Epileptischer Anfall durch Aufregung: Ursachen, Mechanismen und Behandlungsmöglichkeiten

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, von der weltweit über 50 Millionen Menschen betroffen sind, unabhängig von Abstammung, Geschlecht oder ethnischer Zugehörigkeit. In Europa leiden laut WHO-Statistik mehr als sechs Millionen Menschen von 850 Millionen Einwohnern in 53 europäischen Ländern an Epilepsie, wobei jedes Jahr 300.000 neue Fälle diagnostiziert werden. Die Erkrankung ist durch wiederholte epileptische Anfälle gekennzeichnet, die durch plötzliche, unkontrollierte elektrische Entladungen im Gehirn verursacht werden. Diese Anfälle können sich auf vielfältige Weise äußern und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen.

Was ist ein epileptischer Anfall?

Ein epileptischer Anfall, oft auch als Krampfanfall bezeichnet, entsteht durch vorübergehende Störungen der elektrischen Aktivität im Gehirn. Das zentrale Nervensystem besteht aus Milliarden von Nervenzellen, die elektrische Signale erzeugen, empfangen und übertragen. Bei einem Anfall kommt es zu plötzlichen, unkontrollierten Entladungen, die die normale Funktion des Gehirns stören und zu unwillkürlichen Muskelzuckungen, Bewusstseinsverlust oder Veränderungen der Sinneswahrnehmung führen können.

Es gibt über 40 verschiedene Arten von Anfällen, die durch plötzliche, intensive Ausbrüche von elektrischer Aktivität im Gehirn ausgelöst werden, die die Signale unterbricht, die Anweisungen an den Körper weiterleiten. Bei Menschen mit Epilepsie kann mehr als eine Art von Anfällen auftreten. Wer an hohem Fieber, einem niedrigen oder hohen Blutzuckerspiegel, Alkohol- oder Drogenentzug oder einem Hirntrauma leidet, kann anfällig für einen einmaligen Anfall sein. Das ist aber noch keine Epilepsie.

Ursachen epileptischer Anfälle

Die Ursachen für epileptische Anfälle sind vielfältig und nicht immer eindeutig zu bestimmen. Ärzte teilen Anfälle in Gruppen ein, damit sie besser Behandlungen verordnen können. Dabei werden sie jedoch mit einer großen Vielfalt von Symptomen konfrontiert. Einige bekannte Ursachen sind:

  • Genetische Faktoren: In manchen Fällen ist Epilepsie erblich bedingt.
  • Hirnschäden: Traumata, Hirnschädigungen bei der Geburt, Schlaganfälle oder Infektionen können das Gehirn schädigen und Anfälle auslösen. Eindeutige Ursachen für einen Anfall sind ein Trauma, eine Hirnschädigung bei der Geburt, ein Schlaganfall oder eine Infektion. In etwa der Hälfte aller Fälle ist es jedoch schwierig, die Ursache zu bestimmen. MRT-Scans können die Quelle der Hirnaktivität identifizieren und weitere Hinweise auf den Ursprung einer Epilepsie liefern.
  • Entwicklungsstörungen: Bestimmte Entwicklungsstörungen des Gehirns können das Risiko für Epilepsie erhöhen.
  • Stoffwechselstörungen: Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes können in seltenen Fällen Anfälle verursachen.
  • Fieber: Insbesondere bei Säuglingen und Kleinkindern kann hohes Fieber zu Fieberkrämpfen führen. Säuglinge und kleine Kinder entwickeln oft einen Anfall, wenn sie hohes Fieber haben. Es wird bei Kindern von einem Fieberkrampf gesprochen. Prinzipiell kann ein epileptischer Anfall oder eine Epilepsie in jedem Lebensalter auftreten. Manchmal bleibt die Ursache unbekannt.
  • Stress: Psychischer Stress kann die Schlafqualität verschlechtern und den Haushalt von Stresshormonen im Körper verändern. Stress erhöht die Anfallshäufigkeit bei Epilepsie-Patienten. Grund hierfür könnten erhöhte Spiegel von Corticotropin-Releasing-Hormon im Hirn sein, be­richten Forscher der University of Western Ontario in Kanada.

