Epileptischer Anfall: Symptome, Erfahrungen und Diagnose

Ein epileptischer Anfall kann sich auf vielfältige Weise äußern, und nicht jedes Zucken deutet auf einen solchen hin. Die korrekte Diagnose ist entscheidend, um rechtzeitig mit einer geeigneten Behandlung zu beginnen. Anamnese, klinische Beobachtung und apparative Diagnostik spielen dabei eine zentrale Rolle, idealerweise bereits in der Notaufnahme.

Vielfalt der Anfallssymptome

Die typische Klinik eines generalisierten epileptischen Anfalls umfasst einen starren Blick, Nesteln, Tonisierung, rhythmische Kloni von kurzer Dauer, einen lateralen Zungenbiss sowie anschließende Somnolenz und Verwirrtheit. Dennoch werden epileptische Anfälle oft fehldiagnostiziert oder nicht erkannt, insbesondere fokale Anfälle, die mit einer Vielzahl von Symptomen einhergehen können. Studienergebnisse zeigen, dass die Rate an Fehldiagnosen eines epileptischen Anfalls oder einer Epilepsie zwischen 4,6 und 30 % liegt.

Pia de Stefano, Neurologin am Universitätskrankenhaus in Genf, betonte auf dem Kongress der European Academy of Neurology (EAN), dass eine schnelle korrekte Diagnostik essenziell ist, um im Falle einer neu diagnostizierten Epilepsie frühzeitig mit einer Medikamentengabe zu beginnen. Dabei muss zunächst festgestellt werden, ob der Anfall provoziert oder nicht provoziert war. Bei einem nicht provozierten Anfall ist zu analysieren, ob dieser den Kriterien einer Epilepsie entspricht.

Fokale Anfälle: Vielfältige Symptome je nach betroffener Hirnregion

Die Symptome bei einem fokalen Anfall hängen davon ab, in welchem Teil des Gehirns die Nervenzellen übermäßig stark feuern. Zuckungen, Verkrampfungen oder Versteifungen bestimmter Körperteile können auftreten. Einige Betroffene spüren lediglich ein Kribbeln, plötzliche Wärme oder Kälte, während andere Halluzinationen erleben. Es ist möglich, dass sie etwas riechen, schmecken, hören oder sehen, das gar nicht vorhanden ist. In anderen Fällen ist das Bewusstsein der Betroffenen gestört, sie wirken benommen, verwirrt oder abwesend. Dies wird als komplexer fokaler Anfall bezeichnet. Häufig lassen sich auch Automatismen wie Kauen und Schmatzen, Scharren mit den Füßen oder Nesteln an der Kleidung beobachten. Die Betroffenen können sich hinterher nicht daran erinnern.

Generalisierte Anfälle: Beteiligung des gesamten Gehirns

Bei generalisierten Anfällen lässt sich keine bestimmte Hirnregion zuordnen, in der der epileptische Anfall entsteht. Während eines Anfalls kann die Ausbreitung unterschiedlich verlaufen und das gesamte Hirnareal betreffen.

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Absencen: Kurze Bewusstseinsstörungen

Bei Absencen kommt es zu einer plötzlichen Bewusstseinsstörung, sodass der Patient bzw. die Patientin seine oder ihre momentane Tätigkeit für die Dauer des Anfalls unterbricht. Die Betroffenen starren bei dieser Form eines epileptischen Anfalls oft ins Leere. Diese Anfälle können mehrere Sekunden dauern und sich stark gehäuft über den Tag wiederholen. Betroffene können sich an den Anfall nicht erinnern und fahren mit ihrer Tätigkeit nach dem Anfall wieder fort. Obwohl diese Anzeichen typisch für Absencen sind, werden sie von Laien vielfach nicht als Symptome einer Epilepsie erkannt. Absencen sind eine häufige Epilepsie-Form des Kindesalters und werden zunächst meist als Unkonzentriertheit oder Träumerei missinterpretiert. Es kann zu wenigen Anfällen innerhalb eines Jahres bis hin zu mehrenden hundert am Tag kommen.

Myoklonische Anfälle: Muskelzuckungen ohne Bewusstseinsstörung

Ein myoklonischer Anfall verursacht keine Bewusstseinsstörungen, sondern äußert sich mit Muskelzuckungen.

