Ein epileptischer Anfall ist ein plötzliches, unwillkürliches Ereignis, bei dem Betroffene für kurze Zeit die Kontrolle über ihren Körper verlieren, zu Boden sinken, zucken und krampfen. Im Mittelalter wurden dafür noch dämonische Kräfte verantwortlich gemacht, aber heute wissen wir, dass ein Krampfanfall oft die Folge einer Störung im Gehirn ist.
Was ist ein epileptischer Anfall?
Ein Krampfanfall ist in der Regel ein plötzliches, unwillkürliches Ereignis mit krampfenden oder zuckenden Bewegungen. Je nach Art des Anfalls kann der Betroffene das Bewusstsein verlieren. Manchmal zeigt ein Krampfanfall alle diese drei Merkmale, manchmal nicht.
Etwa 5 Prozent der Menschen haben im Laufe ihres Lebens einmal einen Krampfanfall.
Typischerweise wird ein Krampfanfall durch eine Funktionsstörung von Nervenzellen (Neuronen) in der Hirnrinde hervorgerufen. Die normale Aufgabe einer Nervenzelle ist es, elektrische Signale zu erzeugen, zu empfangen und weiterzuleiten. Dies geschieht in jeder Sekunde millionenfach im Gehirn, jedoch in geordneter Weise.
Bei einem zerebralen (= vom Gehirn ausgehenden) Krampfanfall geht aber jede Ordnung verloren, sodass sich plötzlich bestimmte Gruppen von Nervenzellen gleichzeitig entladen und synchron ihre unkoordinierten Signale weiterleiten. Sie stecken nachgeschaltete Nervenzellen damit sozusagen an. Bildlich gesprochen lässt sich ein Krampfanfall auch als „Gewitter im Gehirn“ bezeichnen.
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Symptome eines Krampfanfalls
Ein Krampfanfall zeichnet sich durch verschiedene Symptome aus, die sich je nach Art und Ausprägung des Anfalls unterscheiden:
- Unwillkürliche, krampfende oder zuckende Bewegungen
- Kribbeln oder Taubheitsgefühle
- Bewusstlosigkeit
In der Regel ist ein Krampfanfall in weniger als zwei Minuten wieder vorbei; manchmal hält er auch nur einige Sekunden an. Nach längeren, generalisierten Anfällen fühlen sich die Betroffenen häufig erschöpft und brauchen erst einmal Ruhe und Schlaf.
Ursachen für das blaue Anlaufen
Während eines großen epileptischen Anfalls (Grand Mal) kann es zu einer Blaufärbung des Gesichts kommen. Dies ist ein Zeichen für eine Zyanose, die durch eine unzureichende Sauerstoffversorgung des Blutes verursacht wird. Die Zyanose entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, die zu einer verminderten oder aussetzenden Atmung führt.
- Atemstillstand: In der tonischen Phase des Anfalls versteifen sich alle Muskeln, einschließlich der Atemmuskulatur. Dies führt zu einem vorübergehenden Atemstillstand, der die Sauerstoffzufuhr unterbricht.
- Eingeschränkte Atmung: Während der klonischen Phase kommt es zu unkontrollierten Zuckungen der Muskeln, was die Atmung erschwert und die Sauerstoffaufnahme reduziert.
- Erhöhter Sauerstoffbedarf: Die Muskelarbeit während des Anfalls erhöht den Sauerstoffbedarf des Körpers. Wenn die Atmung gleichzeitig eingeschränkt ist, entsteht ein Ungleichgewicht, das zur Zyanose führt.
Wann sollte man einen Arzt rufen?
Nach einem ersten Krampfanfall - egal ob im Kindes- oder Erwachsenenalter - ist es in jedem Fall sinnvoll, einen Arzt aufzusuchen. Nur so lassen sich mögliche Ursachen abklären und eventuelle Grundkrankheiten diagnostizieren. Der zuständige Spezialist für Krampfanfälle ist ein Neurologe.
Manchmal merken Betroffene selbst gar nicht, dass sie einen Anfall haben beziehungsweise gerade hatten, etwa bei Absencen. Außenstehende, die es mitbekommen, sprechen das am besten klar an.