Der Zusammenhang zwischen Aufregung und epileptischen Anfällen

Aufregung, Stress und psychische Belastungen können bei manchen Menschen mit Epilepsie Anfälle auslösen oder die Anfallshäufigkeit erhöhen. Dieser Zusammenhang ist komplex und nicht vollständig verstanden, aber es gibt mehrere Erklärungsansätze:

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  • Stresshormone: Bei Stress und Aufregung werden Stresshormone wie Cortisol und Corticotropin-Releasing-Hormon (CRH) freigesetzt. Studien haben gezeigt, dass CRH im Gehirn von Ratten mit Epilepsie die Aktivität im piriformen Kortex erhöht, einem Hirnareal, das häufig der Ausgangsort von Krampfanfällen ist. Die Arbeitsgruppe um Michael Poulter veröffentlichte ihre Studie in Science Signaling (doi:10.1126/scisignal.aad8676).Stress kann bei Patienten mit einer Epilepsie die Erkrankungen verschlimmern. Insbe­sondere die Anfallshäufigkeit kann zunehmen. Der Grund hierfür ist jedoch weitest­ge­hend unbekannt. Die Forscher untersuchten die Hirne von Ratten und applizierten Corticotropin-Relasing-Hormon. Das Hormon aktiviert die Ausschüttung von Botenstoffen, die in der Neben­nie­ren­rinde die Cortisolausschüttung aktivieren. Da es ein neurotropes Hormon ist, wirkt es jedoch auch auf viele andere Nervenzellen im Hirn ein. Es steuert so unter anderem die neuronale Anpassungen auf externen Stress.Die Wissenschaftler stellten fest, dass das Hormon auf den piriformen Kortex der Ratten einwirkte. Der piriforme Kortex gehört zum primitiven Riechhirn von Säugetieren und ist beim Mensch nach Angaben der Arbeitsgruppe häufig der Ausgangsort von Krampf­an­fällen. Bei gesunden Ratten dämpfte das Hormon die Aktivität dieses Hirnareals. Ratten mit Epilepsie zeigten jedoch eine paradoxe Reaktion. Bei ihnen erhöhte sich die Aktivität im piriformen Kortex, wenn die Wissenschaftler das Hormon applizierten.In weiteren Untersuchungen stellten die Forscher fest, dass das Hormon bei den kranken Ratten ein regulatorisches G-Proteins (RGS2) aktivierte. Die Arbeitsgruppe vermutet, dass dies der Grund für die erhöhte Aktivität im piriformen Kortex ist.
  • Schlafentzug: Stress und Aufregung können zu Schlafstörungen führen. Schlafentzug ist ein bekannter Trigger für epileptische Anfälle.
  • Veränderungen im Lebensstil: Aufregung kann zu Veränderungen im Lebensstil führen, wie z.B. unregelmäßige Mahlzeiten oder Alkoholkonsum, die ebenfalls Anfälle auslösen können.
  • Psychische Faktoren: Die Erkrankung kann Ängste verursachen, und eine Forschungsstudie kam zu dem Schluss, dass Erwachsene mit aktiver Epilepsie dreimal häufiger über Depressionen berichten als Menschen ohne diese Erkrankung.

Symptome epileptischer Anfälle

Die Symptome eines epileptischen Anfalls können je nach Art des Anfalls und betroffenem Hirnareal variieren. Grundsätzlich wird zwischen fokalen und generalisierten Anfällen unterschieden. Beim fokalen Anfall befindet sich die Störung in einem kleinen Bereich in einer der beiden Hirnhälften. Wenn der Anfall nur einmalig auftritt, muss sich daraus keine Epilepsie entwickeln. Erst bei mehreren Anfällen handelt es sich um eine solche. Es gibt auch nicht epileptische Anfälle. Hierfür sind keine unkoordinierten Entladungen von Nervenzellen zu finden. Es liegen andere Ursachen zugrunde. Krampfanfälle sind meist nach ein bis zwei Minuten vorüber. Bei einem fokalen Anfall zeigt die Patientin oder der Patient nicht zielgerichtete Verhaltensweisen. Beispiele sind Schmatzen, Lippenlecken sowie Nesteln. Auch Muskelzuckungen, verkrampfte Gliedmaßen und Muskelschwäche sind beim fokalen Anfall möglich. Während des Anfalls nimmt die Person manchmal ein Kribbeln, Taubheitsgefühle, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Gerüche wahr. Auch plötzliche Angst oder kurze Aussetzer in Sprache oder Gedächtnis treten auf. Weitere Symptome können Herzrasen, Schweißausbrüche, Speichelfluss und Übelkeit sein. Generalisierte Krampfanfälle können im Erscheinungsbild sehr unterschiedlich sein. Teilweise handelt es sich um kurze „Aussetzer“ (sogenannte Absencen oder Bewusstseinsstörungen). Die betroffene Person kann auch länger ohnmächtig werden und stürzen. Es folgt eine Verkrampfung am ganzen Körper mit Zuckungen der Arme und der Beine. Am häufigsten ist ein tonisch-klonischer Anfall. Durch die Anspannung aller Muskeln wird der Körper plötzlich steif (tonische Phase). Es folgt ein Bewusstseinsverlust - und danach kommt die klonische Phase. Dabei zucken die Muskeln krampfartig durch abwechselndes An- und Entspannen. Beim tonisch-klonischen epileptischen Anfall kommt es manchmal zu Zungen- oder Wangenbiss und Einnässen.