Tonisch-klonische Anfälle (Grand-mal-Anfälle): Die bekannteste Anfallsform

Der tonisch-klonische Anfall oder auch Grand-mal-Anfall ist die Anfallsform, die am häufigsten mit der Krankheit Epilepsie in Verbindung gebracht wird. Die Symptome dieses Anfalls äußern sich meist in einem initialen Schrei des Betroffenen, gefolgt von einer Anspannung der Körpermuskulatur, die dann in Zuckungen des Körpers über geht. Ferner kommt es zu einem Bewusstseinsverlust, sodass sich der Patient bzw. die Patientin im Nachhinein nicht mehr an den Anfall erinnern kann. Auch die Blaufärbung der Lippen ist typisch. Sie entsteht durch die Verkrampfung der Atemmuskulatur während des Anfalls, sodass der oder die Betroffene keine Luft bekommt. Der Atemstillstand kann bis zu 30 Sekunden andauern, führt aber nicht zum Ersticken.

Atonische Anfälle: Verlust der Muskelkraft

Verliert man die Muskelkraft, spricht man von einem atonischen Anfall.

Differenzialdiagnose: Nicht jeder Anfall ist eine Epilepsie

Es ist wichtig zu beachten, dass nicht jeder Anfall ein epileptischer Anfall ist. Akut symptomatische Anfälle (ASA) sind einmalige Krampfanfälle, die nicht als Teil einer epileptischen Erkrankung eingestuft werden. Sie treten in engem zeitlichen Zusammenhang mit anderen Erkrankungen auf, wie z. B. als Folge einer Unterzuckerung, einer Hirnschädigung oder eines Schlaganfalls.

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Auch andere Erkrankungen können Anfälle verursachen, die mit Epilepsie verwechselt werden können. Dazu gehören:

  • Synkopen (Ohnmachten): Diese werden durch eine momentane Minderdurchblutung des Gehirns verursacht und können zu Bewusstseinsverlust und Zuckungen führen.
  • Schlaganfall: Insbesondere wenn er nur kurz verläuft und sich vollständig zurückbildet, kann er mit einem epileptischen Anfall verwechselt werden.
  • Migräne: Migräneattacken können von Auren begleitet sein, die sich durch Flimmern vor den Augen, Sprachstörungen oder Halbseitenlähmungen äußern können.
  • Schlafstörungen (Narkolepsie/Kataplexie-Syndrom): Bei manchen Schlafstörungen kommt es zusätzlich zu plötzlichen Anfällen mit Verlust der Körperspannung und Hinfallen (kataplektische Anfälle).
  • Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA): Diese Anfälle haben psychische Ursachen und ähneln epileptischen Anfällen, ohne dass eine Funktionsstörung des Gehirns vorliegt.

Diagnostik: EEG, Bildgebung und Anamnese

Um einen epileptischen Anfall oder eine Epilepsie zu diagnostizieren, sind verschiedene Untersuchungen erforderlich:

  • EEG (Elektroenzephalogramm): Das EEG misst die hirnelektrische Aktivität und kann epilepsietypische Potentiale (ETP) aufzeichnen. Diese sind jedoch nicht immer vorhanden, auch wenn eine Epilepsie vorliegt.
  • MRT (Magnetresonanztomografie): Die MRT ist eine Schichtaufnahme des Kopfes und des Gehirns, mit der Veränderungen der Gehirnstruktur wie Vernarbungen, Missbildungen, Entzündungen oder Tumore erkannt werden können.
  • Anamnese: Die genaue Beschreibung des Anfalls durch den Patienten und/oder Augenzeugen ist entscheidend für die Diagnose. Dabei sollten Anfallsvorgefühle (Prodromi), Auren, Bewusstseinsverlust, Automatismen, Verkrampfungen, die Zeit nach dem Anfall, mögliche Auslöser und die Krankheitsvorgeschichte berücksichtigt werden.

Bedeutung einer frühzeitigen EEG-Untersuchung

Eine möglichst frühzeitige Diagnostik ist wichtig. "Je früher ein EEG erfolgt, desto besser", sagte Rosenow. Wenn möglich, sollte es spätestens am nächsten Morgen durchgeführt werden. Denn innerhalb der ersten 24 Stunden ist die Wahrscheinlichkeit, nach einem epileptischen Anfall tatsächlich epilepsietypische Potenziale (ETP) im EEG zu sehen, höher als danach. Eine Studie aus dem Jahr 2020 mit insgesamt 170 Teilnehmenden belegte sogar eine bessere diagnostische Sicherheit innerhalb von 16 Stunden nach einem nichtprovozierten epileptischen Anfall.

