Taubheitsgefühl nach Blutsperre: Ursachen, Diagnose und Behandlung

Ein Taubheitsgefühl nach einer Blutsperre ist ein Phänomen, das im Zusammenhang mit verschiedenen medizinischen Eingriffen auftreten kann, insbesondere bei Operationen an den Extremitäten. Um dieses Gefühl und seine Ursachen besser zu verstehen, ist es wichtig, die Mechanismen der Blutsperre und die potenziellen Auswirkungen auf das Nervensystem zu betrachten.

Was ist eine Blutsperre?

Bei operativen Eingriffen an den Extremitäten, insbesondere an der Hand, wird häufig eine Blutsperre eingesetzt, um ein blutarmes Operationsfeld zu gewährleisten. Dies ermöglicht dem Operateur, die feinen anatomischen Strukturen besser zu erkennen und präzise zu arbeiten. Die Blutsperre wird in der Regel durch eine Druckmanschette am Oberarm erzeugt, ähnlich einer Blutdruckmanschette. Vor dem Anlegen der Manschette kann das Blut aus dem Arm herausgewickelt werden (Blutleere).

Ursachen für Taubheitsgefühl nach Blutsperre

Ein Taubheitsgefühl nach einer Blutsperre kann verschiedene Ursachen haben. Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jedes Taubheitsgefühl auf einen Behandlungsfehler zurückzuführen ist.

  • Druckschädigung der Nerven: Die Druckmanschette kann, insbesondere bei längerer Anwendungsdauer, Druck auf die Nerven im Arm ausüben. Dies kann zu einer vorübergehenden oder in seltenen Fällen dauerhaften Schädigung der Nerven führen. Besonders gefährdet ist der Nervus peroneus (Wadenbeinnerv), der bei Druck leicht geschädigt werden kann.

  • Ischämie (Minderdurchblutung): Die Blutsperre unterbindet die Blutzufuhr zum Arm, was zu einer Ischämie führen kann. Dies bedeutet, dass die Nerven und Muskeln im Arm nicht ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt werden. Eine Ischämie kann ebenfalls zu Nervenschäden und Taubheitsgefühl führen.

    Lesen Sie auch: Was tun bei Taubheitsgefühl im Schienbein?

  • Direkte Nervenverletzung: In seltenen Fällen kann es während der Operation zu einer direkten Verletzung von Nerven kommen. Dies kann durch chirurgische Instrumente oder durch Zug oder Druck auf die Nerven verursacht werden.

  • Weitere Ursachen: Es gibt auch andere mögliche Ursachen für Taubheitsgefühl nach einer Operation, wie z.B. Lagerungsschäden, Nachblutungen im Operationsgebiet oder ein Bandscheibenvorfall.

Das Loge-de-Guyon-Syndrom

Eine spezielle Form der Nervenkompression im Handbereich ist das Loge-de-Guyon-Syndrom. Hierbei wird der Ulnarisnerv im Bereich des Handgelenks eingeengt.

Was ist das Loge-de-Guyon-Syndrom?

Beim Loge-de-Guyon-Syndrom handelt es sich um eine Nervenkompression im Bereich des Handgelenkes. Betroffen ist hierbei der sogenannte Ulnarisnerv, der für die Ansteuerung vieler Handmuskeln sowie die sensible Wahrnehmung im Bereich des Unterarm- und Handbereichs verantwortlich ist. Der Nerv ist bei diesem Krankheitsbild im Bereich der Guyon-Loge eingeengt, die sich kleinfingerseitig am beugeseitigen Handgelenk befindet.

Der Ulnarisnerv verläuft vom Oberarm über den Ellenbogen bis zum beugeseitigen Unterarm und Handgelenk. Er gibt auf seinem Verlauf verschiedene Seitenäste ab, die unterschiedliche Funktionen erfüllen. So werden je nach Lokalisation der Nervenkompression unter dem Begriff Loge-de-Guyon-Syndrom verschiedene Krankheitsbilder zusammengefasst, die sich hinsichtlich der Symptomatik unterscheiden.

Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei Taubheitsgefühl in den Füßen

Die Guyon-Loge wird von zwei Handwurzelknochen sowie einem straffen Band begrenzt. Bereits im gesunden Zustand verläuft der Ulnarisnerv hier also durch eine anatomische Engstelle, sodass es schon bei einer geringen mechanischen Bedrängung des Nervens zu einer Kompression mit Symptomen kommt.

Ursachen des Loge-de-Guyon-Syndroms

Ursächlich kann eine Überlastung des Handgelenkes, beispielsweise durch vermehrtes Fahrradfahren oder das Gehen an Unterarmstützen, vorliegen. Häufig führen auch gutartige Tumore zu einer Enge in der Guyon-Loge. In den meisten Fällen handelt es sich dabei um sogenannte Ganglionzysten, die von den kleinen Gelenken im Handwurzelbereich ausgehen. Weitere mögliche Ursachen für das Loge-de-Guyon-Syndrom sind Anomalien von Gefäßen, Muskeln oder Knochen, die auf den Ulnarisnerv drücken. Ebenso kann es auch in Folge von Verletzungen oder Operationen zu einer vermehrten Bildung von Binde- oder Narbengewebe kommen, wodurch die Guyon-Loge einengt wird.

Symptome des Loge-de-Guyon-Syndroms

Die Symptomatik eines Loge-de-Guyon-Syndroms kann je nach Höhe der Nervenschädigung und Beeinträchtigung verschiedener Nervenanteile variieren. In vielen Fällen kommt es zu einer Einengung mehrerer Anteile des Nervens, sodass man von motorischen und sensiblen Ausfällen spricht.

Die motorischen Ausfälle zeigen sich in einer Funktionsstörung verschiedener Handmuskeln. Dabei kann unter anderem die Muskulatur des Kleinfinger- oder Daumenballens betroffen sein. Ebenso kann es auch zu Einschränkungen beim Spreizen der Finger kommen.

Ein weiteres mögliches Symptom ist die sogenannte „Krallenhand“. Hierbei kommt es zu einer Überstreckung in den Fingergrundgelenken, während die Mittel- und Endgelenke gebeugt sind. Die Hand ähnelt somit einer Kralle, wodurch das Erscheinungsbild seinen Namen erhielt.

Lesen Sie auch: Behandlungsmöglichkeiten bei Knieprellung und Taubheitsgefühl

Ein Sensibilitätsausfall zeigt sich in Form von Missempfindungen, Kribbeln oder auch Taubheit, vornehmlich im Bereich des Ring- und Kleinfingers. Die meisten Patienten beklagen zudem einen Druckschmerz im Bereich des kleinfingerseitigen Handgelenkes.

Typischerweise bestehen die Beschwerden nicht dauerhaft, sondern treten vor allem bei Belastung des Handgelenkes auf. Je nach auslösender Ursache für die Nervenkompression können sich die Beschwerden langsam entwickeln oder auch akut einsetzen.

Diagnose des Loge-de-Guyon-Syndroms

Die ärztliche Untersuchung beginnt immer mit einer ausführlichen Anamnese, in der Fragen zu Dauer und Ausprägung der Beschwerdesymptomatik gestellt werden. Hier sind vor allem auch Angaben zu zurückliegenden Unfällen oder Operationen im Bereich des Handgelenkes wichtig. Oft ergibt sich hierdurch bereits der Verdacht auf eine Nervenkompression.

In der folgenden körperlichen Untersuchung werden das Bewegungsausmaß und die Funktion der Unterarm- und Handmuskeln überprüft. Ebenso wird auch das sensible Empfinden im entsprechenden Bereich beurteilt. Bei einseitigen Beschwerden ist der Vergleich mit der Gegenseite besonders wichtig.

Entscheidend für die endgültige Diagnosestellung ist eine elektrophysiologische Untersuchung, bei der direkt die Funktion des Nervens und seiner verschiedenen Anteile überprüft werden kann. Zum Einsatz kommen hier sowohl die Elektromyografie als auch die Elektroneurografie.