Einige häufige Symptome sind:

  • Unkontrollierte Muskelzuckungen oder -krämpfe: Diese können einzelne Muskelgruppen oder den ganzen Körper betreffen.
  • Bewusstseinsverlust: Der Betroffene kann kurzzeitig oder länger bewusstlos sein.
  • Veränderungen der Sinneswahrnehmung: Dazu gehören Kribbeln, Taubheitsgefühle, Lichtblitze, ungewöhnliche Geräusche oder Gerüche.
  • Verhaltensänderungen: Der Betroffene kann verwirrt, desorientiert oder ängstlich sein.
  • Aura: Manche Menschen erleben vor einem Anfall eine Aura, die sich durch bestimmte Gefühle, Gerüche oder visuelle Wahrnehmungen äußern kann. Absencen führen dazu, dass eine Person ausdruckslos wird oder nicht ansprechbar ist und scheinbar „tagträumt“. Tonisch-klonische Anfälle führen dazu, dass der Körper erstarrt und der Betroffene bewusstlos wird. Andere Anfälle können mit plötzlichen Zuckungen einhergehen, während bei manchen Menschen der Körper erschlafft. Manche Menschen leiden unter einer Kombination von Anfällen, während andere nur eine Art von Anfällen erleiden.

Diagnose von Epilepsie

Für die Diagnose wird die Patientin oder der Patient ausführlich befragt und körperlich untersucht. Das Elektroenzephalogramm (EEG) misst die Hirnströme. Die Hirnstromkurve zeigt an, ob eine Neigung zu epileptischen Anfällen besteht. Weitere neurologische Veränderungen im Gehirn lassen sich zum Beispiel mittels der Computertomografie (CT) oder der Magnetresonanztomografie (MRT) darstellen. Auch die Blutuntersuchung kann dabei helfen, mögliche Ursachen für einen Krampfanfall oder eine Epilepsieerkrankung aufzuspüren. Manchmal wird eine genetische Testung veranlasst.

Behandlung von Epilepsie

Die Anfälle lassen sich bei den meisten Menschen durch Antiepileptika (AEDs), die von Ärzten verschrieben werden, stoppen oder eindämmen. Den Ärzten stehen über 20 Antiepileptika zur Verfügung, die sie zur Behandlung von Epilepsie verschreiben können. Diese Medikamente heilen die Krankheit jedoch nicht. Bei etwa 60 % der Menschen mit Epilepsie stoppt das erste verordnete Medikament die Anfälle relativ schnell. Bei manchen Menschen dauert es jedoch länger, bis sie darauf ansprechen und sie benötigen möglicherweise ein anderes Medikament.

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Die gängigsten Behandlungsmethoden sind:

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  • Medikamentöse Therapie: Antiepileptika (AEDs) sind dieStandardmedikamente zur Behandlung von Epilepsie. Sie wirken, indem sie die elektrische Aktivität im Gehirn stabilisieren und die Entstehung von Anfällen verhindern.
  • Chirurgische Eingriffe: In manchen Fällen kann eine Operation sinnvoll sein, um den Bereich im Gehirn zu entfernen, der die Anfälle auslöst.
  • Vagusnervstimulation: Bei dieser Methode wird ein Gerät implantiert, das den Vagusnerv stimuliert und so die Anfallshäufigkeit reduzieren kann.
  • Ketogene Diät: Eine spezielle Diät mit hohem Fett- und niedrigem Kohlenhydratanteil kann bei manchen Menschen mit Epilepsie die Anfallshäufigkeit verringern.
  • Stressmanagement: Da Stress ein bekannter Auslöser für Anfälle sein kann, ist es wichtig, Stress abzubauen und Entspannungstechniken zu erlernen.

