Epileptischer Anfall und erhöhter Puls: Ursachen, Formen und Behandlungsmöglichkeiten

Epilepsie ist eine neurologische Erkrankung, die durch wiederholte Anfälle gekennzeichnet ist, die durch eine plötzliche, abnormale elektrische Aktivität im Gehirn verursacht werden. Diese Anfälle können sich auf vielfältige Weise äußern, und ein erhöhter Puls kann eine Begleiterscheinung sein. Dieser Artikel beleuchtet die Ursachen, verschiedenen Formen epileptischer Anfälle und ihre Auswirkungen auf den Puls sowie die vielfältigen Behandlungsmöglichkeiten.

Was ist Epilepsie?

Epilepsie (ICD-10 G40) ist ein Oberbegriff für zerebrale Funktionsstörungen, die auf einer neuronalen Netzwerkstörung beruhen. Das Hauptsymptom sind wiederholte Anfälle. Ein epileptischer Anfall ist definiert als ein vorübergehendes Auftreten von subjektiven Zeichen und/oder objektivierbaren Symptomen aufgrund einer pathologisch exzessiven und/oder synchronisierten neuronalen Aktivität im Gehirn.

Ursachen epileptischer Anfälle

Epileptische Anfälle können vielfältige Ursachen haben. Neben einer genetischen Veranlagung können Verletzungen, Entzündungen der Hirnhaut, Schlaganfälle oder Tumore eine Rolle spielen. Auch Stoffwechselstörungen, genetische Faktoren, Kopfverletzungen, gutartige und bösartige Tumore, Hirnhautentzündungen oder Schlaganfälle können entsprechende Veränderungen im Gehirn verursachen, welche solche übermäßigen Entladungen der Neuronen begünstigen. In vielen Fällen bleibt die genaue Ursache jedoch unklar.

Strukturelle Ursachen

Eine strukturelle Epilepsie ist mit umschriebenen pathologischen Hirnveränderungen assoziiert. Diese können erworben oder genetisch bedingt sein. Epileptogene Läsionen sind beispielsweise Hirntumore und Hirninfarkte, Kontusionsdefekte, vaskuläre Malformationen, Enzephalozelen, fokale kortikale Dysplasien, Polymikrogyrie der kortikalen Neurone, hypothalamische Hamartome oder eine Hippocampussklerose. Ebenso kann eine perinatale Hirnschädigung, oft infolge von Sauerstoffmangel während des Geburtsvorgangs, eine Epilepsie verursachen.

Genetische Ursachen

In den letzten Jahren wurden mehrere Hundert Gene und Gen-Veränderungen identifiziert, die vermutlich oder sicher eine Epilepsie (mit)verursachen. Die Mehrzahl der Fälle der idiopathischen generalisierten Epilepsien (IGE) sind polygenetische Erkrankungen. Das Erkrankungsrisiko hängt von verschiedenen genetischen Suszeptibilitätsfaktoren und Umwelteinflüssen ab. Zu den IGE gehören die kindliche und die juvenile Absence-Epilepsie (CAE und JAE), die juvenile myoklonische Epilepsie und die Epilepsieformen mit ausschließlich generalisierten tonisch-klonischen Anfällen.

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Infektiöse Ursachen

Infektionen sind die weltweit häufigste Ursache von Epilepsie. Eine infektiöse Ätiologie bezieht sich auf Patienten mit Epilepsie und nicht auf Patienten, die Anfälle im Verlauf einer akuten Infektion erleiden. Infektiöse Ursachen können regional variieren; typische Beispiele sind Neurozystizerkose, Tuberkulose, HIV, zerebrale Malaria, subakute sklerosierende Panenzephalitis, zerebrale Toxoplasmose und kongenitale Infektionen - etwa durch das Zika- oder Zytomegalie-Virus. Zudem sind post-infektiöse Entwicklungen einer Epilepsie möglich, beispielsweise nach einer viralen Enzephalitis.

Metabolische Ursachen

Eine metabolisch verursachte Epilepsie ist direkte Folge einer Stoffwechselstörung, die epileptische Anfälle als Kernsymptomatik aufweist. Es wird angenommen, dass die meisten metabolisch bedingten Epilepsien einen genetischen Hintergrund haben und nur selten erworben sind.

Mit einer Epilepsie assoziierte Erkrankungen/Situationen sind u.a.:

  • Hypoparathyreoidismus
  • Hämochromatose
  • Porphyrie
  • Störungen des Aminosäurestoffwechsels
  • Pyridoxin-abhängige Epilepsie (PDE)
  • Hyponatriämie beim Syndrom der inadäquaten ADH-Sekretion (SIADH)
  • Urämie
  • Hyper-/Hypoglykämie
  • zerebraler Folsäuremangel

Immunologische Ursachen

Eine immunologische Epilepsie ist auf eine autoimmun vermittelte Entzündung des ZNS zurückzuführen. Hierzu gehören vor allem die Kalium-Kanal-Antikörper (LGI1)-bedingte limbische Enzephalitis und die NMDA-Rezeptor-Antikörper assoziierte Enzephalitis (NMDA = N-Methyl-D-Aspartat).