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Wenn Sie bei einer anderen Person einen Krampfanfall beobachten, ist es nicht unbedingt erforderlich, den Notarzt zu rufen: Sofern Sie wissen, dass der Patient aufgrund von Krampfanfällen bereits in Behandlung ist und der Krampfanfall nach kurzer Zeit von allein aufhört, ist meist keine ärztliche Hilfe erforderlich.
In folgenden Fällen ist es hingegen immer ratsam, einen Arzt zu alarmieren:
- Wenn ein Krampfanfall erstmals auftritt
- Wenn ein Krampfanfall länger als drei Minuten andauert (Gefahr eines sogenannten Status epilepticus)
- Wenn mehrere Krampfanfälle innerhalb von 30 Minuten auftreten
- Wenn der Betroffene sich ernsthaft verletzt hat (z. B. durch einen Sturz)
Wenn einer der Umstehenden ein Handy oder eine andere Kamera zur Hand hat, ist es in diesem Fall durchaus sinnvoll, den Krampfanfall zu filmen: Ein Video, auf dem der Arzt die Bewegungen und das Gesicht des Krampfenden erkennt, ist für die Diagnostik sehr hilfreich.
Wie gefährlich ist ein Krampfanfall?
Einzelne Krampfanfälle sind meist nicht gefährlich und vergehen von selbst wieder. Lebensgefahr aber besteht bei einem epileptischen Anfall, der länger als fünf Minuten andauert (Status epilepticus). Dieser erfordert umgehend eine medizinische Versorgung.
Grundsätzlich wird es auch gefährlich, wenn jemand einen Krampfanfall in einer nicht gesicherten Situation hat - zum Beispiel am Steuer eines Autos, bei Arbeiten auf dem Dach oder mit einer Motorsäge. Das gilt es für Epileptiker zu beherzigen, auch wenn der letzte Krampfanfall schon längere Zeit zurückliegt.
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Untersuchungen und Diagnose
Zunächst klärt der Arzt, ob tatsächlich ein Krampfanfall vorlag. Dazu schließt er zunächst andere Ursachen aus, die ähnliche Symptome hervorrufen. Hat der Patient tatsächlich einen Krampfanfall, gilt es, die Ursache abzuklären und gegebenenfalls eine Behandlung einzuleiten.
Die genaue Schilderung der Symptome - entweder durch den Patienten selbst oder durch Angehörige - ist bereits sehr hilfreich. Außerdem fragt der Arzt unter anderem:
- Wie lange hat der Krampfanfall angehalten?
- Was ist dem Anfall vorausgegangen? (Manchmal treten kurz vorher ungewöhnliche Empfindungen wie Bauchkribbeln oder ein ungewöhnliches Geruchsempfinden auf oder der Patient hat eine Vorahnung, dass gleich ein Anfall folgt.)
- Wie rasch haben Sie sich / hat sich der Patient nach dem Anfall erholt?
- Gibt es irgendwelche Faktoren, die als Auslöser des Krampfanfalls in Frage kommen (Geräusche, Blitzlicht etc.)?
- Liegt eine Vor- bzw. Grunderkrankung (z. B. Gehirn-Infektion) oder eine kürzliche Kopfverletzung vor?
- Konsumieren Sie / konsumiert der Patient Drogen wie etwa Alkohol? Findet gerade ein Entzug statt?
Mittels Elektroenzephalografie (EEG) werden dann die Hirnströme des Patienten gemessen und aufgezeichnet, um eventuelle Auffälligkeiten zu entdecken. Der Arzt versucht gegebenenfalls auch während der Messung, einen Anfall zu provozieren - zum Beispiel durch bestimmte Lichtreize oder indem er den Patienten absichtlich hyperventilieren lässt.
Ein EEG lässt sich auch über längere Zeit aufzeichnen. Außerdem gibt es die Möglichkeit, den Patienten währenddessen zu filmen (Video-EEG-Überwachung), sodass der Arzt genau sieht, was während eines (möglichen) weiteren Krampfanfalls passiert.
Um mögliche Ursachen für Krampfanfälle ausfindig zu machen, fertigt der Arzt gegebenenfalls mithilfe von Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT, Kernspintomografie) detaillierte Schnittbilder des Gehirns an. Möglicherweise lassen sich darauf strukturelle Veränderungen (wie durch einen Schlaganfall oder einen Tumor) erkennen, die Anfälle hervorrufen.