Psychogene Anfälle

Es ist wichtig zu erwähnen, dass es auch nicht-epileptische Anfälle gibt, die sogenannten psychogenen Anfälle. Anders als ein epileptischer Anfall entsteht ein psychogener Anfall bzw. psychogener Krampfanfall nicht durch neuronale Störungen mit entsprechenden pathologischen elektrischen Aktivitäten des Gehirns. Stattdessen liegt diesem eine psychische Ursache zu Grunde. Bei psychogenen Anfällen handelt es sich um eine dissoziative Störung, auch als Konversionsstörung bezeichnet. Das bedeutet, dass die Betroffenen in der Regel körperlich gesund sind. Die Ursachen psychogener Anfälle sind somit keine körperlichen Beschwerden, sondern seelische Belastungen, die zu Krankheitszeichen und einer speziellen Symptomatik führen. Ursachen eines psychogenen Anfalls können schwere seelische Belastungen in der Kindheit und Jugend sein, die den Betroffenen teilweise nicht bewusst sind. Hieraus können psychogene Anfälle in Form von automatisierten, reflexartigen Körperreaktionen als Krankheitsbild entstehen, die ursprünglich eine schützende oder abwehrende Funktion hatten. Insbesondere Missbrauch und Vernachlässigung gelten als prädisponierende Faktoren. Das bedeutet, dass diese Erlebnisse die Anfälligkeit für die Entwicklung psychogener Anfälle immens erhöhen können und folglich häufig Ursache für die Anfälle sind. In der BetaGenese Klinik für Psychosomatik und Psychiatrie sind wir auf die Behandlung von psychogenen Anfällen spezialisiert. Hierfür werden in einem gemeinsamen Anamnese-Gespräch die physischen und körperlichen Beschwerden und individuellen Lebensumstände besprochen. Leider ist kein Symptom für die Diagnose einer psychogenen Erkrankung eindeutig, weshalb eine differenzierte Diagnose unabdingbar ist. Dennoch bilden Symptomkonstellationen einen Wahrscheinlichkeitsraum, der den Verdacht nahelegt. Zur Behandlung bei psychogenen Anfällen sind unterschiedliche Formen der Psychotherapie möglich. „Die Patienten lernen in der BetaGenese Klinik in Bonn, psychodynamische Zusammenhänge, Frühwarnzeichen und Auslöser eines psychogenen Anfalls zu identifizieren. In komplizierteren Fällen mit komplexerem Störungsniveau, weiteren psychischen Begleiterkrankungen und zum Beispiel traumatischer Vorgeschichte wird ein differenziertes Behandlungskonzept mit verursachungsspezifischen Therapietechniken entwickelt. Damit werden die zugrundeliegenden Traumata, aber auch Angstzustände, depressive Zustände und psychosomatische Symptomkomplexe behandelt.

Leben mit Epilepsie

Die Diagnose Epilepsie kann eine große Herausforderung darstellen, aber mit der richtigen Behandlung und Unterstützung können die meisten Menschen ein erfülltes Leben führen. Hier sind einige Tipps für den Umgang mit Epilepsie:

  • Nehmen Sie Ihre Medikamente regelmäßig ein: Es ist wichtig, die verordneten Medikamente regelmäßig und in der richtigen Dosierung einzunehmen, um Anfälle zu verhindern.
  • Vermeiden Sie Trigger: Identifizieren Sie mögliche Auslöser für Ihre Anfälle und versuchen Sie, diese zu vermeiden.
  • Achten Sie auf ausreichend Schlaf: Schlafentzug kann Anfälle auslösen, daher ist es wichtig, ausreichend zu schlafen.
  • Reduzieren Sie Stress: Stress kann die Anfallshäufigkeit erhöhen, daher ist es wichtig, Stress abzubauen und Entspannungstechniken zu erlernen.
  • Sprechen Sie mit Ihrem Arzt: Besprechen Sie alle Fragen und Bedenken mit Ihrem Arzt und informieren Sie ihn über alle Veränderungen Ihres Zustands.
  • Suchen Sie Unterstützung: Treten Sie einer Selbsthilfegruppe bei oder suchen Sie professionelle Hilfe, um mit den emotionalen und sozialen Herausforderungen der Epilepsie umzugehen.

Forschung und Fortschritt

Die Wissenschaft half uns, mehr über die komplexe Physiologie des Gehirns herauszufinden und einige Mechanismen aufzuklären, die bei Epilepsie eine Rolle spielen. Auch der Ausgangspunkt der Anfälle im Gehirn konnte lokalisiert werden. Die gute Nachricht ist jedoch, dass das zunehmende Wissen die Entwicklung von zielgerichteten Medikamenten beschleunigt und die Aussicht auf mehr Therapien verbessert. Es gibt viel Hoffnung. Hebbar M, Mefford HC. Recent advances in epilepsy genomics and genetic testing. F1000Res. 2020; 9: F1000 Faculty Rev-185. Published 2020 Mar 12.

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