Formen epileptischer Anfälle

Epileptische Anfälle können sich sehr unterschiedlich äußern. Grundsätzlich werden fokale und generalisierte Anfälle unterschieden.

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Fokale Anfälle

Fokale Anfälle, auch partielle oder lokalisationsbezogene Anfälle genannt, gehen von einem bestimmten Bereich des Gehirns aus und betreffen in der Regel nur eine Gehirnhälfte. Man unterscheidet fokale Anfälle mit Bewusstseinseinschränkung (früher auch komplex-fokal genannt) und fokale Anfälle ohne Bewusstseinseinschränkung (früher einfach fokale Anfälle). Im ersten Fall nimmt der Patient den Anfall nicht bewusst wahr und kann sich später an nichts erinnern. Bei Erwachsenen ist dies die am häufigsten beobachtete Anfallsform.

Die Symptome fokaler Anfälle richten sich nach dem Ursprungsort im Gehirn. Eine häufige Anfallsform fokalen Ursprungs sind vegetative fokale Anfälle. Auch plötzliche Angst, Wut oder Halluzinationen werden beschrieben. Die Sinneswahrnehmung kann durch einen fokalen Anfall gestört werden. So kann Sehen, Hören, Schmecken, Riechen oder Tasten durch den Anfall so beeinträchtigt sein, dass Betroffene Blitze sehen, Geräusche oder Stimmen hören, einen komischen Geschmack im Mund haben, etwas Merkwürdiges riechen oder Temperatur-Missempfindungen, Kribbeln oder Lähmungserscheinungen spüren. Fokale Anfälle mit Bewusstseinsverlust sind häufig durch sogenannte Automatismen geprägt. Patienten wiederholen im Anfall bestimmte Handlungsmuster, wie z. B.

Generalisierte Anfälle

Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen.

Absencen

Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen.

Myoklonischer Anfall

Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.

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Tonisch-klonischer Anfall

Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht. Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.

Atonischer Anfall

Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Epileptischer Anfall und erhöhter Puls

Ein Anstieg von Blutdruck und Puls ist eine typische Begleiterscheinung epileptischer Anfälle, insbesondere bei tonisch-klonischen Anfällen. Während des Anfalls kann die Herzfrequenz extrem erhöht sein, teilweise werden Werte von über 200 Schlägen pro Minute gemessen. Dies ist auf die massive Entladung von Nervenzellen im Gehirn zurückzuführen, die das vegetative Nervensystem aktiviert und zu einer Freisetzung von Stresshormonen wie Adrenalin führt. Diese Hormone erhöhen die Herzfrequenz und den Blutdruck.

Das "epileptische Herz"

Neue Forschungsarbeiten haben die Beziehung zwischen Herz und Hirn in den Fokus gerückt und den Begriff des "epileptischen Herzens" geprägt. Studien deuten darauf hin, dass Epilepsiepatienten ein erhöhtes Risiko für kardiale Erkrankungen wie Herzinsuffizienz haben. Eine durch (wiederholte) epileptische Anfälle verursachte Hypoxie könnte ein möglicher Mechanismus sein, der eine Herzinsuffizienz auslöst. Es wird vermutet, dass eine mögliche autonome Dysregulation aufgrund einer intermittierenden zerebralen Hypoxie die Verbindung zwischen zerebraler Hypoxie und kardialer Dysfunktion vermittelt.

SUDEP (Sudden Unexpected Death in Epilepsy)

Ein plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP) ist eine seltene, aber gefürchtete Komplikation. In den meisten Fällen versterben die Patienten im Schlaf. Es ist noch nicht vollständig geklärt, welche Abläufe genau zum Tod führen. Jedoch kann es im Verlauf von epileptischen Anfällen zu wesentlichen Veränderungen der Herzfrequenz (in Form von sehr hoher Frequenz oder Verlangsamung) und zu einer Störung der Atmung kommen, die dann zum Tod führen können. Das Hauptrisiko für einen SUDEP sind generalisierte tonisch-klonische Anfälle, insbesondere wenn sie im Schlaf auftreten.

Diagnose von Epilepsie

Die Diagnose von Epilepsie basiert auf dem Anfallgeschehen und wird durch Zusatzbefunde erhärtet. Dazu gehören epilepsietypische Potenziale im Elektroenzephalogramm (EEG) und/oder zum Anfallsereignis passende strukturelle Läsionen in der Bildgebung. Auch Schlafentzug führt manchmal zu einem epileptischen Geschehen. Um die Diagnose zu sichern, kommt auch ein Langzeit-EEG, eventuell mit Videoüberwachung, infrage. Kernspintomografie und Computertomografie des Kopfes dienen dem Nachweis oder Ausschluss struktureller Hirnveränderungen als Ursachen der Epilepsie. Um andere Krankheiten als Ursache auszuschließen, sind eventuell weitere Untersuchungen erforderlich. Im EKG lassen sich Herzrhythmusstörungen aufzeichnen, die eine plötzlich eintretende Bewusstlosigkeit auslösen können. Eine Blutuntersuchung dient dem Nachweis von Stoffwechselstörungen. Interessant sind vor allem Blutzucker, Blutsalze sowie Leber- und Nierenwerte.

