Epileptischer Anfall: Wann ist der Notruf gerechtfertigt?

Epileptische Anfälle sind in den meisten Fällen harmlos und von kurzer Dauer. Dennoch gibt es Situationen, in denen Erste-Hilfe-Maßnahmen erforderlich sind und ein Notarzt gerufen werden muss. Es ist wichtig zu wissen, wann ein Anfall gefährlich ist und wie man richtig reagiert, um dem Betroffenen bestmöglich zu helfen.

Vielfalt epileptischer Anfälle

Epileptische Anfälle äußern sich vielfältig. Nicht immer kommt es zu den bekannten Krämpfen und Zuckungen des ganzen Körpers. Manchmal ist nur ein einzelner Körperteil betroffen, und der Anfall ist nach wenigen Sekunden vorbei. In solchen Fällen sind Außenstehende oft unsicher, ob und wie sie reagieren sollen.

Dr. Rakicky, Neurologe an der Helios St. Marienberg Klinik Helmstedt, erklärt: „Eine Epilepsie entsteht durch Hirnveränderungen, bei denen die elektrische Erregbarkeit erhöht ist. Ihre Ursache ist vielfältig, aber oft nicht eindeutig. Die Erscheinungsformen einer Epilepsie variieren je nach Ursprungsort im Gehirn. Sie reichen von wenigen Sekunden andauernden Aussetzern, sogenannte Absencen, über Zuckungen einer Extremität bis hin zu komplexen Bewegungs- und Bewusstseinseinschränkungen.“

Es ist wichtig zu wissen, dass nicht jeder Anfall gleichbedeutend mit einer Epilepsie ist. Prof. Dr. Bettina Schmitz, Leiterin des Berliner Epilepsiezentrums am Vivantes Humboldt-Klinikum, erläutert: „Ein epileptischer Anfall ist ein starkes Warnsignal, das immer abgeklärt werden sollte. Nur eine gründliche Diagnose hilft, die richtige Therapie zu finden und das Risiko weiterer Anfälle zu minimieren.“

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Wenn Sie Zeuge eines epileptischen Anfalls werden, ist es wichtig, Ruhe zu bewahren. Der Neurologe Dr. Rakicky versichert: „Das richtige Verhalten ist gar nicht so kompliziert.“

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Allgemeine Maßnahmen:

  • Ruhe bewahren: Ein epileptischer Anfall kann beängstigend wirken, ist aber meist harmlos und nach kurzer Zeit vorbei.
  • Betroffenen nicht allein lassen: Bleiben Sie bei der Person, auch wenn Sie keine Hilfe holen.
  • Verletzungen verhindern: Sorgen Sie dafür, dass sich der Betroffene nicht verletzen kann. Entfernen Sie gefährliche Gegenstände aus der Umgebung und polstern Sie den Kopf mit einer Jacke oder einem Kissen.
  • Atemwege freihalten: Lockern Sie beengende Kleidungsstücke, um dem Betroffenen das Atmen zu erleichtern. Nach dem Anfall ist es wichtig, die Atemwege zu kontrollieren. Bringen Sie die Person gegebenenfalls in die stabile Seitenlage.
  • Nicht festhalten: Halten Sie den Betroffenen nicht gewaltsam fest und versuchen Sie nicht, seinen Mund zu öffnen oder Gegenstände hineinzustecken. Dies kann zu Verletzungen führen.
  • Beobachten und dokumentieren: Achten Sie auf den Verlauf und die Dauer des Anfalls. Notieren Sie die Uhrzeit von Beginn und Ende. Wenn möglich, machen Sie ein Video mit dem Smartphone. Diese Informationen sind für den behandelnden Arzt wichtig.

Spezielle Situationen:

  • Abwesenheitszustände: Wirkt der Betroffene abwesend, verwirrt und desorientiert, sollten Sie ihn aus möglichen Gefahrensituationen herausführen und dafür sorgen, dass er nicht stürzt oder sich verletzt.
  • Krampfanfall mit Bewusstseinsverlust: Verkrampft der Betroffene am ganzen Körper, fällt hin und verliert das Bewusstsein, schützen Sie ihn vor Verletzungen, insbesondere am Kopf.

Wann muss der Notarzt gerufen werden?