Blutuntersuchungen geben Hinweise auf Stoffwechselstörungen als eventuelle Auslöser von Krampfanfällen. Urinuntersuchungen sind ebenfalls manchmal hilfreich - etwa zum Nachweis von konsumierten Drogen, die der Patient nicht angegeben hat.
Gegebenenfalls sind weitere Untersuchungen angezeigt. Dazu zählt etwa die Entnahme und Analyse einer Probe der Hirn-Rückenmarksflüssigkeit (Lumbalpunktion), wenn der Verdacht auf eine Infektion des Gehirns als Ursache von Krampfanfällen besteht.
Was tun bei einem Krampfanfall?
Beim Auftreten eines Krampfanfalls ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und besonnen zu handeln. Es sollte dafür gesorgt werden, dass sich der Betroffene nicht verletzt, indem gefährliche Gegenstände aus der Umgebung entfernt werden.
Während des Anfalls sollte man nicht versuchen, den Patienten zu fixieren oder festzuhalten, da dies zu Luxationen, Frakturen und weiteren Verletzungen des Patienten führen kann. Das Einführen eines Beißkeils sollte unterlassen werden, da dies zusätzliche (intraorale) Verletzungen (wie Zahnfrakturen) bewirken kann.
Nach dem Anfall sollte der Betroffene in die stabile Seitenlage gebracht werden, um zu verhindern, dass Speichel oder Erbrochenes in die Atemwege gelangt.
Epilepsie
Epilepsie ist streng genommen keine Krankheit, sondern vielmehr ein Merkmal verschiedener Hirnerkrankungen. Die Ursachen der Krampfanfälle sind meist neurologische Erkrankungen. Laut der "Apotheken Umschau" erlebt ein Drittel der Betroffenen epileptische Anfälle als Kind. Gerade in dieser Entwicklungsphase können Reifungsprozesse im Gehirn oder Infekte gepaart mit einer Reizung der Sinnesorgane einen Anfall auslösen. Weitere mögliche Auslöser sind laut der "Epilepsie Selbsthilfegruppe Hamburg" unter anderem zu wenig Schlaf, am Tag zuvor vergessene Tabletten, Alkohol oder Alkoholentzug sowie Drogen, aufgeregtes Atmen und Dämmerlicht.
Grand Mal-Anfall
Der Grand Mal-Anfall beginnt gelegentlich mit einer sogenannten Aura, die für die Betroffenen durch eine Art Vorgefühl geprägt sein kann. Viele empfinden dies jedoch als eher unspezifisch. In der folgenden tonischen Phase wird der Betroffene ohnmächtig, alle Muskeln versteifen sich - dadurch stürzt der Patient häufig und kann sich Verletzungen zuziehen. Nun folgt die klonische Phase, in der es zu Zuckungen der Arme und Beine kommt. Auch die Zunge kann zucken; häufig zeigt sich dann Schaum vor dem Mund. Möglicherweise verfärben sich Mund und Gesicht blau. In der letzten Phase des Anfalls, der Erholungsphase, verfällt der Betroffene in einen tiefen Schlaf, der entweder Sekunden oder Stunden dauern kann.
Diagnose von Epilepsie
Wichtigstes Kriterium für die Diagnose Epilepsie ist das Auftreten von Anfällen. Deshalb ist eine Anfallsbeschreibung sehr wichtig. Ärzte nehmen in der Regel eine genaue Befragung der Kranken, der Angehörigen sowie von den Personen vor, die die Anfälle beobachtet haben.
Das EEG (Elektroenzephalogramm) ist eine wichtige zusätzliche Untersuchungsmethode zur Bestimmung des Epilepsiesyndroms und sollte bei jedem Betroffenen ein- oder mehrere Male durchgeführt werden.
Dies gilt auch für das MRT (Kernspintomogramm, Magnetresonanztomogramm). Nach internationaler Übereinkunft gehört die Durchführung eines MRT zwingend zur Diagnostik der Epilepsie dazu. Es dient dazu, um strukturelle Veränderungen im Gehirn und möglicherweise der Epilepsie zugrunde liegende und behandelbare Gehirnerkrankungen, wie etwa Tumore, auffinden zu können.