Bei der Elektromyografie wird eine dünne Nadelelektrode in einen Muskel eingebracht und die elektrische Aktivität zunächst in Ruhe und dann bei willkürlicher Anspannung des Muskels erfasst. Die Elektroneurografie misst dann direkt die Funktion der entsprechenden Nerven. Aus den elektrophysiologischen Daten lässt sich dann genau ableiten, auf welcher Höhe der Ulnarisnerv komprimiert wird.

Behandlung des Loge-de-Guyon-Syndroms

In einigen Fällen kann auf eine Behandlung des Loge-de-Guyon-Syndroms verzichtet werden. Liegt der Störung beispielsweise eine mechanische Überlastung des Handgelenkes zugrunde, dann kann sich die Beschwerdesymptomatik durch eine Ruhigstellung des Handgelenkes von alleine wieder zurückbilden. Auch Ganglionzysten als Ursache einer Nervenkompression können prinzipiell spontan wieder verschwinden. Hier besteht jedoch ein relativ großes Risiko für ein erneutes Auftreten (Rezidiv).

Bei sehr starken Beschwerden oder einem Fortbestehen der Symptome über einen Zeitraum von etwa sechs bis acht Wochen sollte eine operative Therapie in Erwägung gezogen werden. Es handelt sich dabei in der Regel um einen kleinen Eingriff, der ohne Vollnarkose in Armbetäubung durchgeführt werden kann. Meist wird eine Blutsperre in Form einer speziellen Manschette am Oberarm angebracht, sodass der Operateur eine bessere Sicht auf das OP-Gebiet hat.

Meist reicht ein kleiner Schnitt im Bereich des beugeseitigen Handgelenkes aus, um die Guyon-Loge zu erreichen. Dann werden die verschiedenen Anteile des Ulnarisnervs freipräpariert und dargestellt. Anschließend kann einengendes Gewebe wie etwa Tumore oder Narbengewebe entfernt werden. Hierbei ist ein sorgfältiges Vorgehen sehr wichtig, um umliegende Nerven und Gefäße zu schonen.

Nach Beseitigung der Nervenkompression wird der Hautschnitt wieder vernäht und mit einem sterilen Verband abgedeckt. Die Anlage einer Schiene ist in der Regel nicht notwendig. Auch die Manschette zum Erreichen der Blutsperre wird nach dem Eingriff wieder entfernt.

Prognose und Heilungsverlauf nach der OP

Ein stationärer Aufenthalt ist nach einer Operation an der Guyon-Loge in aller Regel nicht notwendig, sodass die Patienten nach kurzer Zeit der Überwachung im Aufwachraum wieder nach Hause entlassen werden können.

Die erste Kontrolle findet dann am nächsten Tag statt. Bei regelrechter Wundheilung kann das eingebrachte Fadenmaterial nach etwa sieben bis zehn Tagen wieder entfernt werden.

Das Handgelenk sollte in den ersten Tagen nach der Operation geschont werden, kann dann aber zunehmend wieder belastet werden. Wie schnell sich die sensible Empfindung und motorische Funktion der Hand wieder erholen, hängt maßgeblich davon ab, wie lange die Symptome bestanden haben. Je länger die Nervenkompression angedauert hat, desto länger dauert die Regeneration und desto schlechter sind die Heilungschancen. Bei frühzeitiger Therapie des Loge-de-Guyon-Syndroms ist die Prognose jedoch sehr gut.

Spezialisten für das Loge-de-Guyon-Syndrom

Spezialisiert auf die Behandlung eines Loge-de-Guyon-Syndroms sind chirurgische Fachärzte, die eine zweijährige Weiterbildung im Bereich Handchirurgie absolviert haben. In die Diagnostik sind zudem häufig auch Fachärzte für Neurologie eingebunden.

Diagnose von Nervenschäden nach Blutsperre

Die Diagnose von Nervenschäden nach einer Blutsperre umfasst in der Regel eine gründliche körperliche Untersuchung und neurologische Tests. Der Arzt wird die Empfindungsfähigkeit, die Muskelkraft und die Reflexe im betroffenen Arm überprüfen.