In manchen Fällen ist es notwendig, den Notarzt zu rufen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn:

  • Der Anfall länger als fünf Minuten dauert (Status epilepticus). Laut Dr. Curt Beil vom Berufsverband Deutscher Neurologen (BDN) kann in dieser Situation die Regulierung lebenswichtiger Körperfunktionen beeinträchtigt sein, was lebensbedrohlich verlaufen kann.
  • Es kommt zu mehreren Anfällen direkt hintereinander, ohne dass der Betroffene zwischendurch das Bewusstsein wiedererlangt.
  • Atemprobleme auftreten.
  • Verletzungen durch den Anfall entstanden sind.
  • Es sich um den ersten epileptischen Anfall des Betroffenen handelt.
  • Der Betroffene nach dem Anfall nicht wieder zu Bewusstsein kommt.
  • Der Betroffene ein Notfallmedikament erhalten hat. Informieren Sie die Notärzte darüber, damit diese dies bei der Gabe weiterer Medikamente berücksichtigen können.

Prof. Schmitz gibt folgende Anweisungen: „Dauert der Anfall länger als fünf Minuten oder tritt ein zweiter Anfall direkt danach auf, rufen Sie unbedingt einen Notarzt.“

Epilepsie-Notfallausweis und Notfallmedikamente

Menschen mit Epilepsie wird geraten, ständig einen Notfallausweis mit sich zu führen. Dieser enthält Informationen über die Erkrankung, benötigte Medikamente und Kontaktpersonen. Einige Betroffene tragen auch ein Notfallmedikament bei sich, das im Falle eines Anfalls von anderen Personen verabreicht werden kann. Dieses Medikament kann als Tablette in die Wangentasche gelegt oder als Creme in den After gespritzt werden.

Differenzialdiagnose: Nicht jeder Anfall ist Epilepsie

Es ist wichtig zu wissen, dass nicht jeder Krampfanfall ein Zeichen von Epilepsie ist. Ähnliche Symptome können auch bei anderen Erkrankungen oder Zuständen auftreten, wie z.B.:

  • Synkopen: Kurzzeitige Ohnmachten, oft ausgelöst durch plötzlichen Blutdruckabfall.
  • Fieberkrämpfe: Treten vor allem bei Kindern im Alter von sechs Monaten bis fünf Jahren bei hohen Körpertemperaturen auf.
  • Psychogene Anfälle: Werden durch psychische Belastungen ausgelöst und können Epilepsie-Anfällen ähneln.

Prof. Schmitz erklärt: „Deshalb ist es so wichtig, eine sorgfältige Abklärung vorzunehmen. Nur so kann man sicher feststellen, ob es sich um Epilepsie oder eine andere Ursache handelt.“

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Diagnose und Behandlung von Epilepsie

Um eine Epilepsie diagnostizieren zu können, sind genaue Informationen zum Ablauf des Anfalls erforderlich. Betroffene haben häufig keine Erinnerung daran. Hier setzt die Bedeutung von Beobachtungen durch Angehörige oder Umstehende ein.

Das Elektroenzephalogramm (EEG) ist eines der wichtigsten Diagnosewerkzeuge bei Epilepsie. Mit Hilfe von Elektroden, die auf die Kopfhaut gesetzt werden, werden die elektrischen Aktivitäten des Gehirns gemessen. Prof. Schmitz erklärt: „Das EEG kann uns zeigen, ob und wie sich die Nervenzellen im Gehirn ungewöhnlich entladen. Besonders wichtig ist es, zu unterscheiden, ob es sich wirklich um epileptische Entladungen handelt oder ob andere Ursachen für den Anfall verantwortlich sind.“

Neben dem EEG spielen auch weitere Untersuchungen eine Rolle bei der Diagnostik von Epilepsie, wie z.B. eine gründliche Anamnese und Bildgebungsverfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT).

Die Behandlung von Epilepsie zielt darauf ab, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Dies kann durch Medikamente, eine Operation oder andere Therapien erreicht werden.

Leben mit Epilepsie

Menschen mit Epilepsie können ein normales Leben führen, wenn die Erkrankung gut behandelt wird. Es ist jedoch wichtig, bestimmte Risiken zu vermeiden, wie z.B. Schwimmen und Autofahren.

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