem dann in Frage, wenn die Anfälle von einem bestimmten Bereich des Gehirns ausgehen, der entfernt werden kann.
- Vagusnervstimulation: Eine weitereBehandlungsoption ist die Vagusnervstimulation, bei der ein Gerät implantiert wird, das elektrische Impulse an den Vagusnerv sendet.
- Ketogene Diät: In manchen Fällen kann eine ketogene Diät (eine sehr fettreiche, kohlenhydratarme Diät) helfen, Anfälle zu reduzieren.
- Psychotherapie: Eine begleitende Psychotherapie kann sinnvoll sein, um mit der Erkrankung zurechtzukommen und die Lebensqualität zu verbessern.
Hilfsmittel und Unterstützung
Für Menschen mit Epilepsie gibt es verschiedene Hilfsmittel und Unterstützungsmöglichkeiten:
- Epilepsie-Überwachungsgeräte: Diese Geräte erkennen Anfälle und lösen einen Alarm aus, z.B. bei Angehörigen oder in einer Notrufzentrale.
- Sturzmelder: Können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen.
- Epilepsiehunde: Können Anfälle vorhersehen oder während eines Anfalls helfen.
Risiken und Vorsichtsmaßnahmen
Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Außerdem besteht ein gewisses Risiko, bei einem Status epilepticus oder durch SUDEP (sudden unexpected death in epilepsy) zu versterben oder Langzeitschäden davon zu tragen.
Es ist wichtig, Risikofaktoren zu minimieren und Vorsichtsmaßnahmen zu treffen:
- Beste Behandlung der Epilepsie: Konsequente Einnahme von Medikamenten.
- Anfallskalender verwenden: Um ggf. vorhandene Anfallsauslöser zu erkennen und die Behandlung zu verbessern.
- Scharfe Kanten und Gegenstände in der Wohnung sichern.
- Beim Rauchen besteht bei einem Anfall Brandgefahr.
- Epileptische Anfälle können sogar in der Badewanne zum Ertrinken führen.
- Wahrscheinlich lässt sich SUDEP oft verhindern, wenn Betroffene nach einem tonisch-klonischen Anfall nicht allein bleiben.
- Beim Autofahren mit Epilepsie geht es nicht nur um Ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit anderer Menschen.
Leben mit Epilepsie
Epilepsie kann das Leben der Betroffenen und ihrer Angehörigen stark beeinflussen. Es ist wichtig, sich umfassend über die Erkrankung zu informieren und sich professionelle Hilfe und Unterstützung zu suchen.
Als Mensch mit Epilepsie sollten Sie sich aus mehreren Quellen informieren, welche Risiken in welchem Umfang tatsächlich bestehen, um weder übervorsichtig Ihre Lebensqualität zu sehr einzuschränken, noch fahrlässig Ihre Gesundheit und Ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Angehörigen können Sie offen sagen, dass Sie deren Sorgen - oder Leichtsinn - verstehen, aber über Ihre Sicherheit und Ihre Lebensqualität selbst entscheiden.
Als Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie sollten Sie bedenken: Kinder mit Epilepsie brauchen genau wie andere Kinder auch Freiräume und Zeiten, in denen sie unbeobachtet sein können. Überbehütung und übersteigerte Sicherheitsmaßnahmen können die Entwicklung beeinträchtigen.
Als Angehörige von Erwachsenen mit Epilepsie sollten Sie beachten: Erwachsene haben ein Recht darauf, selbstbestimmt mit dem durch Epilepsie erhöhten Risiko umzugehen, solange sie nur sich selbst gefährden. Wer die Risiken einschätzen und verstehen kann, kann sich ggf. in einigen Situationen für mehr Lebensqualität und weniger Sicherheit entscheiden, auch wenn Ihnen das Sorgen bereitet.
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