Differenzialdiagnose PNEA: Psychogene nichtepileptische Anfälle erkennen

Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA) sind eine wichtige Differenzialdiagnose, insbesondere in der Notaufnahme. Verschiedene klinische Zeichen können auf einen PNEA hindeuten:

  • Geschlossene Augen während des Anfalls
  • Lange Anfallsdauer (oft mehrere Minuten)
  • Zusammenkneifen der Augen, wenn die untersuchende Person versucht, sie zu öffnen
  • Beckenstöße
  • Stark fluktuierende und asynchrone Bewegungen
  • Bewegungen des Kopfes oder des gesamten Körpers von einer zur anderen Seite

Therapie: Medikamente und Lebensstil

Die Behandlung der Epilepsie zielt darauf ab, Anfälle zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. In den meisten Fällen ist eine medikamentöse Therapie mit Antiepileptika erforderlich.

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Medikamentöse Therapie

Wenn eine Epilepsie neu diagnostiziert wurde, dann vermindert der Therapiebeginn 48 Stunden nach Anfallsereignis das Rückfallrisiko signifikant.

Die übermäßige Aktivität der Neuronen kann zu diversen Störungen führen und sich mitunter auch als typischer motorischer Krampfanfall äußern. Das muss aber nicht so sein. Manche Anfälle werden sowohl von Patientinnen und Patienten als auch Angehörigen kaum wahrgenommen, während andere zu Bewusstlosigkeit, Muskelkrämpfen, Stürzen und Zittern führen können. Ebenso können Störungen des Geruchssinns, Halluzinationen, Wutausbrüche, Migräne und Übelkeit auftreten. Oder Patientinnen und Patienten springen plötzlich auf und werfen Stühle um oder rennen unkontrolliert umher, woran sie sich später nicht erinnern können. Es können also eine Vielzahl unterschiedlicher Symptome und Anfallsformen auf eine Epilepsie hinweisen, was die Diagnose der Erkrankung deutlich erschwert. Sowohl die Dauer, als auch Form und Ausprägung der motorischen und nicht-motorischen Symptome können erheblich variieren. Manche Anfälle dauern nur wenige Sekunden, andere mehrere Minuten. Mal äußern sie sich durch das allseits bekannte Erscheinungsbild der verkrampfenden und zuckenden Muskulatur, andere wiederum äußern sich durch nicht-motorische Symptome. Die häufigste Anfallsform bei Erwachsenen sind komplex-fokale Anfälle, die mit Bewusstlosigkeit einhergehen.

Veränderte Lebensführung

Prinzipiell gibt es die Möglichkeit, durch eine veränderte Lebensführung Anfälle zu vermeiden. Es ist ratsam, für ausreichend Nachtsc…

Prognose und Lebensqualität

Die Epilepsie gilt als eine der am besten zu behandelnden neurologischen Erkrankungen der Welt, und bis zu zwei Drittel der Patientinnen und Patienten werden durch die medikamentöse Therapie mit Antikonvulsiva anfallsfrei. Da Epilepsie jedoch nicht heilbar ist, gilt die Anfallskontrolle als wichtigstes Ziel. Diese ist oft nur durch eine lebenslange Einnahme der Anfallssuppressiva möglich, welche dann aber oft ein uneingeschränktes und selbstständiges Leben bis ins hohe Alter ermöglicht.

Erste Hilfe bei einem epileptischen Anfall

Die Symptome einer Epilepsie treten meist ganz plötzlich und unvermittelt auf, weshalb es entscheidend ist, dass Angehörige genau wissen, wie man schnell und präzise Erste Hilfe während eines Anfalls leistet. Das kann Angehörigen und Betroffenen große Angst machen. Deshalb wird häufig nach Vorboten gesucht, die einen epileptischen Anfall im Voraus ankündigen, um nicht davon überrascht zu werden, zum Beispiel beim Schwimmen oder Baden, wo selbst ein vergleichsweise kleiner epileptischer Anfall gefährlich werden kann. Und gelegentlich kündigen sie sich tatsächlich durch Anzeichen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Stimmungsschwankungen und erhöhte Reizbarkeit bzw. Aggression der Patientinnen und Patienten an. Teilweise sogar schon Tage im Voraus. Unter diesen Umständen sollten Patientinnen und Patienten dann potenziell gefährliche Situationen wie das Autofahren, Wandern oder Schwimmen zeitweise meiden.

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