Behandlung von Epilepsie

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfälle zu kontrollieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. In den meisten Fällen basiert die Behandlung auf einer medikamentösen Therapie mit Antiepileptika. Ggf. begleitet von nicht pharmakologischen Maßnahmen wie ketogener Diät und Psychotherapie.

Medikamentöse Therapie

Täglich eingenommene Antiepileptika sorgen dafür, dass die Nervenzellen gehemmt und dadurch beruhigt werden. Bei knapp 70 Prozent der Patienten helfen solche Medikamente gut. Dabei reicht häufig bereits ein einzelnes Medikament aus, manchmal wirkt nur eine Kombination von zwei oder mehr Medikamenten. Mittlerweile gibt es rund 30 verschiedene Medikamente gegen Epilepsie. Moderne Wirkstoffe haben oft weniger Nebenwirkungen.

Bei der Auswahl des Antiepileptikums spielen altersbedingte Veränderungen der Pharmakokinetik eine große Rolle. Im Alter sind Magensekretion, Blutvolumen und Blutfluss sowie die gastrointestinale Motilität vermindert. Die Serumkonzentration eines Medikaments hängt stark von seiner Proteinbindung ab, vor allem an Serumalbumin. Da die Proteinbindung im Alter deutlich abnimmt, steigt der freie Anteil eines Arzneistoffs im Serum an. Wichtige altersbedingte Veränderungen sind eine Verminderung der Lebermasse und damit des Leberstoffwechsels sowie eine Abnahme der Nierenfunktion. Aufgrund der vielen Interaktionen sind die enzyminduzierenden Antiepileptika (Carbamazepin, Phenytoin, Phenobarbital, Primidon) im Alter nicht zu empfehlen. Sie senken die Serumkonzentrationen beispielsweise von Antidepressiva und Antipsychotika sowie von Benzodiazepinen und Steroiden.

Nicht-medikamentöse Therapien

Für Patienten, bei denen die Antiepileptika nicht ausreichend wirken, kommen weitere Therapiemöglichkeiten in Betracht:

  • Vagusnervstimulation: Ein Schrittmacher wird unter die Haut im Brustbereich implantiert und erzeugt elektrische Impulse, die vom Vagusnerv am Hals ins Gehirn geleitet werden.
  • Tiefe Hirnstimulation: Eine dünne Silikonscheibe mit Platinkontakten wird unter die Kopfhaut geschoben, um eine tiefgehende und fokussierte Stimulierung des Gehirns zu ermöglichen, ohne das Gehirn selbst zu berühren.
  • Chirurgische Verfahren: Bei fokalen Epilepsien kann die Entfernung des Anfallsfokus in Erwägung gezogen werden, wenn der Eingriff ohne größere Gefahr möglich ist.
  • Ketogene Diät: Eine spezielle Diät, die reich an Fetten und arm an Kohlenhydraten ist, kann bei einigen Patienten die Anfallshäufigkeit reduzieren.

Blutdrucksenkende Therapie

Studien deuten darauf hin, dass eine Therapie mit Angiotensin-Rezeptor-Blockern (ARB) epileptische Anfälle verhindern könnte. ARB könnten neuroprotektive Eigenschaften haben, die sich positiv auf Epilepsie und epileptische Anfälle auswirken. Es sei jedoch noch zu früh, diese Blutdrucksenker zur Epilepsieprävention zu empfehlen. Bevor die Richtlinien für die Bluthochdrucktherapie angepasst werden können, sind weitere Studien erforderlich.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Das kann Angehörigen und Betroffenen große Angst machen.

Während eines Anfalls sollte man den Betroffenen vor Verletzungen schützen. In der Regel ist eine medikamentöse Anfallsbehandlung nicht erforderlich, nur bei prolongiertem Anfall.

Leben mit Epilepsie

Die Epilepsie gilt als eine der am besten zu behandelnden neurologischen Erkrankungen der Welt und bis zu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden durch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva anfallsfrei. Da Epilepsie jedoch nicht heilbar ist, gilt die Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel. Diese ist oft nur durch eine lebenslange Einnahme der Anfallssuppressiva möglich, welche dann aber oft ein uneingeschränktes und selbstständiges Leben bis ins hohe Alter ermöglicht.

Vorboten und Auslöser vermeiden

Gelegentlich kündigen sich epileptische Anfälle durch Anzeichen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Stimmungsschwankungen und erhöhte Reizbarkeit bzw. Aggression an. Unter diesen Umständen sollten Patientinnen und Patienten dann potenziell gefährliche Situationen wie das Autofahren, Wandern oder Schwimmen zeitweise meiden.

Lange nicht alle Epileptiker reagieren mit Anfällen auf blitzendes oder flackerndes Licht. Doch auch hier gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Formen einer Epilepsie.

Aufklärung und Vorbeugung

Aufklärung und Vorbeugung, sowie eine konsequente Einnahme der Medikamente, sind mit Abstand der beste Weg, das Risiko zu reduzieren.

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