  • Anamnese: Der Arzt wird Fragen zur Dauer und Ausprägung der Beschwerden stellen, sowie zu Vorerkrankungen und Unfällen.
  • Körperliche Untersuchung: Überprüfung des Bewegungsausmaßes und der Funktion der Unterarm- und Handmuskeln, sowie des sensiblen Empfindens.
  • Elektrophysiologische Untersuchung: Elektromyografie (EMG) und Elektroneurografie (ENG) zur Überprüfung der Nervenfunktion.
  • Bildgebung: In einigen Fällen können bildgebende Verfahren wie MRT oder Ultraschall eingesetzt werden, um die Nerven darzustellen und andere mögliche Ursachen für die Beschwerden auszuschließen.

Behandlung von Nervenschäden nach Blutsperre

Die Behandlung von Nervenschäden nach einer Blutsperre hängt von der Ursache und dem Schweregrad der Schädigung ab.

  • Konservative Therapie: In vielen Fällen können Nervenschäden durch konservative Maßnahmen behandelt werden. Dazu gehören:
    • Physiotherapie: Übungen zur Stärkung der betroffenen Muskeln und zur Verbesserung der Beweglichkeit.
    • Ergotherapie: Anpassung von Alltagsaktivitäten, um die Belastung des betroffenen Arms zu reduzieren.
    • Medikamentöse Behandlung: Schmerzmittel zur Linderung von Schmerzen und Entzündungshemmer zur Reduktion von Schwellungen.
    • Nervenstimulation: In einigen Fällen kann eine elektrische Nervenstimulation die Nervenregeneration unterstützen.
  • Operative Therapie: In schweren Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um den Nerv zu dekomprimieren oder zu rekonstruieren.

Rechtliche Aspekte

Die Entstehung eines Nervenschadens nach einer Operation wirft häufig die Frage nach einem möglichen Behandlungsfehler auf. Nicht jeder Nervenschaden ist auf einen ärztlichen Fehler zurückzuführen, jedoch gibt es bestimmte Konstellationen, die einer genauen rechtlichen Prüfung bedürfen:

  • Fehlende oder mangelhafte Aufklärung: Der Patient muss vor der Operation über die Risiken von Nervenschäden aufgeklärt werden.
  • Nicht erkannte oder zu spät behandelte Nervenkompressionen: Wenn der Arzt Anzeichen einer Nervenkompression übersieht oder zu spät behandelt, kann dies einen Behandlungsfehler darstellen.
  • Fehlerhafte Operationstechnik: Wenn der Nerv während der Operation durch eine fehlerhafte Technik verletzt wird, kann dies ebenfalls einen Behandlungsfehler darstellen.
  • Unzureichende postoperative Überwachung: Der Arzt muss den Patienten nach der Operation ausreichend überwachen, um mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen.
  • Versäumte oder verzögerte Behandlung: Wenn der Arzt Anzeichen eines Nervenschadens übersieht oder die Behandlung verzögert, kann dies ebenfalls einen Behandlungsfehler darstellen.

Vorbeugung

Um das Risiko von Nervenschäden nach einer Blutsperre zu minimieren, sollten folgende Maßnahmen beachtet werden:

  • Kurze Anwendungsdauer der Blutsperre: Die Blutsperre sollte nur so lange wie unbedingt notwendig angelegt werden.
  • Korrekter Druck der Manschette: Der Druck der Manschette sollte nicht zu hoch sein, um die Nerven nicht unnötig zu belasten.
  • Sorgfältige Lagerung des Arms: Der Arm sollte während der Operation so gelagert werden, dass die Nerven nicht unnötig gedehnt oder komprimiert werden.
  • Aufmerksame Beobachtung des Patienten: Der Arzt sollte den Patienten während und nach der Operation auf Anzeichen von Nervenschäden achten.

tags: #Taubheitsgefühl #nach #Blutsperre #Ursachen