Therapie von Epilepsie
Die meisten epileptischen Anfälle enden nach wenigen Minuten von selbst. Durch unkontrollierte Zuckungen kann sich der Betroffene jedoch an Gegenständen in der Umgebung verletzen. Während des Anfalls ist also dafür zu sorgen, dass sich der Krampfende keine zusätzlichen Schäden zuzieht, indem gefährliche Gegenstände entfernt werden.
Insgesamt erreichen etwa 50 bis 80 Prozent aller Epilepsie-Patienten eine anhaltende Anfallsfreiheit bei geeigneter Dauerbehandlung. Bei einer schweren Form der Epilepsie verordnet der Arzt in der Regel zusätzlich ein Notfallmedikament, das bei Bedarf verabreicht werden kann. Es handelt sich hierbei um Tropfen, die je nach Darreichungsform entweder in die Wangentasche gegeben oder in Form eines Mikroklistiers in den Enddarm eingeführt werden.
Medikamentöse Behandlung
Zur Vorbeugung und Dauerbehandlung epileptischer Anfälle haben sich Valproinsäure, Lamotrigin und Levetiracetam etabliert. Darüber hinaus gibt es klassische Antiepileptika wie Phenobarbital und Primidon, die jedoch starke Nebenwirkungen haben können.
Ihre Effekte erzielen diese Arzneistoffe über Hemmung der Aktivität bestimmter Transmitter des Nervensystems, wodurch sie Krampfanfälle verhindern.
Epilepsiechirurgie
Wenn trotz optimaler Wahl der Antiepileptika in höchster ertragbarer Dosierung keine befriedigende Anfallskontrolle erreicht wird, kommt auch eine chirurgische Therapie des Anfallsleidens in Frage. Nur bei fokalen Epilepsien kann das anfallserzeugende Hirngebiet entfernt werden. Durch Elektrokortikographie ist es möglich, das auslösende Nervengewebe mit einer Genauigkeit von wenigen Millimetern einzugrenzen.
Vagusnerv-Stimulation
Hier reizt ein elektrischer Stimulator entweder in festen Intervallen oder auf Aktivierung durch den Patienten den Vagusnerv mit elektrischen Strömen. Bekommt der Patient das Vorgefühl eines Anfalls, kann er den Auslöser betätigen und dadurch die Anfallsfrequenz senken.
Neurofeedback-Training
Über ein Biofeedback-Modell und Verhaltenstherapie konnten einige Epilepsie-Patienten die Anzahl der Anfälle reduzieren. Beim Neurofeedback werden Gehirnstromkurven auf einem Computerbildschirm dargestellt. Betroffenen ist es dabei möglich, durch Erkennung des eigenen Hirnstrommusters eine bessere Selbstregulation zu erreichen.
Was tun, wenn in meiner Anwesenheit jemand einen Anfall bekommt?
Ruhe bewahren, nicht davonrennen. Den Betroffenen gegebenenfalls aus einem Gefahrenbereich entfernen. Beengende Kleidungsstücke am Hals lösen. Kopf polstern. Krampferscheinungen nicht unterdrücken, den Betroffenen nicht aufrichten, verkrampfte Hände nicht öffnen oder festhalten, Kiefer nicht gewaltsam öffnen, keine Gegenstände zwischen die Zähne schieben. Keine Unterbrechungsversuche: Nicht schütteln, klopfen oder anschreien. Patient nach dem Anfall in stabile Seitenlage bringen, damit eventuell Speichel abfließen kann. Nach dem Anfall bzw. Wiedererlangen des normalen Bewusstseins Hilfe und Begleitung anbieten. Wichtig ist auch, die Dauer des Anfalls zu registrieren. Zumeist sind Anfälle nach ein bis zwei Minuten vorbei.
Welche Umstände können einen epileptischen Anfall auslösen?
Schlafmangel, Alkoholgenuss, Flackerlicht in der Disco, Stress, Überanstrengung oder fieberhafte Infekte können einen Anfall auslösen. Es kann auch zu Anfällen kommen, wenn Antiepileptika nicht eingenommen oder vergessen wurden.
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